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Transkript:

Lovells Automotive News Automotive Team Germany Dezember 2009

Die Lovells Automotive News werden herausgegeben von: Lovells LLP Automotive Team Germany Karl-Scharnagl-Ring 5 80539 München Verantwortlich für den Inhalt: Dr. Patrick Ayad, Lovells LLP, München Dieser Newsletter ersetzt keine rechtliche Beratung im Einzelfall. Der Inhalt ist ohne vorherige Beratung nicht als Entscheidungsgrundlage geeignet und wir können insoweit keine Haftung übernehmen.

EDITORIAL Liebe Leserinnen und Leser, unsere Lovells Automotive News informieren Sie in regelmäßigen Abständen über neueste Entwicklungen in der Automobilbranche. Unser praxisgruppen- und standortübergreifendes Automotive Team in Deutschland greift wichtige Branchenthemen auf und fasst diese zu Ihrer Information kurz und bündig zusammen. Wir wünschen Ihnen eine informative Lektüre. Ihr Lovells Automotive Team Automotive News per E-Mail Die Lovells Automotive News werden in regelmäßigen Abständen per E-Mail versendet. Wenn Sie unsere Automotive News kostenfrei erhalten wollen und noch nicht auf unserer Mailingliste sind, wenden Sie sich bitte an: Frau Ulrike Johann Business Development Manager ulrike.johann@lovells.com Gerne nehmen wir auch Ihre Kollegen in unsere Mailingliste mit auf. Die Schwerpunkte dieser Ausgabe: Steuerlicher Turbo für 2010?! Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz Das von der neuen Regierung angekündigte steuerliche Sofortprogramm mit krisenentschärfenden Maßnahmen wurde auf den Weg gebracht. Punktuell sollen ab 2010 die steuerlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen verbessert werden, insbesondere bei Restrukturierungen im Hinblick auf die Verlustnutzung bzw. die Grunderwerbsteuer, für den Abzug von Zinsaufwendungen oder bei der Sofortabschreibung von geringwertigen Wirtschaftsgütern. Freiwillige Abfindungsprogramme: Der schnelle Weg zum "Glück"? Viele Unternehmen müssen als Folge der Krise schnell und geräuschlos Kapazitäten abbauen. Dies auch, obwohl kollektivrechtliche Vereinbarungen bestehen, die für das laufende Jahr und länger betriebsbedingte Kündigungen ausschließen (Standortgarantien etc.). Freiwillige Abfindungsprogramme eröffnen Unternehmen in diesen Fällen eine Chance, dem Ziel einer Kapazitätsabsenkung schnell näher zu kommen. Bei der Umsetzung solcher Freiwilligen- Programme gibt es allerdings einige Fallstricke zu beachten. Verteidigungsstrategien Patenttrolle im Praxistest gegen Lange Zeit waren Patenttrolle ein in erster Linie amerikanisches Phänomen. Seit einigen Jahren verunsichern diese "Sagenwesen" jedoch in zunehmendem Maße auch den europäischen und insbesondere den deutschen Markt. Gerade in Zeiten der Krise steigt die Gefahr, dass Investmentgesellschaften die Patentportfolios insolventer Technologieunternehmen aufkaufen, um aus diesen Kapital zu schlagen. Amerikanische Beispiele zeigen dabei, dass gerade auch Automobilunternehmen ein beliebtes Angriffsziel von Patenttrollen sind. Verwendung von Herstellermarken: Vertragshändler, Servicepartner und freie Werkstätten - Wer darf was? Nicht nur Vertragshändler und Servicepartner werben gerne und oft mit der Herstellermarke. Auch der Internetauftritt wird gerne unter einer Domain gestaltet, welche die Herstellermarke beinhaltet. Welche Rechte sind aber dem Hersteller und seinen Vertriebspartnern vorbehalten? Oder anders herum gefragt, was darf der freie Händler oder die freie Werkstatt? Aktuelle praxisrelevante Rechtsprechung Für Sie von uns beobachtet und kommentiert: Praxisrelevante Veröffentlichungen unserer Anwälte im Überblick. Ab 1. November 2012 gilt die EG- Verordnung zur Kennzeichnung von Reifen Das Europäische Parlament hat am 25. November 2009 die Verordnung über die Kennzeichnung von Reifen angenommen.

Inhalt Steuerlicher Turbo für 2010?! Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz 2 Freiwillige Abfindungsprogramme: Der schnelle Weg zum "Glück"? 7 Verteidigungsstrategien gegen Patenttrolle im Praxistest 11 Verwendung von Herstellermarken: Vertragshändler, Servicepartner und freie Werkstätten - Wer darf was? 14 Aktuelle praxisrelevante Rechtsprechung 16 Ab 1. November 2012 gilt die EG-Verordnung zur Kennzeichnung von Reifen 20 Rückblick Veranstaltung: Brennpunkt Automotive 21 Lovells Automotive Expertise 22 Lovells Automotive Ansprechpartner 23

Lovells Automotive News 2 Steuerlicher Turbo für 2010?! Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz Das von der neuen Regierung angekündigte steuerliche Sofortprogramm mit krisenentschärfenden Maßnahmen wurde auf den Weg gebracht. Punktuell sollen ab 2010 die steuerlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen verbessert werden, insbesondere bei Restrukturierungen im Hinblick auf die Verlustnutzung bzw. die Grunderwerbsteuer, für den Abzug von Zinsaufwendungen oder bei der Sofortabschreibung von geringwertigen Wirtschaftsgütern. Die Zeitplanung sieht vor, dass das Gesetz am 4.12.2009 die Zustimmung im Bundestag und am 18.12.2009 im Bundesrat erhalten soll, um rechtzeitig am 1.1.2010 in Kraft treten zu können. Allerdings haben aufgrund der zu erwartenden Haushaltsbelastungen bereits einige Bundesländer ihre Ablehnung im Bundesrat angedroht. Ob der Gesetzestitel "Wachstumsbeschleunigungsgesetz" halten wird, was er vollmundig verspricht, ist im Folgenden überblicksartig zu untersuchen. 1. ABMILDERUNG DER VERLUST- ABZUGSBESCHRÄNKUNG Durch die mit der Unternehmensteuerreform 2008 in Zeiten des Schönwettersteuerrechts eingeführte Verlustabzugsbeschränkung für Körperschaften ( 8c KStG) kommt es zu einem partiellen bzw. vollständigen Wegfall von körperschaftsteuerlichen Verlusten und Verlustvorträgen einer Körperschaft, wenn innerhalb von fünf Jahren ein Erwerber oder eine Erwerberhand mehr als 25% bzw. mehr als 50% der Anteilsrechte unmittelbar oder mittelbar erwirbt. Dies ist nahezu bei jedem M&Aoder Private Equity-Deal, aber auch bei vielen (konzerninternen) Restrukturierungen mit Beteiligungsumhängung, disquotalen Kapitalerhöhungen oder Verschmelzungen der Fall. Die Rechtsfolgen gelten entsprechend für gewerbesteuerliche Verluste und Zinsvorträge einer Körperschaft sowie einer der Körperschaft nachgeordneten Personengesellschaft. Gerade in Zeiten der Finanzund Wirtschaftskrise erhöhen Realoder Buchverluste (z.b. durch die Bildung höherer Rückstellungen für Abfindungszahlungen) die steuerlichen Verluste und Verlustvorträge der Unternehmen. Dieses Steuerminderungspotenzial steht den betroffenen Unternehmen nicht mehr zur Unterstützung des Aufschwungs zur Verfügung, wenn es bei sinnvollen Restrukturierungen mit Beteiligungsveränderungen bzw. beim Einstieg neuer Investoren unwiederbringlich verloren geht. Für eine temporäre Entlastung sorgte die Mitte 2009 mit Rückwirkung eingeführte Sanierungsausnahme. Bei Anteilserwerben zum Zwecke der Sanierung des Geschäftsbetriebs bei drohender oder bestehender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der betreffenden Körperschaft treten die nachteiligen Rechtsfolgen der Verlustabzugsbeschränkung nicht ein, allerdings nach bisheriger Rechtslage nur bei Anteilserwerben bis zum 31.12.2009. Mit dem neuen Gesetz soll diese Befristung bei der Sanierungsklausel aufgehoben werden, so dass auch Sanierungserwerbe nach dem 31.12.2009 von der Ausnahme profitieren können. Eine weitere, äußerst praxisrelevante Änderung betrifft die erstmalige Einführung einer Konzernklausel, wonach kein schädlicher Beteiligungserwerb vorliegt, wenn an dem übertragenden und dem übernehmenden Rechtsträger dieselbe Person zu jeweils 100% mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist. Beispiel 1: Die börsennotierte M-AG hält jeweils 100% der Anteile an ihrer Tochtergesellschaft T1-GmbH sowie an ihrer Tochtergesellschaft T2-GmbH. Die T1-GmbH hält wiederum 100% der Anteile an der E-GmbH, die Verlustvorträge ihv. 5 Mio. aufweist. Die T1-GmbH überträgt in 2009 (Alternative: in 2010) 60% der Anteile an der E-GmbH auf die T2-GmbH. Im Grundfall entfallen die Verlustvorträge der E-GmbH durch den schädlichen Beteiligungserwerb im Jahr 2009 vollständig. In der Alternative bleiben sie aufgrund der ab 2010 geltenden Konzernklausel vollständig erhalten. Leider ist die Formulierung der Konzernklausel etwas missglückt, weshalb im vorstehenden Beispiel im Falle des Umhängens der Beteiligung an der T1- GmbH durch die M-AG unter die T2- GmbH dem Gesetzeswortlaut nach nicht erfasst wäre und es auch ab 2010 zum Verlustwegfall käme, da am übertragenden Rechtsträger, der börsennotierten M-AG, mehrere Personen beteiligt sind. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Formulierungsfehler entweder noch im Gesetzgebungsverfahren selbst korrigiert wird oder dass die Finanzverwaltung ihre Auffassung zur Auslegung der Klausel zeitnah im Erlasswege veröffentlicht. Schließlich sollen ab dem Veranlagungszeitraum 2010 bei einem schädlichen Beteiligungserwerb die Verluste in Höhe der steuerpflichtigen stillen Reserven der Verlustkörperschaft erhalten bleiben. Sofern also weder Sanierungsnoch Konzernprivileg zum vollständigen Verlusterhalt verhelfen, werden nach dieser Vorschrift die nachteiligen Rechtsfolgen zwar nicht dem Grunde, aber der Höhe nach außer Kraft gesetzt. Entscheidend ist die nachstehend dargestellte Ermittlung der steuerpflichtigen stillen Reserven, die über die Höhe des fortbestehenden Verlustverrechnungspotenzials entscheidet: gemeiner Wert der erworbenen Anteile (Kaufpreis o. Unternehmensbewertung)./. anteiliges/gesamtes steuerliches Eigenkapital der Körperschaft = erworbene stille Reserven./. nicht im Inland steuerpflichtige stille Reserven (z.b. stille Reserven im Beteiligungsbesitz) = Nicht entfallendes Verlustverrechnungspotenzial Beispiel 2: Die X-AG erwirbt am 1.2.2010 100% der Anteile an der konzernfremden YGmbH für 10 Mio.. Diese hat ein steuerliches Eigenkapital von 3 Mio. und stille Reserven in ihrer Beteiligung an der Z-GmbH von 1 Mio., einen Verlustvortrag ihv. 5 Mio. und einen Zinsvortrag ihv. 4 Mio..

