Beitrag: Chaos am Flughafen Überlastete Sicherheitsdienste

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1 Manuskript Beitrag: Chaos am Flughafen Überlastete Sicherheitsdienste Sendung vom 4. September 2018 von Thomas Münten und Heiko Rahms Anmoderation: Flugreisende kennen das. Schlangen bei der Sicherheitskontrolle. Verschärfte Bestimmungen, was ins Handgepäck darf und was nicht. Strenges Personal, das nach Flüssigkeiten fragt. Körperscanner. All das soll der Sicherheit der Passagiere dienen. Und zugleich geht an deutschen Flughäfen vieles schief. In diesem Sommer lösten Pannen bei der Passagierkontrolle gleich mehrfach Chaos aus. Heiko Rahms und Thomas Münten über Lücken bei der Flughafensicherheit. Text: FLUGHAFEN MÜNCHEN, Terminal 2, 28. Juli Grad Passagiere O-Ton Benedikt Gradl, Passagier: Das erste, was uns gesagt wurde, noch bevor wir zu den Koffern gehen konnten, war: Stopp, bitte bleiben Sie stehen, es gibt einen Abfertigungsstopp. O-Ton Ümit Kusdogan, Passagier: Wir wurden irgendwie wieder rausgeführt aus den Fliegern, kamen in den Bereich, waren aber da komplett allein. Also, es war kein Flughafenpersonal da, es waren keine Stewardessen da. O-Ton Benedikt Gradl, Passagier: Es war jetzt keine Panik, aber es war schon ein mulmiges Gefühl. O-Ton Ümit Kusdogan, Passagier: Die Türen gingen ja nicht auf, bis dann quasi auch so ein

2 junger Herr den Alarmknopf gedrückt hat, hat gemeint: Hilfe, Hilfe, holen Sie uns hier raus! Aber wir wussten halt nicht, nach links oder nach rechts. FLUGHAFEN FRANKFURT, Terminal 1, 7. August Flüge gestrichen Die beiden größten deutschen Flughäfen mitten in den Sommerferien 2018 lahmgelegt Passagiere bleiben am Boden Die Mitarbeiter bei der Sicherheitskontrolle der Passagiere überfordert. Panik droht: O-Ton Carolin Barth, Diplom-Psychologin: Wir verlassen uns in Krisensituationen ein bisschen auf die Mitmenschen, auf andere Menschen, ohne dabei zu bedenken, dass die genauso gestresst sind, wie man selber. Und in diesen Massenphänomenen kann s halt dann relativ schnell zu Panik kommen, gerade weil wir relativ schnell an Terror denken oder an andere unschöne Situationen und dann natürlich Angst und Panik vorherrschen. Fluggastkontrolle - eigentlich eine hoheitliche Aufgabe. Bis in die neunziger Jahre kontrollierten Polizeibeamte Passagiere. Nach und nach übernahmen private Dienstleister. Heute kontrollieren sogenannte Luftsicherheitsassistenten die Fluggäste. Die Bundespolizei überwacht greift nur im Notfall ein. Frankfurt-Flughafen. Der staatlich gelenkte Flughafenbetreiber Fraport beschäftigt nur noch 500 eigene Kontrolleure. Den Großteil des Geschäftes erledigen zwei private Sicherheitsfirmen mit Angestellten. Wir treffen eine Mitarbeiterin. Sie hat Angst um ihren Job, möchte nicht erkannt werden: O-Ton Petra M., Luftsicherheitsassistentin in Frankfurt, Eigentlich müssten pro Schicht sechs Leute an einem Band stehen. Aber immer wieder sind wir nur zu viert. Dann sollten es immer auch drei Frauen sein, damit die sich abwechseln können. Aber oft sind nur zwei in der Schicht. Dann können wir uns nicht abwechseln. Ich stehe oft sechs Stunden am Stück am Band. Da flimmern mir die Augen und hinterher habe ich Kopfschmerzen. Der Stundenlohn ist gut, aber die verheizen uns. Mitarbeiter an mehreren deutschen Flughäfen klagen über hohe Arbeitsbelastung wegen Personalmangel. An den Flughäfen Düsseldorf und Köln/Bonn müssten Mitarbeiter der Sicherheitsfirma Kötter Security in einer Schicht an beiden

3 Flughäfen arbeiten und mit ihrem Privat-Pkw hin- und herfahren. Wer im Juli und August nicht krank wurde, dem habe die Firma bis zu 750 Euro extra gezahlt eine Gesund-Bleib-Prämie. Jetzt gibt es kein Extrageld mehr, berichtet uns ein Kontrolleur. Auch er will unerkannt bleiben: O-Ton Karl T., Luftsicherheitsassistent in Düsseldorf, Kaum war die Prämie weg, haben sich erst einmal 130 Leute auf einmal krank gemeldet. Die haben sich vorher dann wohl unter allen Umständen zur Arbeit geschleppt. Dienst trotz Krankheit, wo bleibt da die Sicherheit? Der Geschäftsführer von Kötter Security weist die Vorwürfe zurück: O-Ton Peter Lange, geschäftsführender Direktor KÖTTER Verwaltungsdienstleistungen: Die Motivationsprämie wird nur gezahlt für gesunde Mitarbeiter. Sehe ich einen Mitarbeiter oder sieht der Betriebsrat einen Mitarbeiter, dem es nicht gut geht, der sichtbar krank ist, der wird von mir sofort nach Hause geschickt. Für immer mehr Passagiere braucht es immer mehr Luftsicherheitsassistenten. Doch der Job ist kein Ausbildungsberuf - ein paar Wochen Schulung, eine Prüfung, dann geht es ans Kontrollband. O-Tin Petra M., Luftsicherheitsassistentin in Frankfurt, Es kommen immer wieder neue Kollegen, die haben dann zwar die Theorie gelernt, aber in der praktischen Arbeit sind sie absolute Anfänger. Einige sprechen außerdem kein Englisch. Das ist echt problematisch. Und die Kontrolle - das ist dann sozusagen Learning by Doing. Passagiere abtasten, immer korrekt reagieren, gerade in Ausnahmesituationen ist das nicht einfach. Ausbildung und Schulung müssten verbessert werden: O-Ton Carolin Barth, Diplom-Psychologin Ich denke ein Kommunikationstraining, einfach um mit solchen schwierigen Situationen umzugehen und die Leute so zu regulieren, dass es halt gar nicht zu Stressoren kommt. Und dadurch entstehen halt diese Massenpanikphänomene erst gar nicht. Am Frankfurter Flughafen will Betreiber Fraport auch die letzten 500 eigenen Kontrolleure loswerden und sich künftig ganz auf private Sicherheitsfirmen verlassen. Warum? Dazu kein

