Evaluationsprojekt PerSEH. Erhebungen zur Ausgangssituation in der Erprobungsregion Fulda

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Transkript:

Evaluationsprojekt PerSEH Zentrum für Planung und Evaluation Sozialer Dienste der Universität Siegen Erhebungen zur Ausgangssituation in der Erprobungsregion Fulda Im Auftrag des Landeswohlfahrtsverbands Hessen (LWV) Projektzeitraum: April 2010 bis Mai 2011 Projektleitung: Prof. Dr. Albrecht Rohrmann Dr. Johannes Schädler Bearbeiterinnen: Nadja Althaus, M.A. Integrative Heilpädagogik/Inclusive Education Dipl. Gerontol. Cordula Barth Berichtszeitraum: April 2010 bis September 2010 Siegen, im September 2010 Zentrum für Planung und Evaluation Sozialer Dienste der Universität Siegen Adolf-Reichwein-Str. 2 57068 Siegen & 0271 /740-2228 sekretariat@zpe.uni-siegen.de www.zpe.uni-siegen.de

Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung... 3 2 Überblick über die Projektregion Fulda... 5 3 Ergebnisse der leitfadengestützten Interviews zu Beginn der Evaluation... 11 3.1 Einschätzungen zur Angebotslandschaft im Landkreis Fulda... 11 3.2 Planung von Unterstützungs- und Teilhabearrangements vor dem Projekt PerSEH... 12 3.3 Einführung des Projekts PerSEH... 14 3.4 Bewerkstelligung des Umstellungsprozesses... 16 3.5 Erfahrungen mit der Umstellung bis zum Befragungszeitraum... 18 3.6 Perspektiven aus Sicht der Befragten... 21 4 Wichtiges aus diesem Bericht in Leichter Sprache... 24 5 Literaturverzeichnis... 27-2 -

1 Einleitung Die fachliche und strukturelle Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe steht seit langem auf der soziapolitischen Agenda. Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung, die im Jahre 2009 in Deutschland in Kraft getreten ist, hat den letzten großen Impuls für diese Diskussion gegeben. Die Akteure der Eingliederungshilfe in Hessen sind sich einig, dass die Weiterentwicklung personenzentrierter Hilfen damit in einem engen Zusammenhang steht. In der hessischen Vertragskommission wurden vor diesem Hintergrund Eckpunkte zur Weiterentwicklung personenzentrierter Hilfen und einer zeitbasierten Vergütungssystematik in der Eingliederungshilfe in Hessen vereinbart, die unter Rückgriff auf die Vorgängerprojekte Leistungsfinanzierung und Praxistest in zwei Projektregionen, dem Landkreis Fulda und dem Werra-Meißner-Kreis, modellhaft implementiert werden. Die Erprobung wird durch das Zentrum für Planung und Evaluation Sozialer Dienste der Universität Siegen (ZPE) formativ evaluiert. Der Berichtzeitraum von April bis September 2010, dem dieser Zwischenbericht zu Grunde liegt, ist in erster Linie durch Experteninterviews mit an Per- SEH beteiligten Akteuren sowie teilnehmende Beobachtungen von Hilfeplankonferenzen und projektrelevanten Gremiensitzungen in beiden Erprobungsregionen bestimmt. Eine Zwischenauswertung der Hilfeplankonferenzen erfolgt in einem eigenständigen Bericht. Im vorliegenden Bericht stehen daher die Einschätzungen und ersten Erfahrungen der beteiligten lokalen Akteure sowie die Beschreibung der Ausganglage im Vordergrund. Im Gesamtkontext der Evaluation ist dies eine Perspektive unter anderen, die aber vor allem für den Prozess der Implementation von entscheidender Bedeutung ist. Es sei an dieser Stelle hervorgehoben, dass dieser Bericht noch keine systematisch erarbeitete Einschätzung der Begleitforschung bieten kann und soll, sondern seinem Titel entsprechend Zwischenergebnisse präsentiert. Die leitfadengestützten Experteninterviews 1 in den Erprobungsregionen wurden im Zeitraum vom 30. April bis zum 2. September 2010 geführt und dauerten zwischen 20 und 120 Minuten. Es wurden Vertreter aller an PerSEH teilnehmenden Leistungserbringer im Landkreis Fulda und im Werra-Meißner-Kreis interviewt, wie auch Selbstvertretungsgremien und Leistungsberechtigte. Zudem wurden Regionalmanager der Fachbereiche für Menschen mit körperlicher, geistiger und seelischer Behinderung des LWV Hessen und kommunale Vertreter (Psychiatriekoordination) der Pilotregionen befragt. Interviewmitschnitte, die verschriftlicht wurden, dienten als Auswertungsgrundlage für die jeweilige Region. Die Auswertung der Interviews erfolgte nach den Leitlinien der qualitativen Inhaltsanalyse durch Paraphrasierung und Kodierung sowie die Zusammenführung von Kernaussagen der Interviews. Die Strukturierung des Datenmaterials erfolgte anhand der Leitfragen. Den Interviewpartnern sei an dieser Stelle für das unkomplizierte Ermöglichen der Befragungen, das entgegengebrachte Vertrauen, ihre Offenheit und die vielen, aufschlussreichen Informationen herzlich gedankt. Ebenso gebührt unser Dank den projektbeteiligten Verantwortlichen und Mitarbeitern des LWV für die reibungslose Kooperation im Rahmen des Evaluationsauftrages. 1 Die Leitfadeninterviews, die den Interviewpartnern im Vorfeld der Interviews zugesandt wurden, können unter http://www.unisiegen.de/zpe/projekte/aktuelle/perseh/instrumente.html?lang=de eingesehen werden. - 3 -

Abschließend sei bemerkt, dass die Bezeichnung Menschen mit geistiger Behinderung ebenso wie die Bezeichnung Menschen mit seelischer Behinderung angesichts stigmatisierender Wirkungen auf Kritik stößt. Insbesondere von Menschen mit Behinderung selbst wird stattdessen der Verwendung Menschen mit Lernschwierigkeiten und Menschen mit (chronischen) psychischen Erkrankungen oder Beeinträchtigungen der Vorzug gegeben. Im Rahmen dieses Berichtes wird die Begrifflichkeit geistige bzw. seelische Behinderung jedoch beibehalten, um den Bezug auf die gesetzlichen Bestimmungen zur Eingliederungshilfe in 53 SGB XII zu verdeutlichen. Zum Zwecke der Übersichtlichkeit wurden in den Tabellen teilweise die üblichen Abkürzungen GB für geistige Behinderung, SB für seelische Behinderung und KB für körperliche Behinderung benutzt. Des Weiteren wird bei Überbegriffen wie z. B. Leistungsberechtigter die männliche Form verwendet, auch wenn männliche und weibliche Personen dahinter stehen. Diese Form wird wegen der Verständlichkeit des Gesamttextes gewählt und spiegelt in keiner Weise diskriminierende Ansätze wider. Der Zwischenbericht soll im Sinne einer formativen Evaluation allen, die an der Entwicklung und Realisierung von PerSEH beteiligt sind, Rückmeldungen zu dem bisher Erreichten und konstruktive Anregungen für die Weiterentwicklung geben sowie als Diskussionsgrundlage dienen. - 4 -

2 Überblick über die Projektregion Fulda Der Landkreis Fulda ist in Osthessen, im Regierungsbezirk Kassel, angesiedelt. Er untergliedert sich in 23 Gemeinden und erstreckt sich über 1.380,4 km². Laut des Hessischen Statistischen Landesamtes in Wiesbaden lebten Ende 2009 217.759 Menschen im Landkreis Fulda. 2 Mit über 64.000 Einwohnern bildet die Stadt Fulda in der osthessischen Region ein Oberzentrum. Mittels der Sozialen Landkarte des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen lassen sich Leistungserbringer im Bereich der Behindertenhilfe in der Region zielgruppenspezifisch ausmachen. 3 Für diesen Bericht sind vorrangig die im Pilotprojekt PerSEH beteiligten Leistungserbringer relevant. Ursprünglich waren dies zehn Träger der Behindertenhilfe im Landkreis, nach dem Ausscheiden eines Anbieters sind aktuell neun Leistungsanbieter beteiligt: AIDS-Hilfe Fulda e.v., Caritasverband für die Diözese Fulda e.v., Caritasverband für Stadt und Landkreis Fulda e.v., Diakoniezentrum Fulda ggmbh, Quartier Josefsgarten der Mediana Unternehmensgruppe, Sozialdienst katholischer Frauen Fulda e.v., St. Antoniusheim GmbH, Tanner Diakoniezentrum ggmbh und WABe ggmbh. Weitere Leistungsanbieter im Bereich der Eingliederungshilfe sind derzeit nicht am Projekt beteiligt. Es gibt Leistungsanbieter mit über hundertjähriger Tradition, die mehreren hundert Menschen lebensbereichsübergreifende Unterstützungsleistungen bieten. Es gibt aber auch andere, deren Leistungen in ambulanten Unterstützungssettings nur eine geringe Anzahl von Klienten, meist in einem Lebensbereich, unterstützen. Viele Leistungserbringer sind direkt in der Stadt Fulda verortet, es gibt aber auch einige, die in den ländlichen Regionen des Landkreises Fulda ansässig sind. Abbildung 1: Der Landkreis Fulda 2 Vgl.: http://www.landkreis-fulda.de/fileadmin/intern/daten_fakten/ bevoelkerung_09/bevoelkerung_10/i_ bevoelkerungsstruktur1_03.pdf, Zugriff 15. August 2010 3 Vgl.: http://www.lwv-hessen.de/webcom/show_article.php/_c-487/_nr-2/i.html, Zugriff 15. August.2010-5 -

