Algebraische Strukturen und Verbände

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Transkript:

KAPITEL 4 Algebraische Strukturen und Verbände Definition 4.1. Sei M eine Menge. Eine Abbildung : M M M nennt man eine (zweistellige) Verknüpfung in M. Man schreibt dafür auch a b := (a, b) mit a, b M. Eine Verknüpfung nach Definition 4.1 heißt kommutativ : a, b M : a b = b a assoziativ : a, b, c M : a (b c) = (a b) c Eine Menge M zusammen mit k Verknüpfungen 1,..., k nennt man eine algebraische Struktur und schreibt dafür (M, 1,..., k ). Beispiel 4.2. 1) Eine algebraische Struktur für die Menge der natürlichen Zahlen ist (N,+). 2) (R n n,+, ) ist eine algebraische Struktur. Dabei sind die beiden Verknüpfungen definiert durch wobei (a ij ) + (b ij ) := (a ij + b ij ) (a ij ) (b ij ) := (c ij ) c ij := n a ik b kj k=1 Die Menge R n n bezeichnet die (quadratischen) (n n) Matrizen mit Matrixelementen in R. Die Addition von Matrizen ist also elementweise zu verstehen, die Multiplikation ist die gewöhnliche Matrizenmultiplikation. 3) Sei M eine Menge und F := {f f : M M Abbildung} Dann bildet (F, ) eine aalgebraische Struktur, wobei die Komposition von Abbildungen bezeichnet. 4) Sei Π die Menge aller reellen Polynome: Π := {p p : R R Polynom} := {p p = a 0 + a 1 x +... a n x n } 27

28 4. ALGEBRAISCHE STRUKTUREN UND VERBÄNDE Dann ist (Π,+,, ) eine algebraische Struktur, wobei die Verknüpfungen + und im Sinne der Addition und Multiplikation über R zu verstehen sind, die Komposition von Abbildungen bezeichnet. 5) Sei M eine Menge. Dann ist (P(M),,, \) eine algebraische Struktur Definition 4.3. Eine algebraische Struktur (G, ) mit einer assoziativen Verknüpfung nennt man auch eine Halbgruppe. Gilt darüber hinaus e G a G : e a = a e = a (neutrales Element) a G a 1 G : a a 1 = a 1 a = e (inverses Element) so nennt man (G, ) eine Gruppe. Eine Gruppe heißt abelsch, falls die Verknüpfung kommutativ ist. Beispiel 4.4. Definition 4.5. Seien (M, 1,..., k ) und (N, 1,..., k ) algebraische Strukturen. Eine Abbildung ϕ : M N nennt man Homomorphismus, falls gilt: i {1,..., k} a, b M : ϕ(a i ) = ϕ(a) i ϕ(b) Einen Homomorphismus bezeichnet man auch als strukturerhaltende Abbildung. Ein bijektiver Homomorphismus heißt Isomorphismus. Einen Isomorphismus ϕ : V V nennt man auch Automorphismus. Zwei algebraische Strukturen heißen daher zueindander isomorph, falls eine Isomorphismus zwischen beiden existiert. Beispiel 4.6. 1) Die wohlbekannte Funktion ln x auf R ist ein Homomorphismus bzgl. der algebraischen Strukturen (R +, ) und (R,+). Es gilt mit ln : (R +, ) (R,+) ln(xy) = ln x + ln y für x, y R. 2) Die Abbildung exp : (R,+) (R +, ) ist strukturerhaltend, denn er gilt exp(x + y) = exp(x) exp(y) für x, y R. 3) Die Determinante von Matrizen ist ein Homomorphismus denn es gilt für A, B R n n. det : (R n n, ) (R n n, ), det(a B) = det A det B

