Studienarbeit FGO - 21 - Lösungshinweise Teil I: a) Der ESt-Bescheid 03 vom 15.06.04 ist als Steuerbescheid ein VwA i.s.d. 118 S.1 i.v.m. 155, 157 AO, gegen den der Einspruch statthaft ist, vgl. 347 Abs.1 S.1 Nr.1 i.v.m. Abs.2 AO. Im finanzgerichtlichen Verfahren kann mittels einer Gestaltungsklage (Anfechtungsklage gem. 40 Abs.1 Alt.1 FGO) eine Aufhebung oder Änderung durch Urteil gem. 100 FGO erreicht werden. Die Zulässigkeit einer Klage ist von verschiedenen Sachentscheidungsvoraussetzungen (Zulässigkeitsvoraussetzungen) abhängig, weshalb im finanzgerichtlichen Verfahren zuerst über die Zulässigkeit einer Klage und sodann über deren Begründetheit zu befinden ist. 1. Zulässigkeitsprüfung Da es um eine öffentlich-rechtliche Abgabenangelegenheit geht, ist der Finanzrechtsweg eröffnet, vgl. 33 FGO. Die sachliche und die örtliche Zuständigkeit des Finanzgerichts richten sich nach den 35 und 38 FGO. Eine Rechtshängigkeit in derselben Sache ist nicht ersichtlich ( 66 FGO) und für eine mögliche Bindungswirkung nach 110 Abs.1 FGO ergeben sich aus dem SV ebenso keine Anhaltspunkte. Der Stpfl. will unmittelbar Klage beim FG einreichen. Der Sachverhalt scheint dazu geeignet, weil der Tatbestand geklärt und nur die rechtliche Beurteilung gegenläufig ist. Gem. 45 FGO besteht die Möglichkeit - ohne Abschluss eines Vorverfahrens (vgl. 44 Abs.1 FGO) - Sprungklage zu erheben. Voraussetzung hierfür ist, dass das beklagte Finanzamt innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klageschrift der Erhebung der Sprungklage dem Gericht gegenüber ausdrücklich zustimmt. Im Übrigen gelten die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Anfechtungsklage: Nach 40 Abs.2 FGO befugt Klage zu erheben ist der Stpfl. May nur, wenn er substantiiert geltend macht, dass der ESt-Bescheid 03 objektiv rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes ihn in seinen Rechten (subjektiv) verletzt (Beschwer). Die Frist zur Erhebung der Anfechtungsklage nach 47 Abs.1 S.1 FGO von einem Monat ist zu wahren. Die Bekanntgabe des Verwaltungsaktes erfolgte am 18.06.04. Die Frist begann zu laufen am 19.06.04 (m.a.d. 18.06.04) und endet damit m.a.d. 18.07.04 ( 122 Abs.2 Nr.1 AO i.v.m. 54 Abs.1 FGO). Falls der 18.07.04 auf einen Sonntag, einen allgemeinen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend fällt, ist das Fristende mit Ablauf des nächstfolgenden Werktages anzunehmen ( 54 Abs.2 FGO i.v.m. 222 Abs.2 ZPO). Da das FG bereits mit Schreiben vom 17.07.04 die nicht vorgelegte Prozessvollmacht anforderte, ist die Klagefrist offenkundig gewahrt, vgl. Sachverhalt Teil II. Ein Anwendungsbereich der 55 oder 56 FGO ist somit nicht berührt. Abakus-Steuerkolleg GbR - GS - Stud-E 21 - FGO 06-101 - Seite 1
Die Einhaltung der vorgeschriebenen Klageform nach 64 Abs.1 FGO ist i.s.d. Aufgabenstellung b) ( Formulieren Sie.. die Klageschrift ) durch Schriftform gewahrt. Die notwendigen Klageinhalte nach 65 Abs.1 S.1 FGO sind zu beachten, vgl. Klageschrift zu b). s.u. Die Klage ist gegen das Finanzamt München III zu richten, vgl. 63 Abs.1 FGO. Als natürliche Person ist der Kläger klarerweise beteiligtenfähig i.s.d. 57 FGO, an seiner Prozessfähigkeit bestehen aus dem SV keine Zweifel. May kann die Klage vor dem FG selbst einlegen (vgl. 62 Abs.1 FGO) oder sich durch Personen i.s.d. 62 Abs.2 FGO vertreten