HERZRHYTHMUSSTÖRUNGEN UND IHRE MEDIKAMENTÖSE THERAPIE Prof. Dr. KálmánTóth, Dr. László Czopf Universität Pécs, Medizinische Fakultät I. Klinik für Innere Medizin Abteilung Kardiologie
ANAMNESE - Beschwerden versursacht durch die Arrhythmie (z. B. : Palpitation) - Typ, Dauer, Häufigkeit der Arrhythmie - Funktionelle Auswirkungen: Präsynkope/Synkope, Schwindel, Schwäche, Thoraxschmerz, Dyspnoe, Wasserlassen, u.s.w. - Auslösende Faktoren: Essen, Rauchen, Kaffee, Alkohol, körperliche Belastung, psychische Belastung, u.s.w. - Ablauf der Beschwerden (Änderung durch medikamentöse Therapie, durch Vagus Maneuvres)
- EKG (lange Streifen): häufig nicht ausreichend informativ - Holter-EKG: 24 oder neulich manchmal 48 Stunden lang - Ereignis-Holter: speichert das EKG bei Beschwerden - Transtelefonisches EKG: übermittelt das EKG telefonisch DIAGNOSTIK - Echokardiographie: Klappenerkrankungen, Erkr. des Myokards, Herzhöhlengrößen, LV-Funktion, u.s.w. - Ergometrie: belastungsinduzierte Rhythmusstörungen, begleitende Myokardischämie - Elektrophysiologische Untersuchungen: in ausgewählten Fällen, besonders, wenn die Möglichkeit einer nichtmedikamentösen Therapie da ist (Ablation, implantierbarer Cardioverter-Defibrillator, Schrittmacher).
KLASSIFIZIERUNG DER HERZRHYTHMUSSTÖRUNGEN I. SUPRAVENTRIKULÄRE (ATRIALE UND JUNCTIONALE) ARRHYTHMIEN II. VENTRIKULÄRE RHYTHMUSSTÖRUNGEN III. IV. AV-REIZLEITUNGSSTÖRUNGEN VENTRIKULÄRE REIZLEITUNGSSTÖRUNGEN (SCHENKELBLOCKS, FASC. BLOCKS)
I. SUPRAVENTRIKULÄRE (ATRIALE UND JUNCTIONALE) ARRHYTHMIEN 1. Sinus Rhythmusstörungen (Bradykardie und Tachykardie, Arrhythmie, Kranker-Sinusknoten-Syndrom) 2. Atriale Extrasystolie 3. Atriale Tachykardie 4. Vorhofflimmern 5. Vorhofflattern 6. AV-nodale Reentry Tachykardie (AVNRT) 7. AV-Reentry-Tachykardie oder AV-Reziprok- Tachykardie (AVRT) mit akzessorischem Bündel (WPW-, LGL-Sy.)
II. VENTRIKULÄRE RHYTHMUSSTÖRUNGEN 1. Ventrikuläre Extrasystolie 2. Ventrikuläre Tachykardie 3. Kammerflimmern (ventr. Fibrillation) III. AV-ÜBERLEITUNGSSTÖRUNGEN 1. AV-Block I. Grades 2. AV-Block II. Grades - Typ Mobitz I (Wenckebach) - Typ Mobitz II 3. AV-Block III. Grades IV. VENTRIKULÄRE REIZLEITUNGSSTÖRUNGEN (SCHENKELBLOCKS, FASC. BLOCKS) 1. Rechtsschenkelblock 2. Linksschenkelblock 3. Linksanteriorer Hämiblock 4. Linksposteriorer Hämiblock
BEHANDLUNG DER HERZRHYTHMUSSTÖRUNGEN ANSCHAUUNGSWECHSEL IN DER ANTIARRHYTHMISCHEN THERAPIE - 1 1. Entdeckung der proarrhythmischen Wirkung: - Entstehung neuer Rhythmusstörungen - Verschlechterung der ursprünglichen Rhythmusstörung Proarrhythmische Reihenfolge: Flecainid > Propafenon > Chinidin > Ajmalin > Disopyramid > Procainamid > Mexiletin > Lidocain > Sotalol > Amiodaron I/C > I/A > I/B > III
ANSCHAUUNGSWECHSEL IN DER ANTIARRHYTHMISCHEN THERAPIE - 2 2. Änderung des Indikationsbereiches - Wesentlich geringerer Anzahl behandlungsbedürftiger Patienten. - Keine Behandlung notwendig bei früher als bösartig eingestuften Rhythmusstörungen. - Bessere Kenntnisse über die Entstehungsmechanismen der Arrhythmien. 3. Große, internationale, multizentrische Studien änderten den Medikamentenwahl - z. B.: Keine I/C Medikamente nach Myokardinfarkt, Studien mit Gruppe III Medikamente in der Myokardinfarkt- Sekundärprävention. 4. Die Problematik des plötzlichen Herztodes - Der plötzliche Herztod kann trotz Behandlung auftreten, oder sogar durch die Behandlung noch wahrscheinlicher auftreten, als ohne Behandlung, unabhängig von der evtl-n Besserung des EKG-Bildes!