4. ALGEBRAISCHE STRUKTUREN UND VERBÄNDE 29 4) Die Abbildung : (P(M), ) (P(M), ) mit ist ein Homomorphismus, da A := M \ A A B = A B 5) Die Funktion f : (C, ) (C, ) definiert durch f(z) = z 2, z C ist ein Homomorphismus, denn es gilt Definition 4.7. (zw) 2 = z 2 w 2 1) Eine algebraische Struktur (V, 1, 2 ) nennt man Verband, falls gilt I) (V, 1 ) und (V, 2 ) sind kommutative Halbgruppen. II) Es gelten die Absorptionsgesetze a, b V a, b V : a 1 (a 2 b) = a : a 2 (a 1 b) = a 2) Einen Verband nennt man distributiv, falls gilt: a 1 (b 2 c) = (a 1 b) 2 (a 1 c) a 2 (b 1 c) = (a 2 b) 1 (a 2 c) Diese beiden Gesetze heißen Distributivgesetze. 3) Sei V ein Verband. Die Elemente 0 V und 1 V nennt man Null und Einselement, falls gilt a V : 0 1 a = 0 a V : 0 2 a = a a V : 1 1 a = a a V : 1 2 a = 1 4) Einen Verband V nennt man komplementär, falls er das Null und Einselement enthält und zu jedem a V ein komplementäres Element a V existiert, d.h. es gilt a 1 a = 0, a 2 a = 1 5) Ein komplementärer und distributiver Verband heißt Boolescher Verband oder Boolesche Algebra. Beispiel 4.8. 1) Nach den Regeln der Mengenalgebra ist (P(M),, ) ein distributiver Verband. Das Nullelement ist die leere Menge. Der Verband ist mit A := M \ A auch komplementär. Also ist (P(M),, ) eine Boolesche Algebra. 2) (N, ggt, kgv ) ist ein distributiver Verband. Das Nullelement ist die 1 N; der Verband besitzt jedoch kein Einselement und ist somit keine Boolesche Algebra!

30 4. ALGEBRAISCHE STRUKTUREN UND VERBÄNDE 3) Wir setzen B := {0, 1} mit den Verknüpfungen i 1 j := min(i, j), i 2 j := max(i, j) Analog definieren wir für B n := {(i 1,..., i n ) i k {0,1}} (i 1,..., i n ) 1 (j 1,..., j n ) := (min(i 1, j 1 ),...,min(i n, j n )) (i 1,..., i n ) 1 (j 1,..., j n ) := (max(i 1, j 1 ),...,max(i n, j n )) Damit ist (B n, 1, 2 ) ein distributiver Verband mit Nullelement 0 = (0,...,0) und Einselement 1 = (1,...,1). Weiterhin ist B n auch komplementär mit (i 1,..., i n ) := (i 1,..., i n ) { 0 ik = 1 i k := 1 i k = 0 Satz 4.9. 1) Besitzt ein Verband ein Null bzw. Einselement, so ist dieses eindeutig bestimmt. 2) In einem distributiven Verband gilt die folgende Kürzungsregel: a, b, c V : (a 1 b = a 1 c (a 2 b = a 2 c b = c) 3) In einer Booleschen Algebra sind die Komplemente eindeutig bestimmt. Beweis 4.10. 1) Sind 0 und 0 zwei Nullelemente so gilt 0 1 0 = 0 0 1 0 = 0 Da die Verknüpfung 1 kommutativ ist, folgt daraus 2) Aufgrund des Absorptionsgesetzes gilt 0 = 0 1 0 = 0 1 0 = 0 b = b 2 (a 1 b) Nach Voraussetzung ist a 1 b = a 1 c und Anwendung des Distributivgesetzes ergibt b = (b 2 a) 1 (b 2 c) Wieder nach Voraussetzung gilt a 2 b = a 2 c und 2 ist kommutativ: b = (a 2 c) 1 (b 2 c) Mit Hilfe des Distributivgesetz, der Voraussetzung und des Absorptionsgesetzes ergibt sich schliesslich b = (a 1 b) 2 c = (a 1 c) 2 c = c 3) Sind a und ã zwei komplementäre Elemente zu a, so gilt: Aus der Kürzungsregel folgt direkt a = ã. a 1 a = a 1 ã = 0 a 2 a = a 2 ã = 1

4. ALGEBRAISCHE STRUKTUREN UND VERBÄNDE 31 Man kann auch zeigen, dass die Umkehrung von b) gilt, d.h. jeder Verband, in dem die Kürzungsregel gilt, ist distributiv. Im folgenden beschäftigen wir uns mit dem Zusammenhang zwischen Verbänden und geordneten Mengen. Definition 4.11. Sei (V, ) eine geordnete Menge. Existiert für alle a, b V das Infimum inf(a, b) und das Supremum sup(a, b), so nennt man (V, ) eine verbandsgeordnete Menge. Satz 4.12. 1) In einem Verband (V, 1, 2 ) gelten die Idempotenzregeln a 1 a = a, 2) Ist (V, 1, 2 ) ein Verband, so definiert man a 2 a = a a b : a 1 b = a Dann ist (V, ) eine verbandsgeordnete Menge und es gilt a 1 b = inf(a, b), a 2 b = sup(a, b) 3) Ist umgekehrt (V, ) eine verbandsgeordnete Menge, so definiert man die beiden Verknüpfungen 1 und 2 : a 1 b := inf(a, b), a 2 b := sup(a, b) Dann ist (V, 1, 2 ) ein Verband und es gilt: a b a 1 b = a a 2 b = b Beweis 4.13. 1) Nach dem Absorptionsgesetz gilt und a 1 a = a 1 (a 2 (a 1 b)) = a 1 (a 2 b) = a a 2 a = a 2 (a 1 a) = a 2) Sei (V, 1, 2 ) ein Verband. Die Beziehung a b : a 1 b = a definiert eine Ordnung mit a a, da a 1 a = a und Weiter gilt a b b a a 1 b = a b 1 a = b a = b a b b c a 1 b = a b 1 = b a 1 c = (a 1 (a 2 b)) 1 c nach dem Absorptionsgesetz. Nun ist und daraus folgt a 2 b = b 2 a = b 2 (a 1 b) = b a 1 c = a 1 (b 1 c) = a 1 b = a