Vor der Implementierung des Projekts PerSEH wurde im Landkreis Fulda trägerübergreifend mit verschiedenen, in Hessen gängigen Instrumenten, gearbeitet. Dabei lag ein fachärztliches Gutachten der Bewilligung des Leistungsträgers stets zu Grunde. Der Integrierte Behandlungs- und Rehabilitationsplan (IBRP) diente dabei als Instrument zur Feststellung des Hilfebedarfs im Bereich der Menschen mit einer chronischen psychischen Erkrankung. Insofern ein Leistungsberechtigter in einem stationären Wohnangebot lebte, wurde das sog. Metzler-Verfahren zur Ermittlung des Hilfebedarfs angewendet. Die Feststellung der Hilfebedarfsgruppe nach dem Metzler-Verfahren war, da es auch im Bereich der Reha-Werkstätten angewandt wurde, für viele Menschen mit einer geistigen Behinderung das Instrument, nach dem ihre Unterstützungsleistungen bemessen wurden. Im Bereich ambulanter Versorgung wurde für Menschen mit einer geistigen Behinderung der Individuelle Hilfeplan (IHP) eingesetzt. Mittels dieses Instruments wurden auch Hilfen für Menschen mit einer körperlichen Behinderung geplant. Im Betreuten Wohnen wurden für bestimmte Hilfebedarfskorridore Fachleistungsstunden bewilligt. Des Weiteren gab es diverse trägerintern eigens entwickelte Instrumente und Verfahren, die zusätzlich oder vorbereitend zum offiziellen Hilfebedarfsverfahren eingesetzt wurden. Parallel zur Einführung des IBRP wurden im Landkreis Fulda Hilfeplankonferenzen (HPK) im Bereich der Menschen mit seelischer Behinderung eingeführt; die Geschäftsführung war auf kommunaler Ebene angesiedelt (wie z. B. der Psychiatriekoordination). Im Bereich der Menschen mit geistiger und körperlicher Behinderung gab es Belegungskonferenzen, die zu HPK weiterentwickelt wurden. Angebotsstruktur im Landkreis Fulda Der LWV hat für die Evaluation des Projektes PerSEH Daten zur Verfügung gestellt, die einerseits zur Einschätzung der Ausgangssituation in den Erprobungsregionen beitragen können und andererseits Einschätzungen von Veränderungen ermöglichen sollen. Die folgenden Daten sollen daher die Beschreibung der Ausgangssituation im Landkreis Fulda vervollständigen. Die Anzahl der Plätze in stationären Einrichtungen und die Anzahl von Angeboten in einer Gebietskörperschaft gibt eine Orientierung über die Angebotsstruktur. Der Vergleich der Daten aus der Projektregion mit den Daten in Hessen ermöglicht die Charakterisierung der Projektregion. Der Aussagewert der Daten, insbesondere in Bezug auf möglich Veränderungen, darf allerdings nicht überschätzt werden, da es sich um vereinbarte Kapazitäten handelt, die sowohl überschritten (häufig im Bereich der WfbM und in Tagesstätten) oder auch unterschritten werden können (wie z. B. im Bereich des ambulanten Wohnens). Des Weiteren steht die Weiterentwicklung von Angebotsstrukturen in enger Verbindung mit einer Veränderung von Bedarfen in der Region. Für die Entwicklung in Hessen ist zudem zu beachten, dass in den Einrichtungen nicht nur Leistungen für Menschen im Zuständigkeitsbereich des LWV erbracht werden, sondern auch für Personen aus anderen Regionen und für Personen, die diese Leistung selbst bezahlen oder Leistungen anderer Leistungsträger beziehen. Die Angebotsstruktur bildet eher langfristige Effekte ab, weshalb die Analyse der Entwicklungen im Evaluationszeitraum kaum Möglichkeit zur Bewertung von Effekten erlaubt. - 6 -

Tabelle 1: Vorhandene Angebote im Landkreis Fulda Erhebungsjahr 1 2007 Absolut Ambulant Betreutes Wohnen Stationäres Wohnen WfbM Tagesförderstätten Tagesstätten 2007 pro 1.000 EW 2 Gesamt 308 1,41 (1,51) SB/Sucht 181 0,83 (0,99) GB 107 0,49 (0,42) KB 3 20 0,09 (0,09) Gesamt 423 1,93 (2,10) SB/Sucht 56 0,26 (0,62) GB KB Gesamt SB GB 367 1,68 (1,29) 0 0 (0,20) 538 2,46 (2,44) 60 0,27 (0,47) 478 2,18 (1,97) 35 0,16 (0,17) 38 0,17 (0,28) 2008 absolut 2008 pro 1.000 EW 317 1,45 (1,60) 181 0,83 (1,05) 116 0,53 (0,44) 20 0,09 (0,10) 459 2,10 (2,15) 56 0,26 (0,62) 367 1,68 (1,29) 36 0,16 (0,24) 568 2,60 (2,48) 60 0,41 (0,51) 478 2,19 (1,97) 35 0,16 (0,17) 50 0,23 (0,30) 2009 absolut 2009 pro 1.000 EW 348 1,60 (1,74) 196 0,90 (1,14) 122 0,56 (0,48) 30 0,14 (0,12) 465 2,13 (2,19) 56 0,26 (0,63) 373 1,71 (1,30) 36 0,17 (0,26) 568 2,61 (2,51) 90 0,41 (0,51) 478 2,19 (2,00) 35 0,16 (0,18) 50 0,23 (0,31) 1 In den Jahren 2007 und 2008 beziehen sich die Daten auf den November, im Jahr 2009 auf den Monat Dezember. 2 In der Klammer wird jeweils der Wert für Hessen angegeben. 3 Menschen mit Körperbehinderungen beinhalten an HIV und AIDS erkrankte Menschen. Insgesamt fällt die hohe Zahl von Angeboten auf. Gegliedert nach Zielgruppen überwiegen Angebote für Menschen mit geistiger Behinderung. Stationäre Hilfen prägen die Strukturen vor Ort, eine Entwicklung in Richtung Ambulantisierung ist in den letzten Jahren im Landkreis Fulda nur marginal vorhanden und bleibt unter dem hessischen Durchschnitt. Die genehmigten Plätze sind insgesamt recht stabil. - 7 -

Regionalisierung der Angebote In der folgenden Auswertung wurde der gewöhnliche Aufenthaltsort bei der Aufnahme in eine stationäre Einrichtung mit der Lage der Einrichtung verglichen. In Prozent ist der Personenkreis angegeben, der in der gleichen Gebietskörperschaft in eine Einrichtung aufgenommen wurde. Die Auswertung gibt somit Hinweise auf den Grad der Regionalisierung der erbrachten Hilfen. Dabei sind allerdings Einschränkungen zu beachten: Es gibt Personen, die sich bewusst entscheiden, eine Einrichtung in einer anderen Gebietskörperschaft in Anspruch zu nehmen. Auch in der gleichen Gebietskörperschaft kann eine weite Entfernung zwischen der Herkunftsregion und der Einrichtung bestehen. Nicht berücksichtigt werden können die Fälle, in denen eine Hilfe in einer benachbarten Gebietskörperschaft nahe des Wohnortes nachgefragt wurden. Tabelle 2: Regionalisierung der Angebote im Landkreis Fulda Erhebungsjahr 1 2007 2008 2009 Fulda Hessen GB 71,3 % 72,3 % 73,1 % KB 2 35,3 % 40,5 % 41,0 % SB 42,1 % 39,3 % 39,1 % Sucht 4,0 % 4,9 % 6,2 % GB 49,4 % 49,8 % 50,3 % KB 2 33,8 % 34,0 % 36,5 % SB 47,3 % 48,1 % 48,7 % Sucht 31,7 % 34,4 % 36,3 % 1 In den Jahren 2007 und 2008 beziehen sich die Daten auf den November, im Jahr 2009 auf den Monat Dezember. 2 Menschen mit Körperbehinderungen beinhalten an HIV und AIDS erkrankte Menschen. Der Grad der Regionalisierung der Angebote ist im Landkreis Fulda und in Hessen über drei Jahre leicht zunehmend. Auffallend im zielgruppenspezifischen Vergleich ist, dass die Regionalisierung im Landkreis Fulda bei Menschen mit geistiger Behinderung im Vergleich zu Gesamthessen überproportional und die im Bereich von Menschen mit Suchterkrankung unterproportional entwickelt ist. Dies ist auf die Angebotsstruktur im Landkreis Fulda zurückzuführen. Die vergleichsweise geringe Regionalisierungsquote im Bereich der Hilfen für Menschen mit Suchterkrankungen kann auch konzeptionelle Gründe haben. Wechsel zwischen unterschiedlichen Formen wohnbezogener Hilfen Mit dem Projekt PerSEH wird eine Flexibilisierung der Hilfen angestrebt, die sich in einer fachlich-konzeptionellen Entwicklung der Hilfen ausdrücken kann, aber auch in einer besseren Durchlässigkeit zwischen unterschiedlichen Hilfeformen. Zahlenmäßig erfassen lässt sich im Zusammenhang dieses Berichtes nur die Anzahl der Wechsel zwischen unterschiedlichen Angeboten im Bereich des Wohnens. Ausgewertet werden konnten die Fälle, bei denen in der Sachbearbeitung als Beendigungsgrund des Leistungsbezuges ein Wechsel in das stationäre bzw. das ambulante Wohnen angegeben wurde. Die Auswertung der Zahlen zeigt, dass es sich um eine kleine Gruppe handelt. - 8 -