ANSCHAUUNGSWECHSEL IN DER ANTIARRHYTHMISCHEN THERAPIE - 3
ANSCHAUUNGSWECHSEL IN DER ANTIARRHYTHMISCHEN THERAPIE - 4 5. Kontrollierte (Holter-EKG, Ergometrie, Elektrophysiologie) oder empirische Therapie - Vorrang der nicht-invasiven Untersuchungen - bei Amiodaron kann man eine empirische Therapie akzeptieren. 6. Neue Klassifikation der Antiarrhythmika (Sicilian Gambit) 7. Verbreitung nichtmedikamentöser Therapiemöglichkeiten
BEHANDLUNGSGRUNDLAGEN Nicht alle Herzrhythmusstörungen behandeln (nicht das EKG, sondern den Patient heilen!). Wichtigkeit der internistischen Gesamtbeurteilung (z. B. Hyperthyreose, u.s.w.). Kardiologische Untersuchungen und Gesamtbeurteilung. kardiologische Grunderkrankung linksventrikuläre Funktion Symptome Rationale Therapie genaue Kenntnisse über Rhythmusstörungsmechanismen und über Medikamentenwirkungen (besonders wichtig bei supraventrikulärer Rhythmusstörungen). Erwägung des Risiko-Vorteil (risk-benefit) Verhältnisses, individualisierte Behandlung, möglichst minimal gehaltene wirksame Medikamentendosis. Kontrolle der Medikamentenwirkung (Proarrhythmien!). Kenntnis und Untersuchung der Medikamentennebenwirkungen (z. B. bei Amiodaron).
BEHANDLUNG IM NOTFALL - RESUSZITATION Arrhythmie plötzlicher Herztod häufig als erste Manifestation. LANGZEIT-THERAPIE 1. Pharmakologische Therapie 2. Elektrische Therapie 3. Chirurgische Therapie ANTIARRHYTHMISCHE MEDIKAMENTE * Zwei Klassifikationen - Vaughan Williams (1970) - Sicilian Gambit (1991)
Vaughan Williams Gruppen und Wirkstoffe I/A I/B I/C - Chinidin, Procainamid, Disopyramid - Lidocain, Mexiletin, (Diphedan) - Encainid, Flecainid, Propafenon, (Ajmalin) II - Selektiv: Metoprolol, Atenolol, Bisoprolol, Esmolol, Nebivolol - Nicht-selektiv: Propranolol, Carvedilol - ISA: Pindolol, Bopindolol, Oxprenolol (keine Anwendung als antiarrhythmische Medikamente) III - Amiodaron, Sotalol, Dofetilid, Ibutilid, Azimilid, Dronedaron, (Bretylium) IV - Verapamil, Diltiazem
Sicilian Gambit Klassifikation der Antiarrhythmika auf Grund ihrer Wirkung auf zelluläre Kanäle, Rezeptoren, Pumpen, unter Berücksichtigung der klinischen und EKG-Wirkungen. - Wesentliche Elemente der antiarrhythmischen medikamentösen Therapie nach dem Sicilian Gambit: 1. Bestimmung des Arrhythmie-Mechanismus. 2. Bestimmung des vulnerablen Parameters, d. h. den elektrophysiologischen Parameter verantwortlich für die gegebene Rhythmusstörung. Das Medikament soll diesen Parameter beeinflussen. 3. Bestimmung des Ionenstroms oder des Rezeptors verantwortlich für den vulnerablen Parameter. 4. Auswahl des geeigneten Medikamentes.
