Aufbau des Lehrbuches A 1 Einführung Globale Weltwirtschaft, dynamische Märkte, deregulierter Wettbewerb, verkürzte Produktlebenszyklen, steigende Erwartungen des Kapitalmarktes sowie nachhaltiges Wirtschaften sind vielzitierte Tendenzen und Kräfte, die heute auf ein Unternehmen einwirken. 1 Unternehmen, die sich im globalen Wettbewerb behaupten wollen, müssen bestrebt sein, sich diesen stetig wechselnden Bedingungen bestmöglich anzupassen. Eine Konsequenz dieses Bestrebens zeigt sich in den gewählten Unternehmensstrategien und dem notwendigen Wandel der Organisationsstrukturen. Expansion, Diversifikation, Downsizing, Outsourcing und Kooperation stellen strategische Optionen dar, auf diese Veränderungen zu reagieren. Grundsätzlich sind damit zwei organisatorische Tendenzen verbunden. Einerseits gibt es immer größere und komplexere multinationale Unternehmensnetzwerke und Konzerne, andererseits gibt es viele Unternehmen, die sich auf ihre eigentlichen Kernkompetenzen konzentrieren und sich von bisherigen Nebenaktivitäten trennen. Eine häufig genutzte Möglichkeit zur Umsetzung dieser Strategien sind Mergers & Acquisitions (M&A). Diese stellen eine Form des externen Unternehmenswachstums dar. Während internes Wachstum das Ergebnis der originären Kombination von Produktionsfaktoren ist, werden beim externen Wachstum bereits bestehende Faktorkombinationen, also Unternehmen beziehungsweise Unternehmensteile, erworben. Externes Wachstum kann einen sprunghaften Anstieg des Leistungspotenzials bewirken und damit vor allem Zeitersparnis im Entwicklungsprozess des Unternehmens zur Folge haben. 2 Im Idealfall werden durch den M&A-Prozess ein erprobtes Leistungsprogramm und neues Know-how erworben, neue Märkte erschlossen, die Machtposition ausgebaut beziehungsweise Marktanteile gewonnen sowie Synergie- und Skaleneffekte erzielt. Der Verkäufer hingegen verfolgt im Rahmen von Mergers & Acquisitions vornehmlich die Motive Konzentration auf das Kerngeschäft, Abstoßung nicht wertschaffender Bereiche oder Verbesserung der Liquiditätssituation. Während nachfolgend die Bedeutung von Mergers & Acquisitions in der heutigen Wettbewerbslandschaft herausgearbeitet werden soll, um dadurch unter anderem die Notwendigkeit stärkerer theoretischer Fundierung einerseits und praktischer Handlungsanleitung andererseits für diesen Themenkomplex zu begründen, wird in Abschnitt 1.2 die weitere Struktur des Lehrbuches aufgezeigt. 1 Vgl. Wirtz (2016a), S. 17 ff. 2 Vgl. Wittig (2008), S. 54. B. W. Wirtz, Mergers & Acquisitions Management, DOI 10.1007/978-3-658-15698-5_1, Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 3
A Einführung 1.1 Bedeutung von Mergers & Acquisitions Die zunehmende Globalisierung und die ansteigende Wettbewerbsintensität sorgten für einen erheblichen Bedeutungszuwachs des Marktes für Unternehmenskäufe und -verkäufe. Die Liberalisierung der Fusionskontrollregelungen und der Deregulierungspolitik sowie die Weiterentwicklung der Finanzmärkte haben diesen Trend noch verstärkt. In der Vergangenheit traten Mergers & Acquisitions als zyklische Phänomene auf. Rückblickend können insgesamt sechs Merger-Wellen identifiziert werden. 1 Die bisher größte Merger-Welle mit Blick auf die Anzahl und das Volumen der Transaktionen war die Sechste, die 2008, kurze Zeit nach dem Einsetzen der Suprime-Krise, endete. Konsolidierte Bilanzen und ein Akquisitionsstau begünstigten deren Entstehung. 2 Die bisherige Höchstmarke von 2007 mit einem Volumen von rund 4,3 Billionen US-Dollar wurde in 2015 übertroffen. Nach einem massiven Anstieg in Höhe von 43% von 2014 auf 2015 erhöhte sich das weltweite Transaktionsvolumen auf ein neues Allzeithoch von 4,5 Billionen US-Dollar. 3 Die wertmäßig größte Einzeltransaktion bleibt jedoch weiterhin die Übernahme von Mannesmann durch Vodafone im Jahr 2000 mit einem Volumen von 202,8 Milliarden US-Dollar. 4 Die globale Entwicklung der M&A-Märkte spiegelt sich grundsätzlich auch in Deutschland wider. 