Im Jahre 2008 wechselten von den Personen, für die der LWV Leistungsträger ist, insgesamt 314 Personen von stationären zu ambulanten Wohnhilfen, im Jahre 2009 waren es 298. Diese verteilen sich auf alle Zielgruppen. Die Quote für ambulantes und stationäres Wohnen verändert sich dadurch nicht. Umgekehrt wechseln deutlich weniger Personen vom ambulanten ins stationäre Wohnen. Im Jahre 2008 waren dies in Hessen 151 Personen und im Jahre 2009 insgesamt 122 Personen. Es handelt sich hauptsächlich um Personen mit einer seelischen Behinderung oder einer Suchterkrankung. Im Landkreis Fulda wechselten im Jahre 2008 und zehn Personen vom stationären in das ambulante Wohnen, 2009 waren es vier Personen. Vom ambulanten in das stationäre Wohnen wechselten 2008 insgesamt sechs Personen, im Jahre 2009 drei Personen. So ist zwar in Gesamthessen, aber nicht im Landkreis Fulda ein Hinweis auf zunehmende Ambulantisierung zu finden. Entwicklung der Ausgaben für Leistungen der Eingliederungshilfe Mit dem Projekt PerSEH geht die Erwartung einher, die Kostenentwicklung im Bereich der Eingliederungshilfe besser steuern zu können. Zur Information soll daher die Kosten-entwicklung 4 in den Jahren 2007 bis 2009 für die Betreuungsleistungen erwachsener Leistungsberechtigter aus dem Landkreis Fulda dargestellt werden. Tabelle 3: Ausgaben für die Eingliederungshilfe für Leistungsberechtigte aus dem Landkreis Fulda (in Euro) Erhebungsjahr 2007 absolut 2007 pro Kopf 1 2008 Absolut 2008 pro Kopf 2009 absolut 2009 pro Kopf Gesamt 1.913.832 8,72 (10,05) 2.311.791 10,58 (11,32) 2.547.819 11,72 (12,92) Ambulant Betreutes Wohnen SB 838.308 Sucht 217.854 GB 790.722 3,82 (4,59) 0,99 (1,61) 3,60 (3,24) 958.560 270.465 971.097 4,39 (5,05) 1,24 (1,80) 4,45 (3,70) 1.044.133 345.847 1.018.688 4,80 (5,79) 1,59 (2,04) 4,69 (4,20) KB 2 66.949 0,31 (0,60) 111.669 0,51 (0,77) 139.150 0,64 (0,67) 4 Es handelt sich um die Bruttokosten ohne Kosten für Nebenleistungen. Damit sind z. B. Fahrkosten oder Sozialversicherung gemeint, aber auch Barbeträge, also direkte Zahlungen an die Leistungsberechtigten. Erlöse wurden nicht gegengerechnet. - 9 -

Erhebungsjahr Stationäres Wohnen WfbM 2007 absolut Gesamt 13.356.673 SB 2.396.084 Sucht 540.043 GB 8.930.981 KB 1.489.565 Gesamt 6.125.838 SB 749.482 Sucht 71.040 GB 5.000.815 KB 304.501 2007 pro Kopf 1 60,87 (65,37) 10,92 (12,13) 2,46 (3,36) 40,70 (41,81) 6,79 (8,08) 27,92 (28,08) 3,42 (4,37) 0,32 (0,34) 22,79 (22,02) 1,39 (1,36) 1 In der Klammer wird jeweils der Wert für Hessen angegeben. 2008 Absolut 13.939.801 2.449.963 483.436 9.457.545 1.548.857 6.511.918 786.617 71.787 5.288.999 364.515 2008 pro Kopf 63,82 (68,95) 11,22 (12,87) 2,21 (3,51) 43,30 (43,72) 7,09 (8,85) 29,81 (29,84) 3,60 (4,67) 0,33 (0,37) 24,21 (23,28) 1,67 (1,52) 2 Menschen mit Körperbehinderungen beinhalten an HIV und AIDS erkrankte Menschen. 2009 absolut 14.417.364 2.558.983 504.698 9.752.132 1.601.551 6.634.837 892.227 42.309 5.341.404 358.896 2009 pro Kopf 66,31 (72,75) 11,77 (14,43) 2,32 (4,13) 44,85 (44,58) 7,37 (9,60) 30,52 (31,19) 4,10 (5,07) 0,19 (0,41) 24,57 (24,05) 1,65 (1,66) Aus der vorhergehenden Tabelle wird deutlich, dass die Ausgaben für Leistungen der Eingliederungshilfe in den letzten drei Jahren deutlich gestiegen sind. Dies ist insbesondere auf die höhere Anzahl von Menschen zurückzuführen, die Unterstützung erhält. - 10 -

3 Ergebnisse der leitfadengestützten Interviews zu Beginn der Evaluation Es erfolgt die Darstellung der Ergebnisse aus den Interviews, die im Rahmen der Bestimmung der Ausgangssituation im Landkreis Fulda geführt wurden. Es handelt sich somit um die Erfahrungen und Stellungnahmen der an der regionalen Erprobung von PerSEH beteiligten Akteure inklusive Leistungsberechtigter. 3.1 Einschätzungen zur Angebotslandschaft im Landkreis Fulda Im Landkreis Fulda ist nach der Wahrnehmung aller Befragten eine vielfältige Trägerstruktur mit unterschiedlichen meist zielgruppenspezifischen Schwerpunkten vorzufinden. Von mehreren der Interviewpartner wird als bedeutsam hervorgehoben, dass der Landkreis eher ländlich und katholisch geprägt ist. Auch im Bereich der Behindertenhilfe überwiegen Leistungsanbieter mit kirchlich-konfessioneller Ausrichtung. Die Leistungserbringer reagieren nach eigener Darstellung breitgefächert und zielgruppenübergreifend auf den Bedarf von Menschen mit Unterstützungsbedarf, wobei Unterstützungsangebote für Menschen mit einer körperlichen Behinderung im Landkreis vergleichsweise schwach vertreten seien. Es gibt mehrere Einrichtungen, die zum Teil traditionell bedingt, einen überregionalen Einzugsbereich haben, auch nicht wenige, die nach ihrer internen Struktur bzw. regionalen Absprachen spezialisierte Leistungsangebote bieten. Von fast allen Leistungserbringern wird hervorgehoben, dass sie über ehrenamtliche Mitarbeiter verfügen, die sie strukturell einbinden. Es gibt Gremien der Selbstvertretung, vor allem in Form entsprechender Heim- und Werkstatt- oder Mitarbeiterräte in den einzelnen Institutionen, allerdings kaum Gremien der Selbstvertretung, die losgelöst von Einrichtungen agieren. Des Weiteren weisen insbesondere Anbieter mit kirchlicher Prägung auf eine gute Zusammenarbeit mit Angehörigenvertretungen hin. Einschätzung der Kooperationsstrukturen Laut Aussagen der Befragten aus der Region sind die Kooperationsstrukturen im Landkreis Fulda generell gut und wirksam. Dies wird in den meisten Fällen auf den Einzelfall bezogen, beispielsweise durch trägerübergreifende, individuelle Unterstützungssettings. So komme es häufiger vor, dass die individuelle Unterstützung im Lebensbereich Wohnen und Selbstversorgung durch einen Träger und im Lebensbereich Arbeit und Gestaltung des Tages durch einen anderen Träger erbracht wird. Es gibt demnach kaum generelle Probleme in der Zusammenarbeit, auftretende Unstimmigkeiten sind als situative Momentaufnahmen zu verstehen. Diese Selbsteinschätzung aus der Region deckt sich nicht vollständig mit Beobachtungen seitens der Mitarbeiter des Leistungsträgers. Hervorgehoben wird mehrfach die Arbeit und Stellung des Gemeindepsychiatrischen Verbundes (GPV) in Fulda, der als Gremium trägerübergreifendes Zusammenarbeiten, Absprachen und Planung im Bereich der Hilfen für chronisch psychisch kranke Menschen zuverlässig und kompetent ermöglicht. Für die übrigen Zielgruppen erfolgen in der Regel auf regionalen Planungskonferenzen Absprachen zur Weiterentwicklung der Angebotslandschaft. Die Verbands- und Ligavertreter auf Landesebene werden von den meisten Leistungserbringern als wichtige Unterstützung gesehen. - 11 -