32 4. ALGEBRAISCHE STRUKTUREN UND VERBÄNDE und somit a c. Wir haben ferner bewiesen, dass (4.1) a 1 b = a a 2 b = b Seien nun a, b V. Wir zeigen: a 2 b = inf(a, b): nach Definition und mit (4.1) a 1 b a (a 1 b) 1 a = a 1 b (a 1 b) 1 a = a 1 b (a 1 b) 2 a = a nach Absorptionsgesetz. Analog gilt a 1 b b. Damit ist a 1 b eine untere Schranke von a und b. Sei nun c eine untere Schranke von a und b, also c a und c b. Dann gilt nach (4.1) und daher c 1 a = c, c 2 a = a, c 1 b = c, c 2 b = b c 1 (a 1 b) = (c 1 a) 1 b = c 1 b = c Damit ist a 1 b die größte untere Schranke, also a 1 b = inf(a, b). Analog zeigt man a 2 b = sup(a, b). 3) Sei (V, ) verbandsgeordnet. Dann gilt analog für 2, a 1 b a 2 b = inf(a, b) = inf(b, a) = b 1 a = inf(a, b) = inf(b, a) = b 2 a (a 1 b) 1 c = inf(inf(a, b), c) = inf(a, b, c) = a 1 (b 1 c) a 1 (a 2 b) = inf(a,sup(a, b)) = a a 2 (a 1 b) = sup(a,inf(a, b)) = a Damit ist (V, 1, 2 ) ein Verband und der Zusatz folgt aus (4.1). Nach den Aussagen des Satzes 4.12 ist also ein Verband und eine geordnete Menge, für die inf(a, b) und sup(a, b) für alle a und b existieren, ein und dasselbe. Erinnern wir uns an Kapitel 3, so hatten wir endliche, geordnete Mengen mit Hilfe des Hasse Diagramms graphisch veranschaulicht. Da wir nun einen Verband als geordnete Menge identifiziert haben, können wir endliche Verbände ebenfalls durch Hasse Diagramme darstellen. Die zusätzliche Eigenschaft, dass Infimum und Supremum existieren, bedeutet im Hasse Diagramm, dass je zwei Punkten eindeutig nach oben und unten verbunden sind. Daher rührt auch letzlich der Name Verband.

Beispiel 4.14. Verbände sind 4. ALGEBRAISCHE STRUKTUREN UND VERBÄNDE 33 Diamant Pentagon Dagegen stellt das Hasse Diagramm c d a b keinen Verband dar, da sup(a, b) und inf(c, d) nicht existieren. In einem Verband gilt das folgende Dualitätsprinzip: Satz 4.15. Jede Formel in einem Verband, in dem nur die Verknüpfungen 1 und 2 verwendet werden, bleibt richtig, wenn überall 1 und 2 vertauscht werden. Man bezeichnet die Formel mit vertauschten Verknüpfungen auch als duale Aussage. Hat man also einen Beweis für eine Formel und vertauscht darin 1 und 2, so erhält man einen Beweis für die duale Aussage. Satz 4.16. 1) Besitzt ein Verband V ein Null und Einselement, so gilt: 0 = min V, 1 = max V 2) Jeder endliche Verband besitzt ein Null und ein Einselement.

