Was bisher geschah Modellierung in Logiken: klassische Prädikatenlogik FOL(Σ, X) Spezialfall klassische Aussagenlogik AL(P) Syntax Semantik Signatur, Variablen Terme (induktive Definition, Baumform) Atome (in AL(P): Aussagevariablen) Formeln (Junktoren, Quantoren) Σ-Interpretation I = (S, β) mit Σ-Struktur S = (S, S ) Belegung β : X S Wert von Termen, Atomen, Formeln in Σ-Interpretationen Modellmengen von Formeln und Formelmengen semantische Äquivalenz von Formeln erfüllbare, unerfüllbare, allgemeingültige Formeln semantische Folgerungen aus Formelmengen 267
Semantisches Folgern Beispiele für Φ = { x(p(x) Q(x)), P(x)} und = Q(y) gilt Φ =, weil für (S, β) mit S = ({a, b}, S ) mit P S = {b}, Q S = {a} und β = {x a, y b} gilt: (S, β) Mod(Φ), aber (S, β) Mod() { x (P(x) Q(x)), x P(x)} = x Q(x) für Φ = { x (P(x) Q(x)), x P(x)} und = ( x Q(x)) gilt Φ =, weil für S = ({a, b}, S ) mit P S = {b} und Q S = {a} gilt S Mod(Φ), aber S Mod() Für alle Formeln ϕ, FOL(Σ,X) gilt {ϕ, ϕ} = {ϕ, } = ϕ xϕ = ϕ (Modus ponens) (Modus tollens) 268
Modellierungsbeispiel: Taxi Sachverhalt (Kontext) informal: Bei Zugverspätung ist Tom nicht pünktlich, falls kein Taxi am Bahnhof steht. Der Zug hat Verspätung. Tom ist pünktlich. Modellierung als (aussagenlogische) Formelmenge: Φ T = {v ( t p), v, p} Frage: informal: Stand ein Taxi am Bahnhof? formal Gilt Φ T = t? 269
Eigenschaften der Folgerungsrelation Für jede endliche Formelmenge Φ = {ϕ 1,..., ϕ n } gilt n Φ = genau dann, wenn ϕ i = Für jede Formelmenge Φ FOL(Σ,X) und jede Formel FOL(Σ,X) gilt ( Φ) (Φ = ) i=1 Φ = gdw. Mod(Φ) = Mod(Φ {}) gdw. gdw. gdw. Für alle Formeln ϕ, FOL(Σ,X) gilt Mod(Φ { }) = Φ { } unerfüllbar Φ { } = f = gdw. allgemeingültig ϕ gdw. (ϕ = ) ( = ϕ) ϕ = gdw. = (ϕ ) ϕ gdw. = (ϕ ) 270
Weitere Modellierungsbeispiele mit Folgerungsfragen Lieblingsgetränke: Kontext siehe ÜA 6.7 Fragen: Haben Anna und Paul (wenigstens) ein gemeinsames Lieblingsgetränk? Welche? Welche Restaurants bieten dieses an? Familienbeziehungen: Kontext allgemein: Zwei Personen sind Geschwister gdw.... (Großeltern, verwandt,... ) Aufgaben-spezifisch: Paul ist Vater von Anna und Tom.... Fragen: Sind Paul und Tina verwandt? Wer sind Annas Großeltern, Nichten,...? Erreichbarkeit: Kontext: Menge von Orten A, B, C,..., existierende Straßen, Verbindungen Fragen: (Wie) Ist B von A erreichbar? 271
Anwendungen von Folgerungsaufgaben: Verifikation Verifikation: Nachweis der Korrektheit von Software und Systemen bzgl. einer gegebenen Spezifikation Beispiel Schaltkreis-Verifikation gegeben: Schaltung: Ausgabe-Verhalten (boolesche Funktion) als Formel ϕ AL(P) Spezifikation: Zielfunktion als logische Formel AL(P) Frage: Erfüllt die Schaltung die Spezifikation? (Folgt aus {ϕ}? Gilt {ϕ} =?) Lösung: ja / nein, evtl. mit Gegenbeispiel (unkorrekter Zustand) Beispiel Korrektheit von Software gegeben: Programm : tatsächlicher Zusammenhang zwischen Ein- und Ausgaben als Formelmenge Φ FOL(Σ, X) Spezifikation: gewünschter Zusammenhang zwischen Ein- und Ausgaben als logische Formel FOL(Σ,X) Frage: Erfüllt das Programm die Spezifikation? (Folgt aus Φ? Gilt Φ =?) Lösung: ja / nein, evtl. mit Gegenbeispiel (Eingabe mit falscher Ausgabe) 272