Lovells Automotive News 3 Die steuerpflichtigen stillen Reserven der Y-GmbH betragen: 6 Mio. (10 Mio../. 3 Mio../. 1 Mio. ). Daher bleiben bei ihr sowohl der gesamte Verlustvortrag ihv. 5 Mio. als auch ein Zinsvortrag ihv. 1 Mio. erhalten. Es entfällt jedoch ein Zinsvortrag ihv. 3 Mio.. Empfehlung: Um von der Konzernklausel zu profitieren und sonst entfallende Verluste zu retten, sollte bei geplanten konzerninternen Umhängungen von Beteiligungen an Körperschaften mit Verlustvorträgen noch bis zum Beginn des Jahres 2010 zugewartet werden. Gleiches gilt für Erwerbe konzernfremder Körperschaften, wenn die jeweilige Verlustgesellschaft über steuerpflichtige stille Reserven verfügt. 2. ERLEICHTERUNGEN BEI DER ZINSSCHRANKE Die besonderen Regelungen zur Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs bei Fremdfinanzierungsaufwendungen sind im Zuge der Unternehmensteuerreform 2008 ebenfalls umfassend reformiert worden. Es wurde für Wirtschaftsjahre, die nach dem 25.5.2007 begonnen und nicht vor dem 1.1.2008 geendet haben, eine gewinnabhängige Zinsschranke für alle Betriebe, unabhängig von der Rechtsform, eingeführt ( 4h EStG, 8a KStG), die von ihrer Zielsetzung her übermäßig hohen Fremdfinanzierungsquoten vorbeugen soll. Unter der Zinsschrankenregelung bleibt Zinsaufwand in Höhe des Zinsertrags grundsätzlich steuerlich abziehbar. Soweit der Betrag der Zinsaufwendungen den Betrag der Zinserträge des Wirtschaftsjahres übersteigt (sog. Nettozinsaufwand) ist er nur dann sofort und vollständig abziehbar, wenn er weniger als 3 Mio. pro Wirtschaftsjahr beträgt. Das Überschreiten dieser Freigrenze löst die Zinsschranke für den gesamten Nettozinsaufwand aus. Es ist dann nur noch der Nettozinsaufwand in Höhe von 30% des steuerlichen EBITDAs (Gewinn vor Zinsergebnis, Steuern und Abschreibungen) sofort abziehbar. Die darüber hinausgehenden Zinsaufwendungen sind nicht sofort abzugsfähig und werden in die nächsten Jahre vorgetragen (Zinsvortrag). Die Zinsschranke greift nicht ein, wenn das betroffene Unternehmen nicht oder nur anteilsmäßig zu einem Konzern gehört ( Stand Alone-Klausel ). Bei Kapitalgesellschaften gilt dies jedoch nur, wenn nicht mehr als 10% des Nettozinsaufwands auf Zinszahlungen an wesentlich (>25%) beteiligte Gesellschafter, nahestehende Personen oder gegenüber diesen Personen rückgriffsberechtigte Dritte beruhen. Bei Zugehörigkeit zu einem Konzern kann die Zinsschranke durch Nutzung der Escapeklausel ausgeschaltet werden. Dazu darf die Eigenkapitalquote der betroffenen Gesellschaft nicht mehr als einen Prozentpunkt unter der Eigenkapitalquote des Konzerns liegen. Der Vergleich ist grundsätzlich nach IFRS- Rechnungslegung zu führen; ersatzweise kommt auch die Rechnungslegung nach HGB, nach US-GAAP oder nach dem Bilanzrecht eines anderen Mitgliedstaates der EU in Betracht. Für Kapitalgesellschaften gilt die Escapeklausel nur, wenn nicht mehr als 10% des Nettozinsaufwands auf im vollkonsolidierten Abschluss ausgewiesene Verbindlichkeiten an wesentlich (>25%) beteiligte Gesellschafter, nahe stehende Personen oder Dritte mit Rückgriff gegen einen konzernfremden wesentlich beteiligten Gesellschafter oder eine diesem nahe stehende Person gezahlt wird. Die Freigrenze dient als Mittelstandskomponente und wurde zur Entlastung der Unternehmen bereits Mitte des Jahres 2009 von ursprünglich 1 Mio. auf 3 Mio. pro Wirtschaftsjahr angehoben. Dies geschah zwar mit Rückwirkung ab der erstmaligen Geltung der Zinsschranke, allerdings zeitlich beschränkt bis zum 31.12.2009. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz sieht nun die Aufhebung dieser Befristung und damit eine permanente Geltung der erhöhten Freigrenze vor. Ferner soll die Abweichungstoleranz für den Eigenkapitalquotenvergleich unter der Zinsschranke von derzeit 1%-Punkt auf 2%-Punkte verdoppelt werden. Da die Escapeklausel aufgrund ihrer Komplexität in der Praxis nur schwer zu handhaben ist, dürfte diese Änderung den Konzernen kaum weiterhelfen. Als bedeutendste Änderung im Bereich der Zinsschranke ist die geplante Einführung eines EBITDA-Vortrags zu erwähnen, der zu einer Verstetigung des Zinsabzugs führen soll. Bezweckt wird hierdurch die Erhöhung des Zinsabzugsvolumens der folgenden fünf Wirtschaftsjahre durch verrechenbares EBITDA (= 30% des steuerlichen EBITDA), das den Nettozinsaufwand übersteigt und daher im betreffenden Jahr ungenutzt bleibt. Auf Antrag soll sogar der fiktiv ermittelte EBITDA Vortrag der Jahre 2007-2009 das verrechenbare EBITDA des ersten Wirtschaftsjahres, das nach dem 31.12.2009 endet, erhöhen. Eine Zuführung zum EBITDA-Vortrag unterbleibt jedoch immer dann, wenn im betreffenden Jahr eine Ausnahmevorschrift zur Zinsschranke (Freigrenze, Stand-Alone- Klausel oder Escapeklausel) eingreift. Der EBITDA-Vortrag geht bei Aufgabe oder Übertragung des Betriebs bzw. bei Umwandlungen nach dem UmwStG, nicht aber bei einem schädlichen Beteiligungserwerb an der Körperschaft (nach 8c KStG) unter. Beispiel 3: Die X-GmbH hat in 2010 ein steuerliches EBITDA von 20 Mio. und könnte daher Zinsaufwand bis zu 6 Mio. (30% von 20 Mio. ) steuerlich berücksichtigen. Wenn der X-GmbH Nettozinsaufwand ihv. nur 4,5 Mio. entstanden ist, greift ein Vortrag des nicht verbrauchten verrechenbaren EBITDA ihv. 1,5 Mio.. Unterstellt in den Jahren 2010-2014 erreicht der Nettozinsaufwand genau die Höhe des verrechenbaren EBITDA (also 30% des steuerlichen EBITDA) und liegt im Jahr 2015 darüber, so kann im Jahr 2015 ein zusätzlicher Nettozinsaufwand ihv. maximal 1,5 Mio. (d.h. in Höhe des EBITDA-Vortrags) von der X-GmbH geltend gemacht werden.

Lovells Automotive News 4 Steuerlicher Turbo für 2010?! Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz Empfehlung: Unternehmen sollten prüfen lassen, ob sich für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2006 begonnen haben und vor dem 1.1.2010 enden, fiktiv ein EBITDA-Vortrag ermitteln lässt, um den entsprechenden Antrag auf Erhöhung des verrechenbaren EBITDA zu stellen und damit im Jahr 2010 ein höheres steuerliches Zinsabzugsvolumen zu erhalten. Sofern die vorgenannten Änderungen an der Zinsschrankenvorschrift Gesetz werden, stellt sich die Prüfung der Zinsabzugsbeschränkung grafisch aufbereitet künftig wie folgt dar: Zinsertrag p.a. Zinsaufwand p.a. (d.h. Nettozinsaufwand 0) Nein Nettozinsaufwand >0, aber < 3 Mio. Nettozinsaufwand verrechenbares EBITDA* Nein Konzernunternehmen: Zinsen irgendeiner Konzerngesellschaft an außenstehende, > 25% beteiligte Gesellschafter, nahe stehende Personen oder Dritte mit Rückgriffsmöglichkeit > 10% des Nettozinsaufwands Ja Nein Nettozinsaufwand EBITDA-Vortrag** Nein Nein EK Körperschaft EK Konzern 2*** < Bilanz Körperschaft Bilanz Konzern 100 Ja Nein Ja Ja Ja Nichtkonzernunternehmen: Zinsen an > 25% beteiligte Anteilseigner, nahe stehende Personen oder Dritte mit Rückgriffsmöglichkeit > 10% des Nettozinsaufwands Ja Nein Nein Zinsschranke nicht anwendbar: volle Abzugsfähigkeit des Zinsaufwands Zinsschranke anwendbar: Beschränkung des Zinsabzugs auf das verrechenbare EBITDA, ggf. zzgl. EBITDA-Vortrag, aber Zinsvortrag möglich * Für Wirtschaftsjahre (WJ), die nach dem 31.12.2009 enden. Das verrechenbare EBITDA beträgt (wie zuvor) 30% des für steuerliche Zwecke ermittelten EBITDA. ** Erstmals für WJ, die nach dem 31.12.2009 enden. *** Erstmals für WJ, die nach dem 31.12.2009 enden, zuvor 1/100.

