Vorlesung Wirtschaftsstrafrecht (WS 07/08) Kriegswaffe, 1 KWKG Kriegswaffenliste Teil B Sonstige Kriegswaffen

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Transkript:

V. Kriegswaffenkontrollgesetz 1. Rechtsgut: Das KWKG schützt konkret das Leben und die Gesundheit von Menschen, während das AWG globaler die Sicherung der auswärtigen Beziehungen bezweckt. 2. Übersicht Teil A atomare/biologische/chemische Waffen Umfassendes Umgangsverbot Kriegswaffe, 1 KWKG Kriegswaffenliste Teil B Sonstige Kriegswaffen Verbot mit Genehmigungsvorbehalt 17, 18 KWKG untersagen: ( 2, 3, 6 KWKG) bzgl Anti-Personen- Herstellen, Inverkehrbringen, Handeltreiben, Erwerben, Herstellung, Mine, 18 a Überlassen, Ein-, Aus-, Durchführen, Entwickeln, Verleiten zu diesen Handlungen, Fördern dieser Handlun- Beförderung Inverkehrbringen, KWKG gen Strafrecht: 19, 20 KWKG 20 a KWKG 22 a KWKG Teilweise auch für Taten von Deutschen im Ausland, 21 KWKG. KK 240

V. Kriegswaffenkontrollgesetz (Fortsetzung) 3. Fall Sachverhalt Die in Freiburg ansässige Friedenstauben AG hat aufgrund des wirtschaftlichen Niedergangs in Deutschland auf die Produktion von Kulturen des Anthrax-Viruses, Aufschlagszündern für Scud- Raketen und Anti-Personen-Minen umgestellt. Der vielseitig begabte Vorstand der Friedenstauben AG V begibt sich mit diesen Artikeln im Gepäck auf die Reise in das schweizerische Fribourg. Dort verkauft er die Ware an eine syrische Tarnfirma. Um mögliche Genehmigungen schert sich V nicht. Strafbarkeit nach dem KWKG? KK 241

V. Kriegswaffenkontrollgesetz (Fortsetzung) 3. Fall strafrechtliche Würdigung a) Strafbarkeit gemäß 20 Abs. 1 Nr. 1 i.v.m. 18 Nr. 1 KWKG Anthrax-Viren Gemäß 18 Nr. 1 KWKG ist neben dem Herstellen auch das Ausführen von biologischen Waffen verboten. Die Zuwiderhandlung gegen dieses Verbot wird nach 20 Abs. 1 Nr. 1 KWKG bestraft. Gemäß Teil A Abschnitt II Nr. 3.1 c) Nr. 1 der Kriegswaffenliste (Anlage zum KWKG) zählen Anthrax-Viren (bacillus anthracis) zu den biologischen Waffen. Kein Genehmigungsvorbehalt für die Ausfuhr biologischer Waffen. (+) b) Strafbarkeit nach 20 a Abs. 1 Nr. 1 KWKG i.v.m. 18 a KWKG Anti-Personen-Mine (+), ebenfalls kein Genehmigungsvorbehalt. c) Strafbarkeit gemäß 22 a Abs 1 Nr. 4 KWKG i.v.m. 1 Abs. 1 KWKG (Scud-Zünder) Ohne Genehmigung (+), denn V hatte keine beantragt. P: In der Anlage zum KWKG anders als in 33 Abs. 3 AWG keine Erwähnung wesentlicher Bestandteile. Bei Wortlautsauslegung Tatbestand nicht erfüllt. Sinn und Zweck gebietet nach BGH zur Vermeidung von Umgehungsgeschäften die Bausatztheorie, denn auch der getrennte Transport von Einzelteilen bzw. Bausätzen stellt eine Gefährdung dar. Strafbarkeit also auch hier gegeben. KK 242

