Strafrecht Allgemeiner Teil I
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- Joseph Breiner
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1 Strafrecht Allgemeiner Teil I 6 Strafbarkeitsvoraussetzungen Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi, LL.M., RA Vgl. DONATSCH/TAG, S. 82 ff., S. 100 ff.; STRATENWERTH, 7, 8
2 Leitende Fragestellung WER hat sich WODURCH WONACH strafbar gemacht? WER: Frage nach dem Täter WODURCH: Frage nach dem Verhalten des Täters (Sachverhalt) WONACH: Frage nach der anwendbaren Strafnorm HS 2016 Strafrecht AT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 88
3 HS 2016 Strafrecht AT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 89
4 Beispiel: Tagesanzeiger vom «Eine Unterschrift belastet Blatter. Dem Fifa-Präsidenten könnte eine Untersuchung wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung drohen» WONACH «Das Dokument trägt das Datum vom 12. September 2005 und bloss zwei Unterschriften. Jene von Joseph Blatter, Präsident des Weltfussballverbandes Fifa. Und jene von Jack Warner, Präsident der karibischen Fussball-Union CFU. Der Vertrag könnte für Blatter ein juristisches Nachspiel haben. Denn er verkauft per Einzelunterschrift im Namen der Fifa die TV-Ausstrahlungsrechte der Weltmeisterschaften 2010 und 2014 für insgesamt Dollar an die CFU. Das ist weit unter Wert, Warner schiebt als Präsident der CFU das Rechtepaket an eine Firma weiter, die ihm persönlich gehört. Und diese veräussert die TV-Rechte für die Karibik dem Kabelanbieter Sports Max für geschätzte 18 bis 20 Millionen Dollar. [ ]» WER WODURCH HS 2016 Strafrecht AT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 90
5 Beispiel: Zwischenfall in der Forchbahn «aus noch unbekannten Gründen» HS 2016 Strafrecht AT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 91
6 Straftatbestände des BT als Ausgangspunkt der Strafbarkeitsprüfung Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 StGB Einfache Körperverletzung: «Wer vorsätzlich einen Menschen an Körper oder Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.» Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 i.v.m. Art. 15 und 19 Abs. 1 StGB: «Wer vorsätzlich einen Menschen an Körper oder Gesundheit schädigt, ohne dass seine Tat durch Notwehr geboten war, macht sich strafbar, es sei denn, er war zur Zeit der Tat nicht fähig, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder gemäss dieser Einsicht zu handeln, und wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.» HS 2016 Strafrecht AT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 92
7 Zusammenspiel der Normen des AT und BT Normen des BT: Umschreibung der spezifischen Verhaltensweisen, die eine strafrechtliche Verantwortlichkeit zur Folge haben können Normen des AT: Normen, die als allgemeine Regelungen für alle Straftatbestände des BT gelten Strafrechtsdogmatik: Disziplin, welche sich mit Auslegung, Systematisierung und Fortbildung der gesetzlichen Anordnungen und wissenschaftlichen Lehrmeinungen im Bereich des Strafrechts befasst, darunter: Lehre von der Straftat/Verbrechenslehre: Versuch, den in den Normen des AT leider nur teilweise kodifizierten Straftataufbau systematisch zu ordnen und darzustellen HS 2016 Strafrecht AT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 93
8 Gliederungsstufen der Straftat Unrechtsurteil Vorwerfbarkeit des Verhaltens Verhalten gehört zu einem Typus von Verhaltensweisen, die grundsätzlich als Unrecht einzustufen sind Es liegen keine Gründe vor, wegen denen die Einstufung als Unrecht für den konkreten Fall zu korrigieren ist Dem Täter kann sein Verhalten als persönliches Verschulden vorgeworfen werden Tatbestandsverwirklichung = «Vollendung» des Delikts Rechtswidrigkeit (= Fehlen von Rechtfertigungsgründen) Schuld (= Fehlen von Schuldausschliessungsgründen) Vgl. STRATENWERTH, 8 N 1 ff. HS 2016 Strafrecht AT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 94
