Kinder- und Jugendgynäkologie Zyklusstörungen Patricia G. Oppelt 50. Internationaler Oster-Seminar-Kongress für pädiatrische Fortbildung 9. 15. April 2017 Brixen
Einteilung Zyklusstörungen Amenorrhoe primär vs. sekundär Regeltempostörungen Oligomenorrhoe Polymenorrhoe Regeltypusstörungen Hypermenorrhoe Zusatzblutungen Schmierblutungen Ovulationsblutung Azyklische und Dauerblutung irreguläre Zusatzblutungen Dysmenorrhoe primär vs. sekundär Hypomenorrhoe Menorrhagie modifiziert nach Schröder R. Lehrbuch der Gynäkologie. Thieme 1959 Patricia G. Oppelt Uni Erlangen
Embryonale Entwicklung Befruchtung: Festlegung des gonadalen Geschlechts Embryonalentwicklung: bis zur 7. Woche Indifferenzstadium Ausbildung primärer Geschlechtsmerkmale: y-chromosom (primäre) Keimstränge + Mark Hoden kein y-chromosom (sekundäre) Keimstränge + Mark Ovar Ausbildung sekundärer Geschlechtsmerkmale: Hoden/Leydig-Zwischenzellen (aus Mark!) Androgene männlicher Phänotyp keine Hoden keine Androgene weiblicher Phänotyp
Feminine Entwicklung: Einflüsse auf Pubertätsbeginn und Verlauf Vererbung Pubertätsgen GPR 54. Ernährung Sport in Fettzellen Synthese von Östrogen Nahrungsentzug (Anorexia nervosa) Leistungssport (Körperfett ) Körperliche Gesundheit Schilddrüsenerkrankungen Schädigung Gehirn Einkommen Ethnische Gruppe Induktion Verzögerung Verzögerung Verzögerung Verzögerung/Induktion
Verlauf Pubertätsentwicklung ca. 2.5 Jahre nach Beginn Thelarche ist die erste Monatsblutung zu erwarten
Wann ist eine Zyklusstörung nach Menarche abklärungsbedürftig ---> bis zu 2 Jahre nach Einsetzen der Menarche sind Zyklusstörungen physiologisch ---> 50 80 % der Zyklen sind in den ersten zwei Jahren anovulatorisch ---> fehlen Androgenisierungszeichen müssen Zyklusstörungen erst ab 2 Jahre nach Menarche abgeklärt werden ---> bei Androgenisierungszeichen sollten Zyklusstörungen früher/zeitnah abgeklärt werden Patricia G. Oppelt Uni Erlangen
Kinder- und Jugendgynäkologie Zyklusstörungen Allgemeines Oligo-/Amenorrhoe juvenile Dauerblutung primäre Amenorrhoe Dysmenorrhoe 7
Oligomenorrhoe - Amenorrhoe Hyperandrogenämie Inzidenz: 8-26 % bei Jugendlichen bei 1/3 der Mädchen mit Zyklusstörungen liegt eine Hyperandrogenämie vor häufigste Hormonstörung im fertilen Alter Hauptmanifestationen: Zyklusstörung (Oligomenorrhoe, Amenorrhoe) aufgrund Anovulation kutane Androgenisierung Hirsutismus Akne/Seborrhoe Haarausfall Adipositas/Insulinresistenz Patricia G. Oppelt Uni Erlangen
Hyperandrogenämie Diagnostik: Anamnese (Zyklus, Androgenisierungszeichen) Inspektion äußeres Genital (Klitorishypertrophie) Sonographie abdominal (falls GV vaginal) Blutentnahme 3.- 5. ZT: LH, FSH, E2, Prolaktin, Testosteron, SHBG, FAI, 17-OHP HOMA-Index oder erweiteter ogtt (bei ovarieller HA) ACTH-Test (bei V.a. adrenaler HA) Patricia G. Oppelt Uni Erlangen
Kinder- und Jugendgynäkologie Zyklusstörungen Allgemeines Oligo-/Amenorrhoe juvenile Dauerblutung primäre Amenorrhoe Dysmenorrhoe 10
Juvenile Dauerblutung Definition: zyklusunabhängige anhaltende Blutung in der Adoleszenz Ursache: am häufigsten Follikelpersistenz, Hämophilie Symptome: Müdigkeit Kreislaufdysregulation Leistungsminderung -> Anämie Göretzlehner G, Göretzlehner U, Harlfinger W. Zur Nomenklatur von Zyklusstörungen. Der Frauenarzt 2005; 46(1): 34-37 Patricia G. Oppelt Uni Erlangen
Juvenile Dauerblutung Diagnostik: Anamnese (v.a. Blutungsneigung) Grav-Test Inspektion äußeres Genital, ggf. Speculum Sonographie abdominal (falls GV vaginal): Endometriumsdicke!!! Blutentnahme BB, Ferritin, Gerinnungsscreening bei V.a. Blutungsneigung, primär keine Hormonbasisdiagnostik notwendig Patricia G. Oppelt Uni Erlangen
