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Transkript:

Kapitel 7 Gewöhnliche Differentialgleichungen Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/2 Einführung und Beispiele Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/3

Differentialgleichungen Differentialgleichung: Gleichung, die eine oder mehrere Ableitungen einer unbekannten Funktion enthält Gewöhnliche Differentialgleichung: nur Ableitungen bezüglich einer Variablen Partielle Differentialgleichung: Ableitungen bezüglich mehrerer unabhängiger Variablen Ordnung einer Differentialgleichung: höchste in den Ableitungen gegebene Ordnung In diesem Kapitel: gewöhnliche Differentialgleichung erster Ordnung Nächstes Kapitel: partielle Differentialgleichung zweiter Ordnung (sog. elliptische) Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/4 Beispiel: Thermodynamik Körper mit Temperatur T, Umgebungstemperatur T e Wärmetransfer zwischen Körper und Umgebung v(t) = σγs(t (t) 4 T 4 e ) mit Zeit t, Stefan-Boltzmann-Konstante σ = 5.6 10 8 J/m 2 K 4 s, Oberfläche S Wärmetransfer gleich Energie pro Zeiteinheit de/dt Wärmeenergie des Körpers E = mct (Masse m, spezifische Wärmekapazität C) Temperatur des Körpers folgt der Differentialgleichung dt dt = v(t) mc mit Anfangsbedingung T (0) = T 0 Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/5

Beispiel: Biologie Betrachte eine Bakterienpopulation in einer isolierten Umgebung Maximal B Bakterien können gleichzeitig existieren Anfangspopulation sei y 0 B Wachstumsfaktor ist eine positive Konstante C Die Wachstumsrate ist proportional zur Anzahl Bakterien y, wenn y B, y darf B aber nicht überschreiten Mögliches Wachstumsgesetz gegeben durch Differentialgleichung dy (1 dt = Cy y ) B mit Anfangswert y(0) = y 0 Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/6 Beispiel: Elektrotechnik Betrachte die elektrische Schaltung in der Abbildung Sei v die Potentialdifferenz an den Ende des Kondensators Ohmsche Widerstände R 1, R 2, induktiver Widerstand L, Kapazität C, Ströme i 1, i 2, i 3, angelegte Spannung e Ab Zeitpunkt t = 0 wird der Schalter I umgelegt Quelle: A. Quarteroni, F. Saleri Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/8

Beispiel: Elektrotechnik 1. Gleichung folgt aus dem Ohmschen Gesetz e d(i 1L(i 1 )) = i 1 R 1 + v dt 2. Gleichung folgt aus dem Kirchhoffschen Gesetz di 1 dt = C d2 v dt 2 + 1 dv R 2 dt System von zwei Differentialgleichungen in zwei Unbekannten v und u 1 Zwei Anfangsbedingungen v(0) = 0, und i 1 = 0 Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/9 Das Cauchy-Problem Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/10

Das Cauchy-Problem Beschränkung: Behandlung von Differentialgleichungen erster Ordnung Grund: Differentialgleichungen höherer Ordnung können auf Systeme von Dgln erster Ordnung zurückgeführt werden Anfangswert-Probleme (auch Cauchy-Problem genannt): Finde eine Funktion y : I R, so dass y (t) = f(t, y(t)), t I und y(t 0 ) = y 0 I Intervall, t 0 Punkt im Intervall I, f : I R R eine Funktion, y Ableitung von y Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/11 Das Cauchy-Problem Für die Lösbarkeit des Anfangswertproblems gilt (unter anderem) der folgende Satz Satz (Lösbarkeit Cauchy-Problem) Sei eine Funktion f(t, y) 1 stetig in beiden Argumenten 2 Lipschitz-stetig im zweiten Argument, das heißt, es existiert eine positive Konstante L, so dass f(t, y 1 ) f(t, y 2 ) L y 1 y 2, t I, y1, y2 R. Dann besitzt das Cauchy-Problem eine eindeutige Lösung. Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/12

