EINFLUSS DER GLUKOSEVARIABILITÄT AUF DIE KARDIOVASKULÄRE SITUATION VON DIABETESPATIENTEN SCHKOPAU, 05. November 2016 Dr.rer.nat.habil. Andreas Thomas
Zugang Beurteilung der Glukose-Stoffwechseleinstellung: - BZSK (punktuelle (Augenblicks-Blutzuckermessung) - HbA 1c - Wert (Durchschnittswert über 8-12 Wochen) Der HbA 1c - Wert - beschreibt hervorragend die durchschnittliche Glukose - beschreibt die glykämische Regulation aber nur unvollständig, weil Glukosefluktuationen nicht erfasst werden können - ist kein Parameter zur Beschreibung der Glukosevariabilität Ein schlechter HbA 1c korreliert mit diabetischen Folgeerkrankungen, aber ein guter HbA 1c gibt keine Garantie für eine gute Langzweitprognose.
Welche Werte haben Menschen ohne Diabetes? Glukoseprofile von Personen ohne Diabetes Nüchternwerte: 75-100 mg/dl (4,2-5,5 mmol/l) Werte nach dem Essen: max. 140-160 mg/dl (7,8-8,9 mmol/l) Glukosekonzentration: 90 ± 10 mg/dl (5,0 ± 0,6 mmol/l) Variabilitätskoeffizient: (100 x MW/SD) 11,1 nach: Freckmann G et al.: Diabetologia 2006, 49 (Suppl. 1); 579
Indizien für den Zusammenhang von Glukosevariabilität und kardiovaskulärem Risiko
DECODE Studie: Risiko bzgl. postprandialer Hyperglykämie Mortalitätsrisiko bzgl. Nüchternglukose und 2-h pp-wert bei Menschen ohne bekannten Diabetes (bis zum Studienzeitpunkt) Risikorate 2.5 2.0 1.5 1.0 0.5 0.0 <6.1 6.1 6.9 7.0 7.7 >7.8 Nüchternblutzucker (mmol/l) <7.8 >11.1 7.8 11.0 The DECODE study group on behalf of the European Diabetes Epidemiology Group. Glucose tolerance and mortality: comparison of WHO and ADA diagnostic criteria. Lancet 1999;354:617-621.
Wie Studie: Risiko bzgl. Nüchternglukose Kardiovaskuläre - und Gesamtsterblichkeit pro 1000 Personenjahre, gemäß Nüchternglukose: Rohdaten Daten adjustiert Wei, M. et al. Circulation 2000;101:2047-2052
Die kardiovaskuläre Mortalität betrifft beide Diabetestypen Mortalität (Zeitraum von 18 Jahren) bei 173 Patienten mit Typ-1-Diabetes, 834 Patienten mit Typ-2-Diabetes und 1294 stoffwechselgesunden Personen Totale Mortalität 1,0 0,8 0,6 0,4 0,2 gesund, weibl. gesund, männl. T1D und T2D, weibl. T1D und T2D, männl. KV Mortalität 1,0 0,8 0,6 0,4 0,2 gesund, weibl. gesund, männl. T1D, weibl. T2D, weibl. T1D, männl. T2D, männl. 0,0 0 5 10 15 20 Follow-up Zeit (Jahre) Anfangsdaten: - Alter: 45-64 Jahre (adjustiert) - Alter zu Diabetesbeginn: > 30 Jahre in beiden Gruppen - keine kardiovaskulären Erkrankungen 0,0 0 5 10 15 20 Follow-up Zeit (Jahre) nach: Juutilainen A et al.: Diabetes Care 2008, 31; 714-719
Zusammenhang zwischen HbA 1c und der Entwicklung der diabetischer Folgeerkrankungen nach DCCT / EDIC Prävalenz und kumulative Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse unter der DCCT / EDIC: Konventionelle Therapie Kumulative Inzidenz aller kardiovaskulärer Ereignisse DCCT Angleich Glykämie EDIC Intensivierte Therapie nach: DCCT- und EDIC -Group: NEJM 2005; Vol. 352 (25), 2643-2653
Ist gegebenenfalls die Glukosevariabilität ein klinisch relevanter Parameter?
