Numerische Mathematik I: Grundlagen

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Transkript:

Numerische Mathematik I: Grundlagen 09.10.2017

Inhalt der Lehrveranstaltung Inhaltlich sollen Sie in der Lehrveranstaltung Numerische Mathematik I insbesondere vertraut gemacht werden mit der Numerik linearer Glechungssysteme Numerik linearer Ausgleichsprobleme Numerik nichtlinearer Gleichungssysteme Numerik von Eigenwertproblemen Jeder angewandte Mathematiker muss die Grundzüge der numerischen Mathematik verstehen. Im Gegensatz zum Wissenschaftlichen Rechnen geht es dabei in der Numerik nicht primär darum, komplexe Probleme durch die Konstruktion von Algorithmen auf einen Rechner zu bringen und deren Ergebnisse auszuwerten, sondern es geht um die Mathematik, die benötigt wird, um Algorithmen beurteilen zu können. Dabei sind Stabilität, Konvergenz, Effizienz und Genauigkeit zentrale Begriffe.

Seminar zur Lehrveranstaltung Im Seminar zur Numerischen Mathematik I werden Belegaufgaben gestellt, für deren Bearbeitung Sie ca. eine Woche Zeit haben und die Sie insbesondere auf die Klausur vorbereiten sollen. Um zur Klausur zugelassen zu werden, benötigen Sie 50% der für die Belegaufgaben vergebenen Punkte. Alle Materialien erhalten Sie im zugehörigen OPAL-Kurs. Als Prüfung müssen Sie eine 120-minütige Klausur bestehen.

Literatur zur Lehrveranstaltung Es gibt eine große Auswahl an Literatur zur Numerischen Mathematik, zu meiner Vorlesung empfehle ich Ihnen, in die folgenden Bücher hineinzulesen: Stoer,Bulirsch: Numerische Mathematik 1 + 2, Springer. Deuflhard,Hohmann bzw. Bornemann: Numerische Mathematik I + II, de Gruyter. Schwarz,Köckler: Numerische Mathematik, Vieweg-Teubner. Preuß,Wenisch: Numerische Mathematik, Fachbuchverlag Leipzig. Knorrenschild: Numerische Mathematik, Fachbuchverlag Leipzig. Brokate,Henze,Hettlich,Meister,Schranz-Kirlinger,Sonar: Grundwissen Mathematikstudium, Kapitel 11-18, Springer-Spektrum. Zeidler bzw. Bronstein: Handbuch bzw. Taschenbuch der Mathematik, Kapitel 7, Springer.

Heutiges Programm Heute werden wir anhand eines einfhrenden Beispiels bei numerischen Verfahren auftretende Fehler kennenlernen, speziell Rundungsfehler von Maschinenzahlen und Diskretisierungsfehler von Approximationen diskutieren und Kondition und Stabilität definieren.

Finite Differenzen Beispiel Betrachte die räumlich eindimensionale Wärmeleitungsgleichung u t = 2 u zum Anfangswert { x 2 2x für 0 < x 1 u(0, x) = u 0 (x) := 2 2 2x für 1 2 < x < 1 auf Ω := (0, 1) unter Dirichlet-Randbedingungen u(t, 0) = 0 = u(t, 1) bis zur Zeit T = 1. Mittels der Fourier-Methode erhält man als exakte Lösung k=0 a ke (kπ)2t sin(kπx) mit a k = 2 1 0 u 0(x) sin(kπx) dx = 8 sin ( ) kπ (kπ) 2 2.

Finite Differenzen Beispiel Diskretisiert man (0, T ) Ω durch (t n, x j ) := (n t, j x), so erhält man beim expliziten Euler-Verfahren mit u n j := u(t n, x j ) die Rekursion u n+1 j = u n j + ( t) un j+1 2un j +un j 1 ( x) 2. Wir wählen x = 0.05. Dann ergibt sich zum Zeitpunkt T = 1 für t = 0.00140 die links und für t = 0.00142 die rechts auf der nächsten Folie abgebildete Näherung.

Finite Differenzen Frage Wieso ist die zweite Lösung so ungenau?

Finite Differenzen Antwort Das Verfahren ist nicht stabil, d.h. es verhält sich gegenüber Störungen (Fehler der Eingabedaten und Rundungsfehler) nicht robust. Genauer muss für das Verfahren die Stabilitätsbedingung t ( x) 2 Beispiel < 1 4 Hier gilt erfüllt sein. t ( x) 2 0.56 > 1 4, man hätte höchstens mit t < 1 4 ( x)2 = 0.000625 rechnen dürfen, und es war reiner Zufall, dass sich für t = 0.00140 schon eine recht gute Näherung an die Lösung ergab.

Maschinenzahlen Problem Nicht jede reelle Zahl kann vom Computer exakt repräsentiert werden, nur die sogenannten Maschinenzahlen. Definition Eine Maschinenzahl in normalisierter Gleitpunktdarstellung zur Basis b N \ {1} ist eine Zahl der Form ±0.a 1 a 2... a n b p mit Mantissenlänge n N, den Nachkommastellen a i {0, 1,..., b 1}, a 1 0, und Exponent p { E, E 1}, E N. Im Fall b = 2, n = 23 und E = 256 spricht man von 32-Bit-Binärzahlen. Die meisten Computer folgen dem IEEE-Standard für Gleitpunktrechnung.