VI. Umgehungshandlungen, faktische Auslegung und deren Grenze 1. Umgehungshandlungen und Reaktion des Gesetzgebers Der Gesetzgeber verwendet zur Vermeidung von Umgehungen häufig Generalklauseln. - Im öffentlichen Recht zb gegen Scheingeschäfte oder den Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten über 4 SubvG. - Generalklauseln aus dem Zivilrecht, zb bei 138 BGB Abs. 1 (sittenwidriges Rechtsgeschäft) bzw. Abs. 2 (Wucher). - Strafrechtliche Generalklauseln; Beispiel: 331 Abs. 1 Nr. 1 oder 264 Abs. 2 HGB tatsächliche Verhältnisse. KK 243

VI. Umgehungshandlungen, faktische Auslegung und deren Grenze (Fortsetzung) 2. wirtschaftliche/ faktische Auslegung - Diese Auslegungsmethode ist dem Zivilrecht entlehnt. - Das Paradebeispiel bietet der faktische Geschäftsführer. - Beispielsfall: Der bereits wegen Insolvenzverschleppung verurteilte Ehemann ( 6 Abs. 2 GmbHG) lässt seine neuen Geschäfte formell von seiner im Handelsregister eingetragenen Ehefrau weiterführen. Er führt die GmbH aber weiter und es kommt erneut zu einer Insolvenz. Die Eheleute stellten keinen Insolvenzantrag. - P: Geschäftsführer ist formal nur die Ehefrau. An diese Eigenschaft knüpfen aber die Sonderdelikte wie 84 GmbHG an. - Nach der Rechtsprechung sind gleichrangig beide, also Ehemann und Ehefrau, taugliche Täter des Sonderdelikts. KK 244

VI. Umgehungshandlungen, faktische Auslegung und deren Grenze (Fortsetzung) 2. wirtschaftliche/ faktische Auslegung (Fortsetzung) - Die Zurechnung über 14 StGB und zwar sowohl nach Abs. 2 als auch Abs. 3 greifen nicht, denn gerade um diese Normen zu umgehen, ist auf jegliche Art von Beauftragung oder Bestellungsakt verzichtet worden. Ohne die Rechtsfigur des faktischen Geschäftsführers wäre der geschickte Täter privilegiert, weil straflos. - Nach der Rechtsprechung des BGH ist derjenige als faktischer Geschäftsführer anzusehen, der zwar nicht formal als Geschäftsführer bestellt ist, aber die Aufgaben eines Geschäftsführers wahrnimmt. Es ist eine überragende Stellung" des faktischen Geschäftsführers gegenüber dem formalen Geschäftsführer erforderlich. 3. Kollision mit Art. 103 Abs. 2 GG (Gesetzlichkeitsprinzip) - Art. 103 Abs. 2 GG verbietet Analogien zu Lasten des Straftäters. - Für diesen muss die Strafe vorhersehbar sein. - Es gilt daher nur der eingeschränkte Maßstab des Mindestgemeinsamen. - Allgemeine Merkformel ist: Der durch den Wortlaut gebotene und erkennbare Sinn ist die Grenze zur verbotenen Analogie. KK 245

VI. Umgehungshandlungen, faktische Auslegung und deren Grenze (Fortsetzung) 4. Alternativen für den Gesetzgeber zur Vermeidung faktischer Auslegungen - Schaffung spezieller gesetzlicher Umgehungstatbestände Bsp: 145 c StGB (bei der Bestellung von Strohmännern) P: Erfassung nur bestimmter Umgehungshandlungen - Schaffung allgemeiner Umgehungstatbestände Bsp: 42 AO P: Aufgrund der relativen Unbestimmtheit des 42 AO muss dieser wiederum im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG restriktiv angewendet werden. Für das Steuerstrafrecht ( 370 ff. AO) stellen Verfahren mit 42 AO anders als im Besteuerungsverfahren die Ausnahme dar. 5. Ablehnendes Beispiel - 18 KWG normiert die Pflicht der Bank zur Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse von Großkreditnehmern. Gilt dies auch für den Bürgen eines solchen Kreditnehmers? Eine rein wirtschaftliche Betrachtung würde beide Auslegungen zulassen. Konkrete rechtliche Wertung gebietet, den Bürgen anders zu behandeln, denn auch im Sicherungsfall ist er nicht dem Kreditnehmer gleichzustellen. Ergebnis: Bei jeder wirtschaftlichen Auslegung sind gesetzliche Vorwertungen zu beachten. KK 246