9 Der Tatbestand als Prüfungsstufe typisiert das strafrechtliche Unrecht muss alle Merkmale aufweisen, die das strafrechtlich relevante Unrecht begründen (unrechtsbegründende Tatumstände) aber auch nur diese legt die Anforderungen an die Vollendung des Delikts fest Vollendung = Erfüllung aller Tatbestandsmerkmale eines Delikts; formeller Begriff, der sich nach der jeweiligen Tatbestandsformulierung, nicht nach materiellen Kriterien richtet und deshalb z. B. nichts darüber aussagt, ob durch das Verhalten das tatbestandlich geschützte Rechtsgut verletzt wurde bleibt die Frage: welche Voraussetzungen gehören beim jeweiligen Delikt zum tatbestandlichen Unrecht und welche nicht? HS 2016 Strafrecht AT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 95
10 Der Tatbestand als Prüfungsstufe Tatbestand* Beispiel: Art. 139 Ziff. 1 StGB objektiver «Was sich in der Aussenwelt abspielt.» «Wer eine fremde bewegliche Sache wegnimmt.» subjektiver «Was sich im Kopf des Täters abspielt» Vorsatz und u.u. weitere Merkmale, welche die Art und Weise der Tatbegehung näher kennzeichnen: «zur Aneignung, um sich oder einen anderen damit unrechtmässig zu bereichern.» * Abweichende Tatbestandsstruktur beim Fahrlässigkeitsdelikt und beim versuchten Delikt HS 2016 Strafrecht AT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 96
11 Art. 133 StGB Raufhandel 1 Wer sich an einem Raufhandel beteiligt, der den Tod oder die Körperverletzung eines Menschen zur Folge hat, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. I. Tatbestand a) Objektiver Tatbestand Beteiligung an einem Raufhandel = tätliche wechselseitige Auseinandersetzung zwischen mindestens drei Personen b) Subjektiver Tatbestand: Vorsatz II. Rechtswidrigkeit III. Schuld IV. Sonstige Strafbarkeitsvoraussetzungen hier: objektive Bedingung der Strafbarkeit: Tod oder Körperverletzung eines Menschen als Folge des Raufhandels HS 2016 Strafrecht AT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 97
12 Der Tatbestand als Prüfungsstufe Hinweise für die Fallbearbeitung: grundsätzlich sind alle Merkmale des Tatbestands zu prüfen und zu bejahen, bevor die Verwirklichung des Tatbestands (Tatbestandsmässigkeit des Verhaltens) angenommen werden kann Ausnahme: bei alternativen Tatbestandsmerkmalen ist es ausreichend, wenn eines davon bejaht werden kann (Bsp.: «Wer vorsätzlich einen Menschen an Körper oder Gesundheit schädigt») sobald das Vorliegen eines (nicht alternativen) Tatbestandsmerkmals verneint wird: Prüfung des konkreten Deliktes ist an dieser Stelle zwingend zu beenden HS 2016 Strafrecht AT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 98
13 Die Rechtswidrigkeit als Prüfungsstufe betrifft Voraussetzungen des Unrechtsausschlusses gewährleistet eine umfassende Abgrenzung von legalem und illegalem Verhalten (bzw. von Freiheitssphären) im Einzelfall sichert Einheit der Rechtsordnung wird aber durch die Tatbestandsverwirklichung indiziert ist daher Fazit aus der Tatbestandsmässigkeit und dem Fehlen von Rechtfertigungsgründen HS 2016 Strafrecht AT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 99
14 Die Rechtswidrigkeit als Prüfungsstufe Hieraus folgt für die Fallbearbeitung: Rechtfertigungsgründe nur dann prüfen, wenn im Sachverhalt konkrete Anknüpfungspunkte dafür vorhanden sind; Prüfung dabei auf diejenigen Rechtfertigungsgründe beschränken, die im Einzelfall relevant erscheinen Anknüpfungspunkte für mehrere Rechtfertigungsgründe: Prüfung weiterer Rechtfertigungsgründe kann abgebrochen werden, sobald mindestens einer bejaht wird; Straflosigkeit für dieses Delikt feststellen nicht ersichtlich, dass überhaupt ein Rechtfertigungsgrund eingreifen kann: Prüfung der Rechtswidrigkeit erschöpft sich in dem Satz, dass Rechtfertigungsgründe nicht ersichtlich sind und somit der Täter rechtswidrig gehandelt hat HS 2016 Strafrecht AT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 100
