Beitrag: Fett statt Fleisch Lebensmittelindustrie täuscht Verbraucher

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1 Manuskript Beitrag: Fett statt Fleisch Lebensmittelindustrie täuscht Verbraucher Sendung vom 29. Mai 2012 von Jörg Göbel Anmoderation: Kinderschokolade hilft beim Wachsen. Koffein fördert die Fettverbrennung. Kaufen Sie, weil Sie so etwas glauben? Als falsch oder unbewiesen verurteilt jetzt die EU die meisten solcher Werbesprüche. Und verbietet sie. Doch schon auf den Etiketten von Lebensmitteln steht häufig nur die halbe Wahrheit. Inklusive rätselhafter Zutatenlisten. Die staatliche Überwachung von Lebensmitteln lässt die Hersteller gewähren. Und die wollen uns Verbraucher ja nicht misstrauisch machen. Wir sollen kaufen. Also wird getäuscht und geschummelt, um uns befremdliche Stabilisatoren und Hühnersuppe ohne Hühnerfleisch anzudrehen - berichtet Jörg Göbel. Text: Lebensmittelverpackungen - Was drauf steht, ist auch drin, schreibt der Lobbyverband der deutschen Lebensmittelwirtschaft, BLL, auf seiner Internetseite. Da haben wir unsere Zweifel. Auch an der Behauptung: Die Lebensmittelverpackung ist eine ehrliche Haut. Das prüfen wir mal nach. Zum Beispiel mit den Kräuteroliven von Feinkost Dittmann. Auf der Verpackung steht: schwarz, und Schwarze Kräuteroliven. Was glauben Sie, sind diese Oliven gefärbt oder sind die nicht gefärbt. Was denken Sie?

2 O-Ton Passantin I: Ich muss mir das angucken. Da steht doch bestimmt drauf, ob da Farbe drin ist, oder? Säuerungsmittel. Geschmacksmittel. Steht eigentlich nichts über Farbe dran. Dann sind sie wahrscheinlich echt schwarz. O-Ton Passantin II: Also ich denke nicht, dass die gefärbt sind. Denn es gibt ja Oliven sehr unterschiedlicher Farbe, ne. O-Ton Passantin III: Die sind nicht gefärbt, würde ich sagen. O-Ton Passant: Die sind gefärbt, sonst wären die nicht so schwarz. Stimmt. Die Kräuteroliven sind tatsächlich gefärbt. In der Zutatenliste versteckt ein Hinweis, den aber kein Verbraucher versteht. Stabilisator: Eisen-II-gluconat. Nur Experten wissen: Eisen-II-gluconat ist ein Zusatzstoff. Zum Schwärzen von grünen Oliven zugelassen. Das gibt auch der Hersteller Feinkost Dittmann auf Nachfrage zu. Zitat: Die von uns im Produkt verwendeten Oliven sind in der Tat grüne Oliven, die mit dem Farbstabilisator Eisen-II-gluconat behandelt wurden. O-Ton Passant: Einfach das Wort Farbe oder gefärbt draufschreiben. Nicht Eisen-II-gluconat. Das verwirrt. O-Ton Passantin III: Da würde ich schon erwarten, dass es drauf steht, dass es gefärbt eindeutiger. O-Ton Passant II: Es ist einfach Betrug am Kunden, weil nicht klar definiert ist, was da drin ist. Der Hersteller versichert, dass er sich an alle gesetzlichen Vorgaben halte. Trotzdem fühlen sich Verbraucher getäuscht. Reichen Gesetze und Kontrolle also nicht aus? Das wollen wir von Martin Müller wissen. Er ist Vorsitzender des Bundesverbandes der Lebensmittelkontrolleure. Warum schützen Sie nicht vor dieser Irreführung?

3 O-Ton Martin Müller, Vorsitzender Bundesverband Lebensmittelkontrolleure: Ganz einfach, es ist zu wenig Personal da. Wir sind personell und apparativ nicht so gut aufgestellt, wie wir es sein müssten. Wir haben eine Rechtslage, die eine ganz bestimmte Vorgabe macht, wie Produkte zu kennzeichnen sind. Und auf der anderen Seite haben wir die Anbieter, die natürlich versuchen im Rahmen dieser Rechtssetzung alle Möglichkeiten auszuschöpfen und dem laufen wir permanent hinterher. Die Lebensmittelkontrolle in Deutschland ist katastrophal, stellt ein Gutachten des Bundesrechnungshofes fest. Seite für Seite Fehler und Schwächen der staatlichen Lebensmittelkontrolle - zum Beispiel Lücken im Durchführungsrecht sowie eine unzureichende finanzielle und personelle Ausstattung. Das Gutachten fordert schließlich: eine Neuausrichtung der Lebensmittelüberwachung. Wie nötig das ist, weiß auch Hartmut König von der Verbraucherzentrale Hessen. Er betreut mit weiteren Mitarbeitern die Internetseite Lebensmittelklarheit.de. Seit 10 Monaten gibt es die Seite. Seitdem sind bereits 5000 Produktbeschwerden wegen Irreführung und Täuschung eingegangen. O-Ton Hartmut König, Verbraucherzentrale Hessen: Hier haben wir zum Beispiel eine Hühnersuppe, wo natürlich jeder Verbraucher denkt, da ist Hühnerfleischextrakt oder Hühnerfleischstückchen enthalten. Wenn wir hier tatsächlich in die Zutatenliste schauen, ist ausschließlich Hühnerfett enthalten. Was sagt der Hersteller auf den Vorwurf hin, hat er irgendwie reagiert? O-Ton Hartmut König, Verbraucherzentrale Hessen: Der hat gesagt, dass der Geschmack von Hühnern über das Fett transportiert wird, was enthalten sei. Nur dann müsste er unserer Meinung nach diese Suppe auch als Hühnerfettsuppe bezeichnen. Was können Sie als Verbraucherzentrale denn aktuell tun, damit Sie diese Irreführung trotzdem ein Stück weit eingrenzen? O-Ton Hartmut König, Verbraucherzentrale Hessen: Wir haben die Möglichkeit über das Gesetz gegen Unlauterkeit im Wettbewerb Anbieter abzumahnen, wo wir denken, also das ist wirklich gravierend irreführend. Wir