Das Cauchy-Problem Nur wenige Differentialgleichungen lassen sich explizit lösen In manchen Fällen existieren implizite Lösungen In den meisten Fällen existieren jedoch auch keine impliziten Lösungen Gesucht: Verfahren, das für beliebige Differentialgleichungen, die Lösung approximiert (sofern sie existiert) Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/13 Das Cauchy-Problem Alle Verfahren verfolgen eine gemeinsame Strategie Das Intervall I = [t 0, T ] wird in N h Teilintervalle der Länge h = (T t 0 )/N h unterteilt h ist die Schrittweite Suche in jedem Konten t n für 0 n N h nach dem unbekannten Werte u n, den y n = y(t n ) approximiert Die Menge der Werte {u 0 = y 0, u 1,..., u n } bildet die numerische Lösung Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/14

Einschrittverfahren Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/15 Das Euler-Verfahren Ein klassisches Verfahren zum Lösen von Anfangswertproblemen: das explizite Euler-Verfahren Dieses erzeugt die Folge u n+1 = u n + hf(t n, u n ) Verfahren resultiert wenn man in jedem Knoten t n die Ableitung y (t n ) durch finite Vorwärtsdifferenzen approximiert, d.h. f(t n, u n ) = y (t n ) y(t n+1) y(t n ) t n+1 t n u n+1 u n h Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/16

Das Euler-Verfahren Bei Verwendung von Rückwärtsdifferenzen erhält man das implizite Euler-Verfahren u n+1 = u n + hf(t n+1, u n+1 ) Beide Verfahren sind Einschrittverfahren: zur Berechnung der Lösung im Knoten t n+1 wird nur Information von Knoten t n benötigt Beim expliziten Euler-Verfahren muss zur Berechnung von u n+1 nur die Lösung u n bei Knoten t n nur eingesetzt werden Beim impliziten Euler-Verfahren hängt u n+1 auch von sich selbst ab zur Berechnung von u n+1 muss eine i.allg. nichtlineare Gleichung gelöst werden Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/17 Das Euler-Verfahren Vergleich des expliziten und impliziten Euler-Verfahrens am Beispiel der Bakterienpopulation Differentialgleichung für die Größe der Population y dy (1 dt = Cy y ) B Explizites Euler-Verfahren (numerische Approximation u statt y): u n+1 = u n + hcu n (1 u n /B) Implizites Euler-Verfahren: u n+1 = u n + hcu n+1 (1 u n+1 /B) Erfordert das Lösen einer quadratischen Gleichung in y n+1 Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/18

Implementierung des expliziten Euler-Verfahrens function [t,y]= feuler ( odefun, tspan,y,nh) h=( tspan (2) - tspan (1))/ Nh; tt= linspace ( tspan (1), tspan (2), Nh +1); for t = tt (1: end -1) y = [y; y(:, end ) + h* odefun (t,y(:, end ))]; end t=tt; Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/19 Konvergenzanalyse des Euler-Verfahrens Ein numerisches Verfahren heißt konvergent falls u n y n < C(h) für alle n = 0,..., N h und C(h) 0 für h 0 Wenn C(h) = O(h p ) ist das Verfahren konvergent von der Ordnung p Untersuche Konvergenz des expliziten Eulerverfahrens Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/20

Konvergenzanalyse des Euler-Verfahrens Schreibe den Fehler auf folgende Weise e n = u n y n = (u n u n) (y n u n) mit y n = y(t n ) und u n = y n 1 + hf(t n 1, y n 1 ) D.h. y n exakte Lösung zum Zeitpunkt t n, u n numerische Lösung zum Zeitpunkt t n, wenn zum Zeitpunkt t n 1 von der exakten Lösung y n 1 gestartet wird Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/21 Konvergenzanalyse des Euler-Verfahrens Quelle: A. Quarteroni, F. Saleri u n y n : in einem Schritt des Euler-Verfahrens erzeugter Fehler u n u n : Ausbreitung des Fehlers vom Zeitschritt t n 1 nach t n Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/22

