Europäische Perspektiven bei der Nutzenbewertung onkologischer Arzneimittel: die Sichtweise von Public Health

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Transkript:

Frühjahrstagung der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie Europäische Perspektiven bei der Nutzenbewertung onkologischer Arzneimittel: die Sichtweise von Public Health Prof. Dr. med. Reinhard Busse MPH Fachgebiet Management im Gesundheitswesen Technische Universität Berlin & Berlin School of Public Health

CoI Statement Ich habe von 1998 bis 2001 die ECHTA-WG Best Practice of Undertaking and Reporting HTA geleitet und gegen die, vorsichtig gesagt, Skepsis vieler HTA-Agenturen durchgesetzt, dass es eine gemeinsame HTA-Methodologie gibt (wenn auch die anschließende Entscheidung von Land zu Land unterschiedlich kann).

Um welche Fragen geht es heute? Welche Kriterien gelten für die Bewertung (z.b. Nutzen, Zusatznutzen, Kosten-Nutzen)? Welcher Prozess und welche Methodik werden bei der Bewertung angewendet (z.b. bzgl. beteiligte Experten, Vergleichstherapie, Subgruppen)? Wie wird entschieden, ob ein Präparat erstattungsfähig wird? Wie hoch ist der (Erstattungs-)Preis? und könnte das alles auch europäisch erfolgen? 3

Kriterium Patientenrelevanter (Zusatz)Nutzen A T A U C A C Z D K Kriterien für Bewertung und Entscheidung E S F I F R G R H U X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X Kosten-Nutzen X X X X X X X X X X X X X X Auswirkung auf Budget X X X X X X X X X X X X X X X X X Preise in anderen Ländern X X X X X X X X X X X X Zu erwartender Umsatz X X X Behandlungsalternativen X X X X X X X X X Soziale, ethische Erwägungen X X X X X X X X Bedarf der Gesellschaft X X X Public Health Auswirkungen X X Pharmakologische Merkmale X X X X X X F&E-Kosten der Hersteller X X X X Prioritäten der Regierung I T I R N L N O N Z X P L P T S E S K U K Quelle: Zentner et al. 2005; Kanavos et al. 2009

Vereinfachtes Schema für Arzneimittelbewertungsprozess Typ A: mit Preis (z.b. Schweden) Typ B: ohne Preis (z.b. Frankreich) Nutzen (auch für Subgruppen & einzelne Indikationen) Zusatznutzen (im Vergleich; auch für Subgruppen & einzelne Indikationen) Kosten-Nutzen (im Vergleich; auch für Subgruppen) Preis erstattungsfähig nur erstattungsfähig für bestimmte Patientengruppen Indikationen Versorgungszentren nur erstattungsfähig im Rahmen von Forschung (zur Gewinnung weiter Daten) nicht erstattungsfähig 5

Vereinfachtes Schema für Arzneimittelbewertungsprozess Typ A: mit Preis (z.b. Schweden) Typ B: ohne Preis (z.b. Frankreich) Nutzen (auch für Subgruppen & einzelne Indikationen) Zusatznutzen (im Vergleich; auch für Subgruppen & einzelne Indikationen) Kosten-Nutzen (im Vergleich; auch für Subgruppen) Preis I II III wesentlicher therapeutischer Fortschritt deutliche Verbesserung mäßige Verbesserung Zusatznutzen IV geringfügige Verbesserung erstattungsfähig nur erstattungsfähig für bestimmte Patientengruppen Indikationen Versorgungszentren nur erstattungsfähig im Rahmen von Forschung (zur Gewinnung weiter Daten) nicht erstattungsfähig V keine Verbesserung Preissetzung/ -verhandlung in Abhängigkeit von (Zusatz-)Nutzen

Prozess Zusatznutzen: Inhalte des Dossiers (1) Question 1: Is the drug eligible for reimbursement? Criterion : Actual Benefit «SMR» Service médical rendu Takes into account: disease (severity) drug: clinical effectiveness + impact on public health Question 2: Does the drug bring some clinical progress over existing therapies? Criterion: Clinical added value «ASMR» (Amélioration du SMR) Question 3: What is the target population? Quantitative estimate, based on available epidemiological data, of the number of patients in the reimbursed indication 7

Question 4: Is there a need for additional data collection? Uncertainty on clinical outcomes? Risk of misuse? Inhalte des Dossiers (2) Economic parameters to be studied in view of a future reassessment of the product? Question 5: What are the recommendations for a proper use of the product? Takes into account existing clinical guidelines 8

Auswahl Vergleichstherapie im jeweiligen Anwendungsgebiet: national zugelassene Therapie erfolgt sowieso europäisch übliche Praxis alle Länder SCOT auch international AU nur für Hauptindikation CA, NL auch off-label alle Länder beste Therapie/ Goldstandard FI NL NO NZ UK günstigste Therapie CA NO NZ 9

ASMR 85% 14% Entscheidung 2011-2014 Freistellung 5 Beträchtlicher ZN 19 Erheblicher ZN Beträchtlicher ZN Geringer ZN Nicht quantifizierbarer ZN Kein ZN Geringerer Nutzen Kein ZN 72 Geringer ZN 31 Nicht quantifizierbarer ZN 8

Es gibt also Bedarf nach Kooperation, ggf. Vereinheitlichung Artikel 15 Zusammenarbeit bei der Bewertung von Gesundheitstechnologien Die Union unterstützt und erleichtert die Zusammenarbeit und den Austausch wissenschaftlicher Informationen zwischen den Mitgliedstaaten im Rahmen eines freiwilligen Netzwerks, das die von den Mitgliedstaaten benannten [ ] nationalen Behörden [ ] verbindet.

Ziele des EU-Netzwerks a) die Unterstützung der Zusammenarbeit zwischen nationalen Behörden beziehungsweise anderen Stellen; b) die Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Bereitstellung objektiver, zuverlässiger, rechtzeitiger, transparenter, vergleichbarer und übertragbarer Informationen über die relative Wirksamkeit sowie gegebenenfalls über die kurz- und langfristige Wirksamkeit von Gesundheitstechnologien und die Schaffung der Voraussetzungen für einen effizienten Austausch dieser Informationen zwischen den nationalen Behörden beziehungsweise anderen Stellen; c) Unterstützung der Analyse des Inhalts und der Art der Informationen, die ausgetauscht werden können; d) Vermeidung von Doppelarbeit bei den Bewertungen. 12

Fachgebiet Management im Gesundheitswesen, TU Berlin 15

17

Onkologisches Beispiel 1 19

Die Nutzung durch die europäischen HTA-Agenturen lässt aber noch zu wünschen übrig Fachgebiet Management im Gesundheitswesen, TU Berlin 20

Onkologisches Beispiel 2 21

Auch hier: wenig genutzt durch europäische HTA-Agenturen 22

Auch hier: wenig genutzt durch europäische HTA-Agenturen 23

Erstattungsfähigkeit und Preissetzung Ein Blick auf im Jahr 2014 zugelassene Medikamente, ihre Erstattungsfähigkeit und den relativen Preisunterschied zur Vergleichstherapie 24

NB: Am teuersten je 8 in CH, DE & SE Fachgebiet Management im Gesundheitswesen, TU Berlin 25

NB: Am teuersten je 8 in CH, DE & SE Fachgebiet Management im Gesundheitswesen, TU Berlin 26