Beitrag: Schnäppchen bei TEDi Auf dem Rücken der Arbeitnehmer

Transkript

1 Manuskript Beitrag: Schnäppchen bei TEDi Auf dem Rücken der Arbeitnehmer Sendung vom 13. November 2018 von Norman Laryea Anmoderation: Und willkommen im Billigparadies Deutschland. Die Schnäppchenläden boomen. Der Marktführer TEDi eröffnet eine Filiale nach der anderen und wirbt mit Artikeln unter einem Euro. So weit, so billig. Aber was den Kunden bei den Discountern gut und günstig vorkommt, bezahlen die Mitarbeiter oftmals teuer. Norman Laryea blickt hinter die Auslage bei TEDi. Text: Der TEDi-Bär soll Kunden locken. Das Versprechen: große Auswahl zum kleinen Preis. Spielzeug, Deko-Artikel Haushaltswaren, Drogerieprodukte. Bei den Kunden kommt das an. O-Ton Passantin: Immer wenn ich in den TEDi gehe, finde ich immer so ganz, ganz billige, coole Sachen eigentlich. O-Ton Passant: Schnickschnack, den man sich mal holen kann für günstiges Geld, zum Beispiel für nen Geburtstag. O-Ton Passantin: Viel, viel Auswahl. Lydia K. hat viele Jahre für TEDi gearbeitet. Die Begeisterung der Kunden für den Discounter kann sie nicht teilen. Morgens ist grundsätzlich jemand alleine, zumindest die ersten drei Stunden. Und dann kommt erst der andere Kollege. Natürlich ist das eine hohe Belastung: Man muss den Außenverkauf rausfahren, nebenbei kassieren. Wenn man Pech hat, kommt noch die Ware, die angenommen werden muss. Und das alles alleine und am besten zeitgleich.

2 Wenn viel Ware geliefert werde, sei es kaum zu schaffen, alles einzuräumen und gleichzeitig Kunden zu bedienen, berichtet die frühere TEDi-Mitarbeiterin. Es sei einfach zu wenig Personal da. Wegen psychischer Erschöpfung ist Lydia K. krankgeschrieben. Ich bin lange ausgefallen aufgrund körperlicher Beschwerden - und letztendlich auch wegen dem psychischen Aspekt. Erschöpfung durch die Belastung. TEDi ist deutscher Marktführer bei Billigshops mit fast Filialen und rund Mitarbeitern. Überlastung durch Personalmangel? Das Unternehmen bestreitet das, Die Filialen sind gleichzeitig mit mindestens zwei Mitarbeitern besetzt. Einzelbesetzung ist nur in klar definierten Ausnahmefällen zulässig. Bei hoher Arbeitsbelastung würden Mitarbeiter aus anderen Filialen hinzugerufen, lässt TEDi uns wissen. Also, mindestens zwei Mitarbeiter im Laden? Stichprobe mit versteckter Kamera: Acht Filialen in verschiedenen Städten besuchen wir, immer zwischen neun und zwölf Uhr, jeweils dreimal in dieser Zeit. Ergebnis: In vier von acht Filialen haben wir nur eine Mitarbeiterin bei der Arbeit angetroffen. TEDi hatte außerdem betont, dass ausreichend Personal eingeplant werde, Bei der für eine Filiale erforderlichen Mitarbeiter- Stundenzahl werden bekannte und unvorhersehbare Arbeitserfordernisse bereits im Vorhinein kalkuliert und in die Einsatzplanung eingearbeitet. Uns werden interne Papiere zugespielt: die Stundenvorgaben für die einzelnen TEDi-Filialen für Anfang Mehr als 100 Filialen sind aufgeführt. Aus den Unterlagen ergibt sich: Für mindestens 70 Prozent der TEDi-Geschäfte war keine durchgängige Zweierbesetzung geplant. Außerdem: In rund 50 Prozent der Filialen wären die Mitarbeiter wöchentlich mindestens 20 Stunden alleine im Einsatz.