5 Jedoch traf dies nicht für 2015 zu. Die Anzahl der angekündigten Deals mit einem deutschen Zielunternehmen nahm gegenüber dem Vorjahr von 1.503 auf 1.342 ab. Das zugehörige Transaktionsvolumen sank um 3% auf 102,6 Milliarden US-Dollar. 6 Die fünf wertmäßig größten Transaktionen mit Beteiligung deutscher Unternehmen waren neben der Transaktion von Mannesmann und Vodafone die Übernahme von Orange durch Mannesmann (32,6 Milliarden US-Dollar), von Voice- Stream Wireless durch die Deutsche Telekom (29,4 Milliarden US-Dollar), von Hoechst AG durch Rhone-Poulenc (21,9 Milliarden US-Dollar) und von Schering durch Bayer (21,4 Milliarden US-Dollar). 7 Die aktuelle M&A-Phase ist zum einen durch eine fortschreitende Globaliserung geprägt, die insbesondere die so genannten BRIC-Länder sowie Länder des Nahen Ostens beziehungsweise Südostasiens erfasst. 8 Zum anderen ist die zunehmende Beteiligung von Private-Equity-Investoren am deutschen M&A-Markt ein Treiber der Entwicklung. Darüber hinaus wurden durch die Finanzkrise wesentliche Veränderungen des deutschen M&A-Marktes initiiert. 1 Vgl. Müller-Stewens (2016), S. 24 ff. 2 Vgl. Jansen (2016), S. 81. 3 Vgl. Köhler/Landgraf (2016). 4 Vgl. Jansen (2016), S. 96. 5 Vgl. Kunisch (2010), S. 48. 6 Vgl. Düsterhoff/Wolffson (2016), S. 23. 7 Vgl. Jansen (2016), S. 96. 8 Vgl. Kunisch (2010), S. 60. 4
Aufbau des Lehrbuches A Eine hohe Schuldenlast auf vielen Unternehmen, die durch eigene Akquisitionen oder durch Finanzinvestoren entstanden waren, führte dazu, dass Kreditauflagen zum Teil nicht eingehalten werden konnten. Daher mussten Übernahmen auch aus finanziellen Notsituationen heraus durchgeführt werden. Darüber hinaus musste die Private- Equity-Branche ihre Geschäftsmodelle nach der Finanzkrise 2008 anpassen und beispielsweise höhere Eigenkapitalanteile bei M&A-Transaktionen vorweisen. 1 Auch wenn in den letzten Jahren folglich ein Rückgang der M&A-Euphorie festzustellen ist, sind die weltweiten Transaktionsvolumina immer noch von erheblichem Ausmaß. Die damit verbundenen Risiken dürfen jedoch auf keinen Fall unterschätzt werden. Untersuchungen haben ergeben, dass die Erfolgsquote von Unternehmenszusammenschlüssen bei lediglich 56% liegt. 2 Hieraus folgt, dass mit der hohen Zahl an Unternehmenstransaktionen regelmäßig eine Vernichtung großer Vermögen durch fehlgeschlagene M&A-Aktivitäten einhergeht. Ein Beispiel hierfür ist die Übernahme von Rover durch BMW im Jahre 1994, die BMW 2,1 Milliarden Euro kostete. In den darauffolgenden vier Jahren investierte BMW weitere 4 Milliarden Euro. Dennoch gelang es nicht, mit Rover einen Gewinn zu erwirtschaften. Daraufhin stieß BMW im Jahr 2000 Rover wieder ab. 3 Die Gründe für solche Misserfolge sind vielfältig und von Fall zu Fall unterschiedlich. Unsystematische und inkonsistente Akquisitionsstrategien sowie Integrationsprobleme beziehungsweise mangelnde Stringenz bei der Durchführung von Demerger-Aktivitäten sind dabei die wesentlichsten und komplexesten Problembereiche. 1.2 Aufbau des Lehrbuches Vor dem Hintergrund der großen weltwirtschaftlichen Bedeutung von M&A-Transaktionen einerseits und der mit diesem Thema verbundenen Risiken und Probleme andererseits wird die Notwendigkeit einer konzeptionellen Fundierung dieses Themengebietes deutlich. Mergers & Acquisitions haben bisher in zahlreichen wirtschaftsund rechtswissenschaftlichen, organisationstheoretischen und finanzwissenschaftlichen sowie kartell- und steuerrechtlichen Publikationen Beachtung gefunden. Aufgrund der Tatsache, dass Mergers & Acquisitions vornehmlich ein Instrument zur Gestaltung der Unternehmens- beziehungsweise Konzernstruktur sind, sollten M&A- Aktivitäten als Kernaufgabe des strategischen Management und daher auch schwerpunktmäßig unter strategischen Gesichtspunkten betrachtet werden. Die bisherigen betriebswirtschaftlichen M&A-Veröffentlichungen messen dem strategischen Moment aber nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Darüber hinaus finden Post-Merger- Integrations- und insbesondere Demerger-Konzepte ebenfalls nicht die notwendige 1 Vgl. Lichtner (2009), S. 14. 2 Vgl. Schoenberg (2006), S. 362. 3 Vgl. Bartoszewski (2006), S. 12. 5