Konvergenzanalyse des Euler-Verfahrens Das Verfahren konvergiert wenn u n y n und u n u n beide gegen Null streben für h 0 Aufgrund der Taylor-Entwicklung f(t + h) = f(t) + hf (t) + 1 2 h2 f (ξ) (Erinnerung: finite Vorwärtsdifferenzen) gilt: y n u n = y n (y n 1 + hf(t n 1, y n 1 )) = y n y n 1 hy (t n 1 ) = h2 2 y (ξ n ) für ein ξ n [t n 1, t n ] Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/23 Konvergenzanalyse des Euler-Verfahrens Lokaler Abschneidefehler τ n (h) = (y n u n)/h Fehler, der entsteht, wenn die exakte Lösung in das numerische Verfahren eingesetzt wird Globaler Abschneidefehler τ(h) = max τ n (h) n=0,...,n h Die Definitionen gelten nicht nur für das Euler-Verfahren, sondern allgemein für numerische Verfahren zur Lösung gewöhnlicher Differentialgleichungen Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/24

Konvergenzanalyse des Euler-Verfahrens Globaler Abschneidefehler des expliziten Euler-Verfahrens τ(h) h 2 max t [t 0,T ] f (t, y(t)) Lokaler Abschneidefehler τ n (h) h max 2 f (t, y(t)) t [t n 1,t n ] Ein numerisches Verfahren heißt konsistent, wenn lim τ n(h) = 0 h 0 Ein numerisches Verfahren heißt konsistent von der Ordnung p, wenn für ein p 1 τ n (h) = O(h p ) Das explizite Euler-Verfahren ist somit konsistent von der Ordnung 1. Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/25 Konvergenzanalyse des Euler-Verfahrens Betrachte wieder Fehlerterm u n u n : u n u n = e n 1 + h[f(t n 1, y n 1 ) f(t n 1, u n 1 )] Da f im zweiten Argument Lipschitz-stetig ist, gilt u n u n (1 + hl) e n 1 Damit erhalten wir e n u n u n + u n y n (1 + hl) e n 1 + h τ n (h) [1 + (1 + hl) + + (1 + hl) n 1 ]hτ(h) Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/26

Konvergenzanalyse des Euler-Verfahrens Mit der Gleichung für die geometrischen Reihe n 1 k=0 x k = xn 1 x 1 und der Ungleichung... 1 + x e x... folgt aus der letzten Ungleichung für e n e n [1 + (1 + hl) + + (1 + hl) n 1 ]hτ(h) (1 + hl)n 1 hτ(h) L el(t n t 0 ) hτ(h) L Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/27 Konvergenzanalyse des Euler-Verfahrens Das explizite Euler-Verfahren konvergiert also mit Ordnung 1 Die Ordnung des Verfahrens ist gleich der Ordnung des lokalen Abschneidefehlers Diese Eigenschaft haben viele Verfahren zur numerischen Lösung gewöhnlicher Differentialgleichungen Das implizite Euler-Verfahren konvergiert auch mit der Ordnung 1 (wie mit ähnlichen Argumenten gezeigt werden kann) Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/28

Konvergenzanalyse des Euler-Verfahren Bemerkung: Konsistenz ist eine notwendige Bedingung für Konvergenz Falls die Konsistenzbedingung nicht erfüllt ist, erzeugt jeder Schritt einen Fehler der nicht klein gegen h ist Summiert man alle diese Fehler auf erhält man dann einen globalen Fehler der nicht gegen Null strebt, wenn h 0 geht Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/29 Das Crank-Nicholson-Verfahren Nimmt man einen halben Schritt des expliziten und einen halben Schritt des impliziten Euler-Verfahrens erhält man das sogenannte Crank-Nicholson-Verfahren u n+1 = u n + h 2 [f(t n, u n ) + f(t n+1, u n+1 )] Crank-Nicholson ist (wie Euler) ein Einschrittverfahren Aufgrund des Vorkommens von u n+1 auf der rechten Seite ist Crank-Nicholson ein implizites Verfahren Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/30