Herausforderungen und Chancen in der Eingliederungshilfe Nach aktuellen Baustellen im Landkreis Fulda gefragt, wurde mehrfach die Ausgestaltung von PerSEH benannt, da hier exemplarisch zitiert das Versorgungssystem durchlässiger werden soll, derzeit aber kaum Öffnung merklich ist. So wurde unter anderem darauf hingewiesen, wie schwierig das Thema Integration und Inklusion im ländlichen Bereich für Menschen mit AIDS und HIV auf Grund der mit der Erkrankung verbundenen Stigmatisierung ist. Es wurde auch auf das Fehlen von Möglichkeiten zum selbstbestimmten Leben für körperbehinderte Menschen oder tagesstrukturierender Angebote für Menschen mit Suchterkrankungen aufmerksam gemacht. Mehrfach wird von mehreren Leistungserbringern die Wichtigkeit einer verbindlichen Entscheidung über die dauerhafte Ansiedlung der Eingliederungshilfe gefordert. Es mangelt derzeit, laut überwiegender Aussagen aus der Region, an einer Kriseninterventionsstelle, der Weg vom Clearing zur Hilfe sei noch zu lang. Ebenso wird ein besseres Ineinandergreifen von Pflege und Eingliederungshilfe wie auch der Jugend- und Eingliederungshilfe für erforderlich gehalten. Bedarf wird zudem an Angeboten für älterwerdende Menschen mit Behinderung oder Menschen, die als Drogengebraucher bekannt sind, gesehen. Als herausfordernde Momente wurden von den Trägern ambulanter Angebote, die zumeist im gesamten Landkreis tätig sind, die langen Fahrtwege benannt. Die Selbstvertretungsgremien der Leistungserbringer wünschen sich ausdrücklich eine übergreifende Einbindung, nicht nur trägerintern, sondern auch extern, sowie eine zuverlässige Informationsweitergabe. Mittels unterschiedlicher, praktischer Beispiele wurde von mehreren Leistungserbringern begründet, dass Inklusion in den Köpfen der Gesellschaft beginne und diese, so ein Leistungserbringer, momentan dazu noch nicht bereit sei. Nach Einschätzung der Befragten des Leistungsträgers herrscht in vielerlei Hinsicht und auch auf unterschiedlichen Ebenen derzeit im Landkreis Fulda noch institutionell-sicherndes Denken vor, was von einigen Anbietern selbst auch erkannt und als anzugehende Herausforderung benannt wird. Es wird von einzelnen Anbietern und der kommunalen Vertretung angebracht, dass die Etablierung neuer Leistungserbringer das System auflockern könnte, zumal derzeit wegen der Größenverhältnisse ein Machtgefälle zwischen einzelnen Leistungsanbietern vorliegen würde. Als Chance in und für Fulda wird mehrfach benannt, dass es Ansatzpunkte gibt, in denen das theoretische Verständnis eines sich öffnenden und durchlässiger werdenden Hilfesystems praktisch umgesetzt wird. Zudem seien die Kooperationsstrukturen insbesondere auf der Ebene der Mitarbeiter seit jeher trägerübergreifend sehr gut. Engagierte Politiker und eine gute kommunale Zusammenarbeit, wie z. B. mit der heimischen Wirtschaft, wirken an vielen Stellen unterstützend bei der Realisierung von Inklusion. 3.2 Planung von Unterstützungs- und Teilhabearrangements vor dem Projekt PerSEH Mit den vor der Implementierung des Projekts PerSEH im Landkreis Fulda eingesetzten Instrumenten wurden unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Viele der Leistungserbringer weisen darauf hin, dass Leistungen auch vor dem Projekt PerSEH personenzentriert erbracht und Entwicklungsziele prospektiv festgelegt wurden, ebenso wurde die Bedarfserhebung wie auch die Perspektivenentwicklung gemeinsam mit den Klienten und anderen am Hilfeplanverfahren Beteiligten entwickelt. - 12 -

Erfahrung mit den vor der Erprobung von PerSEH genutzten Instrumenten und Verfahren Der Integrierte Behandlungs- und Rehabilitationsplan (IBRP), wie auch der Individuelle Hilfeplan (IHP) werden im Bezug auf das aktuell verwandte Instrument im Zuge des Projekts PerSEH als sehr ähnlich und Vorläufer verstanden. Auch hier wurde mit Zielen gearbeitet und bereits im IBRP konnten nicht-psychiatrische Hilfen abgebildet werden. Nach der Einschätzung einzelner Leistungserbinger verlief die Einführung des IBRP unzureichend und nicht zufriedenstellend, insbesondere wurden hier die Schulungen und die Einführung einer koordinierenden, federführenden Bezugsperson genannt. Die Einführung des Instruments habe nach einem längeren Prozess dazu geführt, dass eine gemeinsame, interne Sprache gefunden wurde. Schon damals wurden in einigen Fällen träger- und bereichsübergreifende Kooperationen erforderlich, was häufig aber eher einer parallelen Bearbeitung des Hilfeplans entsprach. Im Spiegel des aktuell verwendeten Instruments wird angemerkt, dass es sowohl im IHP als auch im IBRP eine der dritten Seite des aktuellen Instruments vergleichbare gab, die bei damaliger Einführung Diskussionen hervorrief und im Falle des IHP dazu führte, dass sie letztlich nicht verwendet wurde. Das Metzler- Verfahren wird nach der Erfahrung einzelner sowie seitens Vertreter des Leistungsträgers mehr als ein Instrument zur Begutachtung als ein Hilfe- oder Förderplaninstrument klassifiziert. Schließlich ginge es beim Metzler-Verfahren um die gutachterliche Feststellung des Unterstützungsbedarfs. Für die sachbearbeitenden Mitarbeiter des Leistungsträgers bedeutete dies, dass sie auf die Einschätzung des Bedarfsumfangs keinen Einfluss hatten und sich an die Entscheidungen des Gutachtens hielten. Von Leistungsberechtigten selbst wird angemerkt, dass die Instrumente vor der Umstellung nicht so umfangreich waren. Auch wenn dies positiv gesehen wird, halten einige diese Instrumente für inhaltlich schlechter als die aktuellen. Die HPK im Bereich der Menschen mit einer chronischen, psychischen Erkrankung werden von vielen positiv bewertet, ohne große Unterschiede zu den heutigen. Einige Befragte wollen aber vermerkt wissen, dass die Qualität vor der Umstellung sehr viel höher gewesen sei, da häufig flexiblere, fortschrittlichere Arrangements sowie neue Hilfen entwickelt wurden. Es gab zudem festgelegte Standards und Versorgungslücken, diese wurden im Rahmen der HPK von kommunaler Hand systematisch festgehalten. Die Belegungskonferenzen im Bereich der Menschen mit einer geistigen Behinderung liefen inhaltlich anders ab hier wurden zunächst vorrangig Plätze nach Prioritäten vergeben. Die HPK im Bereich der Menschen mit einer körperlichen Behinderung werden als produktiv und ohne wesentlichen Unterschied zu den heutigen beschrieben. Trägerübergreifende Absprachen erfolgten in den Belegungskonferenzen und HPK zwar regelhaft, wurden aber auf Grund mangelnder Transparenz oder zu Beginn wechselnder Teilnehmer als inhaltlich ambivalent beschrieben. Auf der anderen Seite werden die Absprachen zwischen Leistungsträger und Anbietern unter Moderation der kommunalen Ebene als kooperativ, fachlich-fundiert und zielführend bewertet. Die Verwaltungstätigkeit der Vertreter des Leistungsträgers wurde als Teil des Gesamtvorgangs, nicht als Schwerpunkt der fachlichen Beratung verstanden. HPK wurden in kommunalen Räumlichkeiten abgehalten, in beiden Gremien saßen nach entsprechender Verständigung die gleichen Teilnehmer, die auch aktuelle Vertreter sind (Leistungsträger, Leistungserbringer, kommunale Vertreter sowie Leistungsberechtigte). - 13 -

3.3 Einführung des Projekts PerSEH Die Darstellung der Ergebnisse zum Einführungsprozess gestaltet sich komplex, da die Interviewpartner zu unterschiedlichen Zeitpunkten von ihrer Teilnahme an PerSEH erfuhren. Zudem erfolgten laut Aussage der Befragten häufig unterschiedliche bis gegensätzliche Informationen. Des Weiteren kam es immer wieder zu diffusen Informationsverlusten auf den Kommunikationswegen in der Erprobungsregion. Die Beteiligten betonen ihr stetiges Bemühen den Informationsfluss zu verbessern. Die folgende Beschreibung bildet daher bewusst die Komplexität dieser Phase ab, um Möglichkeiten zu bieten, aus den aufgetretenen Herausforderungen lernen zu können. Informationsfluss und Einbeziehung der Akteure vor der Einführung des Projekts PerSEH Zunächst ist zu vermerken, dass die Vorläuferprojekte in Wiesbaden und in der Wetterau von der freien Wohlfahrtspflege im Vorfeld verfolgt wurden. Einzelne befragte Einrichtungsvertreter geben an, dass im Sommer 2008 eine Ankündigung des Projekts PerSEH erfolgte, in der die Rede von mehreren, noch unbestimmten Gebietskörperschaften als Pilotregionen war. Einige Leistungserbringer waren Ende 2008 über PerSEH informiert, andere können den Zeitpunkt der ersten Informationen nicht mehr genau bestimmen. Andere Anbieter nahmen erstmalig auf der im Dezember 2008 angesetzten Informationsveranstaltung in Wiesbaden Kenntnis von den Projektbestrebungen im LWV. Ein Träger informierte sich initiativ direkt bei Mitarbeitern des LWV. Von der LAG der Caritas wurde an den LWV herangetreten, das Modell PerSEH in zwei Einrichtungen für den Personenkreis der Menschen mit einer geistigen Behinderung zu erproben. Der Leistungsträger ließ daraufhin verlauten, dass kein weiteres Einzelprojekt anvisiert werde, sondern Erprobungsregionen. Beim Leistungsträger waren die Ergebnisse des Praxistests in Wiesbaden bekannt, zudem flossen im Vorfeld von PerSEH Informationen unterschiedlicher Intensität in die verschiedenen Regionalmanagements. Einige Regionalverantwortliche des LWV sind aktiv in die hausinternen Gespräche einbezogen worden, als sich die Frage nach den Pilotregionen stellte. Auf welchem Weg Fulda letztlich Pilotregion wurde, wird unterschiedlich wahrgenommen. 5 Einige Träger geben an, sich durch die Auswahl des Landkreises Fulda als Erprobungsregion überrumpelt gefühlt zu haben, andere wollten bewusst an dem Pilotprojekt PerSEH teilnehmen. Fest steht nur, dass der Informationsfluss bei der Informationsveranstaltung in Wiesbaden Ende 2008 begann, da alle Leistungserbringer des Landkreises Fulda daran teilgenommen haben. Sie wird von befragten Leistungsanbietern als idealisierende Veranstaltung in gespannter Atmosphäre beschrieben, die wenige, kaum konkrete Informationen lieferte. 6 Vertreter des Leistungsträgers geben an, dass die Veranstaltung grobe Informationen zum Praxistest bot. 5 Fulda sei wegen des Engagements der örtlichen Psychiatriekoordination ausgewählt worden oder aufgrund der Trägervielfalt im Landkreis Fulda sei dies durch den Leistungsträger festgelegt worden oder aber die Vertragskommission habe sich im Oktober 2008 aus dem Pool der sich bewerbenden Kommunen für Fulda entschieden, nachdem sich die örtlichen Leistungserbringer für die Teilnahme entschieden hätten. Es wurde auch angegeben, dass der LWV die Entscheidung über die Auswahl der sich interessierenden Kommunen als Erprobungsregion dem Landesverband der LIGA überließ und dass PerSEH letztlich über den Landesverband der LIGA und den örtlichen GPV an die Leistungserbringer herangetragen wurde. 6 Für einige Befragte war bei dieser Veranstaltung bereits klar, dass die Landkreise Fulda und der Werra-Meißner- Kreis Erprobungsregionen für PerSEH seien, aber nur wenigen Geschäftsführern lagen über die Verbandsstrukturen bereits richtungsweisende Informationen vor. - 14 -