15 Die Schuld als Prüfungsstufe gewährleistet Vorliegen persönlicher Vorwerfbarkeit für rechtswidrige Tatbestandsverwirklichung wird unterstellt, wenn Schuldausschliessungsgründe fehlen Problembereiche auf dieser Stufe: Schuldfähigkeit: betrifft biologisch-psychologischen Befund zur Einsichts- und Bestimmungsfähigkeit des Täters in Bezug auf die jeweilige Tat Möglichkeit des Unrechtsbewusstseins (unvermeidbarer Verbotsirrtum) Zumutbarkeit normgemässen Verhaltens bei besonderen (psychischen) Zwangslagen (Entschuldigungsgründe) HS 2016 Strafrecht AT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 101
16 Die Schuld als Prüfungsstufe Hieraus folgt für die Fallbearbeitung: es werden nur diejenigen Schuldausschlussgründe geprüft, die im Einzelfall aufgrund konkreter Anknüpfungspunkte relevant erscheinen sofern ein Schuldausschliessungsgrund vorliegt: Prüfung des Deliktes an dieser Stelle beenden, Straflosigkeit für dieses Delikt feststellen keine Anhaltspunkte für Schuldausschlussgründe im Sachverhalt: Prüfung der Schuld erschöpft sich in dem Satz, dass Schuldausschlussgründe nicht ersichtlich sind und somit der Täter schuldhaft gehandelt hat HS 2016 Strafrecht AT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 102
17 Der allgemeine Straftataufbau im Überblick I. Tatbestandsverwirklichung 1. objektiver Tatbestand 2. subjektiver Tatbestand II. Rechtswidrigkeit (= Fehlen von Rechtfertigungsgründen) III. Schuld (= Fehlen von Schuldausschliessungsgründen) IV. ggfs. sonstige Strafbarkeitsvoraussetzungen objektive Bedingungen der Strafbarkeit (persönliche) Strafausschliessungsgründe Strafaufhebungsgründe HS 2016 Strafrecht AT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 103
18 Verschiedene Grundformen der Straftat Unterscheidung nach der Verhaltensform: Begehungsdelikte Unterlassungsdelikte X wurde eine eingeschränkte Arbeitsfähigkeit zufolge eines Verkehrsunfalls attestiert. Er bezog daher jahrelang eine IV-Rente und weitere Versicherungsleistungen, bis Versicherungsdetektive ermittelten: X fährt unterdessen Autorennen, er arbeitet in einer Garage, sein Gesundheitszustand scheint einwandfrei. X wurde angeklagt wegen gewerbsmässigen Betrugs zum Nachteil der Versicherer. Problematisch war unter anderem die Frage: An welches Verhalten von X kann denn strafrechtlich überhaupt angeknüpft werden? Worin liegt die «Täuschung», die Art. 146 StGB verlangt? «Der Entgegennahme der Versicherungsleistungen kommt [ ] kein positiver Erklärungswert zu. [ ] Dem Beschwerdeführer ist damit im Ergebnis ausschliesslich vorzuwerfen, dass er die Versicherer [ ] nicht über seinen verbesserten Gesundheitszustand aufklärte, obschon er dies aufgrund der ihm obliegenden gesetzlichen und vertraglichen Meldepflichten hätte tun müssen. Damit kommt hier nur Betrug durch Unterlassen in Betracht, was eine Garantenpflicht voraussetzt. [ ] Das Bundesgericht verneinte bislang eine Garantenstellung aufgrund von Meldepflichten. [ ] An dieser bundesgerichtlichen Rechtsprechung [ ] ist festzuhalten. [ ].» (BGE 140 IV 15 ff.) HS 2016 Strafrecht AT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 104