Lovells Automotive News 5 3. ÄNDERUNGEN BEI DER SOFORTABSCHREIBUNG VON GERINGWERTIGEN WIRT- SCHAFTSGÜTERN (GWG) Für abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die einer selbständigen Nutzung fähig sind, sollen Steuerpflichtige mit Gewinneinkünften zukünftig ein Wahlrecht haben: Für eine Sofortabschreibung bei Wirtschaftsgütern mit Anschaffungs- oder Herstellungskosten bis zu 410 (wie nach der bis zum 31.12.2007 geltenden Rechtslage). Dabei müssen geringwertige Wirtschaftsgüter mit einem Wert von über 150 (bis zu 410 ) in einem laufend zu führenden Verzeichnis erfasst werden. Für eine sog. Poolabschreibung bei Wirtschaftsgütern mit Anschaffungs- oder Herstellungskosten von mehr als 150 bis zu 1.000. Dabei werden die Wirtschaftsgüter in einen Sammelposten eingestellt, der beginnend mit dem Jahr der Anschaffung gleichmäßig verteilt über eine Dauer von fünf Jahren gewinnmindernd aufzulösen ist. Scheidet ein Wirtschaftsgut vor Ablauf der fünf Jahre aus dem Betriebsvermögen aus, so wird die Höhe dieses Postens dadurch nicht vermindert. Der Zugang des jeweiligen Wirtschaftsgutes ist buchmäßig zu erfassen. Wirtschaftsgüter mit einem Wert von bis zu 150 können jedoch als Sofortaufwand abgezogen werden. Zu berücksichtigen ist, dass das Wahlrecht für alle in einem Wirtschaftsjahr angeschafften, hergestellten oder eingelegten Wirtschaftsgüter nur einheitlich ausgeübt werden kann. Die neuen Regelungen sind erstmals für Wirtschaftsgüter anzuwenden, die nach dem 31.12.2009 angeschafft, hergestellt oder in das Betriebsvermögen eingelegt werden. 4. GRUNDERWERBSTEUER- BEFREIUNG FÜR BESTIMMTE UMSTRUKTURIERUNGEN Die im Koalitionsvertrag angekündigte grunderwerbsteuerliche "Konzernklausel" zur Erleichterung der Umstrukturierung von Unternehmen sucht man im Entwurf des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes vergebens. Man findet eine Steuervergünstigung, die die Bedingungen für bestimmte Umwandlungen krisenfest, planungssicher und mittelstandsfreundlich ausgestalten soll. Um dies zu erreichen werden durch die geplante Vorschrift ( 6a Abs. 1 GrEStG) Grundstücksübergänge bei Umwandlungsvorgängen nach 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG von der Grunderwerbsteuer freigestellt, wenn es sich also um Verschmelzungen, Auf- und Abspaltungen oder Vermögensübertragungen handelt und wenn dadurch ein steuerrelevanter Vorgang nach 1 Abs. 1 GrEStG (Rechtsträgerwechsel an einem inländischen Grundstück), 1 Abs. 2 GrEStG (Wechsel der Verwertungsbefugnis an einem inländischen Grundstück) oder 1 Abs. 3 GrEStG (Anteilsvereinigung von 95% oder mehr der Anteile an einer Gesellschaft, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört) ausgelöst würde. Durch die neue Regelung soll sichergestellt werden, dass notwendige Umstrukturierungen nicht aufgrund der grunderwerbsteuerlichen Belastung (in Hamburg und Berlin 4,5%, ansonsten 3,5% der steuerlichen Grundbesitzwerte) unterbleiben. Die Vorschrift ist insofern weiter gefasst als eine Konzernklausel, als sie nicht auf vorhandene Beteiligungsverhältnisse abstellt, jedoch zugleich enger, als eine Begünstigung nur für die vorgenannten Umwandlungsfälle vorgesehen ist, nicht aber z.b. für das Umhängen von Beteiligungen im Konzern etwa mittels Kauf oder Anteilstausch. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut gilt die Vergünstigung auch nicht für Umwandlungen, durch die es innerhalb von 5 Jahren zu einer Änderung im Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft mit einem inländischen Grundstück kommt, bei der mindestens 95% der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen ( 1 Abs. 2a GrEStG). Der grunderwerbsteuerlichen Begünstigung sind zur Vermeidung von Missbräuchen entsprechende Sperrfristen vor- und nachgeschaltet: So scheidet eine Befreiung von der Grunderwerbsteuer aus, soweit der sich umwandelnde Rechtsträger das Grundstück innerhalb von fünf Jahren vor dem Umwandlungsvorgang durch einen Rechtsvorgang nach 1 Abs. 1, 2 oder 3 GrEStG erworben hat. Ferner findet eine nachträgliche Versagung der Begünstigung statt, soweit der Erwerber das übergegangene Grundstück innerhalb von fünf Jahren nach der Umwandlung veräußert oder seine Anteile an einer Grundbesitz haltenden Gesellschaft vermindert. Um eine Kontrolle durch die Finanzbehörden und eine entsprechende rückwirkende Versagung der Steuervergünstigung zu ermöglichen, wird die formelle Anzeigepflicht an das für die Besteuerung zuständige Finanzamt auf derartige Rechtsvorgänge erweitert. Empfehlung: Die Neuerungen in diesem Bereich sind erstmals auf Rechtsvorgänge, die nach dem 31.12.2009 erfolgen, anwendbar. Daher sollte mit Umstrukturierungen, die von der Steuervergünstigung profitieren können, bis zum Januar 2010 gewartet werden.

Lovells Automotive News 6 5. GEWERBESTEUERLICHE HINZURECHNUNG BEI IMMOBILIEN Vorgesehen ist ferner eine Verringerung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von derzeit effektiv 16,25% der Miete oder Pacht für unbewegliche Wirtschaftsgüter (insbes. Immobilienmiete oder Erbbauzinsen) beim gewerblichen Mieter auf effektiv 12,5%. Bei einem Gewerbesteuerhebesatz von 400% führt dies ab dem Erhebungszeitraum 2010 zu einer Gewerbesteuerentlastung von ca. 0,525%, was für die intendierte Wachstumsbeschleunigung kaum ausreichen dürfte. Dr. Ingmar Dörr Senior Associate, Steuerrecht T +49 89 29012 288 ingmar.doerr@lovells.com

Lovells Automotive News 7 Freiwillige Abfindungsprogramme: Der schnelle Weg zum "Glück"? "Gerade in Zeiten der Krise schaffen Standortgarantien und ein Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen Vertrauen und nehmen den Arbeitnehmern die Angst vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes." Angesichts der aktuellen Entwicklungen verwundert diese von den Gewerkschaften und Betriebsräten so oft wiederholte Forderung. Viele Unternehmen müssen als Folge der Krise - deren Auswirkungen beim Abschluss kollektivrechtliche Vereinbarungen, die für das laufende Jahr und länger betriebsbedingte Kündigungen ausschließen nicht bekannt waren - trotz bestehenden Verzichts auf betriebsbedingte Kündigungen reagieren. Oder verlieren diese Unternehmen nicht jede Chance, durch eine Personalreduzierung auf die sinkenden Auftragseingänge und sich verringernde Umsätze reagieren zu können? Was können solche Unternehmen denn noch tun, wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und bestehende personelle Überkapazitäten ein (schnelles) Handeln erfordern? Gerade derzeit scheint diese Frage aktueller denn je. Die Antwort ist so simpel wie naheliegend: Wenn einseitige Maßnahmen (wie Kündigungen) ausgeschlossen sind, muss der notwendige Personalabbau einvernehmlich erfolgen. Dies ist die Geburtsstunde von freiwilligen Abfindungsprogrammen, die einen schnellen und vor allem einvernehmlichen Personalabbau ermöglichen sollen. Ein solches erfolgreiches "Freiwilligen-Programm" hat im Vergleich zu betriebsbedingten Kündigungen sogar erhebliche Vorteile, z.b.: Durch die Einvernehmlichkeit und die maßgeschneiderten Konditionen für das (letztlich ja freiwillige) Ausscheiden der Mitarbeiter lässt sich der Personalabbau gegenüber der Belegschaft und Öffentlichkeit leichter rechtfertigen. Der Abbau geht schnell und lässt sich zeitlich und - jenseits der Sozialauswahl - sogar inhaltlich steuern. Durch den Abschluss einvernehmlicher Aufhebungsverträge werden rechtliche Risiken von betriebsbedingten Kündigungen umgangen. Freilich kann ein freiwilliges Abfindungsprogramm auch unabhängig vom Bestehen von Standortgarantien etc. zum Einsatz kommen, um durch freiwilliges Ausscheiden von Mitarbeitern größere Kündigungswellen vielleicht gar vermeiden zu können. Allerdings birgt die Umsetzung eines Freiwilligen-Programms auch einige Gefahren; denn das Unternehmen muss aufpassen, dass nicht auch Leistungsträger und besonders flexiblen Mitarbeiter von Bord gehen. Dieser Spagat zwischen dem Erreichen bestimmter Abbauziele und dem Halten aller Leistungsträger ist oft nur sehr schwer zu schaffen. Vor diesem Hintergrund sollen einige rechtliche Aspekte für die Umsetzung sowie strategische Überlegungen zu diesem mittlerweile praxiserprobten und anerkannten Instrument dargestellt werden. UMSETZUNG Für die Umsetzung eines Freiwilligen- Programms stehen grundsätzlich zwei Varianten zur Verfügung: das selektive sowie das offene Angebotsverfahren. (a) Selektives Angebotsverfahren Beim selektiven Angebotsverfahren werden gezielt einzelne Mitarbeiter angesprochen. Diesen Mitarbeitern wird - von der Personalabteilung oder dezentral durch Fachvorgesetzte - die Aufhebung ihrer Arbeitsverhältnisse angeboten. Dieses Initiativrecht des Arbeitgebers ermöglicht, dass bestimmte Mitarbeiter oder Mitarbeitergruppen (z.b. "Low Performer") gezielt ausgewählt werden können. So kann Personalabbau gesteuert werden - und genau dort erfolgen, wo Überkapazitäten bestehen. Allerdings scheitert das selektive Angebotsverfahren oft am Widerstand der Arbeitnehmervertretungen. Denn sie befürchten die "Stigmatisierung" der angesprochenen Mitarbeiter sowie die Ausübung von Druck auf Betroffene. Insbesondere aber wird vermutet, dass die Auswahlentscheidung des Arbeitgebers nicht objektiv begründbar ist, sondern subjektive Faktoren den Ausschlag dafür geben, wer angesprochen wird. (b) Offenes Angebotsverfahren Beim offenen Angebotsverfahren richtet sich das Freiwilligen-Programm "flächendeckend" an alle Mitarbeiter; damit haben - in gewisser Weise - auch die Mitarbeiter ein Initiativ-Recht und können den Abschluss eines Aufhebungsvertrages fordern. Dieses Prinzip findet insbesondere bei umfangreichen Abbaumaßnahmen Anwendung. Denn nur die durch das offene Angebotsverfahren erzielbare "Breitenwirkung" kann regelmäßig eine ausreichende Zahl an Freiwilligen generieren. Praxistipp: Beim offenen Angebotsverfahren ist es wichtig, das Programm zahlenmäßig zu begrenzen. Anderenfalls muss das Unternehmen möglicherweise zu viele Mitarbeiter mit Abfindung gehen lassen, um sodann wieder neue Arbeitskräfte rekrutieren zu müssen. Eine solche Situation ist nicht praxisfern; denn es ist bereits vorgekommen, dass die zu attraktive Ausgestaltung eines Freiwilligen-Programms dazu geführt hat, dass die Zahl der Freiwilligen die Zahl der abzubauenden Arbeitsplätze erheblich überstieg. Ein Unternehmen muss sich allerdings bewusst sein, dass Leistungsträger und junge, flexible Arbeitnehmer mit guten Chancen auf dem Arbeitsmarkt eher zum Abschluss von Aufhebungsvereinbarungen bereit sein werden. Bei ihnen besteht auch wegen der häufig kürzeren Betriebszugehörigkeit eine geringere emotionale Bindung an das Unternehmen. Es werden sich deshalb auch viele Mitarbeiter für eine Aufhebungsvereinbarung entscheiden, die eigentlich im Unternehmen gehalten werden sollen. Praxistipp: Um die Risiken eines solchen Verlustes von "High-Potentials" zu begrenzen, enthalten Freiwilligen- Programme regelmäßig eine "Öffnungsklausel", die es dem Arbeitgeber