Juvenile Dauerblutung Therapie: 1. Blutungsstopp: Endometrium hochaufgebaut Kombinationspräparat (Estradiol 2 mg oder Ethinylestradiol 30 µg mit z.b. Dienogest, Chlormadinonacetat Endometrium flach Estrogenmonotherapie für 10 Tage z.b. Estradiolvalerat 2 mg, Ethinylestradiol 30 µg gefolgt von Kombinationspräparat (min. 12 Tage) 2. Dauertherapie falls Anämie Kombinationstherapie zyklisch 3. Therapie der Anämie Ov D Slayden, Robert M Brenner. A critical period of progesterone withdrawal precedes menstruation in macaques. Reproductive Biology and Endocrinology 2006, 4(Suppl 1):S6 Patricia G. Oppelt Uni Erlangen
Kinder- und Jugendgynäkologie Zyklusstörungen Allgemeines Oligo-/Amenorrhoe juvenile Dauerblutung primäre Amenorrhoe Dysmenorrhoe 14
Primäre Amenorrhoe Anna 15-jähriges Mädchen primäre Amenorrhoe, Körpergröße: 167 cm (Zielgröße: 168 cm), Gewicht: 61 Kilo keine (zyklischen) Unterbauchschmerzen Thelarche mit ca. 11 Jahren, seitdem auch Pubarche U-Untersuchungen und J1 (mit 13 Jahren) unauffällig hatte noch keinen Geschlechtsverkehr
Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom (MRKH-Syndrom) Hemmungsfehlbildung der Müllergänge, Assoziation mit Nieren- und Skelettfehlbildung Inzidenz 1:5000 weiblichen Neugeborenen Diagnose: in Neonatalperiode: häufig nicht erkannt in Pubertät: primäre Amenorrhoe Zusatzbefund (häufig): Nierenfehlbildungen Skelettfehlbildungen Leistenbrüche Schwerhörigkeit
Primäre Amenorrhoe Luisa 15-jähriges Mädchen primäre Amenorrhoe, Körpergröße: 176 cm (Zielgröße: 166 cm); Gewicht: 58 Kilo keine (zyklischen) Unterbauchschmerzen Thelarche mit ca. 12 Jahren, bisher keine Pubarche keine Axillarbehaarung U-Untersuchungen unauffällig, J1 nicht durchgeführt hatte noch keinen Geschlechtsverkehr
Kompletter Androgenrezeptordefekt (CAIS) Therapie Therapie: (nach humangenetischer Sicherung) primär keine Entfernung der Gonaden, ggf. Verlagerung für Kontrollen Kontrolle der Testen per Ultraschall jährlich aufgrund malignem Entartungsrisiko Konstruktion einer Neovagina Hormonsubstitution (je nach Gonadenentfernung) => Patientin ist psychosozial als Frau integriert!
Operative Strategie: Neovagina Laparoskopisch assistierte Neovagina-Anlage Laparoskopisch assistierte Neovagina-Anlage Modifiziert nach Vecchietti Methode der Wahl Dehnung des Vaginalgrübchen intraabdominal Fadenführer von kranial nach kaudal retroperitoneal vor der Bauchdecke werden Spannfäden unter Zug gehalten Verletzungsarm bzgl. Blase und Rektum Vaginalphantom bis zur kompletten Epithelialisierung Vorteil: Neovagina besteht aus unverhornenden Plattenepithel mit normaler Lubrikation möglich kein Narbenbildung Brucker S, Oppelt P, Ludwig KS, Wallwiener D, Beckmann MW, Refresher Vaginale und uterine Fehlbildungen, Geburtsh Frauenheilk 2005; 65: R 221-244
Kinder- und Jugendgynäkologie Zyklusstörungen Allgemeines Oligo-/Amenorrhoe juvenile Dauerblutung primäre Amenorrhoe Dysmenorrhoe 20
Definition Dysmenorrhoe schmerzhafte, z.t. kolikartige Krämpfe im Unterleib, die bis in den Rücken oder in die Oberschenkel ziehen können Durchfall, Übelkeit und Erbrechen, auch Verstopfung Kopfschmerzen, Migräne erheblicher Einfluss auf Allgemeinbefinden Patricia G. Oppelt Uni Erlangen
Definition Dysmenorrhoe primäre Dysmenorrhoe ohne Beteiligung von organischen Grunderkrankungen Einsetzen mit erster Blutung (Menarche) sekundäre Dysmenorrhoe organischer Auffälligkeiten (z.b. Endometriose, Myome, Zysten, Uterusanomalien) kupferhaltigen Spiralen psychosomatische Komponenten Patricia G. Oppelt Uni Erlangen
Dysmenorrhoe Prävalenz 16 % bis 91 % der Frauen im reproduktivem Alter mit Dysmenorrhoe 2 % - 29 % mit schwerer Dysmenorrhoe Patricia G. Oppelt Uni Erlangen
