Jugendhilfe in suchtbelasteten Familien Spagat zwischen Elternrecht und Kinderschutz

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Transkript:

Jugendhilfe in suchtbelasteten Familien Spagat zwischen Elternrecht und Kinderschutz 1

Rechtliche Grundlagen Grundgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Strafgesetzbuch Schulgesetz Sozialgesetzbuch VIII Bundeskinderschutzgesetz Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz 2

Gesetzliche Grundlagen: Grundgesetz (GG) Artikel 6 1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft. (3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen. 3

Gesetzliche Grundlagen: Sozialgesetzbuch VIII (SGB VIII) 1 Recht auf Erziehung, Elternverantwortung, Jugendhilfe (1) Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit. (2) (3) Jugendhilfe soll zur Verwirklichung des Rechts ( ) 1. junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung fördern und dazu beitragen, Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen, 2. Eltern und andere Erziehungsberechtigte bei der Erziehung beraten und unterstützen, 3. Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl schützen, 4. dazu beitragen, positive Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre Familien ( ) zu erhalten oder zu schaffen. 4

Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchG) Prävention verbessern Familien frühzeitiger unterstützen Bundesinitiative Frühe Hilfen Lücken schließen 4 Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) Intervention verbessern Berufsgruppen stärken 8 b Abs.1 SGB VIII Aufbau von Verantwortungsgemeinschaften Strukturen und Netzwerke 5

Nicht-Gewährung/Gefährdung des Kindeswohls und Fähigkeit/Bereitschaft der Eltern zur Aufnahme von Hilfe (zur Erziehung) (nach Münder u.a. 2000; Schone 2012) Eine dem Wohl des Kindes oder Jugendlichen entsprechende Erziehung ist "nur" nicht gewährleistet Das Wohl des Kindes oder Jugendlichen ist gefährdet Eltern wollen und können Hilfe (zur Erziehung) annehmen A (Hilfe zur Erziehung) C (Schutzkonzepte) Eltern wollen und/oder können Hilfe (zur) Erziehung nicht annehmen B (Angebot) D (Familiengericht) Städte Lippstadt, Soest, Warstein, Kreisjugendamt Soest 6

Handlungswege im Kinderschutz Das Handeln im Gefährdungsfall ist abhängig von der jeweiligen gesetzlichen bzw. dienstrechtlichen Grundlage einer bestimmten Berufsgruppe. Drei Berufsgruppen sind zu unterscheiden: Berufsgruppen gem. 8a Abs. 4 SGB VIII (Kitas, Jugendzentren, SPFH, ) Berufsgruppen gem. 8b Abs. 1 SGB VIII (Professionelle, z. B. Job Center und Ehrenamtliche außerhalb der Jugendhilfe) Berufsgeheimnisträger gem. 4 KKG (Ärzte/-innen, Hebammen, Berater/-innen, Psychologen/-innen, Sozialarbeiter/-innen, Lehrer/-innen, ) 7

Das Handlungsfeld der Jugendhilfe E I N G R I F F S S C H W E L L E A N S P R U C H S S C H W E L L E Eine Erziehung zum Wohl des Kindes ist nicht gewährleistet 27 SGB VIII Das Wohl des Kindes ist gefährdet 8a SGB VIII, 1666 BGB nach Schone Städte Lippstadt, Soest, Warstein, Kreisjugendamt Soest 8

Kinderschutz durch die Jugendämter 1. Erkennen: Strukturierte Aufnahme und Dokumentation der Meldung 2. Bewerten: Einschätzung des Gefährdungsrisikos mit einer 2. Fachkraft unmittelbarer Eindruck vom Kind (Inaugenscheinnahme) Einbeziehung der Familie 3. Handeln: Angebot und Gewährung von Hilfen Inobhutnahme bei akuter Gefährdung ggfs. Anrufung des Familiengerichts 9

Risiko- und Schutzfaktoren k i n d b e zo g e n : Schreikinder Risiko chronische Erkrankung, Behinderung/Entwicklungsverzögerung e l te r n b e zo g e n : psychische / Suchterkrankung eigene Misshandlungserfahrung Schutz k i n d b e zo g e n : Selbstvertrauen aktives, kontaktfreudiges Temperament e l te r n b e zo g e n : stabile elterliche Beziehung/Partnerschaft Positive Erfahrungen mit Hilfsangeboten fa m i l i ä r /s o z i a l : soziale Isolation Partnerschaftsgewalt fa m i l i ä r /s o z i a l : tragfähiges soziales Netzwerk Positives Familienklima Ute Thyen 2012 10

Was ist eine Kindeswohlgefährdung? Der Bundesgerichtshof beschreibt 1956 Kindeswohlgefährdung als: eine gegenwärtige oder unmittelbar bevorstehende Gefahr, bei deren Fortdauer sich eine nicht unerhebliche Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussagen lässt. Eine Kindeswohlgefährdung geschieht in Form von Unterlassen elterlicher Sorge aktiver Schädigung oder Duldung der Schädigung durch andere Personen 11

Was ist eine akute Gefährdung? Ernsthafte Beeinträchtigung der Fürsorgefähigkeiten (Krankheit, Sucht u. a. ) Misshandlung Sexuelle Gewalt gravierende Vernachlässigung Elterliche Verantwortungsabwehr, Ablehnung von Hilfen trotz festgestellter Gefährdung Gewalttätiges, unkontrolliertes Verhalten Verweigerung des Zuganges zum Kind bei festgestellter Gefährdung 12

Ersetzung von Erklärungen z.b. medizinisch notwendige Einverständniserklärung Auflagen z.b. Hilfen annehmen, Einhaltung der Schulpflicht Verbote z.b. Kontakt zu Personen, Aufenthalt an best. Orten, Kontaktaufnahme zum Kind Entzug des Sorgerechts (ganz oder teilweise) Voraussetzung: Vorliegen einer KWG, erhebliche Schädigung und Eltern nicht bereit, oder i.d. Lage, Gefährdung abzuwenden Städte Lippstadt, Soest, Warstein, Kreisjugendamt Soest 13

Das frühzeitige Erkennen von Risiken und Belastungen aus allen Berufsgruppen Abstimmung der Kooperation in Einzelfällen und Verhinderung von Krisen Die Sicherung von Übergängen in und aus verschiedenen Institutionen Gegenseitige Information über das jeweilige Angebots- und Aufgabenspektrum Klärung struktureller Fragen und Wissen über das Profil des jeweiligen Arbeitsfeldes Die Festlegung verbindlicher und einheitlicher Abläufe Verantwortungsgemeinschaft leben Städte Lippstadt, Soest, Warstein, Kreisjugendamt Soest 14

Ansprechpersonen Anonyme Fachberatung bei vermuteter Gefährdung Bedarf an Unterstützung/Beratung Intervention bei akuter Gefährdung Kreis Soest Fachberatung Kinderschutz Fr. Hitzke 02921/30-2807 Regionaler Sozialdienst 02921/30-0 Team Kindeswohl 02921/30-0 Stadt Lippstadt Fachberatung Kinderschutz Fr. Werner 02941/980-726 Stadt Soest Fachberatung Kinderschutz Fr. Mues 02921/ 103-2337 Stadt Warstein Fachberatung Kinderschutz Fr. Haid 02902/81-364 Kommunaler Sozialdienst (KSD) 02941/980-0 Allgemeiner Sozialer Dienst (ASD) 02921/103-0 Allgemeiner Sozialer Dienst (ASD) 02902/81-0 15