Die ersten Reaktionen der Leistungserbringer schwankten zwischen Neugier und Skepsis. Vorrangig kleinere Träger bekundeten letzteres auf Grund des befürchteten Mehraufwandes. Außerdem wurde es von allen Befragten vor dem Hintergrund der großen Anzahl von Trägern im Landkreis als problematisch angesehen, dass im Praxistest lediglich zwei Träger beteiligt waren. Als Rückmeldung auf die Veranstaltung hat ein einzelner Träger dem LWV Anmerkungen, Bedenken und Nachfragen schriftlich zukommen lassen. Diese bezogen sich im Wesentlichen auf das noch unklare Handling der Integrierten Teilhabeplanung, die Budgetneutralität und Umrechnungssystematik, den Verwaltungsaufwand und Zeitplan für das Projekt PerSEH sowie die Weiterentwicklung der HPK. Dem folgten Absprachen und Informationen auf Leitungsebene der Einrichtungen und die Zustimmung der Geschäftsführungen der Leistungserbringer zu PerSEH. Fortgang des Projekts und erste Erfahrungen nach dem offiziellen Beginn Im Februar 2009 erfolgte eine Auftaktveranstaltung im Landkreis, deren Wirkung nach Aussagen der Interviewpartner nicht wahrgenommen werden konnte. Im Sommer 2009 wurde laut Aussagen der Befragten die in der Vertragskommission ausgehandelte Vereinbarung zum Pilotprojekt PerSEH von allen Leistungserbringern unterschrieben. Zu diesem Zeitpunkt schied der ursprünglich zehnte projektbeteiligte Träger Brücke e. V. aus. Die Umsetzung sollte im Oktober 2009 erfolgen, es erfolgte ein Aufschub bis Februar 2010. Diese Verzögerung ist den Schwierigkeiten der Tarifverhandlungen geschuldet, die letztlich dazu geführt haben, dass der Stichtag gekommen war, ohne dass Umstellungs-/ Abrechnungsprozedere bekannt oder klar waren. Dies führte zu einem enormen Verwaltungsaufwand für die Leistungserbringer, da nach dem dann vereinbarten Kompromiss vom 1. Februar bis zum 14. April 2010 nach dem Entgeltsatz von 2009 abgerechnet wurde und ab 15. April 2010 nach dem Entgeltsatz von 2010. Der enorme Zeitdruck konnte nach Einschätzung der befragten Leistungserbringer und kommunalen Vertreter auch durch modifizierte Zeitpläne nicht verringert werden, so dass Motivationsverlust und Unstimmigkeiten nicht nur wegen Überschneidungen in der Umstellung mit den Vergütungsverhandlungen entstanden. Laut Aussage der Mitarbeiter des LWV, die Beschriebenes wahrnahmen, lief der Umstellungsprozess dennoch relativ geordnet. Informationsfluss im Projekt Der generelle Informationsfluss im Pilotprojekt wird, vorrangig von den Leistungserbringern aber auch von kommunaler Seite als unzureichend, nicht immer eindeutig und vielfach zeitverzögert oder gar zu spät beschrieben. Die Informationen unterliegen der Wahrnehmung dieser Befragten nach häufig politischen Interessen, so dass eine klare Linie immer wieder fehlte. Dies habe zu generellem Unmut und auch Verlust an Glaubwürdigkeit und Motivation bereits in einem sehr frühen Stadium geführt, die Verzögerung des Projekts während den Vergütungsverhandlungen zu intensiven Gesprächen in der Vertragskommission sowie der Beteiligten untereinander und zu unterschiedlichen, z.t. kontroversen, kursierenden Informationen. Insbesondere auf der Ebene der Mitarbeiter hat die uneinheitliche Informationslage immer wieder zu Verunsicherungen beigetragen. Innerhalb des LWV flossen die Informationen in den verschiedenen Fachbereichen unterschiedlich fundiert. Generell wäre nach Aussage der befragten Mitarbeiter eine frühere, verschiedene Ebenen übergreifende Einbindung sinnvoll gewesen, ebenso wie eine intensiv begleitete Vorbereitungsphase. Nach anfänglichen Schwierigkeiten sei der Informationsfluss leistungsträgerintern aber gewährleistet gewesen. - 15 -

Einschätzungen der Projektstruktur Eine Diskrepanz zum eigentlichen Projektinhalt, der Personenzentrierung, wird von den meisten Interviewpartnern in der fehlenden Einbindung der Leistungsberechtigten, Angehörigen und anderer Beteiligter gesehen. Leistungsberechtigte selbst geben an, nicht genügend bzw. nicht auf adäquate Weise informiert worden zu sein und bestätigen die mangelnde Einbindung. Des Weiteren werden von allen Beteiligten immer wieder der aus der Zeitschiene resultierende enorme Zeitdruck und die Grenzen der Machbarkeit (z. B. Erstellen aussagekräftiger ITP unter Zeitdruck, Besprechen aller ITP in den HPK binnen einen Jahres etc.) als problematisch herausgestellt. Im Rahmen der Projektimplementierung sollten im GPV die weiteren projektbeteiligten Leistungserbringer aufgenommen werden, um auf regionaler Ebene Kommunikations- und Kooperationsstrukturen zu gewährleisten. Die Gesamtprojektstruktur ist den Interviewpartnern grundsätzlich bekannt. Als Kernaussage der Einschätzungen dieser Gremien ist zusammenzufassen, dass diese Gruppen zwar inhaltlich fundiert und effizient agieren, aber übergreifend keine verständliche Struktur vorhanden ist. Vor allem funktionierten Abstimmungsprozesse und Informationsweiterleitung untereinander häufig nur mangelhaft, so dass im Prozess wiederholt unklar ist, welches Gremium in welchem Zuständigkeitsrahmen beschließt und auf welchem Wege Informationen transportiert oder multipliziert werden. In der Wahrnehmung vieler Leistungsanbieter versickern viele Anfragen oder Rückmeldungen in der komplexen Projektstruktur. 3.4 Bewerkstelligung des Umstellungsprozesses Zusammenfassend kann vorangestellt werden, dass der Umstellungsprozess seitens der meisten Befragten mit sehr viel Aufwand, Engagement (insbesondere bei der Erstellung und Überprüfung der ITP zum Stichtag) und diversen Befürchtungen (wie z.b. unklaren Modalitäten im Hinblick auf die Finanzierungsstrukturen und budgetneutraler Umstellung) verbunden war. Die Leistungserbringer geben an, dass die vielen Überstunden in der Umstellungsphase und geplatzten Vergütungszusagen nicht zuletzt zu mangelnder Projektmotivation geführt haben. Einige mussten Betreuungsangebote zusammenlegen, neben den PerSEH-relevanten auf weitere Fortbildungen verzichten oder verstärkt ehrenamtliche Mitarbeiter einbinden, um den zu begleitenden Menschen mit Behinderung in der Umstellungsphase gerecht werden zu können. Es wurde kein zusätzliches Personal eingestellt, die anfallende Mehrarbeit, auch im Bereich der Buchhaltung, wurde vom vorhandenen Personal kompensiert. Einige Anbieter geben an, dass sich der Mehraufwand über etwa ein Jahr gezogen habe und aktuell allmählich eine Normalisierung zu verzeichnen sei. Die meisten der befragten Leistungsberechtigten geben an, dass sie im vergangenen Jahr keine Veränderung in ihrer Begleitung und Unterstützung erlebt zu haben. Einige wenige geben an, die Umstellung insofern als Veränderung wahrgenommen zu haben, da ihre professionellen Begleitund Unterstützungspersonen wegen des ITP-Schreibens weniger Zeit hatten. Auch auf Seite des Leistungsträgers fiel Mehrarbeit an, was von den Leistungserbringern wahrgenommen wurde. Vor allem kleine Teams berichten von vielen Überstunden. Die angespannte Arbeitssituation wurde durch personelle Ausfälle und Wechsel aus verschiedenen Gründen in der Umstellungsphase bemerkbar. Mitarbeiter der Sachbearbeitung erfuhren eine inhaltlich veränderte Funktion durch den Wegfall des Fachdienstes. Sie mussten sich neben der Umstellungsphase in ein neues Zuständigkeitsfeld einarbeiten, da sie nun auch für die Leistungshöhe zuständig sind. Außerdem kamen die WfbM-Leistungsfälle sowie die Vor-, Nachbereitung und Durchführung der HPK hinzu. - 16 -

