Weshalb platzieren wir die Laparoskopietrokare so und nicht anders?

Ähnliche Dokumente
Plexus lumbalis. Nerven im Überblick: Nerven mit Einzelheiten:

Anatomie des Genitale

Die vaskuläre Anatomie der vorderen Bauchwand: Ein Beitrag zur Vermeidung von Gefäßverletzungen bei der laparoskopischen Chirurgie*

Statische und funktionelle Diagnostik des weiblichen Beckens und des Beckenbodens mittels 3D/4D-Sonographie

Hernien. Notfallultraschalltag PD Dr. med. Stefan Puig, MSc. Inst. für Diagnostische, Interventionelle und Pädiatrische Radiologie (DIPR

Muskulatur und Bewegungstests der oberen Extremität

Schultermuskulatur. M. subclavius Unterschlüsselbeinmuskel Ursprung: 1. Rippe Ansatz: clavicula Funktion: Senken der Clavicula

Sonografie in Anaesthesiologie und Intensivmedizin

Der rote Faden. Beckenboden. Beckenboden in "3E" Begriffsdefinition - Der Beckenboden. 1. Begriffsdefinition. 2. Der Beckenboden - ein "Trichter"

A1 Einführung in die Anatomie. Inhalt. Orientierung am menschlichen Körper. Richtungsbezeichnungen. Ebenen und Achsen. Skelett.

Kieser Training für Frauen

DIE MENSCHLICHE MUSKULATUR

8.6. Hüftbeuger und Quadrizeps

Schultermuskulatur. M. subclavius Unterschlüsselbeinmuskel Ursprung: 1. Rippe Ansatz: clavicula Funktion: Senken der Clavicula

Bildgebung der Nieren vor gynäkologischen Operationen- eine vernachlässigte Notwendigkeit? Marianne Koch Universitätsklinik für Frauenheilkunde

Atlas der angewandten Anatomie der Haustiere

Descensus und Prolaps des weiblichen Genitals. Dirk Watermann und Boris Gabriel

Funktionelle Anatomie

SEITE 1. INHALT Einführung... 1 Geschichte... 2 Operative Möglichkeiten... 3 Leitbild unseres Laparoskopie - Zentrums..5

Sascha Seifert. Kinesiologisches Taping in Osteopathie und Manueller Therapie

Ventraler Oberschenkel

SQS1 Jahresbericht 2009

Vorwort 11. Danksagung 13. Teill: Theorie Von der Idee zur Umsetzung 17

2.6.2 pádábhyaéga die Fußmassage

Funktionales Fitnesskrafttraininq

Die flexible Lösung. Neue Flexibilität für die transanale und transabdominelle Chirurgie

1. Organerhaltende Adnex-Operation, benigner Befund

Aus der Chirurgischen Klinik. Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Prof. Dr. med. Christian Blöchle. Sana Kliniken Lübeck

easy to use easy to clean easy to re-use

Sezieren eines Schweinefußes

Aesculap Orthopaedics Patienteninformation

Weibliche Senkung und Inkontinenz: was nun? Anatomische Varianten der Senkung. Deszensus. Prädisponierende Faktoren

Geeignet ist diese Operationsmethode für alle Patienten mit Prostatakrebs, bei denen auch eine klassische Schnittoperation möglich wäre.

INSTITUT II FÜR ANATOMIE Klinikum der Universität zu Köln

Krummdarm (Ileum) 3Geschichte, Studien und anatomische Grundlagen. Lage Leerdarm (Jejunum) und

Angewandte Physiologie

Rectusdiastase Erkennen und Behandeln im Wochenbett

Pankreas. Normale Pankreassonographie. Parenchymstruktur Fokale Läsionen Ductus pancreaticus

E T U N S. - Therapiekreisel. Inklusive 17 Übungen

Herzlich willkommen im Kurs. ANATOMIE I Tag 1. Lehrperson: Andrea Frick.

Atlasfrakturen (C1) Verletzung der Wirbelsäule H 06

Ziehen Sie nun den in Falten gelegten Stoff durch beide Ringe.

Rückenfit mit dem Redondo Ball Plus

RückenFit mit den Redondo Ball minis

Aesculap Orthopaedics Patienteninformation. Knieoperation mit dem OrthoPilot

Übungskatalog - Konditionstraining im Fußball

AQS1 Jahresbericht 2009

1. Rückenbeweglichkeit. 2. Verkürzung der Hüftaussenrotatoren

Muskelfunktionstests

A1 Einführung in die Anatomie. Inhalt. Orientierung am menschlichen Körper. Richtungsbezeichnungen. Ebenen und Achsen. Skelett.

Kräftigungsübungen mit dem Thera-Band

Name Gewicht m/w Alter dom. Bein dom. Arm Datum Zeit 92 m 45 rechts rechts 18:00 Seite WERT (N) Verhältnis (%) Norm (N) Norm (%) Bewertung Defizit M.

Essentials Biomechanik Beckenring 3-dimensionale Bewegung zwischen Ilium / Sacrum

Schmerz-Wegweiser: Schulter, oberer Rücken und Oberarm

Golf Präventiv, selektives Muskeltraining

Bauchhöhle. Cavum abdominis. Begrenzungen des Abdomens + Peritonealverhältnisse + Plicae und Recessus + Embryonalentwicklung des Magen-Darm Trakts

Hernie bei der Frau: Der kleine Unterschied

RADIKALE PROSTATEKTOMIE

Muskelbeschreibung. M. scalenus anterior. M. scalenus medius. Ursprung: Tubercula anteriora der Processus transversi des 3. bis 6. Halswirbels.

Anästhesie Famulatur Curriculum. Regionalanästhesie. Blockaden der Oberen Extremität

SCHILDDRÜSEN-OPERATION WAS ERWARTET MICH?

Patientenspezifische Instrumente in der Orthopädie:

ORTHOLUTIONS. Klinische statische Maße. Gut sichtbar markieren:

Präparierleitfaden für den Kurs der makroskopischen Anatomie im 2. Fachsemester

6. Grundkrafttest Rumpf (27,28)

Neuromuskuläre myozentrische Aufbissschiene für die Nacht

Aus der Klinik für Chirurgie Visceral- und Gefäßchirurgie. Vivantes Klinikum Spandau. der Medizinischen Fakultät Charité Universitätsmedizin Berlin

BiCision. Thermofusionieren und dissezieren mit dem π-vorteil GEFÄSSVERSIEGELUNG

MIC = Minimalinvasive Chirurgie. Klinikum Lüdenscheid

Ergonomie am Bildschirmarbeitsplatz

Übungen für Bauch, Beine und Po

G e f ä s s v e r s i e g e l u n g E R B E B i C l a m p. BiCl amp : Thermofusion von Gefässen

Übung Nr. 1 a Crunches gerade

Funktionelles Bewegungstraining

Schlank & stark in 3 Wochen

Erläuterung zum Ablauf der Übung Einzelknopfnaht (Nr. 6)

Operationsbedingte Verletzungen des Ureters in der Gynäkologie und Geburtshilfe AWMF 015/061 (S1)

Inhalt. Vorwort 3. Grundlagen 10. Die Geschichte des Tapens 70

SCOPEBOX All-in-one-Laparoskopieeinheit

LernKarten der Anatomie

konservativ oder operativ Anamnese (Stuhl/Wind; Vorop.) Klinik Diagnostik Thorax /Abdomen leer Sonographie CT KM-Passage Mechanisch Paralytisch

11 Die Instrumente im Detail

Die minimal-invasive Operation bei lokalem Prostatakrebs mit dem Da-Vinci-System. Information für Patienten

Aufbau und Funktion der weiblichen Geschlechtsorgane

me-first.ch Ergonomie am ComputerArbeitsplatz Einleitung Gesund am Computer

Grundlagen der CT des Felsenbeins

Roswitha Wallner, MSc Beckenboden. Anatomie, Dammverletzungen, Episiotomie

Medial Portal TransFix für die anatomische femorale ACL Fixation Operationsanleitung

Funktionsgymnastik I Rückenmuskulatur Gerade Bauchmuskulatur Seitliche Rumpfmuskulatur Schräge Bauchmuskulatur Rückenlage.

Übungskatalog - Gesundheitstraining im Fußball

Dammverletzungen und deren Versorgung

Messprotokoll: Gelenkmessungen der Wirbelsäule (Neutral-Null-Methode)

1 Eingeweidebrüche. 1.1 Ein paar Angaben zur Statistik. 1.2 Ein Blick auf die Anatomie. Veröffentlicht auf (

Patienteninformation Operation bei Leistenbruch

BIPOLARES PK-SYSTEM Für die fortschrittliche Gynäkologie.

STATION 1: Oberschenkelvorderseite

Gesundheitstraining für Straight Vitalogistinnen / Straight Vitalogisten

Transkript:

19/4/2010 Prof. Michael K. Hohl Frauenklinik Kantonsspital Baden Weshalb platzieren wir die Laparoskopietrokare so und nicht anders? Ergonomische Aspekte erlangen mit zunehmender Komplexität endoskopischer Eingriffe eine immer grössere Bedeutung. Sie entscheiden wesentlich darüber, ob ein Eingriff sicher und effizient durchgeführt werden kann. Eine korrekte Platzierung der Trokare berücksichtigt nicht nur ergonomische, sondern auch anatomische Aspekte. Dabei geht es nicht nur um die Vermeidung von Gefässverletzungen, sondern auch um die Schonung peripherer Nerven quasi als Nebeneffekt. Anatomie Verletzungen von Nerven und Gefässen der vorderen Bauchwand sind typische Operationsfolgen, nicht nur bei Querschnitten (Pfannenstiel), sondern eben auch bei laparoskopischer Trokarplatzierung. Nach Pfannenstielinzision werden in bis zu 3,7% entrapments des N. ilioinguinalis und N. iliohypogastricus beobachtet. (Cartosi R.J. et al. Obstet. Gynecol. 2002; 100:240 44; Luyendyke R.W. et al. Am Surg 1997; 225:365 9). Bei laparoskopischen Leistenhernienoperationen gab es in 4,2% Nerveneinklemmungen wovon 1,1% den N. ilioinguinalis betrafen (Stark E. et al. Surg Endosk 1999; 13:878 81). Über Verletzungen der Epigastrica inferior Gefässe wurde in 0,2 bis 2% berichtet (Bergquist D. et al. Acta Obstet. Gynecol. Scand 1987; 66:19 23). Nervenverletzungen führen zu stechenden oder brennenden Schmerzen im Bereich der Flanke mit Ausstrahlung in die Vulva. Für die Schmerzsymptome macht man eine Traumatisierung und darauf folgende Neurombildung als Folge einer Durchtrennung oder Einklemmung (Nähte!) der Nerven verantwortlich. Die Narbenbildung um den lädierten Nerv herum ist als normaler Wundheilungsprozess zu sehen. Da diese Läsionen oft zu jahrelangen signifikanten Schmerzen Anlass geben können, sind präventive Massnahmen immer sinnvoll. Eine genaue Kenntnis der Anatomie von Gefässen und Nerven ist deshalb von Vorteil. In einer quantitativen Ausmessung an nicht konservierten Leichen kam man zu folgenden Ergebnissen (Rahn D.D. et al. Am J Obstet. Gynecol. 2010; 202:234, e1 5): Der N. ilioinguinalis und N. iliohypogastricus verlaufen gegen lateral über der Vorderfläche des M. quadratus lumborum Richtung Crista iliaca (Abb. 1). In der Nähe der Crista iliaca anterior superior durchbrechen beide Nerven die Hinterfläche des M. transversus abdominis, kurven dann zwischen M. transversus abdominis und M. obliquus internus. Dann ziehen die Nerven nach medial und kaudal und durchdringen den M. obliquus internus und verlaufen dann zwischen M. obliquus internus und externus. Der N. ilioinguinalis läuft dann in den Inguinalkanal und gibt später Hautäste in die Labia majora und den mons pubis ab. Der vordere kutane Ast des N. iliohypogastricus durchbricht die Vorderfläche des M. obliquus internus 2,5 cm (0 4,0) medial und 2,0 (0 4,6) kaudal der Spina iliaca anterior superior, verläuft dann zur Mitte und gibt dann Hautäste in die Region ab. Die epigastrischen Blutgefässe verlaufen vom Ursprung aus den Iliaca externa Gefässen medial des Ligamentum rotundum. Die kürzeste Distanz zur Mitte hin war 2 cm kranial der Symphyse 6,1 cm (4,8 bis 7,9) von der Mitte und 8 cm kranial der Symphyse 3,2 cm (1,2 5,2) von der Mitte von da an laufen sie weiter Richtung Mitte gegen den Nabel hin. In Abb. 1 und 2 sieht man, dass bei einer sehr lateralen Platzierung der 5mm Trokare, wie wir sie für laparoskopische Eingriffe im kleinen Becken empfehlen, wir uns ausserhalb der beschriebenen Nerven und Gefässe befinden. 29

19/4/2010 Abb. 1. Verlauf von Nerven und Blutgefässen intraabdominal und in der unteren Bauchdecke Ergonomie In unserer Erfahrung spielen ergonomische Gesichtspunkte eine zentrale Rolle bei laparoskopischen Eingriffen. Dabei ist eine exakte Trokarplatzierung besonders wichtig. Bei rechtshändigem Operateur wird der erste 5mm Arbeitstrokar in der Standardsituation immer unmittelbar ca. 0,5 cm median und auf Höhe der Spina iliaca anterior superior platziert (Abb. 2). Spiegelbildlich liegt der 5mm Trokar des Assistenten auf der rechten Seite. Der 5mm Trokar Nr. 3 wird links ca. 8 10 cm kranial davon gesetzt (nicht kranialer als der Nabel). Je nach Anatomie der Patientin oder des Operateurs (breites Becken oder sehr grosse Patientin) kann die Platzierung davon leicht abweichen. Diese Standardplatzierung hat folgende Vorteile: Die Schulter, Ober und Unterarmmuskulatur des Operateurs sind in dieser Position völlig entspannt. Dies ermöglicht die feinmotorische Arbeit von Händen und Fingern ohne Ermüdungserscheinungen. 30

19/4/2010 Abb. 2. Nerven und Gefässenden in der vorderen Bauchdecke 31

19/4/2010 Abb. 3. Ergonomisch korrekte Platzierung im integrierten OP Mit dieser Positionierung können m.e. alle Eingriffe Diese extrem lateralen Zugänge haben auch einen kos im kleinen Becken sowohl auf der linken, wie auch auf der rechten Seite (pelvine Lymphonodektomie, Sakro pexie der Vagina, Hysterektomie, Beckenbodenchirur gie, rektovaginale infiltrative Endometriose gleich gut durchgeführt werden. Die Trokare, falls sie genau senkrecht die Bauch decken von aussen nach innen durchdringen, befinden sich ausserhalb der beschriebenen Nerven und Gefässe. metischen Nebeneffekt: Falls die kleinen Inzisionen entlang der Hautlinien (leicht schräg) gelegt werden, sind sie später praktisch unsichtbar, während eine ein zige kleine Inzision in der Bauchmitte im Vergleich dazu alle Blicke auf sich zieht. 32

19/4/2010 Weitere ergonomische Gesichtspunkte Wir achten auch auf eine achsengerechte Platzierung der Bildschirme, so dass die Köpfe von Operateur und Assistent zwanglos und ohne Drehung nach vorne gerichtet sind (Abb. 3). Dies beugt einer Ermüdung (Halsmuskulatur!) vor. Genaue Arbeitsteilung zwischen Operateur und Assistent: Der Assistent führt nicht nur die Kamera, sondern assistiert aktiv (Fassen von Geweben, Assistenz beim Nähen, Absaugen, etc.). Dies führt zu einer Beschleunigung und Standardisierung des Operationsablaufs. Verwendung einer 30 Optik ermöglicht eine zielgerichtete Operation auch bei grossen Uteri oder Verwachsungen. Verwendung ergonomischer Instrumente. Diese haben meist einen gemeinsamen Nenner: Pistolenartiger Handgriff. Dies dient wiederum einer Entspannung der grossen Armmuskulatur und ermöglicht ermüdungsfreies Arbeiten der Feinmuskulatur. Licht im Operationssaal. Wir verwenden eine Mischung aus Blau und Weisslicht die nicht zu dunkel ist (Abb. 3). Die Ermüdung des gesamten OP Personals ist dadurch erwiesenermassen geringer und ermöglicht einen einfachen und sicheren Einsatz von OP Instrumenten und Nähten durch die OP Schwester (bessere Sicht barkeit). Die obige Liste ergonomischer Gesichtspunkte ist nicht vollständig und hat für die verschiedenen Operationen jeweils Ergänzungen. n 34