A Einführung Beachtung. Daher zielt das Lehrbuch darauf ab, einen differenzierten, detaillierten und möglichst umfassenden Überblick über die wichtigsten Aspekte von Mergers & Acquisitions zu geben, wobei sowohl das strategische Akquisitionsmanagement als auch das Post-Merger-Integrations- und Demerger-Management ausführlich betrachtet werden. Das Lehrbuch gliedert sich auf der ersten Ebene in vier Teile: Grundlagen des M&A- Management, Akquisitionsmanagement, Post-Merger-Integrationsmanagement und Demerger-Management. Abbildung 1-1 stellt den Aufbau und den Zusammenhang zwischen den betrachteten Aspekten grafisch dar. Abbildung 1-1: Inhalte des Lehrbuches Begriff und Formen Akquisitionsmanagement Strategische Analyse- und Konzeptionsphase Transaktionsphase Integrationsdurchführung Markt und Akteure Post Merger Integrationsmanagement Integrationskonzeption Integrationscontrolling Theoretische Ansätze Demerger-Konzepte Demerger-Prozess Demerger-Management Motive und Chancen Der Teil A Grundlagen des M&A-Management widmet sich den begrifflichen, konzeptionellen und inhaltlichen Grundlagen von Unternehmenszusammenschlüssen im Allgemeinen und Mergers & Acquisitions im Speziellen. Der zentrale Begriff dieses Buches, Mergers & Acquisitions, wird zunächst definiert und gegenüber anderen deutschen und angloamerikanischen Begriffen abgegrenzt. Anschließend werden Formen und Ausprägungen von Mergers & Acquisitions vorgestellt, bevor im nächsten Schritt relevante theoretische Ansätze für M&A-Aktivitäten sowie Motive und Zielsetzungen aus der unternehmensinternen Käufer- und Verkäufersicht dargelegt 6
Aufbau des Lehrbuches A werden. Im Rahmen der unternehmensexternen Betrachtung wird auf relevante Entwicklungen von Märkten und Rahmenbedingungen eingegangen. Abschließend werden in Teil A die Akteure und der Prozess des M&A-Management dargestellt. Der Teil B Akquisitionsmanagement setzt sich aus der strategischen Analyse- und Konzeptionsphase und der operativen Transaktionsphase des M&A-Prozesses zusammen. In der strategischen Analyse- und Konzeptionsphase steht die Entwicklung der Akquisitionsstrategie sowie die Organisation und Steuerung des Akquisitionsprozesses im Vordergrund, während im zweiten Kapitel die einzelnen Transaktionsphasen von Screening bis Vertragsabschluss im Detail betrachtet werden. Im Teil C Post-Merger-Integrationsmanagement wird zunächst die Notwendigkeit und die besondere Relevanz der Post-Merger-Phase verdeutlicht. Es werden Konzepte für eine Post-Merger-Integration entworfen und daran anschließend die wesentlichen Themenstellungen bei der Post-Merger-Integrationsdurchführung aufgezeigt. Von zentraler Bedeutung sind dabei insbesondere organisationsorientierte (Aufbau- und Ablauforganisation, Harmonisierung der Unternehmenskultur und Personalmanagement), informationsorientierte (Integration der Informations- und Kommunikationstechnologie beziehungsweise -politik sowie Wissensmanagement) sowie marktorientierte Aspekte (Marken- und Kundenmanagement). Abschließend werden in Teil C mögliche Ansätze eines Integrationscontrolling sowie Konzepte für die Kontrolle des Gesamterfolges der M&A-Transaktion vorgestellt. In Teil D Demerger-Management erfolgt ein Perspektivenwechsel: Die bisher vornehmlich verfolgte Käuferperspektive bei M&A-Aktivitäten wird zugunsten der Verkäuferperspektive verlassen. Hier werden die mit einer M&A-Transaktion möglicherweise einhergehenden Desinvestitions- und Desintegrationsaktivitäten betrachtet. Dazu werden verschiedene Demerger-Instrumente, wie zum Beispiel Sell-off, Spin-off oder Split-off aufgezeigt, die einzelnen Prozessphasen erläutert sowie auf ein Demerger-Controlling eingegangen. Der letzte Abschnitt von Teil D widmet sich einem Fallbeispiel, an dem der gesamte M&A-Prozess veranschaulicht wird. 7
http://www.springer.com/978-3-658-15697-8