VII. Behördliche Zustimmung bzw. Erlaubnis (Einwilligung und Genehmigung) 1. Dogmatische Einordnung a) hm Verwaltungsakzessorietät - Genehmigung gehört zur Ebene des Tatbestands bei präventivem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Das präventive Verbot ist (negatives) Tatbestandsmerkmal. Es handelt sich um eine Kontrolle r- laubnis. Beispiel: 34 AWG (Ausfuhr von Waren) - Rechtfertigungsebene bei repressivem Verbot mit Befreiungsvorbehalt. Es handelt sich dann um eine Ausnahmebewilligung. Beispiel: 22 a KWKG (Ausfuhr von Kriegswaffen). b) aa Unrechtstypisierende Tatbestandsfunktion ist im Einzelfall zu bestimmen. Die behördliche Genehmigung stellt dann stets einen Rechtfertigungsgrund dar, wenn der Tatbestand der jeweiligen Strafnorm unabhängig von der Genehmigung das tatbestandliche Unrecht abschließend umschreibt. Begründet andererseits die fehlende Genehmigung den Unrechtsgehalt mindestens teilweise mit, kommt der behördlichen Erlaubnis tatbestandsausschließende Wirkung zu. Die Unterscheidung wird bei rechtswidrigen Genehmigungen relevant, weil dann beide Ansätze zu anderen Ergebnissen beim Handlungs- bzw Erfolgsunrecht kommen. KK 247

VII. Behördliche Zustimmung bzw. Erlaubnis (Fortsetzung) 2. Fall zum Gegenstand der Genehmigung Sachverhalt, Problemaufriss Während des Falklandkrieges zwischen Argentinien und Großbritannien exportiert die Firma Rheinmetall Kriegswaffen genauer Flak- und Maschinenkanonen an eine Firma nach Spanien und erhielt hierfür die Genehmigungen nach AWG und KWKG. Als Zielort, Empfänger und Endverbleibsland wurde Spanien angegeben. In Wirklichkeit wurden die Waren aber von der belieferten Firma weiter nach Argentinien geliefert. Dies wusste die Verantwortlichen der Firma Rheinmetall auch. Problem: Was deckt die Genehmigung konkret ab? Lösung: Vom Antragsteller verschwiegene Umstände schränken den Umfang der Genehmigung ein. Eine erschlichene Genehmigung nach AWG und KWKG, die auf bewusst unrichtigen Angaben des Antragestellers beruht, ist somit unbeachtlich und hat keine die Strafbarkeit ausschließende Wirkung. Auf die naheliegende Frage eines Rechtsmissbrauchs einer Genehmigung oder einer Umgehungshandlung kam es daher gar nicht mehr an. KK 248

VII. Behördliche Zustimmung bzw. Erlaubnis (Fortsetzung) 3. Reichweite der Genehmigung - Erfasst die Genehmigung auch Nebenwirkungen der durch sie abgedeckten Tätigkeit? - Beispiel: Genehmigte Autoreifenfabrik sondert zu Asthma führende gesundheitsschädigende Giftstoffe in die Luft ab. - Meinung 1: Von der konkreten Dispositionsbefugnis der Behörde könne nur gedeckt sein, was der Dispositionsbefugnis der Behörde unterliegt. Die Umweltbehörde hat aber keine Dispositionsbefugnis für Körperverletzungen der Nachbarschaft. - Meinung 2: Erfassung auch des Restrisikos - Es sind auch die Verletzungen von Individualrechtsgütern mit von der Genehmigung gedeckt, die sich als Erfolg des durch die Genehmigung gedeckten Restrisikos darstellen. - Meinung 3: Generelle Erfassung aller Nebenfolgen. - Entscheidung: Die dritte Meinung hat sich nicht durchsetzen können. Die Rechtsprechung schwankt je nach Einzelfall zwischen Meinung 1 und 2. Entscheidend ist nach herrschender Meinung, ob in der Abwägung des Gesetzgebers oder der Verwaltungsbehörde die betroffenen Rechtsgüter mit eingeflossen sind. KK 249