BEHANDLUNG SUPRAVENTRIKULÄRER ARRHYTHMIEN
Sinus- Arrhythmie Wandernde atriale Reizbildung
Vorhofextrasystolie Therapie: Selten therapiebedürftig: gehäuft auftretende, multiforme, chaotische Vorhofextrasystolie oder mit bedeutender hämodynamischen Konsequenz. Medikamente: II, I/C, I/A, III
Vorhoftachykardie Therapie: - Therapie meistens nicht einfach. - Paroxysmaler Typ: vor allem elektrische Kardioversion. - Permanenter Typ: I/C, I/A, II, IV, III Medikamente, evtl. Ablation. - Langsamer oder benigner Typ: meistens keine Therapie notwendig. - Multifokaler Typ: Behandlung der Grunderkrankung wichtig.
Vorhofflattern - 1
Vorhofflattern - 2
Vorhofflimmern (und Vorhofflattern) Grundlagen der Behandlung: 1. Einstellung der durchschnittlichen ventrikulären Frequenz 2. Wiederherstellung des Sinusrhythmus (Kardioversion) 3. Rezidivprävention 4. Embolieprävention Dilemma der Behandlung: Kardioversion oder Herzfrequenzeinstellung mit Antikoagulation ("rhythm control versus rate control strategy")? Man soll vor der Entscheidung folgenden Fragen klären: - Typ des Vorhofflimmerns (neu auftretend, rezidivierend, u.s.w.)? - Dauer der Rhythmusstörung? - Kardialer oder nichtkardialer Ursache? - Strukturelle Herzerkrankung im Hintergrund? - Wie ist die linksventrikuläre Funktion, die Herzhöhlengrößen? - Thromboembolisches Ereignis in der Anamnese, bzw. Möglichkeiten einer Antikoagulation?
Akute Kardioversion: - Falls schwere Angina pectoris oder hämodynamische Katastrophe entsteht als Folge des Vorhofflimmerns. - Die elektrische Kardioversion ist Therapie der Wahl in meisten solchen Fällen. Elektive (geplante) Kardioversion: - Falls kein Soforteingriff notwendig. Die optimale Methode und der geeignete Zeitpunkt wichtig. - Frühe Kardioversion: - innerhalb 48 Stunden nach Beginn der Rhythmusstörung. - Routinemäßige Antikoagulation nicht notwendig. - Geplante Kardioversion: - mehr als 48 Stunden nach Beginn der Rhythmusstörung. - Vierwöchige therapeutische Antikoagulation (Syncumar/Marcumar/Warfarin), dann elektive (geplante) Kardioversion. 3-4 Wochen Antikoagulanz-Therapie indiziert nachher. - Durchführung einer TEE (Ausschluss intrakardialer Emboliequelle) ermöglicht das Weglassen der 4-wöchigen Antikoagulation, aber die Heparingabe ist auch in diesem Fall zu empfehlen.
Therapie des permanenten (chronischen) Vorhofflimmerns: - Einstellung der ventrikulären Frequenz ( rate control ) - Antikoagulation - Anwendung auf Grund einer Risiko-Einschätzung. Keine Notwendigkeit bei Patienten unter 60-65 Jahren ohne organische Herzerkrankung ( lone atrial fibrillation ). - Kumarin (Syncumar/Marcumar/Warfarin) (INR: zwischen 2,0-3,0). - Kontraindikation oder andere Probleme (z. B. Compliance): Acetylsalicylsäure (ASA) (81-325 mg). Medikamente in der Behandlung des Vorhofflimmerns: - I/C - Propafenon, Flecainid - I/A - Chinidin - III - Amiodaron, Sotalol, Dofetilid - II - Metoprolol, Esmolol - IV - Verapamil - Digitalis
Medikamentöse Therapie des Vorhofflimmerns Medikament Kardioversion Prävent. Freq. Senk. neg. inotr. Chinidin ++ ++ - +0 Propafenon ++ ++ + + Amiodaron +++ +++ ++ 0 Sotalol +++ ++ ++ ++ -------------- Metoprolol + + ++ ++ -------------- Verapamil 0 0 ++ ++ Digoxin 0 0 ++ -
Antithrombotische Behandlung von Patienten mit Vorhofflimmern