Das Crank-Nicholson-Verfahren Lokaler Abschneidefehler τ n (h) des Crank-Nicholson-Verfahrens hτ n (h) = y(t n ) y(t n 1 ) h 2 [f(t n, y(t n )) + f(t n 1, y(t n 1 ))] Mit der Taylor-Entwicklung = y(t n ) y(t n 1 ) h 2 [y (t n ) + y (t n 1 )] y(t h) = y(t) hy (t) + h2 2 y (t) h3 6 y (ξ 1 ) y (t h) = y (t) hy (t) + h2 2 y (ξ 2 ) folgt für ξ [t n 1, t n ] τ n (h) = h2 12 y (ξ) Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/31 Das Crank-Nicholson-Verfahren Das Crank-Nicholson-Verfahren ist also konsistent von Ordnung 2 Der lokale Abschneidefehler geht wie h 2 gegen 0 Das Crank-Nicholson-Verfahren ist auch konvergent von Ordnung 2, dies kann analog zum expliziten Euler-Verfahren gezeigt werden Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/32

Stabilität Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/33 Nullstabilität Es existieren verschiedene Arten von Stabilität. Hier: Nullstabilität kleine Störungen in den Daten bewirken nur kleine Störungen in der Lösung für h 0 Definition (Nullstabilität) Ein numerisches Verfahren zur Approximation des Cauchy-Problems mit I = [t 0, T ] heißt nullstabil, falls ein C > 0 existiert, so dass für jedes δ > 0 und jedes h z n u n Cδ, 0 n N h, wobei z n die Lösung ist, die man erhalten würde, wenn man das numerische Verfahren auf das gestörte System anwenden würde, und δ die maximale Größe der Störung bezeichnet. Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/34

Nullstabilität Wichtiges Theorem der numerischen Analysis: Satz (Lax-Richtmeyer-Theorem) Ein konsistentes Differenzenverfahren ist genau dann konvergent, wenn es nullstabil ist. Konsistenz und Stabilität können getrennt meist einfacher gezeigt werden, als der direkte Nachweise der Konvergenz. Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/36 Absolute Stabilität Nullstabilität, sagt nur dass das Verfahren für Zeitschritte h 0 stabil ist Häufig gewünscht: Stabilität für große Schrittweiten h Beispiel: Das explizite Euler-Verfahren ist nullstabil, aber... Löse das folgende Modellproblem y (t) = λy(t) y(0) = 1 für λ = 1 und verschiedene Schrittweiten h (siehe Abbildung nächste Seite) Man sieht: für h > 2 fängt die numerische Lösung an sich aufzuschaukeln, das Verfahren wird instabil Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/37

Absolute Stabilität Quelle: A. Quarteroni, F. Saleri Numerische Lösungen mit dem expliziten Euler-Verfahren für h = 0.5 (strichpunktiert), h = 1.9 (durchgehend) und h = 2.1 (unterbrochen). Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/38 Absolute Stabilität Die exakte Lösung des Modellproblems ist: y(t) = e λt Strebt gegen Null für negative λ (bzw. negative Realteile von λ) Numerische Lösung mit dem Euler-Verfahren: u n = (1 + λh) n Strebt genau dann gegen Null, wenn h < 2/ λ, in Übereinstimmung mit dem vorherigen Beispiel. Die Eigenschaft, dass für das Modellproblem lim u n = 0 n gilt, heißt absolute Stabilität. Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/39

Absolute Stabilität Das explizite Euler-Verfahren ist nur bedingt absolut stabil. Das implizite Euler-Verfahren und das Crank-Nicholson sind dagegen unbedingt absolut stabil. Numerische Lösung für das implizite Euler-Verfahren ( ) 1 n u n = 1 λh geht gegen Null für alle Werte von h Numerische Lösung des Crank-Nicholson-Verfahrens [( u n = 1 + λh ) ( / 1 λh )] n 2 2 geht auch gegen Null für alle Werte von h. Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/40 Absolut Stabilität Die Stabilitätseigenschaften machen implizite Verfahren sehr interessant Aber: implizite Verfahren sind rechnerisch deutlich aufwändiger als explizite Verfahren, da sie das Lösen nicht-linearer Gleichungen erfordern Verfahren, die unbedingt stabil sind, für alle komplexen λ mit negativem Realteil, heißen A-stabil Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/41