Rundungsfehler Problem Nähert man eine reelle Zahl durch die nächstgelegene Maschinenzahl an, so entsteht ein Rundungsfehler. Definition Ist x eine reelle Zahl und x die nächstgelegene Maschinenzahl, dann heißt x x der absolute Rundungsfehler und x x x (bei x 0) der relative Rundungsfehler. Beispiel Bei Rundung und Basis b = 10 gilt x x x 5 10 n mit der Mantissenlänge n N.

Auslöschung Problem Bei der Subtraktion etwa gleich großer Zahlen kann Auslöschung und damit der Verlust signifikanter Nachkommastellen auftreten. Beispiel Approximiert man die Fläche π des Kreises durch die Fläche F n eines regulären n-ecks, dessen Kantenlänge man rekursiv durch s 2n = 2 2 1 s2 n 4 berechnet, so tritt für große n Auslöschung auf.

Auslöschung

Landau-Symbole Problem Diskretisierungsfehler treten auf, wenn eine Funktion oder ein Operator durch eine Näherung ersetzt wird. Zu Ihrer Abschätzung sind die Landau-Symbole nützlich. Definition Man sagt, die Funktion f wächst für x x 0 nicht wesentlich schneller als g, symbolisch f (x) = O(g(x)) ( f ist ein groß O von g ) für x x 0, wenn c > 0, ɛ > 0 : f (x) c g(x) für alle x mit x x 0 < ɛ.

Rechnen mit Landau-Symbolen Satz Es gilt 1 + O(ɛ) = 1 1+O(ɛ) für ɛ 0. Für A R n n und x R n mit x = O(g), wobei eine beliebige Vektornorm und g : R R eine Funktion ist, folgt Ax = O(g). Hat x R n die Komponenten x i, i = 1,..., n und ist g : R R eine Funktion, dann gilt ( i : x i = O(g)) x = O(g).

Finite Differenzen Frage Welchen Diskretisierungsfehler haben finite Differenzen zur Annäherung von Ableitungen? Beispiel Bei äquidistanten Stützstellen..., x h, x, x + h,... zur Annäherung von f (x) hat die Vorwärtsdifferenz Rückwärtsdifferenz zentrale Differenz f (x+h) f (x) h f (x) f (x h) h f (x+h) f (x h) Bei Annäherung von f (x) hat Diskretisierungsfehler O(h 2 ). Diskretisierungsfehler O(h). Diskretisierungsfehler O(h). 2h Diskretisierungsfehler O(h 2 ). f (x+h) 2f (x)+f (x h) h 2 einen

Fehlerfortpflanzung Problem Fehler pflanzen sich von einem zum nächsten Schritt fort. Satz Haben die Eingangsgrößen x i einer Funktion f (x 1,..., x n ) den absoluten Fehler φ i, so hat die Ausgangsgröße y = f (x) in erster Ordnung den absoluten Fehler y = f x 1 φ 1 + + f x n φ n.

Fehlerfortpflanzung Satz Haben die Eingangsgrößen x i einer Funktion f (x 1,..., x n ) den relativen Fehler ɛ i, so hat die Ausgangsgröße y = f (x) in erster Ordnung den relativen Fehler ɛ y = x 1 f x 1 ɛ 1 + + xn f x n ɛ n. Konditionszahlen x i f f (x) f (x) Die Faktoren f (x) x i nennt man auch Konditionszahlen, sind sie groß, so nennt man die Auswertung von f ein schlecht konditioniertes Problem.

Problem Die Konditionszahlen machen nur Sinn für y = f (x) 0, x i 0, und differenzierbares f. Definition Als relative Konditionszahl einer Funktion f : R n R m an der Stelle x R n bezeichnet man die kleinste Zahl cond r el(f )(x) > 0, f (x) f ( x) für die f (x) cond r el(f )(x) x x x bei x x gilt.

Kondition von Matrizen Beispiel Für eine invertierbare Matrix A hat die Funktion f (b) = A 1 b an der Stelle x die relative Konditionszahl cond r el(f )(x) = Ax x A 1. Definition Als Kondition der invertierbaren Matrix A bezeichnet man die Zahl κ(a) := A A 1.

Stabilität Kondition vs. Stabilität Während die Kondition nur vom Problem abhängt, spricht man von Stabilitt, wenn ein Algorithmus zur Lösung des Problems nicht anfällig für Fehler (seien es Rundungs- oder Diskretisierungsfehler) in den Eingabedaten ist. Beispiel Die Auswertung der Funktion f (x) = x + 1 x für große x durch den trivialen Algorithmus ist wegen Auslöschung instabil, 1 besser ist es, x+1+ x auszuwerten, dies liefert dasselbe Ergebnis und ist für große x ein stabiles Verfahren.

Ausblick Nächste Woche wollen wir uns mit dem numerischen Lösen linearer Gleichungssysteme beschäftigen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!