lassen. Vor dem BFH dagegen hätte sich May zwingend durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten zu lassen, vgl. 62 Abs.4 FGO. Da weder ein Klageverzicht erklärt wurde ( 50 FGO) noch eine Zurücknahme der Klage erfolgt ist ( 72 FGO), ist die Klage aufgrund der nachstehenden Klageschrift zu b) zulässig. b) Datum An das Finanzgericht München ( 33, 38 FGO - Finanzrechtsweg, örtl. Zuständigkeit) K L A G E ( 65 Abs.1 S.1, 57 FGO - notwendiger Inhalt der Klage) des Unternehmers Hans May - Kläger - München, Steuer-Nr. Prozessbevollmächtigter: Steuerberater... gegen das Finanzamt München III - Beklagter - vertreten durch den Vorsteher ( 63 AO - Passivlegitimation) wegen unzutreffender Festsetzung der Einkommensteuer 03 durch Bescheid vom 15.06.04. 2,0 Im Auftrag und in Vollmacht ( 62 FGO) des Klägers erhebe ich hiermit Anfechtungsklage ( 40 Abs.1 Alt.1 FGO - Klageart) in Gestalt der Sprungklage ( 45 FGO - Klagemöglichkeit), da die Steuerfestsetzung gegen meinen Mandanten zu hoch erfolgte ( 65 Abs.1 S.1 i.v.m. 40 Abs.2 FGO) und beantrage ( 65 Abs.1 S.2 FGO - ggf. erst in der mündl. Verhandlung) ( 95 i.v.m. 100 Abs.2 S.1 FGO - Gestaltungsurteil): Abakus-Steuerkolleg GbR - GS - Stud-E 21 - FGO 06-101 - Seite 2
1. Der Einkommensteuer-Bescheid 03 vom 15.06.04 wird durch Urteil dahin geändert, dass die Einkommensteuer 03 um... EUR herabgesetzt wird (bzw. die Einkommensteuer 03 unter Berücksichtigung einer Rückstellung von 20.000 EUR herabgesetzt wird). 2,0 2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens ( 135 ff. FGO - von Amts wegen). 3. Hilfsweiser Antrag (für den Fall der vollen oder teilweisen Abweisung des Klageantrags): Die Revision wird zugelassen. Anmerkung: Die Anträge zu 2. und 3. sind nicht zwingend erforderlich. 2. Erfolgsaussichten der Klage (Begründetheit) Eine weitere materiell-rechtliche Begründung ist nach der Aufgabenstellung nicht erforderlich, eine Stellungnahme zu den Erfolgsaussichten der Klage ist insoweit nicht abzugeben. c) Das Gericht kann gem. 45 Abs.2 FGO die Klage fristgebunden an die zuständige Behörde durch unanfechtbaren Beschluss abgeben, wenn eine weitere (erhebliche) Sachaufklärung erforderlich ist. Dies scheint gegenständlich nicht der Fall zu sein, so dass das FG die Klage zur Entscheidung annehmen muss. Teil II d) Nach 62 Abs.2 FGO können sich Beteiligte durch Bevollmächtigte vertreten lassen. Gem. 62 Abs.6 FGO ist die Vollmacht schriftlich zu erteilen, kann jedoch nachgereicht werden ( 62 Abs.6 S.2 FGO). Die Möglichkeit zur Vorlage der Vollmacht eine Ausschlussfrist zu setzen, ist ab Rechtsänderung zum 01.07.2008 allerdings weggefallen. Wird die Vollmacht nicht innerhalb der vom FG gesetzten Frist eingereicht, so kann sie nunmehr noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nachgereicht werden. Das FG braucht weiterhin den Mangel einer Vollmacht nicht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn als Bevollmächtigter eine Person i.s.d. 62 Abs.2 S.1 FGO auftritt. Dies gilt nicht, wenn Zweifel an einer ordnungsgemäßen Vollmachterteilung bestehen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens vom anderen Beteiligten geltend gemacht werden. Unter diesen Umständen muss das FG dann auch bei einem Steuerberater, Rechtsanwalt o. ä. ggf. die Vollmacht anfordern. Abakus-Steuerkolleg GbR - GS - Stud-E 21 - FGO 06-101 - Seite 3
