Wissenschaftliches Arbeiten. Teil 10: Die wissenschaftliche Methode

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Transkript:

Wissenschaftliches Arbeiten Teil 10: Die wissenschaftliche Methode Wissenschaftstheorie SS2010 - Teil 10/Methode 08.06.2010 1 Übersicht Motivation Paul Feyerabend (1924-1994) Wissenschaftliches Arbeiten SS2010 - Teil 10/Methode 2 1

Die richtige Methode J.S. Mill (1806-1873) arbeitete das Konzept des empiristischen Programms aus. Mill glaubte, dass die richtige Anwendung der richtigen Methode die Wahrheit von Aussagen garantiert. In letzter Konsequenz postulierte der Wiener Kreis eine einheitliche Methode für alle Wissenschaften. Die Wissenschaftlichkeit einer Wissenschaft lässt sich anhand den praktizierten Methoden erkennen und bestimmen. Kritik bis Proteste kamen aus den Reihen der Geisteswissenschaften, aber auch von K. R. Popper und vor allem von Paul Feyerabend. Wissenschaftliches Arbeiten SS2010 - Teil 10/Methode 3 Literatur [1] [2] [3] [4] Feyerabend, Paul: Die Torheit der Philosophen. Fischer, 1998 Feyerabend, Paul: Wider dem Methodenzwang. Suhrkamp, stw 597, 1986 Feyerabend, Paul: Erkenntnis für freie Menschen. Suhrkamp, 1980 Feyerabend, Paul: Wissenschaft als Kunst. Suhrkamp, 1984 Wissenschaftliches Arbeiten SS2010 - Teil 10/Methode 4 2

Paul Feyerabend (1924-1994) Österreicher Früherer Popper-Anhänger - wendete sich später ab Freund von Imre Lakatos Beschäftigung mit Physik, u.a. Kopenhagener Deutung der Quantenphysik Je nach Offenheit gegenüber seiner Position: Spaßvogel Clownerien (Zitat von H. Wedekind) "Was ist denn so Großes an der Wahrheit?" Wissenschaftliches Arbeiten SS2010 - Teil 10/Methode 5 Wider dem Methodenzwang I Wissenschaftstheorie ist "Kinderei" "Neue Form des Irrsinns" "Kuhn-Popperscher Frosch-Mäuse-Krieg" Wissenschaft selbst ist eine neue Religion: Alles richtet sich nach ihr, aber keiner darf sie bezweifeln. Wissenschaft unterliegt wie alles andere Irrtümern sollte nicht absolut gesetzt werden kann durch demokratischen Konsens gesteuert werden Wissenschaftliches Arbeiten SS2010 - Teil 10/Methode 6 3

Wider dem Methodenzwang II Methoden sollten nicht von vornherein eingeschränkt werden Methoden sind Dressur statt Individualität und Kreativität. Daher: "Anything goes" (Mach, was Du willst) Wissenschaftliches Arbeiten SS2010 - Teil 10/Methode 7 Gründe und Hinweise I Es gibt keine methodische Regel, die nicht irgendwann verletzt wurde. Fortschritt war immer mit Verletzen von wissenschaftlichen Regeln verknüpft. Statt induktiv nach Regeln vorzugehen, sollten Hypothesen entworfen werden, die anerkannten Theorien widersprechen oder die anerkannten Tatsachen widersprechen. Da alle Beobachtung von Theorien geleitet ist, sollten Theorien verglichen werden und nicht Beobachtungen mit Theorien. Wissenschaftsentwicklung besteht aus vielen sich widersprechenden, alternativen Theorien, nicht aus einem Gang hin zu einer Einheitstheorie (a la Paradigma). Wissenschaftliches Arbeiten SS2010 - Teil 10/Methode 8 4

Gründe und Hinweise II Forderung nach Konsistenz klingt sehr gut, immunisiert aber durch Gleichschaltung. Erfolg einer Theorie ist kein Argument für ihre Gültigkeit. Der Gegensatz von empirischer Wissenschaft zu Aberglaube und Mythos ist selbst ein Aberglaube. "Kein Gedanke ist so alt oder absurd, dass er nicht unser Wissen verbessern könnte." Wissenschaftliches Arbeiten SS2010 - Teil 10/Methode 9 Beispiele aus der Geschichte Theorie von Kopernikus widerspricht unserer direkten Beobachtung des Sonnenauf- und untergangs. Galileis Argumentation gegen das Turmargument von Aristoteles beruht auf Überredungskunst. Newtons Gravitationstheorie sagt ein in die Sonne Fallen der Planeten voraus, da diese durch die Reibung im Äther sich der Sonne nähern müssten. Newtons Strahlentheorie war durch die damalige Optik widerlegt. Einsteins spezielle Relativitätstheorie war durch das Experiment von Kaufmann (1906) widerlegt - erst 25 Jahre später konnte dieses Experiment ohne Widerspruch zur Relativitätstheorie erklärt werden. Wissenschaftliches Arbeiten SS2010 - Teil 10/Methode 10 5

Was sollte ein Wissenschaftler tun? Er/sie sollte das tun, was er/sie am interessantesten und am befriedigendsten hält. Er/sie sollte das tun, was er/sie am meisten Spaß macht. Wissenschaft ist Kunst, die einen ästhetischen Genuss bereiten sollte. Wissenschaftliches Arbeiten SS2010 - Teil 10/Methode 11 Fazit zur Wissenschaftstheorie Was folgt nun aus allem? Wissenschaftliches Arbeiten SS2010 - Teil 10/Methode 12 6

Hmm, was folgt nun aus allem? I Ontologische Festsetzungen (Gegenstandsbereich und seine Struktur) Elementare Gegenstände Beziehungen zwischen diesen Gegenständen Wissensquellen Was ist die Basis für Erkenntnis? Erfahrung als Selbstbeobachtung Beobachtung Experimente (instrumentelle Beobachtung) Autorität Tradition Offenbarung Wissenschaftliches Arbeiten SS2010 - Teil 10/Methode 13 Hmm, was folgt nun aus allem? II Priorisierung der Wissensquellen Judikale Festsetzungen (Regeln der Anerkennung von Wissen) Arbeitsprozesse bzw. Strategien Beweise, Widerlegungen Induktion, Deduktion oder "keine Logik" Normative Festsetzungen Theorieform Schönheit, Einfachheit und Eleganz Zulässigkeit von Aussagen, Theorien Grenzen bzw. Grade der Umstößlichkeit Wissenschaftliches Arbeiten SS2010 - Teil 10/Methode 14 7

Nun etwas Entspannung... Regen links oder Sonne rechts? Wissenschaftliches Arbeiten SS2010 - Teil 10/Methode 15 8