VII. Behördliche Zustimmung bzw. Erlaubnis (Fortsetzung) 4. Nichtige Genehmigung - Eine Genehmigung, die gem 44 VwVfG nichtig ist, hat auch im Strafrecht als rechtliches nullum keine rechtfertigende Wirkung. 5. Rechtswidrige Genehmigung a) Grundsatz: Im Verwaltungsrecht ist der rechtswidrige Verwaltungsakt gem. 43 VwVfG wirksam und nur anfechtbar. Dies gilt über den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung auch im Strafrecht. Bedeutung hat dies speziell für das Umweltstrafrecht. b) Folgerungen - Tatbestand: Auch eine rechtswidrige Genehmigung hat tatbestandsausschließende Funktion. - Rechtfertigung: Keine rechtfertigende Wirkung durch eine rechtswidrige Genehmigung, wenn deren Gebrauch sich als missbräuchlich (zb bei Täuschung oder Drohung) darstellt. - Dies ergibt sich aus dem Rückschluss 330 d Nr. 5 StGB. KK 250

VII. Behördliche Zustimmung bzw. Erlaubnis (Fortsetzung) 6. Fehlende (formelle) Genehmigung trotz materieller Genehmigungsfähigkeit - Rechtsprechung und hm sehen keine rechtfertigende Wirkung und stellen eine rein formelle Betrachtungsweise an. - Anerkannt sind allenfalls Auswirkungen auf das Strafmaß, weil das Erfolgsunrecht geringer sei. Dies wird bei Schuld, Verbotsirrtum und Strafmaß entsprechend berücksichtigt. - Eine neuere starke Tendenz geht dahin, diesen Umstand bereits im Tatbestand bzw. auf der Ebene der Rechtswidrigkeit zu berücksichtigen. Dies ergebe sich aus Erwägungen aus Art. 19 Abs. 4 GG und der EMRK. - Ausnahme: Sonderfall einer behördliche Duldung, falls bewusstes Nichteinschreiten der zuständigen Behörde gegen ein ihr bekanntes rechtswidriges Verhalten. Die Duldung stellt nach richtiger Ansicht jedoch eine konkludente Genehmigung dar. KK 251

VIII. Kausalität: Keine konkrete Bestimmung des Opfers möglich 1. Grundüberlegung Die Basis bildet die Conditio-sine-qua-non-Formel: Ursächlich ist jede Bedingung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele. Die modifizierte Conditio-Formel besagt, dass von mehreren Bedingungen, die zwar alternativ, aber nicht kumulativ hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele, jede einzelne von ihnen ursächlich ist. 2. Unbekanntes bzw. umstrittenes Kausalgesetz (Produkthaftungsfälle) a) Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung Die Kausalität ist danach zu bestimmen, ob sich an eine Handlung zeitlich nachfolgende Veränderungen in der Außenwelt angeschlossen haben, die mit der Handlung nach den uns bekannten Naturgesetzen notwendig verbunden waren und sich als tatbestandsmäßiger Erfolg darstellen. b) Welche Anforderungen stellt man an die naturwissenschaftlichen Methoden? Exakte naturwissenschaftliche Methode, so dass kein wissenschaftlich ernstzunehmender Zweifel an dem Kausalgesetz besteht. Oder Naturgesetz schon dann anwendbar, wenn es von einem repräsentativen Teil der Vertreter dieser Wissenschaft anerkannt wird. Dies widerspricht dem Grundsatz in dubio pro reo, zumal sich wissenschaftliche Mehrheitsmeinungen oftmals ändern. KK 252

