Gliederung der Vorlesung A. Grundlagen B. Rechtsgeschäftslehre I: Gegenstand und Begriff C. Rechtsgeschäftslehre II: Wirksamwerden und Inhalt D. Rechtsgeschäftslehre III: Wirksamkeitsvoraussetzungen E. Rechtsgeschäftslehre IV: Beseitigung F. Rechtsgeschäftslehre V: Vertretung G. Sonstige Gegenstände des BGB-AT H. Klausur zum BGB-AT Folie 67
Beispiel 5 Was stellt ein Rechtsgeschäft dar? - M kündigt den Mietvertrag mit V. - G verfügt über einen fälligen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises gegen S und mahnt ihn zur Zahlung, um ihn nach 286 BGB in Verzug zu setzen. - K trägt dem V einen Kaufvertrag über ein Auto zu 5.000 EUR an. - V und E einigen sich, dass V dem E den Gebrauch an einem bestimmten Pkw für zwei Wochen unentgeltlich überlässt. Folie 68
B. Rechtsgeschäftslehre I: Gegenstand und Begriff I. Abgrenzung zu sonstigen Rechtstatsachen II. Rechtsgeschäfte III. Verträge IV. Willenserklärung Folie 69
Rechtstatsachen Ereignisse (Bsp.: Tod, 1922 BGB) Rechtshandlungen - Rechtswidrige (Bsp.: Delikt nach 823 Abs. 1 BGB) - rechtmäßige Rechtsgeschäfte Realakte (Bsp.: Erlangung der tats. Gewalt, 854 BGB; Verarbeitung, 950 BGB) rechtsgeschäftsähnliche Handlungen - Willensäußerung (Mahnung = ich will die Leistung, Rechtsfolge aus 286 BGB) - Wissensmitteilung (Vollmachtskundgabe, 171 BGB) Folie 70
Begriffliches Rechtstatsachen Oberbegriff von Ereignissen und Rechtshandlungen als mögliche Voraussetzungen (Tatbestandsmerkmale) einer Rechtsfolge. Rechtsgeschäft Tatbestand (Handlung) mit Rechtsfolgen (Begründung oder Untergang von Rechten/Pflichten), die nach der Rechtsordnung nur deshalb eintreten, weil sie gewollt sind (auf mindestens einer Willenserklärung beruhen). Vertrag Rechtsgeschäft, das in einer Willenseinigung besteht, also aus inhaltlich übereinstimmenden, mit Bezug aufeinander abgegebenen Willenserklärungen von mindestens zwei Personen. Willenserklärung Willensäußerung, die auf den Eintritt einer Rechtsfolge gerichtet ist. (BGH NJW 1984, 721: Das Mittel privater Setzung einer rechtlichen Regelung kraft Parteiwillens ) Folie 71
Rechtsgeschäftsarten einseitig (eine WE) z.b. Kündigung, 542 BGB Auslobung, 657 BGB Testament, 1937 BGB Anfechtung, 143 BGB mehrseitig (mind. 2 WE) Verträge - zweiseitig verpflichtend od. - einseitig verpflichtend Beschlüsse (Wahl eines Vorstands im Verein) grds. mehrere WE ausnahmsw. eine WE Folie 72
Lösung zu Beispiel 5 M kündigt den Mietvertrag mit V. Einseitiges Rechtsgeschäft (Gestaltungserklärung) G verfügt über einen fälligen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises gegen S und mahnt ihn zur Zahlung, um ihn nach 286 BGB in Verzug zu setzen. Mahnung ist rechtsgeschäftsähnliche Handlung (Willensäußerung), Rechtsfolge beruht auf 286 BGB. K trägt dem V einen Kaufvertrag über ein Auto zu 5.000 EUR an. Angebot ist zwar Willenserklärung, aber allein mangels Eintritts der angestrebten Rechtsfolge vor Annahme kein Rechtsgeschäft. V und E einigen sich, dass V dem E den Gebrauch an einem bestimmten Pkw für zwei Wochen unentgeltlich überlässt. Leihvertrag ist mehrseitiges Rechtsgeschäft, konkret liegt ein einseitig verpflichtender Vertrag. Folie 73