19 Verschiedene Grundformen der Straftat Unterscheidung nach der Verhaltensform: Begehungsdelikte Unterlassungsdelikte Begehungsdelikte Normalfall Straftat wird durch ein aktives Handeln verwirklicht Täter missachtet ein Verbot, rechtlich geschützte Güter/Interessen zu beeinträchtigen (Unterlassungspflicht) Überwiegende Zahl der Tatbestände impliziert eine Rechtsgutsbeeinträchtigung durch aktives Handeln, z.b. Art. 111 StGB (töten), Art. 144 StGB (beschädigen), Art. 146 StGB (täuschen), etc. Unterlassungsdelikte Ausnahme Straftat wird durch ein Unterlassen verwirklicht Täter missachtet ein Gebot, zugunsten rechtlich geschützter Güter/Interessen tätig zu werden (Handlungspflicht) Strafrechtliche Relevanz des Unterlassens Tatbestand selbst umschreibt Missachtung einer Handlungspflicht, z.b. Art. 217 StGB Tatbestand + Handlungspflicht als Garant nach Art. 11 StGB VGL. STRATENWERTH, 7 N 12 ff. HS 2016 Strafrecht AT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 105
20 Verschiedene Grundformen der Straftat Unterscheidung nach dem Täterwillen: Vorsatzdelikt Fahrlässigkeitsdelikt Art. 111 StGB Vorsätzliche Tötung Wer vorsätzlich einen Menschen tötet wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. Art. 117 StGB Fahrlässige Tötung Wer fahrlässig den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Art. 12 StGB Vorsatz und Fahrlässigkeit 1 Bestimmt es das Gesetz nicht ausdrücklich anders, so ist nur strafbar, wer ein Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich begeht. 2 Vorsätzlich begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt. Vorsätzlich handelt bereits, wer die Verwirklichung der Tat für möglich hält und in Kauf nimmt. 3 Fahrlässig begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder darauf nicht Rücksicht nimmt. [ ] HS 2016 Strafrecht AT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 106
21 Einige Arten von Tatbeständen Art. 133 StGB Raufhandel 1 Wer sich an einem Raufhandel beteiligt, der den Tod oder die Körperverletzung eines Menschen zur Folge hat, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Art. 305 ter StGB Mangelnde Sorgfalt bei Finanzgeschäften und Melderecht 1 Wer berufsmässig fremde Vermögenswerte annimmt, aufbewahrt, anlegen oder übertragen hilft und es unterlässt, mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt die Identität des wirtschaftlich Berechtigten festzustellen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft. [ ] HS 2016 Strafrecht AT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 107
22 Einige Arten von Tatbeständen Unterscheidung nach dem Kreis der möglichen Täter: gemeine Delikte/Sonderdelikte Gemeine Delikte (Allgemeindelikte) Normalfall; Tatbestand kann von jedermann verwirklicht werden echte Täter kann nur sein, wer bestimmte Eigenschaften erfüllt oder wer eine besondere Pflichtenstellung inne hat; dadurch wird die Strafe begründet (eigenständiges Delikt) Bsp: Art. 305 ter StGB; Art. 312 StGB (Amtsmissbrauch) Sonderdelikte unechte Delikt kann von jedermann od. grösserem Kreis von Personen begangen werden, besondere Eigenschaft des Täters wirkt aber strafschärfend (Abwandlung eines gemeinen Deliktes) Bsp: Art. 317 StGB (Urkundenfälschung im Amt) HS 2016 Strafrecht AT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 108
23 Einige Arten von Tatbeständen Art. 111 StGB vorsätzliche Tötung Wer einen Menschen tötet, wird bestraft. Art. 91 SVG Fahren in fahrunfähigem Zustand und Missachtung des Verbots, unter Alkoholeinfluss zu fahren 1 Mit Busse wird bestraft, wer: a. in angetrunkenem Zustand ein Motorfahrzeug führt; [ ] HS 2016 Strafrecht AT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 109
24 Einige Arten von Tatbeständen Unterscheidung nach der Aussenwirkung der Handlung: Erfolgsdelikte Tätigkeitsdelikte Erfolgsdelikte: Tatbestand setzt voraus, dass der Täter durch sein Verhalten eine Aussenwirkung erzielt, die von seinem Verhalten zeitlich und räumlich unterscheidbar ist (tatbestandlicher Erfolg) Verhalten Kausalität Erfolg Beispiele Tod eines Menschen (Art. 111 ff. StGB) Beschädigung der Sache (Art. 144 StGB) Vermögensdisposition des Opfers (Art. 156 StGB) Vgl. DONATSCH/TAG, S. 101 ff. HS 2016 Strafrecht AT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 110