Bereiche absoluter Stabilität Sei der Faktor λ im Modellproblem y (t) = λy(t) y(0) = 1 eine komplexe Zahl. Die Menge an Zahlen z = λh für die das numerische Verfahren absolut stabil ist, heißt Bereich absoluter Stabilität. Ein Verfahren ist also A-stabil, wenn es die ganze komplexe Halbebene mit Re(z) < 0 einschließt. Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/42 Bereiche absoluter Stabilität Quelle: A. Quarteroni, F. Saleri Das explizite Euler-Verfahren ist nur in dem kleinen blau schraffierten Bereich absolut stabil. Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/43

Bereiche absoluter Stabilität Quelle: A. Quarteroni, F. Saleri Das implizite Euler-Verfahren ist überall bis auf den kleinen nicht-blau-schraffierten Bereich in der rechten Halbebene absolut stabil. Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/44 Bereiche absoluter Stabilität Quelle: A. Quarteroni, F. Saleri Das Crank-Nicholson-Verfahrens ist exakt überall in der linken komplexen Halbebene absolut stabil. Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/45

Verfahren höherer Ordnung Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/46 Runge-Kutta-Verfahren Bisher behandelte Verfahren hatten keine hohe Genauigkeit Runge-Kutta-Verfahren sind Einschrittverfahren, die mehrere Auswertungen im Intervall [t n, t n+1 ] erfordern und dafür höhere Genauigkeitsordnung besitzen Beispiel: das klassische Runge-Kutta-Verfahren: berechne K 1 = f(t n, u n ) K 2 = f(t n + h 2, u n + h 2 K 1) K 3 = f(t n + h 2, u n + h 2 K 2) K 4 = f(t n+1, u n + hk 3 ) u n+1 = u n + h 6 (K 1 + 2K 2 + 2K 3 + K 4 ) Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/47

Runge-Kutta-Verfahren Das klassische Runge-Kutta-Verfahren benötigt vier Funktionsauswertungen pro Zeitschritt und ist von vierter Ordnung in h. Es lassen sich viele Runge-Kutta-Verfahren verschiedener Ordnungen, explizit und implizit und mit weiteren verschiedenen Eigenschaften konstruieren. In Matlab beispielsweise: ode45 implementiert ein paar expliziter Runge-Kutta-Verfahren der Ordnung 4 und 5 (eines davon zur Bestimmung des Fehlers und Adaption der Schrittweite) Weitere Runge-Kutta-Verfahren in Matlab: ode23 (explizit) oder ode23tb (implizit). Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/48 Mehrschrittverfahren Mehrschrittverfahren erreichen höhere Genauigkeit, indem zur Bestimmung von u n+1 mehrere Werte u n,..., u n p mit einbezogen werden Schreibe das Cauchy-Problem als Integral u = f(t, u(t)) u(t n ) = u n u n+1 = u n + tn+1 t n f(t, u(t))dt Ersetze f durch ein Interpolationspolynom, dass aus alten Werten von u n,..., u n p bzw. f n,..., f n p gewonnen wird Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/49

Mehrschrittverfahren Beispiel: Explizites Dreischrittverfahren u n+1 = u n + h 12 (23f n 16f n 1 + 5f n 2 ) Dieses Verfahren heißt Adams-Bashforth-Formel dritter Ordnung (AB3) und hat Ordnung 3. Implizites Dreischrittverfahren: u n+1 = u n + h 24 (9f n+1 + 19f n 5f n 1 + f n 2 ) Dieses Verfahren heißt Adams-Moulton-Formel vierter Ordnung (AM4) und hat Ordnung 4. Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/50 Mehrschrittverfahren Quelle: A. Quarteroni, F. Saleri Bereiche absoluter Stabilität für einige explizite Mehrschrittverfahren (Adams-Bashforth); mit steigender Ordnung wird der Stabilitätsbereich kleiner. Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/51

Mehrschrittverfahren Quelle: A. Quarteroni, F. Saleri Bereiche absoluter Stabilität für einige implizite Mehrschrittverfahren (Adams-Moulton); die Stabilitätsbereiche sind hier jeweils größer als bei den expliziten Verfahren. Prof. R. Leithner, E. Zander Einführung in numerische Methoden für Ingenieure 7/52