4 Interview. Schriftlich teilt Fraport mit, Die Steuerung und Organisation der Sicherheitskontrollen ( ) verantwortet die Bundespolizei, an die ich Sie zur Beantwortung Ihrer Fragen verweisen muss. Also: Nachfrage bei der Bundespolizei. Die erstaunliche Antwort, Wie die Sicherheitsdienstleister ihr Personal einsetzen, liegt nicht im Verantwortungsbereich der Bundespolizei. Niemand will verantwortlich sein - erst recht nicht für das Chaos mitten in der Urlaubszeit. Die Gewerkschaft der Polizei übt Kritik: O-Ton Jörg Radek, stellvertretender Bundesvorsitzender Gewerkschaft der Polizei: Die Bundespolizei muss die Möglichkeiten haben, eigenständig das Personal einzusetzen, das Personal zu koordinieren und auch auf das Personal zugreifen zu können. Das ist bisher nicht gegeben, sondern es ist abdelegiert auf die privaten Sicherheitsfirmen. Bundesinnenminister Horst Seehofer plant, die Kontrolle der Passagiere ganz in die Hände privater Unternehmen abzugeben - trotz der Dauerkritik wegen überfordertem Personal und regelmäßiger Pannen. Seehofer will die Bundespolizei lieber anderswo einsetzen. In einem internen Eckpunktepapier, heißt es dazu, All dies bindet Kapazitäten der BPOL [Bundespolizei], die für eigentliche Kernaufgabe Gefahrenabwehr im Luftverkehr benötigt werden, namentlich für intensive Fachaufsicht und effektive Qualitätskontrollen. O-Tom Stephan Mayer, CSU, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium: Ich bin der festen Überzeugung, dass es bei der Sicherheit keinen Rabatt geben darf. Die Flughäfen wollen mehr nichthoheitliche Aufgaben von der Bundespolizei übernehmen. Darin sehe ich durchaus auch einen gewissen Charme, weil damit Stellen auch bei der Bundespolizei, die ohnehin momentan ja auch sehr angespannt ist, was die Personalsituation anbetrifft, frei würden. Also: noch weniger Polizei für die Fluggastkontrollen. Keine gute Idee, findet die Gewerkschaft. O-Ton Jörg Radek, stellvertretender Bundesvorsitzender

5 Gewerkschaft der Polizei: Flughafenbetreiber mehr in die Verantwortung nehmen, hieße ein Privatunternehmen, das gewinnorientiert arbeitet, das nach Kosten- und Wirtschaftsfaktoren entscheidet, mehr in die Verantwortung zu nehmen. Das ist ein Widerspruch zu dem, was wir an Sicherheit an Flughäfen brauchen. Sicherheit braucht Verlässlichkeit, Sicherheit braucht Nachhaltigkeit, die können die Flughafenbetreiber, die eher auf Schnelligkeit als auf Sorgfalt setzen, uns nicht gewährleisten. In München ist die staatliche Sicherheitsgesellschaft München verantwortlich für die Kontrollen. Das habe Vorteile, sagt Gewerkschafter Kai Winkler, alle Probleme löse das aber nicht: O-Ton Kai Winkler, ver.di Bayern: Wir sind froh, dass es in öffentlicher Hand ist, weil es gilt der Tarifvertrag Öffentlicher Dienst, der hat ein höheres Gehalt wie bei den Privaten, der hat eine betriebliche Altersvorsorge, die extrem wichtig ist. Das gibt es bei Privaten nicht, dennoch gibt es tatsächlich auch Druck bei den Beschäftigten. Der war zu Ferienbeginn offenbar besonders groß. Ohne kontrolliert zu werden, spazierte eine Frau durch den Sicherheitsbereich. Als das Terminal geschlossen wurde, saß sie bereits im Flieger. Was die Sicherheitstechnik angeht, seien viele deutsche Flughäfen ohnehin nicht auf dem neuesten Stand. Im Ausland sei das oft anders, sagt Luftfahrtjournalist Andreas Spaeth. O-Ton Andreas Spaeth, Luftfahrtjournalist: In Deutschland sind die Flughäfen fast alle am Limit und fast schon überlastet, oft, selbst trotz einiger neuer Terminals wie in München, weil hier einfach in Deutschland eher dem Bedarf hinterhergebaut wird, etwa an Gebäuden und Terminals und nicht wie in anderen Ländern dem Bedarf, der erkennbar ist, vorangegangen wird. Und so müssen Passagiere damit rechnen, dass das Flughafenchaos sich wiederholt - zur nächsten Ferienzeit. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.