Vorlesung Tumortherapeutika

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Transkript:

Vorlesung Tumortherapeutika Einleitung Antimetabolite Mikrotubuli-Inhibitoren Sommersemester 2010 Prof. Dr. Dagmar Meyer zu Heringdorf

Charakteristische Merkmale von Tumoren Ungehemmtes Wachstum Potential zur unbegrenzten Replikation Unterdrückung der Apoptose Angiogenese Gewebeinvasivität Metastasierung

Angriffspunkte von Tumortherapeutika Hemmung der Zellteilung Induktion von Apoptose Klassische Cytostatika: Schädigung der DNA Störung der DNA-Synthese Hemmung der Zellzyklus-Progression Gezieltere Therapie: Einfluss auf die Signalverarbeitung der Tumorzellen Hemmung der Tumor-Angiogenese Spezifische Erkennung und Vernichtung von Tumorzellen Schrittweise genetische Veränderungen Polyklonale Tumoren Resistenzbildung Polychemotherapie

Zellzyklus und Wirkung von Cytostatika Mitosehemmstoffe: Mikrotubuli-Inhibitoren Antimetabolite Alkylantien Platinverbindungen Topoisomerase-Inhibitoren Cytostatisch wirksame Antibiotika

Unerwünschte Wirkungen der Cytostatika Abtötung sich schnell teilender Zellen Spezifische Vernichtung von Tumorzellen Klassische Cytostatika Mutagenität Kanzerogenität Teratogenität Sekundärneoplasien Neutropenie Thrombopenie Anämie Knochenmarksuppression Immunsuppression Mukositis Diarrhoe Übelkeit Erbrechen >emetogenes Potential Haarausfall

Wirksamkeit der Cytostatika-Therapie Morbus Hodgkin Heilungsrate Hodenkarzinom Colonkarzinom Bronchialkarzinom Volumenverdopplungszeit 3-4 Tage 80 % 5-6 Tage 90 % 80 Tage < 5 % 90 Tage < 5 % kurativ - palliativ adjuvant: zusätzlich zu OP und Bestrahlung neoadjuvant: vor OP

Antimetabolite: Purinanaloga Umwandlung zu Nukleotiden SH X 1. Hemmung der Synthese von AMP, GMP und Purinbausteinen 2. Einbau in die DNA SH X

Antimetabolite: Purinanaloga 6-Mercaptopurin 6-Tioguanin Indikationen: Leukämien (ALL, AML) Abbau durch Lebermetabolismus u.a. durch Thiopurin-Methyltransferase Polymorphismus 6-Mercaptopurin Purin-Stoffwechsel Hypoxanthin/Xanthin Abbau von 6-Mercaptopurin über Xanthinoxidase Allopurinol Dosisreduktion von 6-Mercaptopurin Xanthin-Oxidase T Allopurinol Knochenmarksuppression Hepatotoxizität Thioharnsäure Harnsäure Azathioprin Prodrug von 6-Mercaptopurin Immunsuppressivum (Transplantation, rheumatoide Arthritis, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen)

Antimetabolite: Purinanaloga (Nukleoside) Fludarabin (CLL) Cladribin (Haarzelleukämie / Multiple Sklerose) Pentostatin (Haarzelleukämie) Anreicherung toxischer Konzentrationen von Desoxynukleotiden

Antimetabolite: Pyrimidinanaloga 5-Fluorouracil (5-FU) Indikationen: solide Tumoren kolorektales Karzinom, Mammakarzinom u.a. Umwandlung zum Nukleotid 1. Hemmung der Thymidylat-Synthase (Bildung von dtmp) 2. Einbau in die DNA Abbau über Dihydropyrimidin-Dehydrogenase Polymorphismus UAW: Knochenmarksuppression, Mukositis, Dermatitis, Haarverlust, Neurotoxizität, Hand-Fuß-Syndrom Erythem, Dysästhesie, Parästhesie, Schwellung, Ulzerationen, Blasen, starke Schmerzen Verlust der Fingerabdrücke Prodrugs: Tegafur Capecitabin (5-FU-Bildung durch Thymidinphosphorylase bevorzugt in Tumorzellen) z.b. adjuvante Monotherapie beim kolorektalen Karzinom

Antimetabolite: Pyrimidinanaloga Cytarabin (Cytosin-Arabinosid) Gemcitabin Abbruch der DNA-Synthese AML Pankreaskarzinom Nicht-kleinzelliges Bronchialkarzinom Harnblasenkarzinom Knochenmarksuppression Mukositis Fieber Pulmonale Toxizität Knochenmarkstoxizität Fieberanstieg Hautausschläge Gel. Interstitielles Lungenödem