34 4. ALGEBRAISCHE STRUKTUREN UND VERBÄNDE Beweis 4.17. 1) Da wir einen Verband als verbandsgeordnete Menge auffassen können, gilt a V : 0 = 0 1 a = inf(0, a) a V : 1 = 1 2 a = sup(0, a) Mit der Definition eines Maximums und Minimums folgt direkt 0 = min V 1 = max V 2) Sei V = {x 1,..., x n } ein endlicher Verband. Wir definieren nun u, v V wie folgt: u := v := x 1 für k = 2,3,..., n begin end Haben wir alle Schleifen durchlaufen, so gilt u := inf(u, x k ) v := sup(v, x k ) u = min V, v = max V Wir definieren daher 0 := u, 1 := v Definition 4.18. Sei (V, 1, 2 ) ein Verband mit Nullelement a) Ein von Null verschiedenes Element a V nennt man Atom, falls gilt x V : (a x a 1 x = 0) Ein Atom ist also ein kleinstes Element 0. b) Der Verband V heißt atomar, falls jedes Element x 0 eine Darstellung besitzt. Dabei sind a 1,..., a m Atome. Beispiel 4.19. x = a 1 2 a 2 2 2 a m 1) P(M) hat die Atome {x}, x M. Ist M endlich, so ist P(M) atomar. 2) (B n, 1, 2 ) aus Beispiel 4.8 ist atomar. Die Atome sind gerade gegeben durch e i = (0,...,0,1,0,...,0), i = 1,..., n wobei die Zahl 1 an der i ten Stelle steht. 3) Für den Verband (N, ggt, kgv ) sind die Atome gerade die Primzahlen p N. Der Zerlegung in Atome entspricht gerade die Primzahlzerlegung von x falls x keine echten Primzahlpotenzen als Teiler besitzt.

4. ALGEBRAISCHE STRUKTUREN UND VERBÄNDE 35 Bemerkung 4.20. Alternativ lässt sich ein Atom auch folgendermassen definieren: ein Atom ist ein von Null verschiedenes Element a, wenn x a impliziert, dass entweder x = a oder x = 0 ist. Wir kommen nun zu einem zentralen Satz zur Charakterisierung endlicher Boolescher Algebren, den sogenannten Stoneschen Darstellungssatz: Satz 4.21. Sei (V, 1, 2 ) eine endliche Boolesche Algebra. 1) Sind a 1 a 2 zwei verschiedene Atome so gilt a 1 1 a 2 = 0. 2) Ist y ein vom Nullelement verschiedenes Element, so gibt es ein Atom a V mit a y. 3) V ist atomar. 4) Die Darstellung eines Elementes durch Atome in der Form y = a 1 2 a 2 2 2 a m ist bis auf die Reihenfolge eindeutig. 5) Hat V m Atome so gilt #V = 2 m. 6) Zwei gleichmächtige, endliche Boolesche Algebren sind zueinander isomorph. 7) Hat V genau m Atome, so besitzt V genau m! Automorphismen. Beispiel 4.22. Wir betrachten wieder die Boolesche Algebra (B n, 1, 2 ) aus Beispiel 4.8 und zwar für den Fall n = 3. Die Menge B 3 besitzt 8 Elemente und die zugehörigen Atome sind gerade die Elemente 100,010 und 001. Das Hasse Diagramm ist gegeben durch 111 110 101 011 100 010 001 000 Man vergleiche dies mit dem Hasse Diagramm der Booleschen Algebra (P({1,2,3},, ). Übung 4.23. Zeigen Sie, dass (N, ggt, kgv ) ein distributiver Verband ist. Übung 4.24. Für eine natürliche Zahl n > 1 betrachte man T n := {m N m teilt n} Damit ist (T n, ggt, kgv ) ein distributiver Verband mit Nullelement 1 und Einselement n. 1) Man zeige: T n ist genau dann eine Boolesche Algebra, wenn für die Primzahlzerlegung bon n gilt: n = P 1 P 2 P r, P i P j (i j)

36 4. ALGEBRAISCHE STRUKTUREN UND VERBÄNDE 2) Man skizziere die Hasse Diagramme von T 50 und T 105. Übung 4.25. Sei (V, 1, 2 ) eine Boolesche Algebra. Man zeige für a, b, c V 1) das Involutionsgesetz: 2) die de Morganschen Regeln: a 1 b a 2 b a = a = a 2 b = a 1 b 3) die folgenden Aussagen sind paarweise äquivalent: a) a 1 b = a b) a 2 b = b c) a 2 b = 1 d) a 1 b = 0 Übung 4.26. Sei (V, 1, 2 ) eine Boolesche Algebra. Man definiere die Operationen a + b := (a 1 b) 2 (a 1 b) a b := a 1 b Zeiegn Sie, dass (V,+, ) ein Boolescher Ring ist, d.h. es gelten: 1) (V,=) ist eine abelsche Gruppe, 2) (V, ) ist eine kommutative Halbgruppe mit neutralem Element, 3) das Distributivgesetz: a (b + c) = a b = a c, 4) das Idempotenzgesetz: a a = a.