Beitrag: Dubiose Wohnungsmakler Wie Flüchtlinge betrogen werden

Transkript

1 Manuskript Beitrag: Dubiose Wohnungsmakler Wie Flüchtlinge betrogen werden Sendung vom 18. Juli 2017 von Anna Neifer Anmoderation: In 138 Städten und Kreisen herrscht inzwischen Wohnungsnot. 138 Mal Deutschland, wo Wohnungssuchende Schlange stehen. Bewerber mit ausländisch klingendem Namen haben es laut Studien besonders schwer, eine Wohnung zu bekommen. Einige Vermieter diskriminieren schamlos doppelt. Sie drehen Migranten Absteigen an, die kein Deutscher haben möchte, und kassieren Mieten, die kein Deutscher zahlen würde. Und dann gibt es auch noch eine Steigerung ins Kriminelle: dubiose Vermittler, die von Geflüchteten eine Kaution verlangen. Die Wohnung geben sie ihnen aber trotzdem nicht. Anna Neifer über die Nebenkosten der Not: Ausbeutung und Betrug. Text: Berlin-Steglitz. Ende Juni Ein heimlich aufgenommenes Video zeigt eine Geldübergabe. Offenbar gibt sich der Mann als Makler aus und verlangt viel Geld, Kautionen für Wohnungen. Auch sie haben ihr letztes Erspartes gezahlt: Flüchtlinge. Anders glaubten sie keine Wohnung zu finden. Der angebliche Makler sprach Arabisch, nutzte ihre Not aus. O-Ton Ali Jamal Mohammed, Geflüchteter: Also, er hat uns ganz viele Wohnungen gezeigt und gesagt: Wenn ihr eine Wohnung haben wollt, müsst ihr dafür bezahlen, wie eine Art Kaution, das ist die Regel hier in Deutschland. Ein weiteres Video zeigt eine Wohnungsbesichtigung in Berlin - zu haben gegen Vorauszahlung, pro Person Euro. Diese Männer erzählen, insgesamt habe der angebliche Makler von ihnen und anderen Flüchtlingen rund Euro kassiert. O-Ton Ali Jamal Mohammed, Geflüchteter: Also, ich habe keine Wohnung bekommen und mein Geld

2 verloren - alles sehr enttäuschend für uns. Die Flüchtlinge sind sicher: Sie wurden betrogen. Sie erstatten Anzeige bei der Polizei. Das Landeskriminalamt Berlin ermittelt wegen Wohnungsvermittlungsbetrug. O-Ton Oliver Klau, Leiter Dezernat Betrug, LKA Berlin: Oft ist es so, dass tatsächlich auch eine Wohnung gezeigt wird, vorgeführt wird. Das sind entweder Wohnungen, die tatsächlich gar nicht zur Verfügung stehen, oder aber Wohnungen, die sich gerade im Bau befinden, und wo behauptet wird, nach Fertigstellung oder nach Sanierung können die Flüchtlinge dort einziehen. Flüchtlinge - eine neue Opfergruppe für kriminelle Geschäfte. Die laufen professionell, mit scheinbar echten Wohnungsangeboten: hier mit Unterschriften und Briefkopf der Hilfswerk-Siedlung GmbH. Doch das Unternehmen weiß nichts davon, fühlt sich missbraucht, sagt auf Nachfrage, es handele sich um eine Fälschung. Der angebliche Makler - offenbar ein Betrüger. Als die Flüchtlinge ihr Geld zurückfordern, habe der Mann gedroht. O-Ton Wasim Haddad, Geflüchteter: Manche von uns haben Angst. Wenn du ihn anrufst und sagst, du gehst zur Polizei, sagt er, dass er dir wehtun kann, wenn du was machst. Wir bekommen einen Tipp, wo der angebliche Makler wohnt. Hallo, Neifer, ZDF, Frontal 21. Mir sind Informationen zugegangen, dass Sie Flüchtlingen Wohnungen gezeigt und Sie dann um ihr Geld betrogen haben, was sagen Sie dazu? O-Ton Mann: Was ist das? Das ist Quatsch, was Sie machen. Kommen Sie doch raus und sprechen Sie mit mir. Draußen treffen wir ihn noch einmal. Antworten Sie doch einfach auf die Fragen. Antworten gibt er keine. Abzocke von Flüchtlingen bei der Wohnungssuche. Nachfrage bei mehr als 350 Beratungsstellen und Ehrenamtlichen, bundesweit. Die ergibt rund 50 Hinweise auf Betrügereien, zum Beispiel

