Medikationssicherheit Grenzen überschreiten

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Transkript:

12.09.2016 2. nationale Aktionswoche Patientensicherheit Symposium im Luzerner Kantonsspital Medikationssicherheit Grenzen überschreiten Sven Bachmann, Fotografie & Grafik Prof. Dr. David Schwappach, MPH Wissenschaftlicher Leiter, Stiftung für Patientensicherheit 1

Hot-Spot Medikationssicherheit Medikation betrifft fast alle Patienten im Spital und einen erheblichen Teil der Bevölkerung Multimorbidität und Polypharmazie machen Medikation komplex und potentiell gefährlich Medikation tangiert viele Schnittstellen und Sektorengrenzen Diffusion von Hochrisiko-Medikamenten und anspruchsvollen Medikations- Schemen in den ambulanten Bereich (z.b. Chemotherapien) CIRRNET: 48% aller 6'300 Fehlermeldungen beziehen sich auf Medikamente 5% der Schweizer Bevölkerung berichtet einen Medikationsfehler binnen der letzten 2 Jahre ("falsches Medikament oder falsche Dosis") Ca. 30-50% aller unerwünschten Ereignisse im Spital sind medikationsbezogen 2

Unerwünschte Ereignisse im Spital (Hoch-Einkommensländer) Inzidenz / 100 Aufnahmen Mill. Fälle / Jahr Katheter-assoziierter Harnwegsinfekte 1.1 1.4 Unerwünschte Arzneimittelereignisse 5.0 5.8 Stürze im Spital 1.1 1.3 Gefässkatheter-assoziierte Infektionen 0.4 0.5 Nosokomiale beatmungsassoziierte Pneumonien 0.8 1.0 Dekubitus 2.4 2.9 Venöse Thromboembolie 3.3 3.9 Gesamt 14.2 16.8 Jha et al. BMJ Qual Saf. 2013;22:809-15 3

High-tech Therapien in alten Kleidern 4

Risikoreiche Prozesse Auf dem Verordnungsblatt gelten immer nur die oberen Angaben. Diese ganzen Blöcke hier, die sind immer falsch, die muss ich ignorieren. Sie haben oben ein anderes EDV-System und da sind die Schemen anders hinterlegt. Bei jeder Verordnung muss ich mir das also wegdenken, ausblenden. Pflegefachfrau, onkologisches Ambulatorium, CH 2014 5

Risikoreiche Prozesse Behalt die Übersicht! Konzentrier Dich! Kontrollier' alles nochmal! 6

Risikoreiche Prozesse: Richten von Chemotherapien Befragung von onkologischen Pflegefachpersonen verschiedener Spitäler. Schweiz 2015; n=302 Welche Faktoren stören Sie im Alltag bei der Durchführung einer guten Doppelkontrolle? Eile, Hektik 77% Störungen, Unterbrechungen 76% Lärm, schlechte Beleuchtung 57% Kollegin finden 53% Räumliche Enge 29% Konzentrationsprobleme, Müdigkeit 24% Schwappach, Pfeiffer, Taxis. BMJ Open 2016;6:e011394 7

Erfolgversprechende Massnahmen Möglichst starke systemische Lösungen, möglichst wenig auf Verhaltensebene Arbeitsumgebung! Licht, Lärm, Enge Technologie (CPOE, Barcode, etc.), aber CAVE Kompatibilität, Prozess- Adaptionen, Alarm-Fatigue Vermeidung akzidenteller Fehlapplikationen i.v. i.th.: Nicht-Luer-Lock Konnektoren für i.th.-gaben Störungsfreie Zonen fürs Richten, aber CAVE "sinnvolle Störungen", Informationsaustausch, Talking to the room Strukturelle Erhöhung der Ressourcen klinischer Pharmazie in der Versorgung Systematischer Medikationsabgleich (mögl. durch klinische Pharmazeuten), aber CAVE Rollenänderung Ärzteschaft Prozess-Analysen und Re-Design, Standardisierung 8

Aktuelle Aktivitäten zur Förderung der Medikationssicherheit Engagement auf Struktur-Ebene, zb gemeinsam mit Swissmedic und Industrie zur Vermeidung akzidenteller Überdosierungen von Methotrexat (Patientenkarte, "Boxed Warning", Anpassung Packungsgrössen, Dosierungsstärken, etc.) Sensibilisierung und Empfehlungen zum Design von Arbeitsmaterialien und -umgebungen (z.b. Richtplätze, Licht, Lärm, Unterbrechungs-Anfälligkeit) Empfehlungen zu "sicheren Prozessen" Studie zur Doppelkontrolle von Medikamenten (aktuell laufend) und Erarbeitung von Praxis-Empfehlungen (2017) Nationale Verbesserungsprogramme progress! Sichere Medikation an Schnittstellen: Implementierung der systematischen Medikations-Anamnese bei Spitaleintritt CAVE: Ressourcen (!), Rollen & Zusammenarbeit verschiedener Berufsgruppen, EDV & Prozesse Sichere Medikation in der Langzeitpflege (ab 2017) 9