Teil III e) Die Anfechtungsklage gegen einen Einkommensteuer-Bescheid kann auch noch nach Ablauf der Klagefrist ohne Einwilligung gem. 67 FGO betragsmäßig erweitert werden (BFH GrS, BStBl II 1990, 327). f) Das FG ist von einer diesbezüglichen Einwilligung der FB nicht abhängig, da die betragsmäßige Erweiterung eben keine Klageänderung i.s.d. 67 FGO darstellt ( 76, 96 Abs. 1 FGO). Teil IV g) Nach 90 Abs.2 FGO kann das FG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Da aber die Zustimmung als Prozesshandlung bedingungsfeindlich ist, ist die Erklärung des May unwirksam. Nach 90 a FGO kann das FG aber ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden (ggf. i.v.m. 79 a Abs.2 FGO). h) Der wirksam Prozessbevollmächtigte kann Erklärungen für den Kläger abgeben, die als sog. Prozesserklärungen unwiderruflich sind. Teil V i) Der Änderungs-VwA wird gem. 68 S.1 FGO (von Amts wegen) zum Gegenstand des rechtshängigen Verfahrens. Ein Einspruch gegen den ESt- Änderungsbescheid ist gem. 68 S.2 FGO weder erforderlich noch zulässig, sondern ausdrücklich ausgeschlossen. Teil VI j) Gegen das Urteil des Finanzgerichts steht den Beteiligten die Revision an den BFH grundsätzlich (nur) dann zu, wenn das FG - unter den Voraussetzungen des 115 Abs.2 FGO - sie zugelassen hat. Die Revision ist unter Beachtung der Revisionsgründe nach 118 FGO und unter Bezeichnung des angefochtenen Urteils gemäß 120 FGO innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim BFH schriftlich einzulegen. Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten (ggf. verlängerbar) nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen, vgl. 120 Abs.2 FGO. k) Die Nichtzulassung der Revision durch das Finanzgericht ist selbständig nach 116 Abs. 1 FGO durch Nichtzulassungsbeschwerde (NZB), die beim BFH innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils einzulegen und grds. innerhalb von zwei Monaten (ggf. verlängerbar) nach Zustellung des vollständigen Urteils durch Einreichung beim BFH zu begründen ist, anfechtbar. Zu beachten ist dabei bei Einlegung der NZB der Vertretungszwang gem. 62 Abs.4 FGO für Personen, die selbst nicht dem Personenkreis des Abs.2 angehören. Der BFH entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss ( 116 Abs.5 S.1 Abakus-Steuerkolleg GbR - GS - Stud-E 21 - FGO 06-101 - Seite 4
FGO). Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (durch den BFH) stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. Mit Zustellung der Entscheidung beginnt für den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist, vgl. 120 Abs.2 FGO. Wertungspunkte gesamt 27 Erreichte Punktzahl % Note Notenschlüssel 95 bis 100 % sehr gut Note 88 bis 94 % gut-sehr gut Note 81 bis 87 % gut Note 2,0 74 bis 80 % befriedigend-gut Note 2,5 67 bis 73 % befriedigend Note 3,0 59 bis 66 % ausreichend- befriedigend Note 3,5 50 bis 58 % ausreichend Note 4,0 40 bis 49 % mangelhaft- ausreichend Note 4,5 30 bis 39 % mangelhaft Note 5,0 20 bis 29 % ungenügend- mangelhaft Note 5,5 0 bis 19 % ungenügend Note 6,0 Bitte beachten Sie, dass Sie diese Klausur nur für Ihre individuellen Lernziele erworben haben und Sie daher nicht berechtigt sind, die Datei an dritte Personen weiterzugeben oder Dritten zugänglich zu machen, vielen Dank. Abakus-Steuerkolleg GbR - GS - Stud-E 21 - FGO 06-101 - Seite 5