Lovells Automotive News 8 erlaubt, die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses zu verweigern. Da auch der Mitarbeiter nicht zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages gezwungen werden kann, spricht man von der sog. "doppelten Freiwilligkeit". Diese aus einem Freiwilligen-Programm nicht wegzudenkende Klausel erweist sich jedoch häufig als "Bremse" für den Erfolg des Programms: Denn wenn sich ein Mitarbeiter gegenüber dem Arbeitgeber "outet", dass er das Unternehmen gerne verlassen will und dieser den Wunsch ablehnt, wird der Mitarbeiter Nachteile beim weiteren Fortkommen im Unternehmen fürchten. Mitarbeiter werden daher u.u. in weit geringerem Maße als erhofft am Freiwilligen- Programm teilnehmen. Dies gilt umso mehr, wenn etwa der Abschluss des Aufhebungsvertrags an ein vorheriges Gespräch mit dem unmittelbaren Vorgesetzen gekoppelt ist. Begegnen kann man diesem Problem durch die klare Definition von Kriterien, wann der Wunsch eines Mitarbeiters auf Abschluss eines Aufhebungsvertrags abgelehnt werden kann. Dann kann auch der Mitarbeiter für sich prüfen, ob er zu der Gruppe der "Berechtigten" zählt. Möglich ist auch, den sachlichen Anwendungsbereich des Freiwilligen- Programms auf bestimmte Betriebe, Abteilungen oder Hierarchieebenen zu beschränken, um so den Personalabbau zu steuern. REGELUNGSBEDARF Für die Implementierung des Programms selbst gibt es viele Möglichkeiten. Das Freiwilligen-Programm wird üblicherweise durch eine Betriebsvereinbarung umgesetzt. Denn durch die Einbeziehung der Arbeitnehmervertretungen bei der Ausgestaltung des Freiwilligen- Programms kann sich der Arbeitgeber regelmäßig deren Unterstützung sichern, was enorme Vorteile für die "Bewerbung" des Programms gegenüber Mitarbeitern hat. Wegen ihrer unmittelbaren und zwingenden Wirkung (vgl. 77 Abs. 4 S. 1 BetrVG) gegenüber dem einzelnen Mitarbeiter ist bei der Formulierung der Betriebsvereinbarung aber besondere Vorsicht geboten. Denn die hierdurch definierten Ansprüche der Mitarbeiter lassen dem Arbeitgeber für die individuellen Aufhebungsvereinbarungen nur begrenzt Spielraum. Nur stichpunktartig sollen nachfolgend einzelne Punkte aufgelistet werden, die bei einer solchen Betriebsvereinbarung anzusprechen wären, wobei die Aufzählung nur beispielhaft ist und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt: Sachlicher Anwendungsbereich (d.h. Festlegung des Kreises der Mitarbeiter, für die das Programm gelten soll, z.b. alle Mitarbeiter des Betriebs XY, alle Außendienstmitarbeiter, alle Mitarbeiter der Tarifgruppe Z). Persönlicher Anwendungsbereich (z.b. Ausschluss von Mitarbeitern, die bereits Anspruch auf vorzeitige Altersrente haben, die in einem befristeten Arbeitsverhältnis stehen oder deren Arbeitsverhältnis aus personenoder verhaltensbedingten Gründen gekündigt wurde). Verfahren, wie die Ansprache der Mitarbeiter erfolgt (insbesondere für das selektive Angebotsverfahren) oder die Festlegung von Kriterien, wann dem Abschluss von Aufhebungsvereinbarungen zugestimmt wird (für offenes Angebotsverfahren). Prinzip der "doppelten Freiwilligkeit". Laufzeit des Programms und Inkrafttreten (Stichtagsregelung, Erreichen der Abbauzahlen). Bedingungen der Aufhebungsvereinbarungen, insbesondere: Beendigung mit/ohne Einhaltung der Kündigungsfrist/ Abfindungsformel ggf. sonstige Leistungen (z.b. Qualifizierungsangebote, Newplacement-Beratung) ggf. Vereinbarung von "Turboprämien" ggf. Ausgleich für eine etwaige Sperrzeit beim Arbeitslosengeld ggf. Ausgleich etwaiger Auswirkungen auf die betriebliche Altersversorgung. Alternativ ist aber auch ein bloßes Anschreiben an die Mitarbeiter möglich. In diesem lädt der Arbeitgeber ohne Anerkennung einer Rechtspflicht die angeschriebenen Mitarbeiter ein, ein konkretes Aufhebungsangebot zu bestimmten Konditionen zu machen (sog. "invitatio ad offerendum"). Das Angebot des Mitarbeiters würde der Arbeitgeber dann annehmen. RECHTLICHE FRAGEN Natürlich müssen bei der Einführung eines solchen Programms auch rechtliche Rahmenbedingungen beachtet werden. Die wichtigsten Fragen dürften hier sein: (a) Beteiligungsrechte des Betriebsrats Bei der Einführung des Freiwilligen- Programms können Mitbestimmungsrechte bestehen, wenn der Arbeitgeber mit Hilfe des Programms einen Personalabbau plant und umsetzt, der den Umfang einer Betriebsänderung erreicht ( 111 ff. BetrVG). Da als Betriebsänderung nur eine Einschränkung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen gilt, ist nicht jeder Personalabbau zugleich auch als eine beteiligungspflichtige Betriebsänderung anzusehen. Hierzu müssen erhebliche Teile der Belegschaft betroffen sein. Als Richtschnur dafür, wann dies der Fall ist, zieht das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Zahlenund Prozentangaben in 17 Abs. 1 KSchG über die Anzeigepflicht bei Massenentlassungen heran. Dies bedeutet im Einzelnen, dass bei Betrieben zwischen 21 und 59 Arbeitnehmern mindestens 6 Arbeitnehmer, in Betrieben zwischen 60 und 499 Arbeitneh-