3 Außerdem müssten Mitarbeiter häufig sehr kurzfristig einspringen, behauptet Ex-Verkäuferin Lydia K.: Das Telefon klingelt, jemand ist krank oder ausgefallen oder musste in eine andere Filiale. Und dann wird halt gefragt, ob man einspringen kann, weil man ja eigentlich immer fast rund um die Uhr erreichbar sein muss. Was heißt muss? Aber es wird halt verlangt, damit man flexibel ist und einspringen kann. Julian Senkpeil, Fachanwalt für Arbeitsrecht, schaut sich für uns den Arbeitsvertrag einer TEDi-Teilzeitkraft genauer an. Darin steht: Angestellte sollen mit vier Tagen Vorlauf gefragt werden, ob sie einspringen können. Doch der Vertrag enthält Ausnahmen: Bei Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse kann die Ankündigungsfrist unterschritten werden. O-Ton Julian Senkpeil, Fachanwalt für Arbeitsrecht: Im Gesetz ist ausdrücklich geregelt, dass ein Arbeitgeber, bezogen auf die Teilzeitkräfte, eine Vorlaufzeit von vier Tagen einzuhalten hat. Wenn er dies nicht tut, hat jeder Arbeitnehmer das Recht zu sagen: Nein, dieser Weisung komme ich jetzt nicht nach, vier Tage sind einzuhalten! Wenn man ständig in dem Bewusstsein ist, der Arbeitgeber kann jede Sekunde anrufen, ist die private Lebensplanung natürlich sehr eingeschränkt. TEDi bestreitet uns gegenüber, dass Mitarbeiter ständig abrufbar sein müssten. Unvorhersehbare Arbeitslücken würden, allein auf freiwilliger Basis und unter Berücksichtigung geltender Stunden-Obergrenzen aufgefüllt. Pascal M. hat das anders erlebt. Im Oktober 2017 fing er bei TEDi an. Bis vor Kurzem war er Bezirksleiter und hatte Personalverantwortung für mehr als zehn Filialen. Also, wenn Sie montags morgens angefangen haben, ging um fünf nach acht das erste Mal das Handy: Mitarbeiter A ist krank, Filiale B ist nicht besetzt. Und dann haben Sie irgendwann keine Mitarbeiter mehr, ja. Wir haben teilweise von den Mitarbeitern verlangt, egal ob es jetzt ein geringfügig Beschäftigter ist, eine Teilzeitkraft oder eine Vollzeitkraft, dass die Stand-by am Telefon sitzen und warten, dass sie angerufen werden. Sein Job: für reibungslosen Betrieb sorgen. Pascal M berichtet, seine Arbeitszeiten seien an manchen Tagen extrem gewesen:

4 Sechs Tage die Woche - 16, 17, 18 Stunden, bis teilweise morgens drei, vier Uhr. Also, es wurde drauf bestanden, ich sage mal, wenn ich um Viertel nach elf [23.15 Uhr] einen Anruf bekomme, dass ich dann auch noch drangehe. Also, die Arbeitsbelastung war, die ist zu hoch. Die ist einfach zu hoch. TEDi widerspricht: Es gebe keine 24-Stunden-Rufbereitschaft. Bezirksleiter würden wohnortnah eingesetzt und hätten eine Fünf- Tage-Woche mit jeweils 40 Stunden. Pascal M. hat rund 15 Jahre im Einzelhandel gearbeitet. Trotz seiner Erfahrung hätten ihn die Arbeitsbedingungen bei TEDi immer stärker belastet. Im März 2018 kann er nicht mehr: Also, ich bin morgens wie in Trance ins Auto gestiegen, bin auf die Autobahn gefahren und kriegte irgendwie wirklich erst so nach 50 Kilometern mit, dass ich im Auto sitze, weil ich so in dem Tunnel schon drin war: Du musst das machen, du musst das machen. Und: Das schaffst Du ja schon wieder alles gar nicht mehr, weil der Tag hat ja nur 24 Stunden. Und dann bin ich wirklich rechts rangefahren und dann saß ich zwei Stunden wirklich im Auto, und auch teilweise unter Tränen und so weiter, wo ich gesagt habe: Es geht nicht mehr! Ende September hat Pascal M. bei TEDi aufgehört. Über Monate war er zuvor krankgeschrieben. Nach wie vor leide er unter den Folgen der Arbeitsbelastung. Depressionen, Schlafstörungen und Angstzustände. Fange jetzt nächsten Monat auch die Therapie an und muss jeden Tag Tabletten nehmen, weil ich sonst nicht schlafen kann. Also, es gibt immer noch Nächte, wo ich um drei Uhr nachts durchs Haus geistere und, ja, die Gedanken sich immer noch um die Arbeit drehen. TEDi schreibt, das Unternehmen helfe erkrankten Mitarbeitern. Außerdem heißt es, Wie in jedem anderen Unternehmen auch, gibt es bei TEDi Einzelfälle, in denen Bezirksleitungen das ihnen übertragene Aufgabenportfolio nicht bewältigen können. Dies ist aber in der Regel auf die subjektiv-persönliche Verfasstheit zurückzuführen und nicht auf die Strukturen bei TEDi. Lydia K. zieht ein ganz anderes Fazit über ihren ehemaligen

5 Arbeitgeber Deutschlands Schnäppchen-Giganten: Weil in meinen Augen nicht wertgeschätzt wird, was man jeden Tag in der Filiale macht. Man muss alles für TEDi geben, aber von TEDi kommt nichts zurück. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.