Es wird von allen befragten Leistungserbringern sowie der kommunalen Vertretung zum Ausdruck gebracht, dass die enge Zeitschiene (z. B. mit subjektiv fehlender Vorlauf- und Vorbereitungsphase) und das anfallende Arbeitsvolumen im komplexen Projektsystem nach anfänglich hoher Motivation immer wieder zu Frustration sowie zu einem Qualitätsverlust geführt haben. Die generelle Haltung gegenüber der fachlichen Ausrichtung der Personenzentrierung wird im Gegensatz zu den Rahmenbedingungen als positiv bezeichnet. Schulung und Beratung Im Umstellungsprozess inbegriffen waren Schulungen zum neuen, zielgruppenübergreifenden Hilfeplaninstrument, die vom Institut personenzentrierte Hilfen ggmbh durchgeführt wurden. Es herrschte die Erwartungshaltung seitens der projektbeteiligten Leistungserbringer, dass hier der inhaltliche Umgang mit dem Instrument, ebenso wie eine gemeinsame Sprache entwickelt werden würde. Die Schulungen verliefen vom organisatorischen Ablauf her nach Angaben aller Befragten unzureichend und problematisch begonnen bei Unklarheiten der Frage, wer teilnehmen soll, über die Terminvergabe der einzelnen Schulungsgruppen bis hin zu räumlichen Settings, die der Größe der Schulungsgruppe häufig nicht gewachsen waren. Inhaltlich geben die Befragten an, dass die fachliche Qualität der durchführenden Personen sowie die Durchführung selbst sehr unterschiedlich gewesen seien. Es seien unterschiedliche bis konträre Inhalte vermittelt worden, die die Teilnehmer in der Folge stark verunsicherten. Der Missmut über den Gesamtablauf ist mehrfach deutlich formuliert worden. Zudem geben einige Befragte an, dass die Handhabung der Integrierten Teilhabeplanung (ITP) bis heute nach unterschiedlichen Maßstäben erfolgt und auch eine trägerübergreifende Sprache noch nicht gefunden worden ist. Als Resultat dessen zeigen sich bis heute fachliche Differenzen auf manchen HPK. Trägerintern gründeten sich häufig Strukturen, die Fragen und Handlings der ITP bezogen auf das eigene System bearbeiteten. Ein Leistungserbringer gibt an, additiv externe ICF-Schulungen in Anspruch genommen zu haben. Die Mehrheit hatte aber keine Kapazitäten für weitere Fortbildungsangebote frei, aber es kam in den bestehenden Gremien immer wieder zu Austausch untereinander. Mitarbeiter des Leistungsträgers nahmen in einem Regionalmanagement an Nachschulungen oder externen Workshops teil. Dem parallel zu den Schulungen etablierten Internetforum wird wenig positive oder hilfreiche Bedeutung beigemessen, zumal es auch Schwierigkeiten beim Zugang gegeben habe. Die vom Institut personenzentrierte Hilfen ggmbh durchgeführte Evaluationsschleife kam für viele Projektbeteiligte zu einem ungünstigen Zeitpunkt und war mit teils inadäquaten Fragen versehen, weswegen sich nur wenige daran beteiligten. Das präsentierte Feedback fiel aus Sicht der Einrichtungen und Kommune zu positiv, nicht authentisch und somit wenig aussagekräftig aus. Die Leistungserbringer und kommunale Vertreter weisen daher auf die Beachtung eines später verfassten und öffentlich gemachten Papiers hin, das fundierte Rückmeldungen und Optimierungsvorschläge zur ITP aus der Praxis enthält. Es wurde zusätzlich eine sozialwirtschaftliche Beratung durch Herrn Bremauer angeboten. Die Beratung erfolgte in ihrer Dauer und Intensität nach Bedarf, sowohl persönlich als auch telefonisch. Sie wurde von acht der neun teilnehmenden Leistungserbringer in Anspruch genommen und wird als notwendiger Baustein zum Verständnis der Finanzierungssystematik und bei der Durchführung budgetneutralen Umstellung gewertet. Es wird vom großen, inhaltlichen Engagement des Beraters berichtet, das mitunter faktische Vermittlungsschwierigkeiten barg, insgesamt allerdings als hilfreich wahrgenommen wurde. Die Beratung wurde vereinzelt als Spagat zwischen Leistungserbringer und Leistungsträger gesehen. Nach Einschätzung der Interviewpartner sei eine sozialwirtschaftliche Beratung in der Umbruchphase unerlässlich, wobei die darauffolgende trägerinterne Umstrukturierung alleine bewältigt werden kann. - 17 -

Interne Verfahren zur Umstellung Im Rahmen der Umstellungsphase setzte sich bei den meisten Anbietern das Vorgehen durch, dass entsprechende Bezugsbetreuer, Wohngruppenleiter, der Sozialdienst der WfbM oder auch geschulte Gruppenleiter der WfbM die ITP erstellen d. h. die Person, die direkt mit dem Leistungsberechtigten arbeitet. Da es zeitlich nicht immer möglich war, alle ITP intensiv vorher zu besprechen, wurden in einigen wenigen Einrichtungen Vorentwürfe der ITP erstellt, die weiter abgestimmt wurden und zum bereits erwähnten Qualitätsverlust führten. Des Weiteren wurden die ITP nicht immer zusammen mit den Leistungsberechtigten erstellt, manchmal wurden auch Vorentwürfe gemeinsam abgestimmt. Die Gespräche, um die ITP zu erstellen oder zu besprechen, erfolgten weitestgehend im Alltag. Es war auch zeitlich nicht immer möglich, alle Angehörigen und gesetzlichen Betreuer an einem Tisch zu versammeln, so dass sich auch aus Gründen der Praktikabilität auch zeitungleich abgestimmt werden musste. In der Hochphase der ITP- Erstellung tagten bei einigen Leistungserbringern wöchentlich bereichsübergreifende Gremien zur Abstimmung der ITP. In den HPK haben sich Vertreter des Leistungsträgers und der Leistungserbringer der ITP gemeinsam genähert und in einem langen Lernprozess immer wieder neue Absprachen getroffen und Sichtweisen angeglichen. So wurden Fragen zur Erstellung der ITP in den HPK geklärt, ohne die Sicherheit zu haben, dass getroffene Vereinbarungen projektübergreifend geteilt werden. Fragestellungen aus den HPK wurden seitens des Leistungsträgers zur Klärung in andere Projektgremien mitgenommen und sind teilweise noch nicht beantwortet. Hier erscheinen vielen Befragten Ausrichtungen und Systemmechanismen leistungsträgerintern ungeklärt zu sein, die sowohl für eine geradlinige Umsetzung wichtig wären als auch den eigenen Mitarbeitern Handlungskompetenzen brächten. 3.5 Erfahrungen mit der Umstellung bis zum Befragungszeitraum Die Individuelle Teilhabeplanung Die Erfahrungen mit dem neuen Hilfeplaninstrument sind vielfältig. Generell wird von den Befragten als notwendig erachtet, dass die ITP entsprechend der Erprobungsergebnisse bezogen auf die einzelnen Zielgruppen technisch wie inhaltlich weiterentwickelt wird. Viele Einrichtungsvertreter äußern allerdings Skepsis, dass dies adäquat geschieht, da sie über den Umgang mit ihren Rückmeldungen irritiert sind und kritische Rückmeldungen als eine wichtige Aufgabe im Rahmen der Erprobung verstehen. Von den Leistungserbringern wie auch insbesondere von Leistungsberechtigen wird mehrfach betont, dass die Abbildung von Wünschen und Zielen positiv empfunden wird, die gesamte ITP aber zu schwer verständlich und zu umfangreich sei. Es wird angemerkt, dass ein gemeinsames Erarbeiten mit Leistungsberechtigten in bestimmten Fällen eine erhebliche Überforderung darstellen kann. Laut einzelner Leistungserbringer ist es derzeit noch nicht möglich, die Ressourcen, Probleme und den Hilfebedarf eines Menschen mittels der ITP umfassend abzubilden, zumal die ICF-Items nicht vollständig klar seien und es hierüber noch kein trägerübergreifendes, einheitliches Verständnis gibt. Erläuternd wird auf bisweilen ungeklärte Umgangsformen im Handling hingewiesen, beispielsweise dem Verfahren mit geäußerten, eindeutig unrealistischen Selbsteinschätzungen oder Zielformulierungen. Leistungserbringer-intern werden vereinzelt weiterhin eigene Verfahren zur Vorarbeit für die ITP verwandt. Zudem erfolgen fachbereichsübergreifende Abstimmungen mit weiteren an der Unterstützung Beteiligten im Rahmen der ITP-Gespräche. Des Weiteren ist die ITP nach Aussagen der Interviewpartner in derzeitiger Form für die Abbildung von Pflege unzureichend, auch die Abbildung leistungsträgerübergreifender Arrangements gelingt noch nicht in zufriedenstellender Weise. - 18 -