Lovells Automotive News 9 mern 10% bzw. mindestens 26 Arbeitnehmer sowie in Betrieben mit mehr als 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer betroffen sein müssen. Zusätzlich verlangt das BAG, dass mindestens 5% der Belegschaft des Betriebs betroffen sind, was für größere Unternehmen relevant wird. Würde ein entsprechendes Mitbestimmungsrecht nicht beachtet, könnte der Betriebsrat für den Personalabbau noch im Nachhinein einen Sozialplan erzwingen; die Mitarbeiter hätten zudem entsprechende Nachteilsausgleichsansprüche. Ggf. könnte der Betriebsrat auch durch einstweilige Verfügungen den Abschluss der Aufhebungsvereinbarungen im Rahmen des Freiwilligen- Programms untersagen lassen. Praxistipp: Soll mit dem Freiwilligen- Programm schon begonnen werden, bevor mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich und Sozialplan verhandelt wurde, kommt der Abschluss einer Duldungsvereinbarung in Betracht. In dieser erklärt sich der Betriebsrat mit dem Abschluss von Aufhebungsvereinbarungen im Rahmen des Freiwilligen-Programms einverstanden. Für den Abschluss der Aufhebungsvereinbarungen mit den einzelnen Mitarbeitern ist keine Beteiligung des Betriebsrats mehr erforderlich, insbesondere nicht nach 102 BetrVG (Anhörung bei Kündigungen). (b) Massenentlassungsanzeige Der seitens des Unternehmens veranlasste Abschluss von Aufhebungsvereinbarungen stellt eine "Entlassung" i.s.v. 17 KSchG dar. Bei Überschreiten der in 17 Abs. 1 S. 1 KSchG aufgeführten Schwellenwerte (innerhalb von 30 Tagen), wären die Aufhebungsverträge in diesem Fall nur wirksam, wenn vorher eine entsprechende Anzeige bei der Agentur für Arbeit erstattet worden ist. Praxistipp: Es empfiehlt sich bei jedem Freiwilligen-Programm, das - zumindest in der Planung - die entsprechenden Schwellenwerte erreicht, eine vorsorgliche Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit zu erstatten. Für diese Anzeige wird unterstellt, dass der gesamte Abbaubedarf durch das Freiwilligen-Programm realisiert werden kann. (c) Gleichbehandlung Auch für den Abschluss von Aufhebungsvereinbarungen greift der Gleichbehandlungsgrundsatz. Soll das Programm daher nur für bestimmte Mitarbeiter bzw. Mitarbeitergruppen gelten bzw. soll einzelnen Mitarbeitern der Abschluss von Aufhebungsvereinbarungen verweigert werden, bedarf es hierfür an sich eines rechtfertigenden sachlichen Grundes. Liegt ein solcher Grund nicht vor, besteht das Risiko, dass ein Mitarbeiter, dem der Abschluss der Aufhebungsvereinbarung verweigert wurde, deren Abschluss "einklagt". STRATEGISCHE FRAGEN Der Erfolg eines Freiwilligen- Programms hängt aber nicht nur von der Lösung der angerissenen rechtlichen Fragen ab. Natürlich sind die rechtlichen Vorgaben einzuhalten, damit das Freiwilligen-Programm nicht schon deswegen "torpediert" oder verhindert wird. Der Erfolg des Programms ist aber ganz entscheidend davon abhängig, dass bereits im Planungsstadium die strategischen Weichen richtig gestellt werden. (a) Finanzieller Rahmen Bei der Budgetierung des Freiwilligen- Programms spielt zunächst die Historie im eigenen Unternehmen oder dem Konzern eine Rolle. Gab es bereits in der Vergangenheit vergleichbare Programme, sollte man auch in finanzieller Hinsicht an diese anknüpfen. Denn Mitarbeiter, Betriebsräte und Gewerkschaften vergleichen das Abfindungsniveau sofort mit dem aus zurückliegenden Programmen und bemessen hieran die Attraktivität des Programms. Auch Vergleichswerte aus der Branche sind hier zu berücksichtigen. Gerade hier zeigt sich, dass Mitarbeiter und Arbeitnehmervertretungen sehr gut vernetzt und informiert sind und für ihre Entscheidung sofort Vergleichsdaten parat haben. Praxistipp: Vor der ungeprüften Übernahme der Freiwilligen-Programme von Wettbewerbern ist aber zu warnen. Oft weicht der Hintergrund, der zum Abschluss des Freiwilligen-Programms geführt hat, vom eigenen "Fall" ab. So kann das Abfindungsniveau etwa deshalb überdurchschnittlich hoch sein, weil bestimmte Zeitlinien in Arbeitgeberplanungen dringend zu halten waren oder weil sich der Arbeitgeber bestimmte Mitarbeiter "herausgepickt" hat und sich für ein solches Vorgehen die Duldung des Betriebsrats "erkaufen" musste. Riskant ist die Idee, die Abfindungshöhe zunächst konservativ zu kalkulieren, um dann ggf. die Konditionen nachzubessern. Mitarbeiter, die bereits anfangs zögerlich waren, werden dann erst Recht nur sehr verhalten vom Freiwilligen-Programm Gebrauch machen, da sie auf weitere Zuschläge hoffen. Dies gilt umso mehr, falls nach einiger Zeit ein weiteres Freiwilligen-Programm aufgelegt werden muss. Hier werden die Mitarbeiter sogleich damit rechnen, dass Konditionen später nachgebessert werden und abwarten. (b) Präjudizwirkung Die Dotierung von Freiwilligen- Programmen hat Präjudizwirkung für die möglichen Sozialplanverhandlungen und das Sozialplan-Niveau. Für die Entscheidung zur Dotierung des Programms ist daher sowohl diese (nicht gewünschte) Präjudizwirkung wie auch die (gewünschte) Anreizwirkung zu berücksichtigen. Zu empfehlen ist insoweit der Einsatz einer "großzügigen" Turboprämie, diese hat nicht nur den gewünschten Beschleunigungseffekt, sondern hilft auch dabei, das Abfindungsniveau nach der Abfindungs-Formel relativ niedrig zu halten. (c) Abzubauende Mitarbeiter Vor Umsetzung des Freiwilligen- Programms ist zu prüfen und genau festzulegen, ob und welche Mitarbeiter(- gruppen) "verzichtbar" sind bzw. welche

Lovells Automotive News 10 Mitarbeiter(-gruppen) aus geschäftlichen Gründen zwingend zu halten sind. Erst auf dieser Grundlage kann entschieden werden, ob ein selektives oder ein offenes Angebotsverfahren sinnvoll ist oder ob sich der Arbeitgeber das Recht vorbehalten muss, den Abschluss von Aufhebungsverträgen im Einzelfall zu verweigern. Praxistipp: Bei dieser Entscheidung ist zu berücksichtigen, dass das "Herauspicken" von Mitarbeitern im selektiven Angebotsverfahren auch einen erheblichen Einsatz von Ressourcen erfordert. Insbesondere die Fachvorgesetzten der betroffenen Mitarbeiter müssen in das Verfahren schon im Stadium der Planung eingebunden sein. Zu bedenken ist auch: Je größer der Abbaubedarf und je enger der Zeitplan, desto offener muss das Angebotsverfahren ausgestaltet sein und gehandhabt werden - auch auf die Gefahr hin, dass Leistungsträger das Unternehmen verlassen. (d) Die Rolle des Betriebsrats Die Erfahrung zeigt, dass das Freiwilligen-Programm nur erfolgreich sein kann, wenn es vom Betriebsrat aktiv unterstützt und nicht "sabotiert" wird. Ob der Betriebsrat dem Programm offen gegenübersteht und dieses bestenfalls sogar aktiv fördert, wird nicht nur von der Art seiner Einbeziehung und dem Klima der Verhandlungen abhängen, sondern auch von der finanziellen Ausgestaltung des Programms - mit anderen Worten, der Betriebsrat wird nur ein solches Programm mittragen, das aus seiner Sicht auch "attraktiv" ist und Mitarbeiter nicht übervorteilt. Zudem wird die Unterstützung davon abhängig gemacht werden, dass die Mitarbeiter, die nunmehr mit dem Programm freiwillig aus dem Unternehmen ausscheiden, auch tatsächlich "freiwillig" gehen. Einem selektiven Angebotsverfahren, bei dem "bestimmte" Mitarbeiter gezielt angesprochen werden, steht der Betriebsrat regelmäßig skeptisch gegenüber. (e) Zeitliche Aspekte Meist agieren Arbeitgeber unter hohem Zeitdruck. Das Freiwilligen-Programm muss schnell Erfolge bringen, um geplante Reorganisationsmaßnahmen umsetzen zu können. Mitarbeiter tendieren jedoch (nachvollziehbarerweise) dazu, die Entscheidung über die Aufhebung ihres Arbeitsverhältnisses bis zuletzt hinauszuschieben. Der Arbeitgeber wiederum bleibt dadurch lange im Unklaren über den Erfolg des Programms. Praxistipp: Um diesen Widerspruch aufzulösen, sollten zeitlich abgestufte Turboprämien eingesetzt werden, die schnelle Entscheidungen der Mitarbeiter zusätzlich belohnen. Auch eine zeitliche Begrenzung des Programms selbst ist dringend anzuraten. (f) Kommunikative Begleitung Verhandlung und Umsetzung des Freiwilligen-Programms sind kommunikativ zu begleiten. Zum einen muss die Geschäftsführung dem Betriebsrat das Freiwilligen-Programm "schmackhaft" machen. Dazu wird insbesondere der Hinweis auf die Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen, die anderenfalls zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgesprochen worden wären, dienen. Auch bedarf es einer Begründung, warum der Betriebsrat das Programm unterstützen sollte. Zum anderen müssen vor allem aber auch die Mitarbeiter über das Freiwilligen-Programm informiert werden. Insoweit wird es nicht genügen, eine etwaig mit dem Betriebsrat getroffene Vereinbarung zu veröffentlichen. Die Inhalte sollten für die Mitarbeiter verständlich zusammengefasst und aufbereitet werden und ihnen ggf. auch direkt übersandt werden. Der Arbeitgeber muss zusätzlich hinreichende Ressourcen für Rückfragen zur Verfügung stellen. FAZIT Nicht nur für den Fall, dass betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen sind, sind freiwillige Abfindungsprogramme ein interessantes und bewährtes Mittel zum Personalabbau. Auch wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und bestehende personelle Überkapazitäten ein schnelles Handeln erfordern und das Risiko von langwierigen Kündigungsschutzprozessen mit unsicherem Ausgang vermieden werden soll, ist ein Freiwilligen-Programm zu empfehlen. Damit das Programm aber tatsächlich zum Erfolg führt, genügt es nicht, lediglich eine Abfindung für das freiwillige Ausscheiden aus dem Unternehmen auszuloben. Der gesamte Rahmen muss "passen", um den schnellen und vor allem einvernehmlichen Personalabbau zu ermöglichen. Andreas Ege Partner, Arbeitsrecht T +49 89 29012 141 andreas.ege@lovells.com Dr. Lars Mohnke Senior Associate, Arbeitsrecht T +49 89 29012 151 lars.mohnke@lovells.com