25 Einige Arten von Tatbeständen Tätigkeitsdelikte: Tatbestand setzt keinen derartigen Erfolg voraus; vielmehr genügt (bei Vorliegen der weiteren Tatbestandsmerkmale) für die Tatbestandsverwirklichung allein die Vornahme des gesetzlich umschriebenen Verhaltens Verhalten Beispiele Falschanschuldigung (Art. 303 StGB) Trunkenheitsfahrt (Art. 91 SVG) Wegnahme (Art. 139 StGB; fragwürdig) HS 2016 Strafrecht AT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 111
26 Einige Arten von Tatbeständen Relevanz der Unterscheidung: Strafanwendungsrecht: zählt als «Erfolg» i.s.v. Art. 8 StGB nur der tatbestandliche Erfolg, den die Erfolgsdelikte verlangen? Tätigkeitsdelikt kann (bei Vorliegen der weiteren Tatbestandsmerkmale) bereits mit der blossen Vornahme der Tathandlung vollendet sein vollendeter Versuch nur ausnahmsweise möglich (Untauglichkeit des Tatobjekts) nur bei Erfolgsdelikten muss nach einem Ursachen- und Zurechnungszusammenhang zwischen Handlung und Erfolg gefragt werden HS 2016 Strafrecht AT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 112
27 Einige Arten von Tatbeständen Verletzungsdelikte Gefährdungsdelikte: betrifft die Intensität der Einwirkung auf das vom Tatbestand geschützte Rechtsgut abstraktes Gefährdungsdelikt Rechtsgut konkretes Gefährdungsdelikt Verletzungsdelikt Vgl. STRATENWERTH, 9 N 15 ff. HS 2016 Strafrecht AT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 113
28 Rechtsgut: ideelles Gut; Zustand/Prozess, dem der strafrechtliche Schutz gelten soll Handlungsobjekt/Angriffsobjekt/Tatobjekt einer Strafnorm: körperlicher Gegenstand der verbotenen Handlung, der zumeist ein Rechtsgut repräsentiert Strafbestimmung Handlungsobjekt geschütztes Rechtsgut Tötungsdelikte Art. 111 ff. StGB Diebstahl Art. 139 StGB Falschaussagen Art. 306 ff. StGB Fahren in fahrunfähigem Zustand, Art. 91 SVG Rechtsgut Handlungsobjekt jeder andere lebende Mensch fremde bewegliche Sache das menschliche Leben Eigentum (Verfügungsmöglichkeit über die Sache) (-) Rechtspflege (ungehinderter Gang der Rechtsfindung) Motorfahrzeug / motorloses Fahrz. Verkehrssicherheit (zudem: Leib, Leben, Eigentum?; streitig) Vgl. DONATSCH/TAG, S. 105 f.; STRATENWERTH, 9 N 12 ff. HS 2016 Strafrecht AT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 114
29 Einige Arten von Tatbeständen Art. 111 StGB vorsätzliche Tötung Wer einen Menschen tötet, wird bestraft. Art. 129 StGB Gefährdung des Lebens Wer einen Menschen in skrupelloser Weise in unmittelbare Lebensgefahr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. Art. 91 SVG Fahren in fahrunfähigem Zustand und Missachtung des Verbots, unter Alkoholeinfluss zu fahren 1 Mit Busse wird bestraft, wer: a. in angetrunkenem Zustand ein Motorfahrzeug führt; [ ] HS 2016 Strafrecht AT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 115
30 Die verschiedenen Deliktsformen das vorsätzlich und durch aktives Tun (Begehung) verwirklichte vollendete Erfolgsdelikt das fahrlässig und durch aktives Tun verwirklichte vollendete Erfolgsdelikt das fahrlässig/vorsätzlich durch Unterlassen verwirklichte vollendete Erfolgsdelikt das vorsätzlich und durch aktives Tun/durch Unterlassen versuchte (= nicht zur Vollendung gelangte) Delikt HS 2016 Strafrecht AT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 116
31 Vorgehensweise in der Veranstaltung das vorsätzlich und durch aktives Tun verwirklichte vollendete Erfolgsdelikt das versuchte Delikt Besonderheiten des Unterlassungsdelikts Besonderheiten des Fahrlässigkeitsdelikts HS 2016 Strafrecht AT I, Prof. Dr. iur. Gunhild Godenzi Folie 117
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