Bezüglich des Aufwands wird angemerkt, dass durch mehr Routine in der Dokumentation und Erarbeitung Zeit gespart werden kann, außerdem fallen im Wohnbereich Entwicklungsberichte weg. Durch das Parallelsystem (Fachausschuss) im Bereich der Reha-Werkstätten hingegen entsteht erheblicher Mehraufwand. Bei einigen Befragten, auch kommunalen Vertretern, ist der Eindruck entstanden, die Verwaltung und eine gewisse Zeitfokussierung stünden bei der Hilfeplanung durch die ITP im Vordergrund. Außerdem besteht nach wie vor die Befürchtung, dass mittels des Systems Bedarfe vereinheitlicht und letztlich Ausgaben eingespart werden sollen. Hier führen Pauschalwerte wie auch das Verfahren der doppelten Mittlung zu Irritationen. Die unmittelbare Verknüpfung der Hilfeplanung mit der Finanzierungssystematik in der ITP wird ambivalent bewertet ob dies tragfähig sei, müsse sich erweisen. Vereinzelt wird darauf verwiesen, dass diese Kopplung offiziell nicht bestünde, andere sehen sie als nicht problematisch an, da sie im sozialen Bereich fast überall zu finden sei. Es wird allerdings angemerkt, dass diese Verknüpfung bei der gemeinsamen Erarbeitung der ITP zusammen mit dem Leistungsberechtigten problematisch sei. Im Rahmen der Befragung bestätigten einige Leistungsberechtigte diesen Eindruck, die meisten Leistungsberechtigten gaben aber an, von einer Bedarfseinschätzung in Minuten nichts zu wissen. Einrichtungsmitarbeiter sind nach wie vor im Umgang mit der ITP verunsichert, da auch nach Einschätzung von Vertretern des Leistungsträgers darauf im Rahmen der ITP-Schulungen nicht adäquat eingegangen wurde. Gewisse im Vorfeld nicht entsprechend bearbeitete Unklarheiten und daraus resultierende Unsicherheiten würden sich daher über den Projektverlauf halten. Hilfeplankonferenzen Die HPK werden derzeit von vielen Leistungserbringern als permanenter, bleibender Mehraufwand angesehen. Die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung ist für alle teilnehmenden Vertreter zeitintensiv. Es wird berichtet, dass daher andere Arbeit liegen bleibe. Die Veränderung der Geschäftsführung, die aktuell den Vertretern des Leistungsträgers obliegt, wird in der Region einheitlich als problematisch bewertet (z. B. auf Grund der inhaltlichen Steuerungsmöglichkeit aber auch logistischer Unklarheiten), ebenso die fehlende Geschäftsordnung. Diese, so hofft die Mehrheit der Befragten, würde Standards und Setting verlässlich bestimmen. Beispielsweise verliefen die einzelnen Vorstellungen derzeit weitgehend trägerspezifisch unterschiedlich, ebenso sei die Klärung der Frage von entscheidender Bedeutung, ob eine HPK empfiehlt oder beschließt. Viele Mitarbeiter von Leistungserbringern fühlen sich durch dieses Manko insbesondere im Zusammenhang mit der gewollten Transparenz verunsichert. Derzeit ist der Verlauf der HPK nach Einschätzung der Befragten stark von der Persönlichkeit und den rhetorischen Fähigkeiten der entsprechenden Vertreter abhängig. Darüber hinaus machen personelle Wechsel in der Geschäftsführung der HPK wiederholt Abstimmungsprozesse erforderlich. Da selbst mit vollen Tagesordnungen vor allem im Zielgruppenmanagement der Menschen mit einer geistigen Behinderung in der vorgegebenen Zeit nicht alle ITP besprochen werden können, werden diese Vorstellungen alter ITP aus dem letzten Jahr zum jetzigen Zeitpunkt als lähmend im Gesamtprozess gesehen. Dies liegt in erster Linie daran, dass die ITP der Umstellungsphase unter großem Zeitdruck erstellt wurden und in den meisten Fällen erst die Folgeplanungen als aussagekräftig eingeschätzt werden. Allerdings sei die befürchtete Minutenfeilscherei weitestgehend ausgeblieben. Sowohl von der kommunalen Vertretung wie auch mehrfach von Trägerseite wird dargestellt, dass es an einer neutralen, tendenzfreien Vorstellung sowie Sachdiskussionen im Sinne der besten Hilfebedarfsdeckung noch oft mangelt. Zu häufig wird, so wird gemutmaßt, auf Grund von - 19 -

Höflichkeit oder noch fehlender Übung in trägerübergreifender, nicht-einrichtungszentrierter Kooperation von einer fachlichen Diskussion, Nachfragen oder Einwänden abgesehen. Die wenigsten der befragten Leistungsberechtigten wissen um den Sinn und Zweck einer HPK. Zudem haben sie nur äußerst vereinzelt bereits bei der Vorstellung des eigenen ITP teilgenommen. In der Regel geben die, die teilgenommen haben, an, dass die Teilnahme in Ordnung, aufregend und interessant war. Nur vereinzelt wurden die HPK als unangenehm wahrgenommen. So wird in einzelnen Fällen von einem sehr starken Druck in Richtung Verselbständigung berichtet. Nach Angaben des Leistungsträgers aber auch von Leistungserbringern sind Teilnahmen von Leistungsberechtigten wie auch von anderen beteiligten Personen in machen Zielgruppenbereichen höher als in anderen. Im Allgemeinen wäre eine höhere Teilnahmequote wünschenswert, was auch von Seiten der befragten Leistungsberechtigten bestätigt wird, nachdem ihnen der Sinn und Zweck einer Hilfeplankonferenz erläutert wurde. Die Finanzierungsumstellung Zum Zeitpunkt der Interviews gaben einige Leistungserbringer, aber auch Verantwortliche seitens des Leistungsträgers an, noch keine Aussagen zur budgetneutralen Umstellung machen zu können. Wie sich die Finanzierungssystematik (weiter-) entwickelt ist für viele der Befragten nicht absehbar, erst die Neubewertung der Folge-ITP zeige diese Entwicklung. Vor diesem Hintergrund gehen einzelne Träger davon aus, dass die Umstellung letztlich über die Zeit nicht budgetneutral sei. Mehrfach wird beschrieben, dass das Finanzierungsmodell den Eindruck erweckt, dass das System aufgrund von Möglichkeiten der Querfinanzierung größere Träger begünstigt. Bestärkt wird dieser Eindruck von mehreren Hinweisen darauf, dass starke Verbände einzelne Leistungserbringer finanziell unterstützen, da die Unterstützungsleistungen für Menschen mit Behinderung sonst nicht immer gewährleistet seien. Diese Absicherung komme besonders zum Tragen, wenn es bei Kostenzusagen zu Verzögerungen seitens des Leistungsträgers kommt. Aus den Reihen von Einrichtungen mit geringen Fallzahlen im Projekt ist die Umstellung problemlos verlaufen. Die Aussagen zur Finanzierungsumstellung im Bereich des Betreuten Wohnens sind unterschiedlich. Das Evaluationsteam wird von projektbeteiligten Leistungserbringern darauf aufmerksam gemacht, dass sich die zu Beginn geäußerte Kritik des ausgeschiedenen Trägers Brücke e. V., die Finanzierung im Betreuten Wohnen würde auf Grund der Basisbeträge nicht stimmig sein, bei ihren ersten Bilanzen ebenfalls so dargestellt hätte. Die Minutenpreise seien bei Unterstützungsleistungen des Betreuten Wohnens höher als in anderen Bereichen. Mehrfach wird von Leistungserbringern darauf hingewiesen, dass Overheadkosten wie z. B. Fortbildungen und Bürozeiten der Mitarbeiter im Betreuten Wohnen, aber auch Krankheit oder Urlaub, im Finanzierungsmodell nicht ausreichend berücksichtigt sind. - 20 -

3.6 Perspektiven aus Sicht der Befragten Entwicklungsbedarfe im Hinblick auf das Projekt PerSEH Mehrfach wird von allen Befragten benannt, dass sich Haltung und Denken verändern müssen, da nicht das Projekt PerSEH selbst die Realität ändert. Allerdings wird positiv gesehen, dass mittels PerSEH die Selbst- und Mitbestimmung verbessert wird, die weiter ausgebaut werden soll. Hinsichtlich der Projektimplementierung geben die Projektbeteiligten aus Fulda an, dass vor einer Umstellung der vorhandene Ist-Stand und das lokale Setting mehr berücksichtigt werden sollten, denn Kooperationen und Inklusion ließen sich nicht unter Zeitdruck erzwingen. Eine verbindliche Koordination vor Ort muss festgelegt und Kooperationen im nicht-professionellen Bereich müssten ausgebaut werden. Nach Einschätzung der befragten Leistungserbringer hebe weniger zeitlicher Druck die Qualität des Projekts. Es bedarf sowohl vorbereitend, beispielsweise für die technische Umstellung, als auch für übergreifende Abstimmungen mehr Zeit. Eine Vermittlung der erforderlichen Grundhaltung ist vor einer flächendeckenden Einführung mittels inhaltlich und organisatorisch fundierter Schulungen notwendig. Ein Vertreter des Leistungsträgers ergänzt, dass es neben den Schulungen und Workshops positiver Beispiele aus der Praxis bedürfe, um positive Veränderungen hervorzurufen. Des Weiteren ist eine Teilnahme von Akteuren bei regionalen Planungsgremien, die nicht der Behindertenhilfe zuzurechnen sind, hilfreich, wie z. B. Vertreter des Wohnungsamtes im Hinblick auf barrierefreien Wohnraum. Ein Forum außerhalb der HPK, in dem Austausch, Reflektion und Weiterentwicklung der Behindertenhilfe unter Einbeziehung von Experten in eigener Sache stattfindet, ist wünschenswert. Des Weiteren ist es für Leistungserbringer erstrebenswert, Klarheit über die Konstanz und (politische) Ausrichtung des überörtlichen Leistungsträgers zugunsten von Planungssicherheit zu gewinnen. Zudem wird von einem Mitarbeiter des Leistungsträgers eine hessenweite Diskussion zum Thema Controlling angeregt. Es sollte eine besser verständliche und festgelegte Projektstruktur mit klaren Kommunikationswegen geben sowie einen gemeinsam verabschiedeten Zeitplan, in dem zielperspektivisch vereint festgelegt wird, wann man welche Projektphase erreicht haben will. Entsprechende Projektinhalte, Auswirkungen und Stellschrauben sollten den Teilnehmenden transparent gemacht werden. Den Projektinhalt betreffend wird von einem Leistungserbringer angeregt, dass das Verhältnis von Basis- und Maßnahmebetrag insbesondere im Betreuten Wohnen überarbeitet werden sollte. Pauschale Basis- und Maßnahmebeträge würden zu problematischen Verschiebungen führen, da sich Menschen mit geringem Bedarf für Leistungserbringer lohnen würden und so auf längere Sicht die Versorgungssicherheit für Menschen mit einem hohen Hilfebedarf in Gefahr gebracht werden würde. Auch im Hinblick darauf wird mehrfach die Empfehlung ausgesprochen, dass innerhalb der unterschiedlichen Hilfeformen und Zielgruppen differenziert werden sollte. Des Weiteren wird mehrmals angegeben, dass die Evaluation zu früh stattfinde, da sich z. B. ein Austausch der Leistungserbringer untereinander über die HPK und die Gewöhnung an die neuen Instrumente und Verfahren aller Beteiligten erst abzeichne, auch die Auswirkungen in finanzieller Hinsicht können nach einem Jahr noch nicht bewertet werden. Entwicklungsbedarfe im Hinblick auf Verfahren und Instrumente Des Weiteren wird häufig angemerkt, dass PerSEH Barrieren im Denken von Leistungserbringern sprengen könnte, eine radikale Umsetzung des Grundgedankens wird nicht zu finanzieren sein. Die Finanzierungsgrundlage wird von den meisten Interviewpartnern als undifferenziert - 21 -

