Bilaterale CI-Versorgung Dr. biol. hom. Thomas Steffens BCIC Univ.-HNO-Klinik Regensburg
Bilaterale Implantationen in Deutschland Anzahl CIs in Deutschland 18000 16000 14000 12000 10000 8000 6000 4000 2000 0 1800 Weltweit ca. 130.000 CI-Träger Schätzung für 1.11.07, Basis März 2007 9250 5150 150 500 550 16200 Adv Bionics Cochlear Medel Gesamt 1200 / ca. 7% alle Patienten bilateral
CI-Operationen in Regensburg 300 280 CI-Operationen bis 1.11.2007 Gesamtzahl CI-OPs 260 240 220 200 180 160 140 120 100 80 60 40 20 alle Ops alle Kinder alle Erwachsenen alle bilateral ca. 25% bilateral 0 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 CI 22 CI 24 CI freedom Taschenprozessoren HdO-Prozessoren
Anteil bilateraler CI-Operationen pro Jahr in Regensburg Anteil bilaterale Versorgung 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 2000 2002 2004 2006 2008 bis heute rund 40%
Gründe für die beidseitige Implantation 1. Es gibt i.d.r. keine Möglichkeit, vor der OP die Seite zu entdecken, die später mit einem CI bessere Ergebnisse bringt. Mit der bilateralen Implantation wird in jedem Fall die bessere Seite versorgt. 2. Das Verstehen in Ruhe und im Störlärm kann verbessert werden. 3. Es kann in unterschiedlicher Qualität ein Richtungshören erreicht werden. 4. Eine mögliche Verkümmerung (Deprivation) der nicht stimulierten Seite durch längeren Nichtgebrauch kann vermieden werden. 5. Wahrscheinlich führt nur eine beidseitige Stimulation zu einer beidseitigen regulären Entwicklung des auditorischen Systems.
Hörvorteil bei beidohrigem Hören Physikalischer Effekt, sofort vorhanden: 1) Schallschatten des Kopfes (z. B. für Störgeräusch) Neuronale Effekte der Hörverarbeitung, müssen durch aktives Hören erlernt werden, bilden sich langsam über mehrere Jahre: 2) Binaurale Störgeräuschunterdrückung 3) Binaurale Redundanz (was das eine Ohr nicht hört, hört das andere) 4) Binaurale Summation (mit beiden Ohren hört man mehr)
Hörvorteil bei beidohrigem Hören 1) Schallschatten des Kopfes (für Störgeräusche aus einer Richtung) Hörgewinn mit 2 CIs (grobe Schätzung): etwa 20-40% für Einzelwörter, 40-80% für Satzverstehen Störgeräusch Sprache Schallschatten, ca. 6-10 db weniger Störgeräusch
Hörvorteil bei beidohriger Hörverarbeitung (binaurales Hören) Neuronale Effekte im Hirnstamm und Hörzentrum des Gehirns: 2) Binaurale Störgeräuschunterdrückung Entsteht durch Signalvergleich zwischen linkem und rechten Ohr im Hirnstamm, setzt aber geübtes beidohriges Hören voraus. Wird bei Normalhörenden in den ersten beiden Lebensjahren durch aktives Hören erlernt. Gewinn ca. 5-10% für Einzelwörter, 10-30% für Sätze 3) Binaurale Redundanz Ergänzung der Hörinformation durch Zusammenfassen des Gehörten von beiden Ohren; was auf einem Ohr nicht verstanden wurde, ist vielleicht mit dem anderen Ohr verstanden worden. Gewinn: ca. 5% für Einzelwörter, 10-15% für Sätze 4) Binaurale Summation Doppelte Signalstärke im zentralen Hörsystem ermöglicht besseres Erkennen eines Nutzsignals, z. B. Sprache, in Ruhe Gewinn: ca. 5-20% für Einzelwörter, 10-45% für Sätze
Indikation: Vorgaben aus der Rechtsprechung Rechtsgrundlage durch Sozialgesetzbuch IX & V Verpflichten die Leistungserbringer zur weitestgehenden Gleichstellung Behinderter mit gesunden Menschen; das bedeutet: Maßstab ist das Normalgehör BSG: Urteil vom 16.09.2004 (B 3 KR 20/04 R, SozR 4-2500 33 Nr.9) (BSG = Bundessozialgericht) auch wenn dadurch erhebliche Mehrkosten für die bestmögliche Versorgung entstehen BSG: Urteil vom 06.06.2002 (B 3 KR 68/01, SozR 3-2500 33 Nr.44) Beidseitiges Hören ist ein Grundbedürfnis des Menschen und muss deshalb in die Versorgung einbezogen werden LSG FSB: Urteil vom 8.12.2005 (L4 KR 6/05) Das Alter eines Patienten spielt hier keine Rolle!
Von der Indikation zur OP Audiologisches Indikation wie bei bilateraler Hörgeräteversorgung: Für jedes Ohr getrennte Bewertung von Hörverlust / Hörfähigkeit (wie bei einseitiger Indikation) zur Bestimmung des Schweregrades der Hörstörung Bestimmung der Versorgungsart, die am weitesten in Richtung Normalgehör führt: HG & HG, HG & CI, CI & CI oder nur in Ausnahmefällen ein CI Zwingende medizinische Gründe für eine bilaterale Implantation: Ertaubung durch Meningitis, wegen der Gefahr der Verknöcherung der Innenohren Weitere Gründe bekommen immer mehr Gewicht: keine reguläre Entwicklung des Hörsystems bei nur einseitiger Implantation kleiner Kinder unumkehrbare funktionelle Verkümmerung des unversorgten Ohres Hypothese eines Reserveohres gilt nur noch sehr eingeschränkt OP: Wahlweise zwei CIs in einer OP oder nacheinander (sequenziell) günstigenfalls im Abstand von max. einigen Monaten. Späte Nachversorgungen sind aber im Einzelfall auch möglich
Untersuchung zum Hörvorteil bilateral implantierter Kindern 20 Kinder mit beidseitiger aufeinanderfolgender (sequenzieller) CI-Versorgung: 1. CI früh, mittleres Alter 2 Jahre 2. CI später, mittleres Alter 5,6 Jahre Untersucht wurden: Bilateraler Hörvorteil im Störgeräusch Richtungshören Das Alter bei 2. Operation und der Abstand zu ersten Operation spielten für den Hörgewinn nur eine untergeordnete Rolle. Alle Kinder hatten eine Hörverbesserung durch das zweite CI, auch die Kinder, die mit dem ersten Ohr nur schlecht gehört haben. Aber nur etwa 20% erreichten mit dem neuen Ohr die Hörfähigkeit des erstimplantierten Ohres. Eine möglichst frühzeitige beidseitige Implantation scheint die besten Ergebnisse zu geben.
Verbesserung der Richtungserkennung durch bilaterale Hörerfahrung 100% 90% R = 0,616 80% Richtungserkennen 70% 60% 50% 40% 30% 20% Die auf dem zweiten Ohr erst spät implantierten Kinder brauchten viel Zeit um sich zu verbessern. 10% 0% 0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 5,0 bilaterale Hörerfahrung [a] [Jahre]
Selbst geschilderte Vorteile der untersuchten Kinder Mehr verstehen, vor allem in schwierigen Hörsituationen. Höhere Konzentrationsfähigkeit wegen geringerem Höraufwand. Weniger Stress. Besserer Klang. Durch Befähigung zum Richtungshören: mehr Sicherheit im Straßenverkehr Verbesserung im Sport größeres Wohlbefinden in Dunkelheit.