Umgang mit Konflikten im Bereich Nanotechnologie

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Transkript:

Umgang mit Konflikten im Bereich Nanotechnologie Möglichkeiten für f r partizipative Verfahren Ortwin Renn Universität t Stuttgart und DIALOGIK ggmbh 5.12.2008 BfR Berlin 1

Teil I Grundlagen 2

Begriffsbestimmung Dissens: Nichtübereinstimmung in der Beurteilung eines Sachverhaltes zwischen verschiedenen Menschen oder Gruppen Das ist der Normalfall! 3

Begriffsbestimmung Sozialer Konflikt: Dissens, bei dem infolge unterschiedlicher Beurteilungen die Handlungsoptionen eines der beteiligten Kommunikationspartner beeinträchtigt werden oder beeinträchtigt werden könnten. k Auch das ist normal, erfordert aber Maßnahmen zur Behandlung 4

Teil II Konflikttypen 5

Konflikttypen I Wissenskonflikte bzw. kognitive Konflikte (Begründungen und Erwartungen) Interpretationskonflikte bzw. reflektive Konflikte (Was bedeutet das?) Handlungserwartungskonflikte bzw. intentionale Konflikte (Versprechungen und Visionen) 6

Konflikttypen II Emotionale Assoziationen und Beurteilungen (Affektive Konflikte) Interessengegensätze tze (Distributionale Konflikte) Wertdifferenzen (Evaluative Konflikte) Moralische Bewertungen (Normative Konflikte) 7

Welche Konflikte bei Nanotechnologie? kognitiv: Effekte aufgrund der Oberflächenstruktur reflektiv: Bedeutung dieser Effekte für Gesundheit und Umwelt affektiv: unterschiedliche Assoziationen intentional: Glaubwürdigkeit von Versprechungen und Ankündigungen distributiv: Verteilung der Belastungen evaluativ: Einstufung der persönlichen Wertschätzung von Produkten normativ: Standardfestsetzung mit kollektiver Verbindlichkeit 8

Teil III Konfliktbewältigung ltigung 9

Vier Systeme des Konfliktes Ökonomische System Soziale System (Re)produktion und Tausch Verständigung und Beziehung System von Wissen, Kultur und Religion Wahrheit, Sinn, Deutung Politische Politische System System kollektiv verbindliche Entscheidungen 10

Systembezogene LösungenL Ökonomische System Verhandeln von Interessen (Harvard-Konzept, Spieltheorie) Experten-System Einigung über Wissen, Wahrheit (Wissensmanagement, wert-fokussierter Ansatz Nutzenmaximierung Empathie Einsicht, Deutung Programme und Normen Politisches System Normativer Diskurs (Theorie des kommunikativen Handelns) Soziales System gegenseitiges Verstehen, Wertschätzung (personenzentrierter Ansatz) 11

Voraussetzungen für f r gelingende Diskurse Klares Mandat und Zeitbegrenzung Bereitschaft für f r gegenseitige Lernprozesse Potentiale für f r neue win-win oder normativ überlegene LösungenL Anschlussfähigkeit higkeit an Entscheidungsprozess Resonanz in der breiteren Bevölkerung 12

Typen von Diskursen Wissensdiskurs Wissen und Abschätzung Reflektionsdiskurs Interpretation und Evaluierung Verteilungsdiskurs (Bargaining) Distribution und gerechte Verteilung Gestaltungsdiskurs Intensionen und normative Geltung 13

Umsetzung der Diskurse Wissensdiskurs Typ: kognitiv, social judgment Träger: Wissensträger (systematisch, Erfahrung, anekdotisch) Formen: Kommissionen, Beiräte, Ad hoc: Workshops, Delphi, Gruppendelphi Reflektionsdiskurs Typ: evaluativ, affektiv, komm. Handeln Träger: Stakeholder, betroffene Personen Formen: Beratungsgremium, Komitee Ad hoc: Forum, Runder Tisch, Konsensuskonferenz 14