3 solche: immer wieder (...) illegale Provisionen und Makler Oder jemanden, der Wohnungen für die Flüchtlinge sucht ( ). Hierfür müssen allerdings Geldbeträge erbracht werden. Und: dass sich ein Mann rumtreibt, der den Geflüchteten Wohnungen vermittelt und tausende von Euro als Vermittlungsgebühr verlangt. Beratungsstelle für Geflüchtete, Bergkamen. Joel Zombou stellt fest, nicht nur in großen Städten, auch auf dem Land kassieren Kriminelle Flüchtlinge ab. O-Ton Olivier Joel Zombou, Koordinator Flüchtlingsarbeit, Evangelischer Kirchenkreis Unna: Manchmal bekommen sie auch Verträge, die eigentlich ungültig sind, und auch dafür bezahlt haben, aber keine Wohnung. Und das ist etwas, was ich gerade seit ein paar Monaten beobachte. Helfer wie Joel Zombou erzählen, was Flüchtlinge zahlen sollen für eine Wohnungsvermittlung. Die Preise sind hoch, auch wenn sie variieren: Euro in Kiel und ab Euro in Köln, Berlin und München. Ein illegaler Vermittlungsmarkt, speziell für Flüchtlinge. Mainz. Auch dieser anerkannte Flüchtling erzählt, er habe nur gegen Geld eine Bleibe gefunden. Er will nicht erkannt werden. 250 Euro habe er zahlen müssen, sein Freund auch, für ein einziges Zimmer. O-Ton Flüchtling: Der Hausmeister meinte, das Zimmer ist für dich und deinen Freund. Er hat mir versprochen, nach ein, zwei Wochen, habe er ein weiteres Zimmer. Die zwei Männer sagen, sie mussten mehrere Monate zu zweit auf rund 15 Quadratmetern in einem Appartement leben. Trotzdem habe jeder einen eigenen Mietvertrag gehabt, über jeweils 610 Euro. Zusammen wären das Euro. Heike Simon engagiert sich ehrenamtlich für Flüchtlinge in Mainz. Sie hat die Männer besucht und danach den Fall dem verantwortlichen Jobcenter angezeigt. O-Ton Heike Simon, ehrenamtliche Mitarbeiterin, Initiative

4 Save me Mainz : Ich habe sie darüber informiert, dass sich zwei Personen ein Zimmer teilen und dass das ja bedeutet, dass das Jobcenter aus öffentlichen Geldern für ein 15 Quadratmeter Zimmer doppelt zahlt und dass sie mir das doch bitte mal erklären möchten, warum sie das tun. Wie hat das Jobcenter darauf reagiert, als Sie das informiert haben? O-Ton Heike Simon, ehrenamtliche Mitarbeiterin, Initiative Save me Mainz : Gar nicht. Heimlich gedrehte Bilder aus der Unterkunft. Das Mobiliar in der Gemeinschaftsküche ist heruntergekommen - Dreck und Müll. Der Herd für eine ganze Etage, zwei Kochplatten. 610 Euro pro Person - viel Geld, für so ein Appartement. Vor dem Haus. Nachfrage an die Vermieterin: Vom ZDF, Anna Neifer, Frontal 21. Ich hab ein paar Fragen zu dieser Unterkunft. Mir liegen auch Informationen vor, dass zwei Leute in einem Zimmer gewohnt haben. Nein, überhaupt nicht. Und doppelt gezahlt wurde. Nein, nein, da wehre ich mich entgegen. Ganz schwer wehre ich mich dagegen. Die Leute kommen einfach rein - als Besucher. Ein aktueller Mietvertrag aus der Unterkunft zeigt: Ein Ein-Zimmer Appartement von circa 18 Quadratmeter kostet 745 Euro warm. Ein Fachanwalt wertet den Mietvertrag aus. Sein Fazit: O-Ton Alexander Bredereck, Fachanwalt für Mietrecht: Zunächst mal erweckt mir der Mietvertrag insgesamt den Eindruck, als wolle der Vermieter hier versuchen, das Maximum rauszuholen, und zwar nicht nur vom Mieter, sondern auch noch vom Staat. Die Mittel dafür, die Formulierungen, die der Vermieter wählt, die sind so grenzwertig bis teilweise auch unzulässig. Warum Jobcenter solche Verträge quasi absegnen und den Vermietern solche Verträge gestatten, das leuchtet mir nicht richtig ein.

5 Auch die Nebenkosten werfen Fragen auf, sie machen fast die Hälfte der Gesamtmiete aus. Die Nebenkosten sind wirklich sehr hoch. Und zwar, also ich will jetzt hier unsere Leute nicht schlecht machen, aber Sie sehen, die Tür ist immer offen, die Fenster sind immer gekippt, die Leute, die sind nicht energiebewusst. Der Anwalt der Vermieterin teilt mit, alles sei rechtlich zulässig und, Zitat: dass die Einnahmen aus Nebenkostenzahlungen kostendeckend, sowie der Mietzins angemessen und ortsüblich in Mainz sind. Das Jobcenter Mainz hat mittlerweile Zweifel, ob alles mit rechten Dingen zugeht. Nebenkosten hat es in einem Fall vorerst nicht genehmigt. Und es wurde Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft gestellt - wegen Wucher. Vor der Kamera will sich niemand dazu äußern: Da die Staatsanwaltschaft eingeschaltet wurde, handelt es sich um ein laufendes Verfahren, zu dem sich das Jobcenter (...) nicht weitergehend äußert ( ). Zurück in Berlin. Hier registriert die Polizei, mit der Wohnungsnot der Flüchtlinge werden Geschäfte gemacht - immer öfter kriminelle. O-Ton Oliver Klau, Leiter Dezernat Betrug, LKA Berlin: Ich gehe fest davon aus, dass wir hier eine relativ hohe Dunkelziffer haben. Der Grund liegt insbesondere darin, dass wir gerade bei den Geflüchteten merken, dass die Anzeigebereitschaft doch häufig relativ niedrig ist. Sie haben Anzeige erstattet gegen den angeblichen Makler, der ihnen Tausende Euro abgenommen habe, für nichts. O-Ton Wasim Haddad, Geflüchteter: Wir glauben nicht, dass wir unser Geld zurückbekommen, aber wir wollen ihn stoppen. Für sie bleibt die Suche nach Wohnungen schwer, die meisten haben noch keine gefunden. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.