Vertragsfreiheit SchuldR ( 311 BGB) SachenR FamR ErbR Abschluss ja ja ja ja Partner ja ja ja ja Inhalt ja nein nein nein Form ja nein nein nein Änderung ja nein nein ja Aufhebung ja ja nein ja Folie 74
Voraussetzungen eines Vertrags (vertraglichen Erfüllungsanspruchs) 1. Einigung a) Antrag/Angebot (auf Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung) (1) Erforderlicher Inhalt: wesentliche Vertragsbestandteile (2) Rechtsbindungswille (nicht bei Vertragsanbahnung, Gefälligkeit) (3) Wirksamwerden (Abgabe und Zugang), 130 f. BGB b) Annahme des wirksamen Antrags Ja nach Maßgabe von 145 ff. BGB 2. Wirksamkeit a) Keine Unwirksamkeit mangels Geschäftsfähigkeit, 104 ff. BGB b) Keine Unwirksamkeit mangels vorgeschriebener Form, 125 BGB c) Keine Unwirksamkeit wegen Inhalts, 134, 138 BGB d) Keine Unwirksamkeit wegen Bedingung oder Befristung, 158 ff. BGB e) Keine Unwirksamkeit wegen Willensmängeln, 116 ff., 142 BGB Folie 75
C. Rechtsgeschäftslehre II: Wirksamwerden und Inhalt I. Willenserklärung 1. (Objektiver) Tatbestand und Inhalt 2. Wirksamwerden durch Abgabe / Abgabe und Zugang II. Vertragsschluss 1. Angebot a) Vertragsbestandteile b) Rechtsbindungswille 2. Annahme ( 145 ff. BGB) 3. Auslegung eines Vertrags Folie 76
Arbeitsanregungen Wiederholen Sie nochmals Trennungs- und Abstraktionsprinzip, indem Sie sich nochmals im Gesetz die Regelungen zu den relevanten Verträge ( 433 BGB, 929 BGB) und den relevanten Ansprüchen ( 433 BGB, 985 BGB, 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB) anschauen und in Tatbestand und Rechtsfolge zerlegen. Vollziehen Sie die Systematik Rechtstatsachen, Rechtsgeschäfte, Verträge, Willenserklärung nach. Verdeutlichen Sie sich die Problematik, dass bei Willenserklärungen das vom Erklärenden Gewollte und das von ihm Erklärte voneinander abweichen können, und vergegenwärtigen Sie sich, dass grundsätzlich zum Schutz des Erklärungsempfängers das Erklärte maßgeblich ist. Folie 77
Beispiel 6 a) E errichtet ein Testament, in dem er seine Bibliothek seinem Freund F vermacht. Müssen die Erben des E nach dessen Tod dem F die schmale Buchsammlung des E oder seinen großen und wertvollen Weinkeller herausgeben, wenn E den Weinkeller meinte, die Erben mit dieser Bezeichnung aber nichts anfangen können? (Bsp. nach Bork AT Rn. 517) b) V und K einigen sich darauf, dass K das gebrauchte Auto des V für drei Riesen kauft. Später stellt sich heraus, dass V von 3.000 EUR, K von drei großen Scheinen, mithin 1.500 EUR ausgegangen ist. K hatte, als er seinen Irrtum entdeckte, aus Scham zunächst geschwiegen. Was kann V von K verlangen? Folie 78
Willenserklärung Begriff Willensäußerung, die auf den Eintritt einer Rechtsfolge gerichtet ist, kurz: Äußerung mit Rechtsbindungswillen. Arten von Willenserklärungen - Empfangsbedürftige Willenserklärungen (Regelfall) Wirksamwerden durch Abgabe und Zugang Bsp.: Vertragsangebot, Kündigung - Nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen Wirksamwerden durch Abgabe Bsp.: Testament ( 1937, 2247 Abs. 1 BGB) Im Vertragsrecht wichtig 151 BGB: Ausnahmsweise ist Annahme nicht empfangsbedürftig! (Abgabe der Erklärung bleibt erforderlich.) Folie 79