Lovells Automotive News 11 Verteidigungsstrategien gegen Patenttrolle im Praxistest 1. WAS SIND PATENTTROLLE? Lange Zeit trieben Trolle nur in Sagen ihr Unwesen. Skandinavische Kinder kenne sie als Wesen, die nicht nur wegen ihres hinterhältigen und bösartigen Charakters in Erinnerung bleiben, sondern, wie sich der folgenden Abbildung entnehmen lässt, vor allen Dingen aufgrund ihres unvorteilhaften Äußeren. Vor einigen Jahren haben die Trolle nun die Welt der Sagen verlassen und als neues Betätigungsfeld das Patentrecht für sich entdeckt. Unter einem Patenttroll versteht man dabei ein Unternehmen, das sein Geld mit der Verwertung von Patenten verdient. Obwohl es an einer allgemein anerkannten Definition fehlt, scheinen einige Merkmale für Patenttrolle doch charakteristisch zu sein: Sie sind erstens nicht selbst erfinderisch tätig, sondern kaufen fremde Patente etwa aus der Insolvenzmasse forschender Unternehmen auf. Zweitens nutzen sie die geschützten Erfindungen nicht selbst zur Herstellung von Produkten. Ihr Geschäftsmodell besteht vielmehr drittens darin, andere Unternehmen, welche die patentierte Technologie für ihre Produkte benötigen, durch die Androhung oder Durchführung von Verletzungsverfahren zur Zahlung von Lizenzgebühren zu bewegen. Die Klage vor dem Landgericht Mannheim, mit welcher das Pullacher Unternehmen IPCom wegen der angeblichen Verletzung von acht Patentfamilien Schadensersatz in Höhe von mindestens zwölf Milliarden Euro gegen Nokia einklagt, bildet insoweit nur das prominenteste Beispiel in Deutschland. Auch die Automotive Branche ist vor Angriffen von Patenttrollen nicht gefeit. In den USA verwickelte Erich Spangenberg, der weltweit vielleicht bekannteste Patenttroll, zahlreiche Automobilhersteller in Verletzungsverfahren und erstritt beispielsweise von Hyundai Schadensersatz in Höhe von 34 Millionen Dollar. Der Umstand, dass IPCom seine Ansprüche ausgerechnet auf Patenten stützt, die es aus dem Portfolio des Automobilzulieferers Bosch erwarb, kann ebenfalls nicht zur Beruhigung der deutschen Automobilindustrie beitragen. Es erscheint deshalb höchste Zeit, sich genauer mit der Frage auseinanderzusetzen, ob gegen Angriffe von Patenttrollen besondere Verteidigungsstrategien zur Verfügung stehen. 2. WAS MACHT PATENTTROLLE SO GEFÄHRLICH? Die besondere Gefährlichkeit von Patenttrollen ist unmittelbare Folge des zuvor beschriebenen Geschäftsmodells. Unternehmen der Automotive Branche haben vor der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nicht nur die Chancen und Risiken eines Verletzungsverfahrens sowie möglicher Nichtigkeitsklagen abzuwägen. Sie müssen auch die Gefahr eines gegen sie gerichteten "Gegenschlags" in Form eines Verletzungsangriffs gegen die eigenen Produkte einkalkulieren. Ein Grund dafür, dass Autohersteller ihre Wettbewerber nur selten klageweise wegen der Verletzung von Patenten in Anspruch nimmt ist, dass der Angreifer, der eine Verletzung festgestellt hat, angesichts der hohen Patentdichte in der Automotive Industrie mit einiger Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass er mit den eigenen Produkten gleichermaßen Patente der Gegenseite verletzt. Darüber hinaus darf auch die Wahrnehmung einer gerichtlichen Auseinandersetzung im Markt und in der Öffentlichkeit nicht unberücksichtigt gelassen werden. Verletzungsverfahren zwischen Unternehmen der Automotive Branche sind deshalb trotz der hohen Patentdichte jedenfalls auf der gleichen Vertriebsstufe relativ selten. Patenttrolle müssen keine entsprechenden Risikobewertungen vornehmen. Sie müssen weder gegen sie gerichtete Verletzungsangriffe, noch negative Marktreaktionen fürchten. Auch an einem Abschluss von Cross-License- Agreements sind sie nicht interessiert. Vielmehr können sie mit Verletzungsklagen drohen, um Lizenzgebühren durchzusetzen, die möglicherweise nicht den Marktverhältnissen entsprechen. Ihr schärfstes Schwert bildet dabei der Unterlassungsanspruch, dessen Drohpotential erheblichen Einigungsdruck auf den angeblichen Verletzer aufbaut. Daher werden derzeit zahlreiche Überlegungen dazu angestellt, ob der von einem Patenttroll geltend gemachte Unterlassungsanspruch besondere Grenzen hat. 3. RECHTLICHE ANSÄTZE IN DEN USA In den USA, in welchen Patenttrolle bereits wesentlich früher auftraten als in Europa, existiert anders als in Deutschland eine umfangreiche auch höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Handhabung dieses Phänomens. Der Supreme Court formulierte in der Entscheidung ebay v. MercExchange (LLC, 126 S.Ct. 1837 (U.S., 2006) = Mitt. 2006, 319) einen Ansatz, der auf eine flexible Interessenabwägung hinausläuft: Anderes als bisher soll eine Patentverletzung nicht mehr weitgehend automatisch einen Unterlassungsanspruch zur Folge haben. Stattdessen wird der Unterlassungsanspruch dem sog. "Four Factors Test" unterstellt und damit einer umfassenden Interessen-, insbesondere einer Verhältnismäßigkeitsabwägung zugänglich gemacht. Fällt diese für den Patenttroll negativ aus, wird er nicht rechtlos gestellt, sondern auf den Schadensersatzanspruch verwiesen. 4. MÖGLICHE EINWENDUNGEN GEGEN DEN UNTERLASSUNGS- ANSPRUCH NACH DEUTSCHEM RECHT Ausgehend von der Handhabung in den USA wird mittlerweile auch in der heimischen Literatur diskutiert, inwieweit dem Unterlassungsanspruch von Patenttrollen nach deutschem Recht Ein-

Lovells Automotive News 12 wendungen entgegengehalten werden können. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich allerdings, dass die vorgeschlagenen Lösungen in der Praxis nur selten Erfolg versprechen. Obergerichtliche Entscheidungen zu diesem Thema liegen noch nicht vor. Jedoch hat das Landgericht Mannheim in einem Urteil vom 27. Februar 2009 ausdrücklich Stellung zur Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen durch Patenttrolle bezogen (Az. 7 O 94/08; NJOZ 2009, 1458 - FRAND-Erklärung). 4.1. Kartellrechtlicher Zwangslizenzeinwand Zweifellos in Betracht kommt auch im Verhältnis zu Patenttrollen der auf die Art. 82 EGV, 19, 20 GWB gestützte kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand im Fall von Klagen aus sog. standardrelevanten Patenten, also aus Schutzrechten, deren technische Lehre bei der Anwendung eines technischen Standards zwingend benutzt wird. Ein Vorgehen aus entsprechenden Patenten erscheint gerade für Patenttrolle attraktiv, lassen sich hier doch die Verletzungsargumente relativ einfach entwickeln und die Erfolgsaussichten vergleichsweise sicher abschätzen. Die Geltendmachung von Ansprüchen aus standardrelevanten Patenten kann eine kartellrechtswidrige Diskriminierung oder einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung darstellen. Allerdings hat der BGH diese Einwendung in der Orange-Book-Standard- Entscheidung vom 6. Mai 2009 strengen Voraussetzungen unterstellt. Zwar kann der kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand grundsätzlich auch dem Unterlassungsanspruch entgegengehalten werden. Erforderlich ist jedoch, dass der angebliche Verletzer dem Patentinhaber ein unbedingtes Angebot auf Abschluss eines Lizenzvertrages zu Bedingungen gemacht hat, die dieser nicht ablehnen kann, ohne den Lizenzsucher unbillig zu behindern oder gegen das Diskriminierungsverbot zu verstoßen. Darüber hinaus muss sich der Lizenzsucher selbst vertragstreu verhalten, muss also insbesondere die Lizenzgebühren zahlen, die er bei Abschluss eines Lizenzvertrages schulden würde. Um seine Rückzahlungsansprüche im Fall einer Klageabweisung zu sichern, hat der Lizenzsucher dabei die Möglichkeit, die geschuldeten Lizenzgebühren nicht bereits an den Patentinhaber auszuzahlen, sondern diese zunächst nur zu hinterlegen. Gerade die Pflicht, dem Patentinhaber ein annahmefähiges Lizenzangebot zu unterbreiten, stellt für den Lizenzsucher in der Praxis eine wesentliche Hürde dar. Bindet er sein Angebot an zu strenge Bedingungen, riskiert er mit seiner Einwendung nicht gehört zu werden. Unterbreitet er ein großzügigeres Angebot, läuft er hingegen Gefahr einen Vertrag mit überhöhten Lizenzgebühren zu schließen. Auch die vom BGH eröffnete Möglichkeit, das Vertragsangebot auf eine vom Patentinhaber nach billigem Ermessen zu bestimmende Lizenzgebühr zu richten, dürfte von der Praxis mit Zurückhaltung aufgenommen werden. Indem es die Bestimmung der Vertragsbedingungen dem Einfluss des Lizenzsuchers entzieht und diese stattdessen in die Hände eines mit den Marktverhältnissen nicht vertrauten Richters legt, geht ein solches Angebot mit einer erheblichen wirtschaftlichen Unsicherheit einher. 4.2. Unterlassungsanspruch als Rechtsmissbrauch Teilweise wird argumentiert, die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen durch Patenttrolle stelle analog zur Eintragung sog. Sperrmarken eine rechtsmissbräuchliche Ausnutzung einer bloß formalen Rechtsstellung dar. So nutze der Patenttroll das Schutzrecht nicht zu Herstellung eigener Produkte, sondern missbrauche nur die vom Patent ausgehende Ausschlusswirkung, um gegen Dritte die Zahlung von Lizenzgebühren durchzusetzen. Allerdings spricht gegen eine solche Argumentation, dass wesentliche Unterschiede zwischen dem Patent- und dem Markenrecht existieren. Anders als das Patentgesetz kennt das Markenrecht insbesondere einen Benutzungszwang und stuft die bösgläubige Markenanmeldung als absolutes Schutzhindernis ein. Das Landgericht Mannheim sieht den auf das Rechtsmissbrauchsargument gerichteten Beklagtenvortrag deshalb als "im Ansatz verfehlt" (NJOZ 2009, 1458 (1460) - FRAND-Erklärung) an, insbesondere fehle es dem klagenden Patenttroll mit Blick auf den Unterlassungsanspruch "nicht an einem berechtigten schutzwürdigen Eigeninteresse ( 242, 826 BGB)" (NJOZ 2009, 1458 (1461) - FRAND-Erklärung). In der Praxis dürfte der Einwand des Rechtsmissbrauchs dementsprechend auch im Verhältnis zu Patenttrollen nach der geltenden gesetzlichen Lage eher selten Erfolg versprechen. 4.3 Unverhältnismäßigkeit des Unterlassungsanspruchs In Anlehnung an die oben geschilderte Entscheidung des US Supreme Court ließe sich weiterhin argumentieren, die Gewährung eines Unterlassungsanspruch zugunsten des Patenttrolls stelle eine unverhältnismäßig Belastung der beklagten Partei dar und sei deshalb nach 242 BGB ausgeschlossen. Anders als in den USA, wo es sich beim Unterlassungsanspruch um ein Instrument des Equity handelt, seine Gewährung also nach der allgemeinen rechtlichen Systematik im Ermessen des Gerichts steht, fehlt es in Deutschland aber nach dem Wortlaut des 139 PatG an einer entsprechenden Flexibilität. Eine Patentverletzung sowie Wiederholungsoder Erstbegehungsgefahr vorausgesetzt, ist das Gericht vielmehr grundsätzlich verpflichtet, ein Unterlassungsurteil auszusprechen. Der patentrechtliche Unterlassungsanspruch unterliegt vor diesem Hintergrund nur insoweit einem Verhältnismäßigkeitsvorbehalt, als das Verhältnismäßigkeitsprinzip einen allgemeinen Grundsatz des deutschen Zivilrechts bildet und auch die Enforcement Richtlinie die Verhältnismäßigkeit der zur Durchsetzung des geistigen Eigentums gewährten Rechte anmahnt. In diesem Sinne argumentierte auch das Landgericht Mannheim (NJOZ 2009, 1458 (1461) - FRAND-Erklärung). Da der patentrechtliche Unterlassungs-