4 müssen natürlich auch immer berücksichtigen, dass wir vor Gericht in solchen Fällen durchkommen. Da kennt sich Remo Klinger aus. Der Rechtsanwalt vertritt Verbraucherorganisationen bei Klagen gegen die Lebensmittelindustrie. O-Ton Remo Klinger, Rechtsanwalt: Die Schwierigkeiten beginnen eigentlich schon mit der Finanzierung einer solchen Klage. Sie werden es zu tun haben, wenn Sie gegen große Unternehmen klagen, mit großen Kanzleien, mit großen Rechtsabteilungen, die mit tonnenweisen Schriftsätzen und Bergen von Gutachten antworten werden. Diese eben zu sichten und diese auch durch Gutachter und durch Rechtsanwälte zu widerlegen erfordert viel Zeit, Kraft, Mühe und auch Geld. Heißt das nicht am Ende die Hersteller können machen, was sie wollen? O-Ton Remo Klinger, Rechtsanwalt: Sie nutzen die Ineffektivität der Rechtsdurchsetzung in Deutschland dazu aus, bestimmte Produkte auf den Markt zu bringen, bei denen sie schon von vornherein sehen müssen, dass ein hohes Risiko besteht, dass dagegen rechtlich vorgegangen wird. Sie spekulieren darauf, dass nicht vorgegangen wird, weil in der Menge der Produkte das einzelne Produkt nicht auffallen mag. Tricksen und Täuschen. Was sagen die Hersteller dazu? Wir sind verabredet mit dem BLL, dem Lobbyverband der deutschen Lebensmittelwirtschaft. Der wiegelt ab. O-Ton Marcus Girnau, Geschäftsführer BLL: Es gibt natürlich viel auch Fehlverständnis von Kennzeichnungsregelungen. Die sind ja sehr komplex, sehr individuell. Wir haben eine Vielzahl von Produkten, eine Vielzahl von unterschiedlichen Verpackungen und da sind natürlich teilweise auch Verunsicherungen bei den Verbrauchern da. Aber es gibt natürlich zusätzlich auch die Möglichkeit des Direktkontaktes, beispielsweise über Verbraucherhotlines, wo Verbraucher ja auch sehr individuell bei den einzelnen Firmen anrufen können, sich erkundigen können. Das probieren wir gleich mal aus. Die Nummern der Hotlines stehen mittlerweile auf vielen Verpackungen. Auch auf der Knorr Hühnersuppe, die mit dem Hühnerfett. Wie viel Hühnerfett ist da drin?

5 O-Ton Hotline: Also das ist nicht angegeben. Die genaue Menge ist Rezepturgeheimnis. Hühnerfett steht hinter Geschmacksverstärker, hinter Stärke, hinter Hefeextrakt, hinter Aroma. Kommt dann der Geschmack von dem Fett oder kommt der von den anderen Bestandteilen? O-Ton Hotline: Das kann ich Ihnen leider nicht genau sagen. Aber das können Sie selber überprüfen. Die Zutatenliste ist nach Menge zugeordnet. Aha, dann sind also vor allem Geschmacksverstärker drin. Und wenn der Verbraucher da etwas anderes erwartet und sich getäuscht fühlt, ist er selber Schuld. O-Ton Marcus Girnau, Geschäftsführer BLL: Das sind sehr viele gefühlte Verbraucherirreführungen oder beziehungsweise gefühlte Täuschungen der Verbraucher, die dann artikuliert werden. Wo allerdings noch keiner weiß, wie repräsentativ die sind. Abwiegeln und Leugnen. Verbrauchervertrauen gewinnt man so nicht. O-Ton Remo Klinger, Rechtsanwalt: Dass sich Unternehmen tatsächlich so haarscharf an der Kante des rechtlich Zulässigen bewegen, das müssen sie selbst überlegen, ob das tatsächlich ihrem eigenen Image und ihren eigenen Interessen gerecht wird. Der Verbraucher wird am Ende sich schon fragen müssen, ob er derartige Werbung nicht als Veralberung auffasst. So gilt beim Einkauf vor allem eins: Was drauf steht, ist selten die ganze Wahrheit. Abmoderation: Noch mal gesagt: Farbe von Oliven zu verändern, um die dann als schwarze Oliven zu verkaufen - das ist total legal. Doch auch der Hersteller scheint inzwischen gemerkt zu haben, dass das wenig fair ist - dem Käufer gegenüber. Bald soll auf allen Gläsern der Hinweis stehen: Gefärbte Oliven. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen

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