Willenserklärung: Tatbestand und Inhalt Liegt eine Willensäußerung vor und welchen Inhalt hat sie? Wille des Erklärenden 133 BGB: Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. - Nur ausnahmsweise maßgeblich, nämlich bei nicht empfangsbedürftigen (und nicht an den Rechtsverkehr adressierten) Willenserklärungen (Bspw. Testament) - Schutz vor Missverständnis nicht erforderlich (kein Empfänger) Das im Rechtsverkehr (gegenüber Empfänger) Erklärte 157 BGB: Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. - Grundsätzlich maßgeblich, insbesondere bei empfangsbedürftigen Erklärungen. - Schutz des Erklärenden, an nicht Gewolltes gebunden zu werden: Nichtigkeit der Willenserklärung nach 105 BGB Nichtigkeit nach Anfechtung, 142 I, 119 ff. BGB, aber dann ggf. Schadensersatzverpflichtung nach 122 BGB Folie 80
Lösung Beispiel 6 a) F kann von den Erben den Weinkeller verlangen (unterstellt, dass E das so wollte). b) Kann V von K aus Kaufvertrag ( 433 Abs. 2 BGB) Zahlung von 3.000 EUR verlangen? (1) Einigung über diesen Vertragsinhalt liegt vor (unterstellt, dass gemeinhin drei Riesen so verstanden werden). (2) Nichtigkeit des Vertrages nach 142 Abs. 1 BGB? (a) Anfechtungsgrund? (+) 119 Abs. 1 Fall 1 BGB (Inhaltsirrtum) (b) Anfechtungserklärung, 143 BGB? Jedenfalls nicht unter Wahrung der Anfechtungsfrist nach 121 Abs. 1 BGB (3) Wirksamer Vertrag liegt vor, Anspruch besteht. Folie 81
Ergänzung Beispiel 6 Vorausgesetzt, K hat sofort angefochten, wann steht V dann ein Anspruch zu? Ansprüche des V gegen K - Auf Kaufpreiszahlung aus Kaufvertrag ( 433 II BGB) Einigung liegt zwar vor, Ist aber nach 142 I BGB nichtig, Folglich kein vertraglicher Erfüllungsanspruch. - Auf Schadensersatz aus 122 I BGB Voraussetzungen liegen vor. Vertrauensschaden ist ersatzfähig: Schaden dadurch erleidet, dass er auf die Gültigkeit der Erklärung vertraut - (+) V hatte Kosten, um den Wagen zu K zu bringen, - (+) V hat anderweitigen Verkauf für 3.000 EUR abgelehnt, kann nun nur noch 2.000 EUR erlösen. - (-) V kann nur 2.000 EUR erlösen, hatte nie Aussicht auf mehr. Folie 82
Beispiele 7 a) K schreibt eine E-Mail, um ein Kaufvertragsangebot des V anzunehmen. Wann erfolgen Abgabe und Zugang? b) Arbeitnehmer A schreibt seinem Chef, dass er den Arbeitsvertrag kündige. Bevor der Chef ins Büro kommt, fängt A am nächsten Tag das Schreiben bei der Sekretärin ab, weil er doch nicht kündigen will. Ist die Kündigung wirksam? c) Kurz vor dem Urlaub diktiert V noch verschiedene Schreiben. V bittet seinen Mitarbeiter, das Vertragsangebot an K aber nur auf Zuruf aus dem Urlaub rauszuschicken. Er sei sich noch nicht sicher. Mitarbeiter schickt Angebotschreiben dennoch raus, wirksam? d) V hatte seine E-Mail-Adresse im geschäftlichen Verkehr bekannt gegeben. Nun will K innerhalb der Angebotsfrist ein Angebot des V auf Vertragsabschluss per E-Mail annehmen. Auf die E-Mail erhält K aber die Fehlermeldung, dass V die Mail wegen Überschreiten des Speicherplatzes nicht erreicht. Was ist K zu raten? e) V und K telefonieren über die Modalitäten eines Vertragsabschlusses. Nach einigem Hin und Her hört V nicht mehr richtig zu. Er nimmt daher nicht wahr, dass K sich schließlich mit dem Angebot des V einverstanden erklärt hat. Ist ein Vertrag zustande gekommen. Folie 83