Antimetabolite: Methotrexat Aufnahme durch spezifischen Transporter Anheftung von Glutamat-Resten MTX-PG Akkumulation MTX MTX-PG 1. Hemmung der Dihydrofolsäure-Reduktase Tetrahydrofolsäure Störung im C1-Stoffwechsel: Synthese von Thymidin, Purinen, Methionin, Serin 2. Hemmung der Thymidylat-Synthase 3. Hemmung von Enzymen der Purin- Synthese

Methotrexat: Indikationen Sehr niedrige Dosis: Immunsuppressivum Rheumatoide Arthritis bis 20 mg/woche Schwere Psoriasis Niedrige Dosis: <100 mg/m 2 KOF Mittlere Dosis: 100-1000 mg/m 2 KOF viele Tumoren: ALL, non-hodgkin-lymphome Monotherapie beim Chorionkarzinom (kurativ) Osteosarkom, Mammakarzinom Meningeosis leukaemica: intrathekale Gabe Formyl-Tetrahydrofolsäure (Leukovorin) Methotrexat Hohe Dosis: >1000 mg/m 2 KOF Leukovorin-Rescue Tumorzelle Körperzelle

Methotrexat: unerwünschte Wirkungen Elimination über die Nieren: glomeruläre Filtration + tubuläre Sekretion Vorsicht mit NSAIDs bei Hochdosis-Therapie: Ausfällung in den Nieren Methotrexat-PG bleibt über Wochen (Nieren) / Monate (Leber) in den Zellen Nephrotoxizität, Hepatotoxizität (teilw. ohne Transaminasen-Anstieg!) Schleimhautschäden, zentralnervöse Störungen Resistenzen: Veränderung des Folattransporters Dihydrofolsäure-Reduktase: Mutation, Genamplifikation Verminderung der Polyglutamat-Bildung Pemetrexed Hemmstoff der Thymidylat-Synthase, der Dihydrofolat-Reduktase u.a.

Mikrotubuli-Inhibitoren Mitose-Spindel Neuron: axonaler Transport Wachstum Schrumpfung Taxane dynamisches Gleichgewicht Vinca- Alkaloide

Mikrotubuli-Inhibitoren: Polyneuropathie sensorisch > motorisch Parästhesien, Brennen, Allodynie Taubheitsgefühl, vermindertes Vibrationsempfinden abgeschwächter Achillessehnenreflex Verlust der Propriozeption Fortschreiten von distal nach proximal Schädigung der Hirnnerven Enzephalopathien Störungen des autonomen Nervensystems

Mikrotubuli-Inhibitoren: Vinca-Alkaloide Vincristin (starke neurotoxische Wirkung) Vinblastin Cantharantus roseus (Madagaskar-Immergrün) Vindesin Vinorelbin Verschiedene Indikationen: akute lymphatische Leukämie, Lymphome, Melanome, Bronchialkarzinom, Mammakarzinom, u.a. Elimination über Lebermetabolismus und Ausscheidung über die Galle Resistenz durch p-glykoprotein

Mikrotubuli-Inhibitoren: Taxane Paclitaxel Überempfindlichkeitsreaktionen (Lösungsvermittler mod. Rizinusöl) Prämedik. mit Dexamethason + H 1 /H 2 -Blocker Taxus brevifolia Pazifische Eibe Docetaxel Hauttoxizität Flüssigkeitsretention Verschiedene Indikationen: Ovarialkarzinom, Mammakarzinom, Prostatakarzinom, nicht-kleinzelliges Bronchialkarzinom, Kopf-Hals-Tumore u.a. Abbau über Cytochrom P450-Isoenzyme Resistenz durch p-glykoprotein

Mitosehemmstoffe in der Entwicklung Ziel 1: weniger Resistenz (p-glykoprotein) Epothilone: Ixabepilon, Sagopilon Ziel 2: Hemmung der Mitosespindel ohne Wirkung auf neuronale Mikrotubuli Inhibitoren von Kinesinen: Eg5-Inhibitoren Inhibitoren von mitotischen Kinasen: Aurora-Kinasen, Polo-like-Kinasen

Zusammenfassung Antimetabolite Purinanaloga: 6-Mercaptopurin, 6-Tioguanin, Cladribin, Fludarabin, Pentostatin Pyrimidinanaloga: Fluorouracil, Cytarabin, Gemcitabin Folsäure-Antagonisten: Methotrexat (Pemetrexed) Mikrotubuli-Inhibitoren Vinca-Alkaloide: Vincristin, Vinblastin, Vindesin, Vinorelbin Taxane: Paclitaxel, Docetaxel