Umsetzung der Diskurse Verteilungsdiskurs Typ: distributiv, Spieltheorie Träger: potenzielle Nutznießer und Risikoträger Formen: ständiger Ausschuss, Kommissionen Ad hoc: Bargaining, z.t. Mediation Gestaltungsdiskurs Typ: normativ, intensional, komm. Handeln, Harvard Träger: betroffene Gruppen, Meinungsführer Formen: politisch legitimierte Gremien, ständige Ausschüsse (Ombudsperson etc.) Ad hoc: Runder Tisch, Mediation, Bürgerforen, Konsensuskonferenz 15

Teil IV Übertragung auf Nanotechnologie 16

Chancen mit Diskursen Fokus auf echte Konflikte statt Scheinkonflikte Erkennen von unterschiedliche Interpretationen Verständigung auch bei Mischung von Wissen, Interpretation und Bewertungen möglich Ermöglichung von Respekt und Verständnis für die Positionen der anderen Potenzial für eine Verständigung über unterschiedliche Konflikttypen hinweg Möglichkeit von Konsens oder Kompromiss Möglichkeit eines iterativen Vorgehens 17

Diskurse im Bereich Nanotechnologie Wissensdiskurs Ständig: Wissenschaftliche Berater, Sachverständigenrat, Teilnahme an professionellen Gruppierungen (VCI, VCE etc.) Ad hoc: Experten-Workshops, Meta-analyse, Delphiverfahren, Anhörungen Reflektionsdiskurs Ständig: Beirat aus Vertretern ges. Gruppen, turnusmäßige Foren zu aktuellen Themen Ad hoc: einzelne Foren, Runder Tisch zu einem bestimmten Problembereich, Fokusgruppen, Bürgerforen, Verbraucherschutzkonferenz 18

Diskurse im Bereich Nanotechnologie II Verteilungsdiskurs Ständig: Runder Tisch mit Herstellern, Gewerkschaften, Konsumenten- und anderen NGOs Ad hoc: Verhandlungen mit betroffenen Risikogruppen Gestaltungsdiskurs Ständig: Nachbarschaftsbeiräte, Runder Tisch mit Wertschöpfungskette Ad hoc: Runder Tisch zu Entscheidungsfragen, Mediation in Konfliktfällen, Bürgerforen, Konsensuskonferenz, Verbraucherschutzkonferenz II 19

Bewertung von Diskursen Prozess Subjektiv: Zufriedenheit Objektiv: Fairness, Kompetenz, Effizienz, Legitimation, Transparenz, Anschlussfähigkeit Produkt Subjektiv: Zufriedenheit Objektiv: Peer Review, Übertragbarkeit, postdecisional regret 20

Teil V Zusammenfassung 21

Zusammenfassung I Unterschiedliche Konflikte verlangen konfliktgemäße Formen ihrer Bearbeitung Diskursive Formen sind dann angebracht, wenn hoher Legitimationsdruck (Konfliktpotenzial) zusammenfällt mit hohem Potenzial für Verständigung Konsens zwar erwünscht, aber keinesfalls die einzige Zielvorstellung: stattdessen Konsens über den Dissens Konsens über den Dissens schafft zumindest eine Tolerierung von Standpunkten 22

Zusammenfassung II Diskurse benötigen ein klares Mandat, ausreichend aber begrenzte Zeit und professionelle Begeleitung Vier verschiedene Diskurstypen Wissensdiskurs Reflektionsdiskurs Verteilungsdiskurs Gestaltungsdiskurs Die Konflikte zum Thema Nanotechnologie erfordern alle vier Diskurstypen zur Konfliktvermeidung und Konfliktbewältigung 23

Zitat Konflikte sind das Salz des sozialen Wandels und machen die Dynamik gesellschaftlicher Entwicklung aus. Lord Dahrendorf 24