und nicht personenzentriert wahrgenommen und müsse grundsätzlich modifiziert werden. Die zeitliche Abfolge von Finanzierungsumstellung und der ITP solle, so einige Leistungserbringer, überdacht werden. Dies wird aufgrund der Erfahrungen in dieser Erprobungsregion gefordert, da mehrfache Änderungen und Korrekturen Mitarbeiter stark verunsichert und demotiviert hätten. Konkret sollten transparentere, einheitliche Umrechnungsvorgaben vorliegen. Die HPK braucht eine Geschäftsordnung, die Aufgaben, Abläufe, Setting und Zuständigkeiten verbindlich und klar regelt. Einstimmig sprechen sich die Leistungserbringer perspektivisch dafür aus, dass die Geschäftsführung der HPK wieder in kommunaler Hand liegt. Eine bessere Vernetzung und Zusammenarbeit im Gremium wird als Ziel benannt, zumal die Vorteile einer solchen klar sind: die derzeitige Kooperation basiert auf einer Vorgabe, eine inhaltliche Kooperation braucht seine Zeit. Um ernsthafte Personenzentrierung zu ermöglichen, sollten Tagesordnungen entzerrt werden und eine qualitative Überprüfung hinsichtlich des Datenschutzes und der Menschenwürde erfolgen. Von der HPK vorhergehenden Absprachen wird von einigen Interviewpartnern abgeraten. Des Weiteren wird von einem Leistungserbringer gefordert, wegen des logistischen Aufwands einrichtungsbezogene HPK unter Beteiligung der ständigen Vertreter durchzuführen. Die Differenzierung der Bewilligungszeiträume von Erst- und Folge-ITP seien sinnvoll, ebenso wie eine Jahresplanung auf Basis auslaufender ITP, so dass der organisatorische Aufwand besser kalkuliert werden könne. Die Etablierung der Selbstvertretung als permanenter Teilnehmer der HPK sowie die gelegentliche Anwesenheit von Geschäftsführungen in den HPK wird als Anregung gegeben, damit Kontakt und Verständigung über die hierarischen Ebenen hinaus möglich bleibt. Übergreifend, seitens der Kommune wie auch des Leistungsträgers, wird auf eine quantitative und qualitative Verbesserung sowie Intensivierung der fachlichen Diskussion hingewiesen: die HPK sollte sich als offenes, lernendes, sich weiterentwickelndes System verstehen. Perspektivisch sollte die ITP als Formular überarbeitet werden, entsprechende Anregungen seien bereits öffentlich gemacht worden. Eine insgesamt praxisnähere, zielgruppenspezifischere Gestaltung wäre sinnvoll, so wird seitens kommunaler Verantwortlicher die Idee eingebracht, Grundbögen für alle und nach einem Bausteinsystem weitere Bögen zielgruppenspezifisch einzusetzen. Mittels der ICF-Kodierungen sei es nicht möglich v. a. im Bereich der Menschen mit einer geistigen Behinderung den Bedarf kongruent abzubilden. Es wird seitens eines Anbieters darauf hingewiesen, dass eine Abbildung von Beziehungsarbeit prospektiv (v. a. in der pädagogischen Arbeit mit Menschen mit einer psychischen Erkrankung) nicht möglich ist gleichermaßen wie die Überwindung der Diskrepanzen von Fremd- und Selbstwahrnehmung. Exemplarisch wird konkret die zukünftige Klärung der Grundhaltung der ITP zur Pflege benannt, ebenso die Darstellung des Arbeitens in einer WfbM als unbezahlte Arbeit, die dringend verändert werden müsse. Angebotsentwicklung und Qualitätssicherung Im Sinne der Angebotsentwicklung und Qualitätssicherung vor Ort sollten die Angebotsstrukturen generell durchlässiger werden und mehr individuell kooperative Angebote entstehen. Im Bereich der Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung wird auf den GPV als qualitativ gut funktionierendes Gremium in diesen Bereichen verwiesen. Im Bereich der Menschen mit einer geistigen Behinderung sei die Angebotsplanung noch weiter ausbaufähig, die derzeit hauptsächlich über einen eher allgemeinen Austausch in den regionalen Planungskonferenzen erfolgt. Es wird seitens eines Leistungserbringers angeregt, eine objektive Clearingstelle zu etablieren, die sich mit der Art und der Leistungserbringung auseinandersetzt. Zum einen wird benannt, dass PerSEH insofern weiterentwickelt werden sollte, als dass starke, verbandliche Strukturen zu- - 22 -

gunsten der Etablierung kleinerer, privater Anbieter, die den Wettbewerb befruchten können, aufgeweicht werden müssten. Auf der anderen Seite weisen Einrichtungen mit starken Verbandsstrukturen im Hintergrund explizit darauf hin, dass Angebotsentwicklung maßgeblich von der finanziellen Lage abhängt und somit ohne die eigenen Strukturen kaum möglich wäre. Als qualitätssicherndes Element wird festgehalten, dass alle an der Hilfeplanung Beteiligten in der jeweiligen HPK anwesend sein sollten. Wünschenswert wäre mehr Flexibilität und Dynamik der Angebote, z. B. durch das Persönliche Budget, die Öffnung des Arbeitsmarkts etc., um neue und passgenauere Unterstützungsarrangements zu ermöglichen. Als qualitativ bedenklich wird seitens eines Anbieters beschrieben, dass ein Hilfebedarf im Rahmen der ITP völlig unterschiedlich dargestellt werden könne. Kooperationen werden auf der Mitarbeiterebene als funktionierend angegeben und werden als essentiell für situative, qualitätssichernde Zusammenarbeit angesehen. - 23 -

4 Wichtiges aus diesem Bericht in Leichter Sprache Wichtiges aus den Befragungen Wir haben mit vielen Leuten gesprochen: - mit Menschen mit Behinderung. - Mit Leitern von Einrichtungen und Diensten. - Mit Leuten vom LWV Hessen. - Und mit Leuten vom Landkreis Fulda. Wir wollten wissen: Was wissen Sie über das Projekt PerSEH? Welche Erfahrungen haben Sie mit der ITP? Und mit Hilfeplankonferenzen?? Was finden Sie gut? Was finden Sie schlecht? - 24 -

Menschen mit Behinderungen sagen: Das Projekt PerSEH kennen wir nicht. Unsere Unterstützung ist gut. Wir wollen, dass das so bleibt! ITP? Wir kennen den ITP. Viele finden den ITP gut. Nach Zielen und Wünschen fragen ist gut. Aber: Die Sprache im ITP ist schwierig. Der ITP ist zu lang. Manche Fragen im ITP sind zu persönlich. Die Antworten gehen nur mich etwas an. Manche sagen: Die Unterstützung ist mit dem ITP so wie früher. Nur wenige Menschen mit Behinderung waren schon auf einer Hilfeplankonferenz. Viele wissen nicht: Was ist eine Hilfeplankonferenz? HPK? Wer auf der Hilfeplankonferenz war, sagt: Die Hilfeplankonferenz war aufregend. Aber die Hilfeplankonferenz ist in Ordnung! Wenige sagen: Für mich war die Beratung unangenehm. - 25 -

Andere Befragte sagen: Menschen mit Behinderung sollen gute Hilfen bekommen! Jetzt versuchen wir das mit PerSEH. PerSEH ist viel Arbeit. Nicht immer ist alles klar. Das macht immer wieder Probleme. Alle sollen doch gut Bescheid wissen!? Man kann auch nicht gut verstehen: Wie wird Unterstützung bezahlt? Aber alle wollen PerSEH verbessern und arbeiten daran. Der ITP soll noch verändert werden. Die Fragen passen nicht für alle. Beim Aufschreiben gibt es noch Probleme. Hilfeplankonferenzen sollen besser werden. Wir brauchen Regeln. Diese Regeln heißen Geschäfts-Ordnung. Dann sind alle Hilfeplankonferenzen gleich. Und alle überlegen gemeinsam: Wie sieht die bestmögliche Hilfe aus? - 26 -