Gute Praxis in der sozialen Sicherheit Gute Praxis umgesetzt ab: 2015 Unterstützung der deklarierten Beschäftigung von Frauen durch häusliche Kinderbetreuung Eine Praxis der Sozialversicherungsanstalt Sozialversicherungsanstalt Türkei Erscheinungsjahr: 2030 www.issa.int
1 Zusammenfassung Diese gute Praxis betrifft hauptsächlich die Förderung der deklarierten Beschäftigung von Frauen durch die Erleichterung der Integration in den Arbeitsmarkt von Frauen mit kleinen Kindern, die Gefahr laufen, ihre Beschäftigung aufgeben zu müssen. Damit wird auch die formale Beschäftigung von Frauen gefördert, die Kinderbetreuung zu Hause anbieten. Die gute Praxis hilft in ausgewählten Provinzen Müttern mit kleinen Kindern, die eine Person zur Kinderbetreuung beschäftigen und ihre Arbeit wieder aufnehmen, indem ihnen für eine Dauer von bis zu 24 Monaten 300 EUR zugesprochen werden. Damit wird direkt ihre deklarierte Beschäftigung und indirekt die Beschäftigung der von ihnen eingestellten Kinderbetreuerinnen gefördert. Die Umsetzung erfolgt in den Provinzen Antalya, Bursa und Izmir. Diese Provinzen wurden hauptsächlich aufgrund ihrer sozioökonomischen Entwicklung und der Anzahl versicherter Frauen vor Ort ausgewählt. Zielgruppe sind Frauen mit Kindern unter 2 Jahren, die bereits arbeiten oder dabei sind, eine Arbeit im Rahmen einer deklarierten Beschäftigung (wieder-)aufzunehmen, aber auch solche, die häusliche Kinderbetreuung als deklarierte Beschäftigung anbieten oder dabei sind, ein solches Angebot aufzubauen. Wir rechnen damit, dass 5000 Mütter, 5000 Betreuerinnen und 5000 Kinder diese finanzielle Unterstützung erhalten werden. KRITERIUM 1 Auf welche Frage/Problematik/Herausforderung geht Ihre gute Praxis ein? Fast die Hälfte der türkischen Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter wird nicht auf dem Arbeitsmarkt erwerbstätig. Die niedrige Gesamtquote ist auf die geringe Erwerbsbeteiligung von Frauen zurückzuführen. Letztere liegt knapp unter 30 %, also bei weniger als der Hälfte des OECD-Durchschnitts (65 %). Es ist bekannt, dass viele Frauen in der Türkei in informeller Beschäftigung arbeiten. 2013 lag die Zahl der informell Beschäftigten bei insgesamt 36,74 %. Die informelle Beschäftigung bei den Männern betrug rund 30 %, bei den Frauen hingegen rund 52 %. Zudem haben Studien über die Beschäftigung von häuslichen Arbeitnehmerinnen im Hinblick auf ihre Registrierung im System der sozialen Sicherheit ergeben, dass im Jahr 2011 96 % der Frauen in häuslicher Beschäftigung nicht registriert waren. Kinderbetreuerinnen machen einen bedeutenden Anteil der Hausangestellten aus, die Mehrheit dieser Angestellten sind Frauen (92 % im Jahr 2009), vor allem in größeren Städten.
2 Als einer der Hauptfaktoren, die zu informeller Beschäftigung führen, werden die hohen Beiträge für die soziale Sicherheit genannt, die sowohl vom Arbeitgeber (der in den meisten Fällen auch ein Lohnempfänger ist) als auch vom Arbeitnehmer gezahlt werden müssen. KRITERIUM 2 Was waren die Hauptziele und die erwarteten Ergebnisse? Hauptziel dieser Initiative ist die Erhöhung der formellen Beschäftigung unter den Frauen. Sie soll gefördert werden, indem die Integration in den Arbeitsmarkt von Frauen mit kleinen Kindern, die Gefahr laufen, ihre Beschäftigung aufgeben zu müssen, erleichtert wird, und indem die formelle Beschäftigung von Frauen, die Kinderbetreuung zu Hause anbieten, unterstützt wird. Dazu wurde ein Programm zur finanziellen Unterstützung entwickelt und umgesetzt. Seine Ziele sind: Erhöhung der Anzahl deklarierter Arbeitnehmerinnen; Verringerung der Probleme für Hausangestellte; Unterstützung von Frauen in prekärer Beschäftigung, um die Agenda für menschenwürdige Arbeit voranzubringen; Unterstützung der Schaffung von Arbeitsplätzen für Frauen; Abbau von Hindernissen beim Zugang von Frauen zum Arbeitsmarkt; Unterstützung von Frauen mit Kindern in kritischem Alter; Umsetzung nationaler Initiativen, z. B. finanzieller Anreize, um die bei der Einstellung von Frauen entstehende Belastung zu verringern. Für die Initiative erwarten wir folgende Ergebnisse: Förderung der formellen Beschäftigung für 5000 Mütter und 5000 Kinderbetreuerinnen; Bereitstellung qualitativ hochwertiger Fürsorge für 5000 Kinder; Entwicklung und Einführung eines Computerprogramms für die Initiative; Analyse der Auswirkungen des Förderprogramms;
3 Vorbereitung eines Strategiepapiers über die formelle Beschäftigung von Hausangestellten. KRITERIUM 3 Welche/r innovative Ansatz/Strategie wurde zum Erreichen der Ziele verfolgt? Das Innovative an dieser Initiative ist ihre Win-Win-Strategie, durch die die formelle Beschäftigung sowohl für Frauen, die wieder eine Arbeit aufnehmen, als auch für Personen, die von ihnen als Kinderbetreuerinnen eingestellt werden, durch ein finanzielles Unterstützungsprogramm gefördert wird. Die Initiative will ihre Ziele mit folgenden Strategien erreichen: Bereitstellung von finanzieller Unterstützung in Höhe von 300 EUR; Entwicklung einer besonderen Software für die Registrierung der Leistungsempfängerinnen, für die monatliche Bewertung und für die Gewährung von Zahlungen; Einstellung von Projektunterstützungsteams in den Provinzen Ankara, Antalya, Bursa und Izmir; Eröffnung von Anmeldestellen in den Provinzen Antalya, Bursa und Izmir; Entwicklung von Systemen für die Öffentlichkeitsarbeit, z. B. Website, Hotlines und SMS-Dienste; Vorbereitung von Werbematerial wie Broschüren, Spruchbändern und Flugblättern; Sensibilisierungskampagnen, z. B. Vorträge und Informationsveranstaltungen für die Leistungsempfängerinnen; Durchführung von Hausbesuchen zur Überprüfung der tatsächlichen Arbeitsbedingungen der Hausangestellten.