SUPRAVENTRIKULÄRE TACHYKARDIEN DIE DEN AV-KNOTEN UND/ODER EIN AKZESSORISCHES BÜNDEL INVOLVIEREN - 1 AV-nodaler-Reentry Tachykardie (AVNRT)
AV-Reentry Tachykardie (AVRT) mit akzessorischem Bündel
Wolf-Parkinson-White-Syndrom
SUPRAVENTRIKULÄRE TACHYKARDIEN DIE DEN AV -KNOTEN UND/ODER EIN AKZESSORISCHES BÜNDEL INVOLVIEREN - 2 Die Bestimmung des Typs der Rhythmusstörung wichtig. Dazu können Vagus Maneuvres und der Adenosin-Test helfen. Therapie (den Paroxysmus beheben bzw. Prophylaxe): - Vagus Maneuvres (Carotis-Sinus-Massage, Valsalva) - Adenosin (schnelle Wirkung, kurze Halbwertszeit) - IV - Verapamil (keine Anwendung bei breitem QRS!) - I/C - Propafenon, Flecainid, Encainid - I/A - Procainamid, Chinidin - II - Metoprolol, Esmolol - III - Amiodaron, Sotalol - Elektrische Kardioversion: bei einer erfolgloser medikamentöser Therapie - Rapide atriale Stimulation: Atrialer "burst" - "overdrive supression"
VENTRIKULÄRE RHYTHMUSSTÖRUNGEN UND IHRE THERAPIE - 1 Ventrikuläre Extrasystole
VENTRIKULÄRE RHYTHMUSSTÖRUNGEN UND IHRE THERAPIE - 2 Ventrikuläre Extrasystole (VES) - Indikation einer Behandlung fraglich. - Keine Behandlung wegen Lown I-II (III) ventrikulären Rhythmusstörungen bei Gesunden oder bei Patienten ohne Beschwerden. - Kenntnis über Grunderkrankung oder über linksventrikuläre Funktion sehr wichtig. - Medikamente: - II Prävention des plötzlichen Herztodes! - III die wirksamste Medikamente Prävention des plötzlichen Herztodes?! (Bei schlechter linksventrikulären Funktion kommt praktisch nur Amiodaron in Frage.) - I/B, I/A, I/C können die Mortalität sogar erhöhen!
Lown-Klassifikation ventrikulärer Rhythmusstörungen Klasse 0: Keine Arrhythmie Klasse I: Monotope VES < 30/Std Klasse II: Monotope VES > 30/Std Klasse III/A: Polytope VES Klasse III/B: Bigeminie Klass IV/A: Couplets (gekoppelte VES) Klasse IV/B: Kammertachykardie Klasse V: R auf T Myerburg-Klassifikation ventrikulärer Rhythmusstörungen Häufigkeit Klasse 0. - keine VES Klasse I. - VES < 1/Std Klasse II. - VES 1-9/Std Klasse III. - VES 10-29/Std Klasse IV. - VES > 30/Std Typ Gruppe A - Monotop Gruppe B - Polytop Gruppe C - Repetitive Typen a/ Couplet b/ Salven (3-6 VES) Gruppe D - Nicht anhaltende Kammertachycardie (6 Zyklen - 30 Sekunden) Gruppe E - Anhaltende Kammertachykardie
Kammertachykardie (ventr. Tachykardie)
Kammerflimmern
VENTRIKULÄRE RHYTHMUSSTÖRUNGEN THERAPIE - 3 Kammertachykardie Akute Versorgung: - Medikamente intavenös: II, III, I (Procainamid, Lidocain) - Elektrische Kardioversion Prävention: - Medikamente: III und II - Automatischer impantierbarer Cardioverter-Defibrillator (AICD) - Chirurgische oder Katheter-Ablation des Fokus Kammerflimmern Akute Versorgung: - Sofortige Resuszitation - Defibrillation Prävention: - Medikamente: III und II - Automatischer impantierbarer Cardioverter-Defibrillator (AICD) - Chirurgische oder Katheter-Ablation des Fokus
AV-REIZLEITUNGSSTÖRUNGEN Mobitz I Mobitz II
AV-Block III. Grades
VENTRIKULÄRE REIZLEITUNGSSTÖRUNGEN (SCHENKELBLOCKS, FASZIKULÄRE BLOCKS) - 1. Rechtsschenkelblock
VENTRIKULÄRE REIZLEITUNGSSTÖRUNGEN (SCHENKELBLOCKS, FASZIKULÄRE BLOCKS) - 2. Linksschenkelblock
VENTRIKULÄRE REIZLEITUNGSSTÖRUNGEN (SCHENKELBLOCKS, FASZIKULÄRE BLOCKS) - 3. alternierend (abwechselnd) linksanteriorer und linksposteriorer Hämiblock
VIELEN DANK FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT!