Partizipation von Patienten eine Illusion?

Ähnliche Dokumente
Patientenbildung, Selbstmanagementförderung und professionelle Pflege

Selbstmanagement und Gesundheitskompetenz

Kurs: «Gesund und aktiv mit Krankheit leben»

Selbstmanagementförderung Internationale Erfahrungen

«Gesundheitskompetenz. Die Fakten» Wissenswerte Fakten von der WHO Dr. Jörg Haslbeck, Kompetenzzentrum Patientenbildung, Careum Forschung, Zürich

Kurs «Gesund und aktiv leben» Ein evidenzbasiertes Stanford Selbstmanagement Programm, gefördert von Careum

Mit chronischer Erkrankung leben

Kurs «Gesund und aktiv leben»

Gesundheitskompetenz der Schweizer/innen

Workshop INSEA: Gesund und aktiv leben Selbstmanagement bei chronisch Kranken als Brücke zur Selbsthilfe

Gesundheitskompetenz heute

Beratung der Eckpunkte des Nationalen Aktionsplans Gesundheitskompetenz

Starkes Herz Praxisprofessionalisierung und Case-Management (HeiPiPP)

Migrationssensitive Palliative Care: Leitlinien, Anamnese Tool und Erfahrungen in der Praxis

Sicht der Versorgungsforschung

Prävention was hat das mit mir zu tun?

Health Literacy: Forschungsstand und Perspektiven für ältere Menschen

Gesundheitskompetenz bei Menschen mit chronischer Krankheit

Gesundheitskompetenz. Die Fakten

Umsetzungsmöglichkeiten einer zukunftsgerichtetenprimärversorgung aus der Perspektive des Österreichischen Forums für Primärversorgung(OEFOP)

DAS TEAM RUND UM DIE PATIENTINNEN UND PATIENTEN

8. Symposium Multiples Myelom für PatientInnen und Angehörige Psychologische Betreuung für Patienten und Angehörige- wann ist der rechte Zeitpunkt?

«Lernen mit Krebs zu leben»

in der Kurzintervention

Selbstmanagement von Patienten

Kompetenzzentrum Palliative Care

Ansatzpunkte zur Stärkung der Gesundheitskompetenz

Bedeutung und Beitrag von Patienteninformation und -beteiligung für die Patientensicherheit

Selbstmanagementförderung bei chronischer Krankheit im Alter

Ärztliche Therapiefreiheit in der Onkologie quo vadis? Die Sicht kompetenter Patienten

Adipositas Erfolgsfaktor Arzt-Patienten-Beziehung

Versorgungsentwicklung im Gesundheitssystem notwendige Schritte

Warum und wie die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung stärken?

Elektronisches Patientendossier

Dignity in Care das ABCD würdeerhaltender Patientenbetreuung aus ärztlicher Sicht

Wieviel Gesundheitsförderung macht das Präventionsgesetz möglich?

Patientenberatung für mehr Entscheidungsteilhabe und Gesundheit. Prof. Dr. Marie-Luise Dierks

Kosten-Nutzen Bewertung als Weg von der Rationierung zur Rationalisierung? Chance und Risiken für den Patienten

Demografie fordert Interprofessionalität und gemeinsame Schlüsselkompetenzen. Dr. med. Max Giger Winterthur

Zielsetzung des Projektes

Und auch das noch. Multimorbidität als Herausforderung

Förderung von Gesundheitskompetenz. Eine Initiative an einem Krankenhaus der Maximalversorgung

Was nutzen Patientenschulungen bei MS?

Der informierte Patient in der Orthopädie Priv.-Doz. Dr. med. Christian Lüring

Leicht Lesen in der Gesundheitsvorsorge

Einführung in die Kommunikation. M. Weber

Frauenselbsthilfe nach Krebs e.v.

Risikomanagement und Patientensicherheit. Jens Linstädt TÜV SÜD Management Service GmbH

Partizipation - ein Qualitätskriterium

7. Bundesweiter DLH-Patienten -Kongress Leukämien & Lymphome Juli 2004, Ulm/Neu-Ulm

Umgang mit dem Sterbewunsch Perspektive der Angehörigen

Warum ist es so schwer, nicht zu (be)handeln? Klaus Linde Institut für Allgemeinmedizin, Technische Universität München

Gesund alt werden im Quartier

Hausärztliche Palliativversorgung. Institut für Allgemeinmedizin Prof. Dr. Nils Schneider

Therapeutische Maßnahmen am Lebensende. Dr. Johann Zoidl Palliativstation

Empowerment und Selbsthilfe bei älteren Menschen mit psychischen Problemen und ihren Angehörigen

Disease-Management-Programme (DMP)

Elektronisches Patientendossier

Gesundheitskompetenz von Patienten im Krankenhaus

Patientenverfügung. Wie? Wann? Warum? Patientenwille und Entscheidungsfindung aus ärztlicher Sicht. Dr. Damaris Köhler

Neue Aufgaben der MPA. SFD Conference Nicole Jud, Elfi Wandres, Dr. med. Marc Jungi

Gut behandelt in Bremen? Fachtag zur gesundheitlichen Versorgung im Alter

Telehealth Lösungen - Unterstützung des Selbstmanagements chronisch Kranker

Unterstützung pflegender Angehöriger eine vergessene und vernachlässigte Säule der Demenzbetreuung?

Mit-Entscheiden Wie findet ein Krebspatient seinen Arzt?

WIE SICHER IST DIE DIAGNOSE?

Die Selbsthilfegruppe

Allgemeinmedizin. Bedingungen, Notwendigkeiten, Chancen. Prof. Dr. med. Ulrich Schwantes FA für Allgemeinmedizin Psychotherapie Geriatrie Suchtmedizin

Möglichkeiten der Patientenpartizipation in Gremien der Gesundheitsbehörde

Verstehen wollen allein reicht nicht! So kann eine gute Versorgung psychisch erkrankter Menschen gelingen! Johannes Hamann

Berlin, 7.Nov Dr. Mathias Bellinghausen Gesellschaft für angewandte Prävention und Gesundheitskompetenz

Erhalten Sie Ihre Selbstbestimmung in Gesundheitsfragen!

Selbsthilfe als Wegbereiterin für mehr Patientenorientierung

Gesundheitsförderung im Alter

Gesund in sieben Tagen: Erfolge mit der Vitamin-D-Therapie

Welche Patientenerfahrungen haben Einfluss auf eine Krankenhausentscheidung zur Hüft- TEP? Ergebnisse einer Online-Befragung von Arthrosepatienten

Bachelorstudium Medizinische Informatik. Rudolf Freund

Palliative Care Kompetenzzentrum. Palliative Care Kompetenzzentrum. Akutspital Psychiatrie Geriatrie Palliative Care

Selbsthilfegruppen: Wichtige Ressourcen in der Integrierten Versorgung. Peter Nowak Kongress Integrierte Versorgung, 7.5.

WE G Pflegende Angehörige und ihre Familien. Max Moor ParaHelp, Nottwil

Der Hausarzt und das Arztzeugnis Le médecin généraliste et le certificat médical d arrêt de travail

Patientenorientierung als Qualitätsziel

Warum Gesundheitskompetenz steigern?

Was erwarten Patienten im Zeitalter des Internet von Ihrem Arzt?

Die Herausforderungen an das Gesundheitswesen in Sachsen-Anhalt

Angehörigenberatung. Seite 1

Schwangerschaft und Krankheit

Was ist Pflege in der stationären Psychiatrie?

Reflexionsmodul Interdisziplinarität IV

Evviva! Gesund und aktiv trotz chronischer Erkrankung

Patientenwünsche in der Versorgungsplanung

WWW - Jens Apermann Pleja GmbH Zürich

Medizinische Demografie und Ärztebedarf im Jahre 2030

Gruppe Gesundheit und Wohlbefinden ein Angebot von Betroffenen für Betroffene

Gesundheitspflege mit Wert

Statistische Kompetenz: Fallstricke der Dateninterpretation

Nationale Demenzstrategie

Qualitätsmessung: Angemessenheit der Indikationsstellung

Palliative Care und psychische Erkrankungen aus der Nutzerperspektive

Wege aus der Einsamkeit

Transkript:

Die Gesundheitswelt der Zukunft denken Partizipation von Patienten eine Illusion? Forum «Generation Y auch die Patienten ändern sich!», BMC-Kongress Berlin, 23. Januar 2013 Dr. Jörg Haslbeck, Careum Stiftung, Zürich

Agenda «Partizipation von Patienten eine Illusion?» 1. Was ist Partizipation? Einleitende Gedanken 2. Partizipation Wunsch oder Wirklichkeit? 3. Beteiligungsinitiativen 4. Abschlussgedanken Dr. Jörg Haslbeck, 23.01.2013, Careum Stiftung 2

«Einleitende Gedanken» Dr. Jörg Haslbeck, 23.01.2013, Careum Stiftung 3

Was ist Partizipation? «Selbstbestimmte Teilhabe subjektiv wichtiger Akt des Lebens» Partizipation Individuelle bzw. kollektive Teilhabe an Entscheidungen mit Bezug auf eigene Lebensgestaltung, Gesundheit sowie soziale, politische und ökonomische Situation Bedingungen für Partizipation: Gelegenheit dazu haben und Gelegenheit nutzen Anderen Chancen für Teilhabe eröffnen «It takes two to tango...» Partizipation kann nicht von einer Person allein ausgeübt werden und führt zur Umverteilung von Macht Praktizierte angemessene Partizipation wesentlicher Faktor zur Erhaltung und Förderung von Gesundheit sowie Heilung und Bewältigung von Krankheit Differenzierung Informationsbedürfnis, Wunsch nach Beteiligung, Partizipationswille und tatsächliche Umsetzung Ambivalenz zu partizipativem Handeln Chance oder neue Form von Selbstkontrolle und Handlungszwängen? Charles et al. Soc Sci Med 1999; Hartung 2012; Rosenbrock/Hartung 2012; Scheibler et al. Soz.- Präventivmed. 2004; Stevenson et al. Soc Sci Med 2000 Dr. Jörg Haslbeck, 23.01.2013, Careum Stiftung 4

«Wunsch oder Wirklichkeit?» Dr. Jörg Haslbeck, 23.01.2013, Careum Stiftung 5

Generation Y «Achtung: Patient online!» Vom Paternalismus hin zur dialogbasierten Beziehung? When we want your opinion we ll give it to you I m sorry doctor, but again I have to disagree Dr. Jörg Haslbeck, 23.01.2013, Careum Stiftung In Anlehnung an Elwyn et al. BMJ (2003), Krey (2010) 6

Wünschen Patientinnen und Patienten Partizipation? Dr. Jörg Haslbeck, 23.01.2013, Careum Stiftung 7

Partizipation gewünscht? Ermutigende Entwicklung, Evidenz wachsend, aber wenig belastbar hohes Informationsbedürfnis, v.a. gesundheitsbewusstes Verhalten variierende Bandbreite Partizipationswunsch oft höher als aktive Umsetzung Präferiert von eher gebildeten, jüngeren Frauen und Personen mit Vorerfahrungen von Krankheit; weniger bei älteren Personen Auch bei akuten sowie schweren chron. Krankheitsverläufen Vgl. Elwyn et al. BMJ 2003; Gareus/Abholz 2012; Isfort et al. 2004; Levenson et al. 2005; Stevenson et al. Soc Sci Med 2000 Dr. Jörg Haslbeck, 23.01.2013, Careum Stiftung 8

Der «informierte Patient» Gesundheitsmonitor 2010: Wird das Internet genutzt? Überschaubare Nutzerzahl Geringer Bekanntheitsgrad Marstedt 2010 Dr. Jörg Haslbeck, 23.01.2013, Careum Stiftung

Partizipation gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede? Dr. Jörg Haslbeck, 23.01.2013, Careum Stiftung 10

Geschlechtsspezifische Unterschiede? «Jein!» Hinweise, dass Patientinnen im Vergleich zu Patienten aktiver berichten zur Erkrankung ohne Nachfragen Kontextinformationen liefern zur Krankheit aktiver in Arzt-Patientinnen- Interaktion sind mehr Umgang auf Augenhöhe erwarten ex. Babitsch/Berg 2012; Dr. Jörg Haslbeck, 23.01.2013, Careum Stiftung 11

Gesundheitskompetent genug für Partizipation? Dr. Jörg Haslbeck, 23.01.2013, Careum Stiftung 12

Gesundheitskompetenz und Partizipation Hinweise aus dem European Health Literacy Survey 2011 fast jede 2. Person mit Risiko beschränkter, unzureichender Gesundheitskompetenz (länderübergr.) Höhere Risiken in Untergruppen: sozialschwach, bildungsfern, schlechter Gesundheitszustand niedrige Gesundheitskompetenz bei Menschen mit schlechtem Gesundheitszustand wahrscheinlich, die > 6x/Jahr Leistungen beanspruchen Dr. Jörg Haslbeck, 23.01.2013, Careum Stiftung 13

Partizipation findet sie in der Versorgungspraxis statt? Dr. Jörg Haslbeck, 23.01.2013, Careum Stiftung 14

Hinweise zur medizinischen Versorgung in CH Befunde aus dem Commonwealth Fund International Survey 2011 Sehr gute Noten zur Arzt-PatientenKommunikation: sehr positive Angaben, dass Ärzte genügend Zeit aufbringen Mehrzahl unterstreicht ärztliche Ermutigung, Fragen zu stellen Unterschiede nach Sprachregionen deutlich positiv: verständliche Erklärungen Vgl. Sturny/Camenzind 2011; Osborne/Squires J Ambulatory Care Manage 2012 Dr. Jörg Haslbeck, 23.01.2013, Careum Stiftung 15

«engaged patients reported superior care on multiple dimensions compared to nonengaged patients, including higher quality, fewer errors, and more positive views of the health system.» Osborne/Squires J Ambulatory Care Manage 2012: 125 Careum, DD.MM.YY Abteilung Bereich, Titel 16

Partizipation Herausforderungen Zeit Gesundheitskompetenz Professionelle Identität Informationsbedürfnis Fachkompetenz Dr. Jörg Haslbeck, 23.01.2013, Careum Stiftung 17

«Beteiligungsinitaitiven» Dr. Jörg Haslbeck, 23.01.2013, Careum Stiftung 18

Beteiligungsinitiativen Ebenen der Partizipation 1. Nationale/Bundesebene bspw. Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA), Deutschland bspw. Patientenkoalition Schweiz 2. Subnationale/lokale Ebene Bspw. Selbstmanagementprogramm Evivo (CH, D, A) 3. Mikroebene Dr. Jörg Haslbeck, 23.01.2013, Careum Stiftung 19

Beteiligungsinitiativen/-beispiele nationaler Ebene Gemeinsamer Bundesausschuss (D), Patientenkoalition Schweiz Dr. Jörg Haslbeck, 23.01.2013, Careum Stiftung 20

Beteiligungsinitiative Kursprogramm Systematisch Gesundheitskompetenz bei chronischer Krankheit fördern Evivo Kursprogramm mit Begleitbuch Kurs mit Gruppentreffen; geschulte chronisch erkrankte Personen fördern Kompetenzen zum Leben mit chronischer Krankheit Wer kann teilnehmen? Jede Person, die von chronischer Krankheit betroffen ist direkt oder indirekt; krankheitsübergreifend Dauer? 6 Wochen, ein Treffen pro Woche à ca. 2,5 h Umsetzung? Seit 2012 Pionierpartner in A, CH und D www.evivo.ch Inhalte Symptom-/Medikamentenmanagement Umgang mit Erschöpfung Entspannungs-/Bewegungsübungen Gesunde Ernährung Kompetenzförderung: Lösen von Problemen, Entscheidungen treffen, Handlungen planen Dr. Jörg Haslbeck, 23.01.2013, Careum Stiftung

Zwischenstand nach einem Jahr Evivo Gesprächs-/Handlungskompetenzen per sozialem Lernen syst. fördern Kommunikation mit Fachpersonen «[es] ermutigt, mit dem Arzt zu sprechen und Fragen zu stellen. Wenn man keine Fragen stellt, kann er nicht wissen, was unsere Probleme sind, warum man sich schlecht fühlt.» Motivation durch «Rollenmodelle» «Es war hilfreich und motivierend, dass die Kursleitungen selbst etwas hatten.» Spielraum und Grenzen erkennen «[der] Kurs, das Buch, der Austausch hat uns ermöglicht zu entdecken, was beeinflussbar ist und wo die Grenze ist was wir selber machen können und was wir lassen sollten. Der Kurs hat gezeigt, wie man diesen Spielraum benutzen kann.» Foto: Frauengesundheitszentrum Graz (2012) Stand Umsetzung Evivo - 9 Kurse in A und CH (2012) - 111 Teilnehmende - mehrheitlich Frauen (90%) - Durchschnittsalter 60 J. - ca. jede 10. Pers. Angehörige/r - breites Krankheitsspektrum