Syntaktisches Ableiten Ziel gegeben: Formelmenge Φ Formel Frage : Gilt Φ =? Ziel: Verfahren zur Beantwortung dieser Frage durch syntaktische Operationen (ohne Verwendung der Semantik, Modellmengen) Syntaktische Ableitungsrelation 2 FOL(Σ,X) FOL(Σ,X) passend zur semantischen Folgerungsrelation = 2 FOL(Σ,X) FOL(Σ,X) passt zu = gdw. für jede Formelmenge Φ FOL(Σ,X) und jede Formel FOL(Σ,X) gilt Φ gdw. Φ = 273
Kalküle Motivation Formale Methode zur schrittweisen syntaktischen Ableitung von sematischen Folgerungen (Formeln) aus einer Menge von Formeln (Hypothesen) Definition von Schlussregeln zur syntaktischen Ableitung von Folgerungen aus Formelmengen (Hypothesen, Annahmen) (analog Spielregeln), oft mehrere Voraussetzungen und eine Folgerung Ableitungen (und Beweisen) durch geeignete Kombinationen von Schlussregeln (Baumstruktur) 274
Kalküle - Definition Kalkül K = (A, R) mit Mengen von Axiome A, d.h. (Schema für) Formeln, deren Gültigkeit vorausgesetzt wird, Regeln R zur syntaktischen Ableitung von Folgerungen (weitere gültige Formeln) aus Formelmengen (Axiomen und Hypothesen) häufige Darstellung von Regeln: ϕ 1 ϕ n Voraussetzungen (oben): ϕ 1,..., ϕ n Folgerung (unten): Beispiel: Regel ( -Einführung) ϕ ( I) ϕ 275
Beispiel: Kalkül des natürlichen Schließens (Gerhard Gentzen, 1935) Idee: formale Beschreibung des menschlichen Vorgehens beim logischen Schließen und Beweisen Für jeden Junktor {,,, } und jeden Quantor eine Einführungsregel ( I) Junktor in der Folgerung (unten), aber in keiner Voraussetzung (oben) der Regel eine Eliminierungsregel ( E) Junktor in einer Voraussetzung (oben), aber nicht in der Folgerung (unten) der Regel Beispiel: Modus Ponens eliminiert die Implikation ϕ ϕ (MP) 276
Einige Regeln im Kalkül des natürlichen Schließens ϕ ( I) ϕ ϕ ϕ ϕ ϕ ( I) ( I) xϕ ϕ[x t] [ϕ]. ϕ ( E) ϕ ( I) ϕ ( E) ϕ ( I) ϕ ( E) ϕ ϕ[x t] xϕ ϕ ϕ ϕ ( E) η [ϕ]. η ϕ ϕ ( I) []. η ( E) ϕ ( E) (MT) t = t (=I) 277
Ableitungen in Kalkülen gegeben: Kalkül K = (A, R), Formelmenge Φ (Hypothesen, Annahmen) Definition (induktiv): Ableitung der Formel aus Φ in K IA: Ist eine Hypothese (also Φ) oder ein Axiom, dann ist eine Ableitung für aus Φ in K. IS: Sind ϕ 1 ϕ n eine Schlussregel in K und B 1,..., B n Ableitungen für ϕ 1,..., ϕ n aus Φ in K, dann ist B 1 B n eine Ableitung für aus Φ in K. 278
Beispiel Taxi Ableitungsbaum für {v ( t p), v, p} t: v v ( t p) ( E) t p t ( E) t p p ( I) (MT) klassische (sequentielle) Darstellung der Ableitung (des Beweises): 1. v (Annahme) 2. v ( t p) (Annahme) 3. t p ( E) mit 1 und 2 4. p (Annahme) 5. p ( I) mit 4 6. t (MT) mit 3 und 5 7. t ( E) mit 6 279