HbA 1c - Wert und Glukoseschwankungen HbA 1c 8,4 % HbA 1c 8,2 % nach Deiss D.: ISPAD 2007
HbA 1c - Wert und glykämische Exkursionen CGM-Profile von 9 verschiedenen Patienten mit Typ-1- Diabetes und gleichem HbA 1c -Wert 400 HbA 1c = 6.7% Glucose Concentration (mg/dl) 300 200 100 0 12:00 AM 4:00 AM 8:00 AM 12:00 PM 4:00 PM 8:00 PM 12:00 AM Levetan C, et al. Diabetes Care 2003; 26:1-8
HbA 1c -Wert und die Entwicklung diabetischer Folgeerkrankungen nach DCCT Der HbA 1c -Wert allein erklärt nicht die Entwicklung diabetischer Folgeerkrankungen: Progressionsrate der Retinopathie nach 9 Jahren 20 15 10 5 CT ICT 0 9% 8% 7% erreichter HbA1c - Wert Bei gleichem HbA 1c war die Progression der Retinopathie in der ICT- Gruppe ca. 60-70% geringer als in der CT Gruppe Schlussfolgerung: Glukosevariabilität? nach: DCCT-Group: Diabetes Vol. 44 (1995), 968 983
Glukosefluktuationen, oxidativer Stress und diabetische Folgeerkrankungen Verhalten von Kardiomyozyten in Abhängigkeit von der Glukosekonzentration: Glukosetoxizität und Zelltod 5 mmol/l 25 mmol/l Schönauer M, Adam V, Thomas A, nicht publiziert
Glukoseauslenkungen, oxidativer Stress und diabetische Folgeerkrankungen Oxidativer Stress 1 und die Apoptoserate 2 in den Zellen sind am höchsten bei alternierendem Glukosespiegel, also Glukoseschwankungen Oxidativer Stress Apoptose Erhöhung vs. 5 mmol/l: 5% Erhöhung vs. 5 mmol/l: 58% Glykämische Bedingungen Normale Glukose (5 mmol/l) Hohe Glukose (20 mmol/l) Alternierende Glukose (5/20 mmol/l) 1. Piconi L et al. J Thromb Haemost 2004;2:1453-1459. 2. Risso A et al. Am J Physiol Endocrinol Metab 2001;281:E924 E930.
Glukoseauslenkungen und oxidativer Stress Glukoseauslenkungen, oxidativer Stress und vaskuläre Komplikationen Korrelation oxidativer Stress mit Biomarkern: - HbA 1c : 0,061 - mittl. Gl.: 0,218 - NBZ: 0,410 - AUC pp : 0547*, - MAGE: 0,863* * p < 0,05 nach: Monnier L et al.: JAMA 2006; Vol. 295 (14), 1681-1687
Hypoglykämien und glykämische Variabilität Hypoglykämien sorgen indirekt für eine erhöhte glykämische Variabilität und.. Hypoglykämie und kardiale Events bei Typ-1-Diabetes:* Hypoglykämie und Demenz bei Typ-2-Diabetes:** direkt für kardiovaskuläre Ereignisse * Gill GV et. al: Diabetologia 2009, 42-45 **Whitmer JA et al, JAMA April 15, 2009, Vol 301, 15:
Hypoglykämien keine ungefährliche Situation für Patienten mit Diabetes? Beispiel: Aufzeichnung mit CGMS und Langzeit-EKG : Uhrzeit: 4.30h Glukose: 2,3 mmol/l Schwere Arrythmien (ektoper atrialer Rhythmus) nach: Gill GV. et al. Diabetologia 52; 2009:42-45
Fazit: Eine hohe Glukosevariabilität hat Auswirkungen auf das kardiovaskuläre Risiko und dessen Folgen, wird aber im bisherigen Beurteilung der Glukoseeinstellung nicht berücksichtigt.
Neue Parameter zur Beurteilung der glykämischen Einstellung und der Glukosevariabilität: ein Pardigmenwechsel?
Das alte Glukosepentagon Umrandete grüne Fläche: Werte, bei denen noch nicht mit der Entwicklung diabetischer Folge-erkrankungen zu rechnen ist. 12 11 HbA 1c (%) Glykämischer Risikoparameter GRP = A gesund / A Diabetes 10 9 MW Glukose (mg/dl) 8 7 6 SD Glukose (mg/dl) AUC > 160 mg/dl (mg/dl x 24h) Zeitdauer Werte>160 mg/dl (h)
Umfängliche Begutachtung der Diabeteseinstellung Zeit außerhalb des Zielbereichs [min/d]) Grüne Fläche: entspricht Werten für gesunde Menschen Mittlere Glukose [mg/dl] 1440 1200 1080 900 720 480 0300 Orange Fläche: Werte eines Diabetespatienten VC Glucose [%] PGR = A Pat./A. Ges Intensität HYPER [mg/dl x min 2 ] Intensität HYPO [mg/dl x min 2 ]
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Pathogenese diabetischer Folgeerkrankungen Oxidativer Stress und vaskuläre Schäden: Hyperglykämie Oxidativer Stress Erhöhter Fluss über den Polyol und Aldose Reduktase Weg Bildung von AGE*-Produkten Aktivierung von PKC-ß und κb Bildung von Glukotoxinen Veränderte Genexpression Veränderte Proteinfunktion Zelluläre Dysfunktion und -Schäden AGE- advanced glycation products Sheetz M, et al. JAMA 2002;288:2579 99. Ceriello A. Diabetes 2005;54:1 7.
Unterschiedliche Glukosevariabilität und oxidativer Stress bei vergleichbarem HbA 1c - Wert Patient 1: HbA 1c = 7,1 % mittlere Glukose: 143 mg/dl SD: 43 mg/dl Patient 2: HbA 1c = 7,3 % mittlere Glukose: 149 mg/dl SD: 94 mg/dl Erhöhung oxidativer Stress um den Faktor 2,3 (adapt. Monnier für T2D) nach A. Gelber et al.: 44th Annual Meeting of EASD 2008 Rom, 1073, Diabetologia 2008; 51 (Suppl. 1), S436-437