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Transkript:

medizinonline.ch https://www.medizinonline.ch/artikel/experimentelle-endovasku... Pulssynchrones Ohrrauschen Experimentelle endovaskuläre Therapie beim pulsatilen Tinnitus venösen Ursprungs Einleitung: Bei vaskulären Anomalien nahe des Innenohrs nehmen einige Patienten den pathologischen Blutfluss in Form eines rhythmischen Ohrrauschens wahr. Dieser sog. «pulsatile Tinnitus» ist pulssynchron, d.h. er korreliert mit dem Herzschlag. Typischerweise nehmen die Frequenz und die Intensität des Tinnitus mit erhöhtem Herzschlag zu, z.b. bei erhöhter Anspannung und beim Sport. Das Ohrrauschen wird jedoch oft «im Stillen» als besonders störend wahrgenommen. Viele Betroffene leiden deshalb an Schlafstörungen und verminderter Leistungsfähigkeit am Tag. Im Gegensatz zum nicht-pulsatilen Tinnitus, der meist im Kontext einer sensoneuralen Taubheit auftritt, resultiert der pulsatile Tinnitus vielfach aus einer strukturellen vaskulären Anomalie arteriellen oder venösen Ursprungs. Arterielle Ursachen sind häufiger und beinhalten schädelbasisnahe arteriovenöse durale Fisteln, Riesenaneurysmen oder Stenosen. Venöse Ursachen sind selten und umfassen Divertikel, den anatomisch hochstehenden Bulbus venae jugularis oder Stenosen des Sinus transversus oder Sinus sigmoideus. In der Therapie sind verschiedene konservative, chirurgische und endovaskuläre Verfahren etabliert [1,2]. Zur Behandlung venöser Sinusstenosen wurden in den letzten Jahren neue nicht-ablative endovaskuläre Therapieansätze eingeführt, wie die endoluminale Rekonstruktion des Sinuslumens im betroffenen Abschnitt durch eine transvenöse ballonassistierte Stentangioplastie. Das Verfahren ist bisher nicht fest etabliert oder abschliessend evaluiert und birgt relevante Behandlungsrisiken bis hin zur letalen Sinusruptur. Bei sorgfältig ausgewählten Patienten kann die endovaskuläre Behandlung in geübten Händen jedoch erfolgreich durchgeführt werden. Es handelt sich damit grundsätzlich um individuelle Heilversuche, die nur nach strenger Indikationsstellung und frustrierendem 1 Ausreizen of 5 der etablierten therapeutischen Optionen zur Anwendung kommen. Wir beschreiben hier einen7/14/15, 9:00 PM anschaulichen Fall.

medizinonline.ch Die symptomatische venöse Sinusstenose: Kommt es in einem https://www.medizinonline.ch/artikel/experimentelle-endovasku... venösen Sinus zur Ausbildung einer Engstelle, z.b. durch Trabekel, Septen, Residuen einer Sinusvenenthrombose oder durch eine Hypertrophie Pacchioni scher Granulationen, wird der Blutfluss lokal beschleunigt und oft turbulenter. Dies kann zu hörbaren, pulssynchronen Geräuschen führen, dem pulsatilen Tinnitus venösen Ursprungs. Auch können flussrelevante beidseitige Sinusstenosen oder hochgradige einseitige Stenosen des dominanten Sinus den venösen Abfluss aus dem vorgeschalteten Hirngewebe relevant behindern, was unter Umständen mit einer Hirnschwellung und gesteigertem intrakraniellem Druck einhergehen kann, oder sogar mit einer verringerten passiven Liquorresorption mit Ausbildung eines sog. Pseudotumor cerebri. Die klinische Vermutung einer symptomatischen Sinusstenose wird in der Regel in einem ersten Schritt mit den etablierten bildgebenden Verfahren wie Computertomografie, Magnetresonanztomografie und Magnetresonanzangiografie abgeklärt (Abb. 1A). Jedoch bleibt die Diagnosesicherung trotz erheblicher technischer Verbesserungen in der venösen Schnittbildgebung oft schwierig. Eine diagnostische digitale Subtraktionsangiografie (Abb. 1B bis D), ggf. mit selektiver Messung des Druckgradienten (Abb. 2A bis E), oder sogar die probatorische Sinusokklusion mit einem transvenös eingeführten Ballonkatheter können deshalb in einigen Einzelfällen zur Diagnosesicherung beitragen. Die etablierten Therapieverfahren für den Pseudotumor cerebri beinhalten eine konsequente Gewichtsreduktion, harntreibende Medikamente und die therapeutische Lumbalpunktion. Bei therapierefraktären Kopfschmerzen oder bei 2 progredienter of 5 Visusminderung kann die Einlage eines Shuntsystems bzw. das chirurgische Eröffnen der Hirnhaut 7/14/15, 9:00 um PM den Sehnerv zur Beschwerdelinderung beitragen. Die Ligatur der Jugularvene ist eine der klassischen Behandlungs