Lovells Automotive News 13 anspruch gerade keinem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsvorbehalt unterliege, bleibe "der Einwand der Unverhältnismäßigkeit auf atypische vom Gesetzgeber nicht vorhersehbare Ausnahmefälle beschränkt. Dass eine Patentverwertungsgesellschaft einen Unterlassungsanspruch durchzusetzen sucht, um Verletzer zur Lizenznahme anzuhalten, ist nach Auffassung der Kammer keine solcher Ausnahmefall, sondern dem Patentsystem als Teil der geltenden Rechts- und Wirtschaftsordnung immanent, zumal auch eine Patentverwertungsgesellschaft mit Rücksicht auf bestehende Lizenzverträge in der Regel zu solch einem vorgehen angehalten sein wird." 5. FAZIT UND AUSBLICK Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass bislang kein Patentrezept erkennbar ist, mit dessen Hilfe speziell dem Treiben von Patenttrollen auf einfache Weise Einhalt geboten werden kann. Zwar kommt bei Klagen aus standardrelevanten Patenten der kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand in Betracht. Der Einwand der Rechtsmissbräuchlichkeit des Unterlassungsanspruchs wird hingegen ebenso wie derjenige der Unverhältnismäßigkeit nur selten leicht zu begründen sein. Im Regelfall müssen Verletzungsklagen von Patenttrollen deshalb mit dem üblichen Handwerkszeug abgewehrt werden, nämlich mit einer intelligenten Nichtverletzungsargumentation und gegebenenfalls mit Nichtigkeitsangriffen auf die Klagepatente. Dabei könnten in der Zukunft insbesondere zwei prozessuale Instrumente relevant werden, von welchen eines in einer oberlandesgerichtlichen Entscheidung bereits die Anerkennung der Rechtsprechung gefunden hat. Von der Möglichkeit Verletzungsprozessen im Hinblick auf Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren nach 148 ZPO auszusetzen, machen Gerichte derzeit nur mit großer Zurückhaltung Gebrauch. Soweit nicht eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Vernichtung des Patents spricht, wird eine Aussetzung regelmäßig abgelehnt. Der mit der Reform des Patentnichtigkeitsverfahrens durch 83 PatG eingeführte frühzeitige Hinweis des BPatG auf die für die Entscheidung wesentlichen Fragen könnte neuerdings bereits in einem frühen Verfahrensstadium einen deutlichen Hinweis auf die Erfolgsaussichten der Nichtigkeitsklage liefern. Auf dieser Grundlage könnten sich die Verletzungsgerichte zukünftig gerade im Verhältnis zu Patenttrollen, die mit dem Unterlassungsanspruch keine eigene Wettbewerbsstellung absichern, sondern lediglich die Durchsetzung von Lizenzgebühren forcieren, eher in der Lage sehen, das Verfahren auszusetzen. Ein zweites prozessuales Instrument besteht in der Einstellung der Zwangsvollstreckung eines erstinstanzlichen Unterlassungsurteils nach 712 ZPO oder 719 Abs. 1, 707 Abs. 1 ZPO. Gerade die 719 Abs. 1, 707 Abs. 1 ZPO ermöglichen den Gerichten eine die widerstreitenden Interessen beider Parteien umfassend abwägende Ermessensentscheidung. Allerdings unterstellt die Rechtsprechung angesichts des in den 709 ff. ZPO zum Ausdruck kommenden Regel-Ausnahme- Verhältnisses auch die Einstellung der Zwangsvollstreckung traditionell sehr strengen Voraussetzungen. Sie kommt grundsätzlich nur unter besonderen Umständen und in Ausnahmefällen in Betracht. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat in einer Entscheidung vom 11. Mai 2009 in Sachen IPCom./. HTC (Az. 6 U 38/09) einen solchen Ausnahmefall für gegeben angesehen und dabei explizit mit der besondere Situation der beteiligten Prozessparteien, namentlich mit dem Auftreten eines Patenttrolls auf der Klägerseite argumentiert. So schütze die Klägerin keine eigene Marktposition und habe dementsprechend an der tatsächlichen Unterlassung der Herstellung und des Vertriebs patentgemäßer Erzeugnisse kein erhebliches wirtschaftliches Interesse. Das Vollstreckungsinteresse der Klägerin sei folglich wenig schutzwürdig, zumal im Fall eines späteren Obsiegens für die zwischenzeitlich erfolgten Patentverletzungen Schadensersatzansprüche auflaufen. Demgegenüber führe eine Vollstreckung des Unterlassungstitels unmittelbar zu erheblichen Schäden der Beklagten. In diesem Zusammenhang sei zusätzlich zu berücksichtigen, dass die üblicherweise geringe Eigenkapitalausstattung von Patenttrollen dazu führen kann, dass sich potentielle Schadensersatzansprüche der Beklagten aus 717 Abs. 2 ZPO als wertlos herausstellen. Die beiden geschilderten prozessualen Ansätze geben der beklagten Partei die Möglichkeit, die tatsächliche Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs zeitlich unter Umständen erheblich zu verzögern. Dr. Steffen Steininger, M.Jur. (Oxford) Counsel, Gewerblicher Rechtsschutz T +49 89 29012 168 steffen.steininger@lovells.com Benjamin Schröer Associate, Gewerblicher Rechtsschutz T +49 89 29012 168 benjamin.schroeer@lovells.com