Endometriose zentrale Fakten Inzidenz / Prävalenz Ca. 30.000 Neuerkrankungen pro Jahr 4-15 % aller Frauen im geschlechtsreifen Alter 30-50 % bei Frauen mit Sterilität/Infertilität 16 Millionen Frauen in Europa Symptomatik Unterbauchschmerzen Lebensqualitätsverlust Sterilitätsproblematik Erste Symptome bereits in der Pubertät!!!! Patricia G. Oppelt Uni Erlangen
Endometriose zentrale Fakten Problematik unspezifische Symptome Ausprägung korreliert nicht mit den Beschwerden Sehr hohe Morbidität auch durch multiple Operationen Diagnostik per Laporoskopie 7 Jahre von ersten Symptomen bis zur Diagnose!!! (5 6 verschiedene Ärzte konsultiert)
Endometriose bei Adoleszentinnen 880 Adoleszentinnen zwischen 10-21(24) Jahre Endometriose laparoskopisch gesichert: 75 % bei therapierefraktären UB-Schmerzen (CPP) (ständige bzw. rez. zyklische o. azyklische Schmerzen mehr als 3/6 Monate; Dysparneuie) 70 % bei Dysmenorrhoe 49 % CPP unabhängig von Ansprechen med. Therapie Ausprägung nach AFS I-IV Grad I 50 % Grad II 27 % Grad III 18 % Grad IV 14 % Universitäts-Fortpflanzungszentrum Janssen EB. Prevalence of endometriosis diagnosed Franken by (UFF) laparoskopy in adolescents with dysmenorrhoa or chronic pelvic pain: a systemic review. Patricia HumanReproductupdate G. Oppelt 2013. Uni Erlangen 19(5) 570-82
Dysmenorrhoe Therapie - Schmerzmittel nicht-steroidale Entzündungshemmer (NSAID) Ibuprofen Dosierung Ibuprofen bis 12. Lj alle 6-8 Stunden; max. 20-30 mg/kg KG ab 12. Lj 400 mg pro Dosis; max. 1.200 mg/d ab 15 Lj. 400-600 mg pro Dosis; max. 2.400 mg/d Dosierung Naproxen ab 12. Lj. 500 mg initial, max. 750 mg/d Häufige Fehler: Naproxen zu niedrige Anfangsdosierung zu später Beginn, keine Dauermedikation Harel Z. Dysmenorrhea in adolescent and young adults: an update on pharmacological strategies. ExpertOpinPharmacother2012; 13(15): 2157-70 Patricia G. Oppelt Uni Erlangen
Dysmenorrhoe Therapie hormonelle Kontrazeptiva Daten zu oralen Kontrazeptiva bzgl. Wirksamkeit bei Dysmenorrhoe gegen Plazebo sind vorhanden Daten zu EE-Dosierung (30 vs. 20 µg) unterschiedlich, aber 20 µg EE scheinen ausreichend Durchgehende Einnahmeschema = Langzyklus scheinen einen Vorteil gegenüber zyklischer Gabe zu haben Hee L, Ozer Kettner L, Vejtrop M: Continious use of oral contraceptives: an orverview of effects and side-effects ACTA 2013 92 1125-136 Apgar B, Kaufmann AH et al. Treatment of Menorrhaghia AAFP 2007 75 (12) 1813-18 Patricia G. Oppelt Uni Erlangen
Dysmenorrhoe bei Adoleszentinnen Vorgehen Therapie in UFK (Versuch mit Mönchspfeffer = Agnus castus) Einstellung auf Schmerzmittel Einstellung auf OCP (EE/Dienogest, EE/CMA, EE/Drospirenon) WV nach 3 Monaten oder bei Beschwerden jederzeit Beschwerdefreiheit weiter mit begonnener Therapie Besserung ohne komplette Beschwerdefreiheit weiter für 3 weitere Monate oder kontinuierliche Einnahme oder Umstellung auf ein anderes Präparat (nach 3-6 Monaten) kein Benefit (med. Umstellung) oder LSK nach 3/6 Monaten Hee L, Ozer Kettner L, Vejtrop M: Continious use of oral contraceptives: an orverview of effects and side-effects ACTA 2013 92 1125-136 Apgar B, Kaufmann AH et al. Treatment of Menorrhaghia AAFP 2007 75 (12) 1813-18 Patricia G. Oppelt Uni Erlangen
Zyklusstörungen Zusammenfassung Hyperandrogenämie häufigste endokrinologische Störung im fertilen Alter -> frühzeitige Abklärung bei Diagnostik der primären Amenorrhoe auf die Abläufe der Pubertätsentwicklung achten Dysmenorrhoe weit verbreitet oft verkannt -> aktiv nachfragen Endometriose weit verbreitet oft verkannt Patricia G. Oppelt Uni Erlangen