medizinonline.ch methoden des therapierefraktären venösen pulsatilen Tinnitus. Jedoch https://www.medizinonline.ch/artikel/experimentelle-endovasku... bleibt diese Therapieoption kontrovers in Anbetracht des erheblichen Risikos posttherapeutischer Sinus- oder Hirnvenenthrombosen sowie der Gefahr einer sekundären venösen Abflussinsuffizienz. In den letzten Jahren wurden deshalb zunehmend neue nicht-ablative Therapieansätze zur Behandlung von symptomatischen Sinusstenosen eingeführt. Eine dieser Methoden ist die Rekonstruktion des Sinuslumens im betroffenen Abschnitt durch eine transvenöse ballonassistierte Stentangioplastie (Abb. 3A bis B). Bei Patienten mit Pseudotumor cerebri ist das Ziel der transvenösen Angioplastie, durch Wiederherstellung der normalen venösen Anatomie den venösen Druckgradienten zu verringern und dadurch die Liquorresorption zu normalisieren. Beim Patienten mit venösem pulsatilem Tinnitus zielt die transvenöse Angioplastie darauf, den venösen Druckgradienten zu senken und den turbulenten Blutfluss aufzuheben, um eine dauerhafte Beseitigung des Ohrrauschens zu erreichen (Abb. 3C bis D). 3 of 5 7/14/15, 9:00 PM

medizinonline.ch https://www.medizinonline.ch/artikel/experimentelle-endovasku... 4Derzeit of 5 liegen noch keine verlässlichen Daten zur Sicherheit und Effizienz der venösen Angioplastie bzw. 7/14/15, 9:00 PM Stentangioplastie vor. Wie eingangs beschrieben, handelt es sich momentan noch um eine experimentelle

medizinonline.ch therapeutische Option für ausgewählte Patienten. Auch gilt es zu https://www.medizinonline.ch/artikel/experimentelle-endovasku... beachten, dass beim transvenösen Stenting sowohl eine doppelte Thrombozytenhemmung (z.b. ASS lebenslang und Clopidogrel für sechs Monate) als auch eine vorübergehende orale Antikoagulation (z.b. Marcoumar für sechs Monate) notwendig sind, um einem In-Stent Verschluss durch Aktivierung der plasmatischen Hämostase vorzubeugen. Literatur: 1. Lasjaunias P, Berenstein A, ter Brugge KG: Surgical Neuroangiography. Vol. 2. Second Edition. Springer Verlag 2004. 2. Yasargil MG: Microneurosurgery In 4 Volumes. Thieme Verlag 1994. Weiterführende Literatur: Hofmann E, et al.: Pulsatile Tinnitus: Imaging and Differential Diagnosis. Deutsches Ärzteblatt International 2013; 110(26): 451 458. Biousse V, Bruce BB, Newman NJ: Update on the pathophysiology and management of idiopathic intracranial hypertension. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2012 May; 83(5): 488 494. Baomin L, Yongbing S, Xiangyu C: Angioplasty and stenting for intractable pulsatile tinnitus caused by dural venous sinus stenosis: a case series report. Otol Neurotol 2014 Feb; 35(2): 366 370. InFo NEUROLOGIE & PSYCHIATRIE 2015; 13(4): 28 30 Dr. med. Daniel Walter Zumofen PD Dr. med. Andrea Bink Prof. Dr. med. Christoph Stippich Dr. Eytan Raz, MD Dr. Maksim Shapiro, MD 5 of 5 7/14/15, 9:00 PM