VIII. Kausalität: keine konkrete Bestimmung des Opfers möglich (Fortsetzung) 2. Unbekanntes bzw. umstrittenes Kausalgesetz (Produkthaftungsfälle) c) Historische Entwicklung anhand von BGH-Fällen - Contergan-Fall - Lederspray-Fall: Es gilt das Ausschlussprinzip. Alle denkbaren Ersatz- und Reserveursachen müssen ausgeschlossen sein. Ausreichend ist dann generelle Kausalität. - Holzschutzmittelfall: Bloße Mitursächlichkeit reicht ausnahmsweise auch ohne vollständigen Ausschluss von Reserveursachen aus, falls sich dies im Einzelfall aus einer wertenden Gesamtbetrachtung ergibt. KK 253

VIII. Kausalität: keine konkrete Bestimmung des Opfers möglich (Fortsetzung) 3. Keine Bestimmung des konkreten Opfers möglich a) Beispiel klinische Arzneimittelforschung - Patientengruppe 1: traditionelle Medikament - Patientengruppe 2: neues Medikament (Testphase) - Patientengruppe 3: Placebo Negativer Test, wenn in der 2. Patientengruppe mehr Patienten sterben als in der ersten Gruppe. b) P: Zwar steht die Verursachung der tatbestandsmäßigen Erfolge fest, ihre Zuordnung zu bestimmten Rechtsgutsobjekten ist aber nicht möglich, sog. statistische oder empirische Kausalität. c) Lösung 1: Generelle, also statistische Kausalität ausreichend. Kritik: Prozessrechtlich ist der Nachweis zu einer bestimmten Person notwendig. KK 254

VIII. Kausalität: keine konkrete Bestimmung des Opfers möglich (Fortsetzung) 3. Keine Bestimmung des konkreten Opfers möglich d) Lösung 2: Dies ist nur in den Grenzen der prozessualen Opfer-Wahl-Feststellung möglich. Vorüberlegung ist folgende: Opferwahlfeststellung als Unterfall einer Tatsachenalternative gehört Bereich der Wahlfeststellung. P: Spannungsfeld aufgrund des fehlenden Nachweises einer bestimmten Tat zwischen Rechtssicherheit und Gerechtigkeit in Verbindung mit kriminalpolitischen Bedürfnissen. Folgende Fallgruppen sind zu unterscheiden: aa) (+) Reine Tatsachenalternativität bb) (-) Tatbestandsalternativität als gleichartige Wahlfeststellung cc) (-) Postpendenzfälle bzw. Präpendenzfälle e) Lösung 3: Hier gilt der Grundsatz in dubio pro reo. Exkurs zu den klinischen Arzneimitteltests. Die 40, 41 AMG erlauben daher die Schaffung eines erlaubten Risikos. Gesetzlich kumulative Anforderungen sind Einwilligung (bzw. rechtfertigender Notstand), eine Ethikkommission und ggfs. die Anzeige bei der zuständigen Bundesoberbehörde. KK 255

Literaturhinweise Literatur zum AWG und KWKG: Hellmann/Beckemper Wirtschaftsstrafrecht (2004) Rn 755 ff. Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht 2. Aufl. (2007) Rn 99 ff. und 220 ff. Jescheck/Weigend Strafrecht AT 5. Aufl. (1996) 12 III 2. Literatur zu Umgehungshandlungen, faktische Auslegung und deren Grenze: Dierlamm Der faktische Geschäftsführer im Strafrecht - ein Phantom? NStZ 1996, 153 ff. Roxin Strafrecht AT Bd. 1, 4. Aufl. (2006) 5 Rn 26 ff. und 5 Rn 67 ff. Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht 2. Aufl. (2007) Rn 137 ff. KK 256

Literaturhinweise Literatur zur behördlichen Genehmigung: Jescheck/Weigend Strafrecht AT 5. Aufl. (1996) 33 VI Rn 1 ff. Roxin Strafrecht AT Bd. 1, 4. Aufl. (2006) 17 Rn 58 ff. Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht 2. Aufl. (2007) Rn 201 ff. Literatur zur Kausalität: Jescheck/Weigend Strafrecht AT 5. Aufl. (1996) 28 II Rn 1 ff. Roxin Strafrecht AT Bd. 1, 4. Aufl. (2006) 11 Rn 5 ff. (15) Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht 2. Aufl. (2007) Rn 167 ff. KK 257