4 KRITERIUM 4 Wurden Ressourcen und Inputs optimal eingesetzt, um die Ziele und erwarteten Ergebnisse zu erreichen? Bitte geben Sie an, welche internen oder externen Evaluationen der guten Praxis durchgeführt wurden und welche Auswirkungen/Resultate bisher erkannt/erzielt wurden. Der Haushalt für die Initiative beträgt rund 40 Millionen Euro. Sie wird gemeinsam von der Republik Türkei und der EU finanziert und gewährt Frauen, die formell beschäftigt sind, je 300 Euro. Dies führt zu Einnahmen von 1200 türkischen Lira an Prämien (Beiträgen) und Steuern und sowohl die Arbeitnehmerin als auch die von ihr beschäftigte Kinderbetreuerin werden davor bewahrt, Arbeitslosenunterstützung und Sozialhilfesysteme in Anspruch nehmen zu müssen. Die sich aus dem Programm zur finanziellen Unterstützung ergebenden Einnahmen für die Sozialversicherungsanstalt und die Steuerbehörde durch Steuern und Prämien (Beiträge) entsprechen ungefähr der Höhe des Haushalts der Initiative. Aufgrund des wirtschaftlichen und sozialen Multiplikatoreffekts wird zudem erwartet, dass die positiven Auswirkungen der Initiative sich noch zusätzlich erhöhen, wenn die gezahlten Steuern und Prämien sowie die Löhne der erwerbstätig werdenden Leistungsempfängerinnen berücksichtigt werden. 20 % der registrierten Hausangestellten, die nach der neuen Bestimmung für Hausangestellte deklariert sind, profitieren von dieser Initiative. Dieser Indikator zeigt in den betroffenen Provinzen ein höheres Niveau an registrierter Beschäftigung unter den Hausangestellten als anderenorts. Am Ende des Projekts werden Wissenschaftler eine Wirkungsanalyse durchführen, um die Auswirkungen der Initiative auf die Rückkehr von Frauen in eine Beschäftigung aufzuzeigen. Außerdem soll ein Strategiepapier erarbeitet werden, um neue Wege aufzuzeigen, wie die registrierte Beschäftigung von Hausangestellten verbessert werden kann. Zu den wichtigsten Ergebnissen der ersten elf Monate zählen: Eingang von 11 758 Anträgen (Antalya: 3546, Bursa: 3921, Izmir: 4291); Registrierung von rund 4000 Müttern und Kinderbetreuerinnen im System (anstatt der erwarteten 5000); Auszahlung von insgesamt 3 643 680 Euro an finanzieller Unterstützung für eine Dauer von fünf Monaten an die Mütter (Stand: 08.02.2016).
5 KRITERIUM 5 Welche Lehren wurden gezogen? Inwieweit eignet sich Ihre gute Praxis für die Replikation durch andere Institutionen der sozialen Sicherheit? Die Initiative erhöht die Erwerbsbeteiligung und die registrierte Beschäftigung von Frauen, insbesondere in benachteiligten Gruppen wie bei Hausangestellten und bei Frauen, die wieder eine Beschäftigung aufnehmen. Würde die Initiative zusätzlich um Kindertagesstätten erweitert, wäre sie noch wirksamer und integrativer. Berücksichtigt man die Win-Win-Strategie des Projekts und den erwarteten Multiplikatoreffekt, würde ein solches Programm der finanziellen Unterstützung durch die Regierung die menschenwürdige Arbeit für Frauen auf dem Arbeitsmarkt verbessern, insbesondere in Entwicklungsländern. Die EU, die IBRD oder andere internationale Organisationen könnten zum ausgewogenen und sozial integrativen Wachstum der Entwicklungsländer beitragen. Diese Initiative kann daher von Entwicklungsländern repliziert werden.