Lovells Automotive News 14 Verwendung von Herstellermarken: Vertragshändler, Servicepartner und freie Werkstätten - Wer darf was? Der Automobilmarkt zeichnet sich wie kaum ein anderer dadurch aus, dass die Hersteller über ein gut ausgebautes Vertriebsnetz verfügen. Dies gilt nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa. Das Vertriebsnetz zeichnet sich durch eine hierarchische Zweiteilung aus: es gibt den Vertragshändler und den Servicepartner. Während der Vertragshändler Neuwagen vom Hersteller bezieht und diese an Kunden weiter veräußert, beschränkt sich die Beziehung zwischen dem Hersteller und seinem Servicepartner auf die Erbringung von Kundendienstleistungen sowie den Vertrieb von Original-Fahrzeugteilen. Die besagte Zweiteilung geht im Wesentlichen auf die derzeit noch geltende Kfz-Gruppenfreistellungsverordnung 1400/2002/EG zurück, welche qualitativ-selektive Vertriebssysteme vom Kartellverbot des Art. 81 Abs. 3 EG ausnimmt. Konkurrenz droht den Vertragshändlern und Servicepartnern von den freien Händlern und Werkstätten. Diese bieten ebenfalls Fahrzeuge und Service an, allerdings ohne in direkter vertraglicher Verbindung zum Hersteller zu stehen. Gleichwohl sind auch die freien Händler und Werkstätten nicht selten auf eine oder mehrere Fahrzeugmarken spezialisiert. Dies dokumentiert sich in deutlichen Hinweisen auf die jeweiligen Marken. Die Logos der Hersteller prangen an den Verkaufsräumen und der Werkstatt, der Internetauftritt beinhaltet den Herstellernahmen und in Werbeanzeigen finden sich Logo und Schriftzug des Herstellers. Für den Hersteller, aber auch für dessen Vertragshändler und Servicepartner, stellt sich damit die Frage: Was ist erlaubt? Welche Nutzung der Herstellermarke ist zu dulden? Doch nicht nur die Abgrenzung des Vertriebsnetzes nach außen ist von Bedeutung, der Händler hat zudem ein veritables Interesse, eine erkennbare Abgrenzung zwischen seinen Vertragshändlern und seinen Servicepartnern vorzunehmen. Auch hier ist zu fragen, was ist erlaubt? 1. ABGRENZUNG ZU FREIEN HÄNDLERN UND WERKSTÄTTEN Das Logo eines Händlers oder dessen Namenszug sind werbewirksame Mittel, um im Wettbewerb um Kunden auf die eigene Leistung aufmerksam zu machen. Logo wie auch Name sind jedoch stets als Marke für den Hersteller geschützt. Dieser hat somit ein Ausschließlichkeitsrecht und darf bestimmen, wer die Marke verwenden darf und wer nicht. Aber nicht nur wer eine Lizenz erwirbt, darf mit Audi-Ringen, Mercedes-Stern oder BMW-Emblem werben. Auch freien Händlern und Werkstätten ist dies in bestimmten Grenzen erlaubt. Wo diese Grenzen liegen, soll im Folgenden aufgezeigt werden. (a) Handlungsspielraum der freien Händler und Werkstätten Nach 23 Nr. 2 MarkenG dürfen Marken auch ohne ausdrückliche Erlaubnis des Markeninhabers genutzt werden, wenn dies in rein beschreibender Weise geschieht. Beschreibend wäre etwa die Aussage Wir reparieren Ihren Volvo.. Gemäß 23 Nr. 3 MarkenG ist auch die Verwendung als Bestimmungshinweis zulässig. Solchen Hinweisen bedarf es vor allem im Ersatzteilhandel, da man dem Kunden mitteilen muss, dass die Lichtmaschine, Kupplung oder Bremse für einen Nissan und nicht für einen Toyota bestimmt ist. 24 MarkenG beinhaltet darüber hinaus den so genannten Erschöpfungsgrundsatz. Ein einmal mit Zustimmung des Markeninhabers innerhalb der Europäischen Union in Verkehr gebrachtes Fahrzeug darf im Anschluss unter der Marke weiterveräußert werden. Dahinter steht der Gedanke, dass sich die Marke mit dem Inverkehrbringen für den Händler amortisiert hat und das Fahrzeug nunmehr den Gesetzen des freien Marktes innerhalb des Europäischen Binnenmarktes unterliegen soll. 24 MarkenG bildet damit die Grundlage für den Gebrauchtwagenhandel. Da die 23, 24 MarkenG nicht zwischen Wort- und Bildmarken unterscheiden, macht es auch keinen Unterschied, ob der freie Händler das Logo, den Herstellernamen oder beides verwendet. Wort- und Bildmarke genießen grundsätzlich denselben Schutz. (b) Grenzen der Markennutzung Allerdings bestehen bestimmte Grenzen, die es einzuhalten gilt. Zunächst gilt das Prinzip der Erforderlichkeit. Nur diejenige Markennutzung ist dem freien Händler bzw. der freien Werkstatt gestattet, die erforderlich ist, um sein Leistungsangebot in angemessener Weise am Markt zu präsentieren. Was angemessen ist, bewertet sich nach den Gepflogenheiten der Branche. 23 MarkenG spricht in diesem Zusammenhang von den guten Sitten, die es zu wahren gilt. 24 MarkenG rekurriert auf die berechtigten Interessen des Markeninhabers, die einer Nutzung der Marke entgegenstehen können. Dem freien Händler bzw. der freien Werkstatt soll es nach dem Willen des Gesetzgebers insbesondere möglich sein, auf das eigene Leistungsangebot, auf eine bestehende Spezialisierung oder besonderes Fachwissen hinzuweisen. Die Grenze des Zulässigen ist allerdings dort erreicht, wo die Verkehrskreise über die wahren Gegebenheiten, etwa die Verbindung zwischen Händler und Hersteller in die Irre geführt wird. Dies geschieht etwa dann, wenn der Händler sich als Vertriebspartner des Herstellers geriert, ohne dies zu sein. Die bloße Benutzung der Herstellermarke stellt dabei noch keine Irreführung dar. Nur wenn die durch 23, 24 MarkenG gewährten Freiräume überschritten werden, liegt eine Markenverletzung vor. Umgekehrt kann eine Außendarstellung oder Werbung auch dann eine Markenverletzung darstellen, wenn der freie Händler sich nur an das Look&Feel des Herstellers angelehnt und bewusst nicht exakt den Schriftzug des Herstellers oder dessen Farbgestaltung übernommen hat. Vielmehr ist der Gesamteindruck entscheidend. Erfahrungsgemäß wird die Mitgliedschaft in einem Vertriebsnetz vom Kun-

Lovells Automotive News 15 den als Zeichen für Kompetenz und Qualität gewertet. Es verwundert daher kaum, dass freie Händler und Werkstätten es mitunter darauf anlegen, zumindest unterschwellig den Eindruck einer gewissen Verbundenheit mit dem Hersteller zu erwecken. Gerade dieser auf einer Täuschung basierende Wettbewerbsvorteil findet jedoch keine Anerkennung durch den Gesetzgeber. 23 MarkenG zieht daher dort die Grenze. (c) Einzelfälle In Anwendung der vorstehenden Grundsätze wurden unter anderem die Registrierung der Domains peugeottuning.de, rolls-royce.de oder bmwersatzteile.com untersagt. Die Verwendung der Herstellermarke innerhalb der Domain war nicht erforderlich. Zudem bestand Irreführungsgefahr. Letztere kann insbesondere durch lokalisierende oder auf das Fehlen einer vertraglichen Dauerverbindung hinweisende Zusätze ausgeräumt werden. allerdings genügt die Ergänzung einer bloßen Ortsangabe in der Regel kaum. Denn bei einer Domain Mercedes-Wuppertal.de würde der Verkehr im Zweifel einen autorisierten Vertragshändler erwarten, nicht aber einen freien Händler. Entsprechendes gilt für eine Werbeaussage Ihr Opel Händler in Frankfurt., auch diese würde man ohne weitere Erläuterung einem Vertriebspartner von Opel zurechnen. Nicht untersagt werden kann dagegen die Verwendung des Hersteller-Logos in Anzeigen und auf Werbetafeln, die erkennbar auf eine Spezialisierung der Werkstatt hinweisen. Dies gilt insbesondere, wenn mehrere Logos verschiedener Hersteller abgebildet sind. Etwas anderes gilt nur dann, wenn eine erkennbare Anlehnung an das Look & Feel eines Herstellers stattfindet. Auch in vergleichender Werbung etwa dem Hinweis auf einen Test einer Fachzeitschrift darf das Hersteller- Logo grundsätzlich verwendet werden. Schließlich dürfen Hersteller von Zubehörteilen diese in der Werbung an einem Fahrzeug darstellen, wenn der Eindruck vermieden wird, der Zubehör- Hersteller stehe in vertraglicher Beziehung zum Hersteller des Fahrzeugs; so entschieden für eine Werbung für Aluminiumräder, die an einem Porsche montiert waren. 2. DIFFERENZIERUNG ZWISCHEN VERTRAGSHÄNDLERN UND SERVICEPARTNERN Innerhalb des Vertriebssystems stellt sich die Frage, welche Form der Differenzierung zwischen Vertragshändlern und Servicepartnern zulässig ist. Hier sind im Wesentlichen zwei Grundsätze einzuhalten: (1) die Unterscheidung darf nicht willkürlich geschehen und (2) dem Vertriebspartner darf nichts untersagt werden, was jeder Dritte über 23, 24 MarkenG auch ohne Zustimmung des Herstellers darf. Man würde meinen, letzteres sei schon rein wirtschaftlich nicht sinnvoll. Gleichwohl hatte das Oberlandesgericht München 2006 einen solchen Fall zu entscheiden. Der Servicepartner war vertraglich auf die Verwendung der Wortmarke beschränkt, durfte also das Logo des Herstellers nicht nutzen. Hierin sah das Gericht einen Verstoß gegen das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und erklärte die entsprechende Klausel des Servicepartnervertrages für ungültig. Vertriebspartnern sollten daher mindestens die Nutzungsrechte eingeräumt werden, die auch dem freien Händler und der freien Werkstatt zustehen. Jede Differenzierung zwischen Vertragshändler und Vertriebspartner ist zudem am kartellrechtlichen Diskriminierungsverbot zu messen. Dies bedeutet, der Hersteller benötigt einen sachlichen Grund für die unterschiedliche Gestaltung der jeweiligen Vertragsverhältnisse. Will der Hersteller seinen Vertragshändlern beispielsweise Ortszusätze vorbehalten (z.b. škodapirmasens.de), so kann dies durch die engere Verbundenheit und die zusätzliche Einnahmequelle des Neuwagenverkaufs begründet werden. Bestehen mehrer Vertragshändler an einem Ort, dürfte eine gezielte Bevorzugung eines dieser Händler jedoch schwierig zu rechtfertigen sein. Hier wird man in der Regel beim Prioritätsgrundsatz bleiben müssen. 3. FAZIT Die Rechtsprechung hat aufsetzend auf den Ausnahmebestimmungen des Markenrechts Händlern und Werkstätten außerhalb von Vertriebssystemen Freiräume geschaffen, die ihnen eine Werberbung ihres Leistungsangebots unter Verwendung von Herstellername und -logo ermöglichen. Diese Freiräume sind an das Prinzip der Erforderlichkeit geknüpft. Einschreiten kann der Hersteller dort, wo eine nicht gegebene Verbundenheit zum Hersteller und dessen Vertriebsnetz suggeriert wird. Hier kommt es auf den Einzelfall und damit die Ausgestaltung der konkreten Werbemaßnahme an. Innerhalb des Vertriebssystems darf zwischen einzelnen Stufen von Vertriebspartnerschaften differenziert werden, soweit dies aus sachlichen Gründen und damit diskriminierungsfrei geschieht. Die Untergrenze bilden die Rechte, die jeder Außenstehende ebenfalls geltend machen könnte. Gerade mit Blick auf das Verhältnis zwischen Vertragshändler und Servicepartner darf aber mit Spannung auf die Zeit nach dem Auslaufen der aktuellen Gruppenfreistellungsverordnung zum 31. Mai 2010 geblickt werden. Die Europäische Kommission will die Verordnung nur für den Bereich des Neuwagengeschäfts um drei Jahre bis 2012 verlängern. Dies könnte nachhaltige Auswirkungen auf die Stellung des Servicepartners haben. Dr. Nils Rauer, MJI (Gießen) Senior Associate, Gewerblicher Rechtsschutz T +49 69 96236 371 nils.rauer@lovells.com