Beitrag: Geschäfte mit der Flüchtlingsnot Vermieter kassieren Kommunen ab

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1 Manuskript Beitrag: Geschäfte mit der Flüchtlingsnot Vermieter kassieren Kommunen ab Sendung vom 29. September 2015 von Thomas Münten, Heiko Rahms und Anna-Maria Schuck Anmoderation: Willkommenskultur hin oder her, es wird eng in Deutschland. Die Zahl der Flüchtlinge steigt unaufhörlich, und zugleich sinkt die Toleranzschwelle der Bürger. Wohin mit all den Menschen? Zelte sind keine dauerhafte Lösung. Container können gar nicht so schnell produziert werden, wie man sie braucht. In überfüllten Massenunterkünften kommt es zu Schlägereien. Schon wollen einige Städte Immobilien beschlagnahmen. Aber Halt! Ehe Sie jetzt denken, die armen Eigentümer, schauen Sie sich den Film von Thomas Münten und Heiko Rahms an. Und sehen, wie Vermieter ganz von selbst unmoralische Angebote unterbreiten und sich an der Flüchtlings- und Wohnungsnot bereichern. Text: Zeltdörfer - für viele Kommunen die einzige, wenn auch provisorische Lösung, um die vielen Flüchtlinge unterzubringen. Wohnraum fehlt. Doch der Winter steht vor der Tür. Dann müssen die Menschen woanders hin. Magdeburg Flüchtlinge muss die Stadt bis Jahresende aufnehmen. Die Lage ist angespannt: O-Ton Sören Herbst, B 90/GRÜNE, MdL Sachsen-Anhalt: Natürlich ist der Druck hoch. Wir müssen dreimal so viele Menschen unterbringen, wie vor einem Jahr. Zum Beispiel in dieser Wohnanlage - der klangvolle Name: LorenzQuartier. Dahinter stecken Einfachwohnungen in Containerbauweise. Clever Living verspricht die Werbung am Eingang. Clever ist vor allem der Eigentümer. Denn der vermietet in zwei Klassen: Studenten zahlen knapp 300 Euro, für Flüchtlinge berechnet er 480 Euro - ein Plus von rund 60 Prozent. Für Kritiker ist klar: O-Ton André Juffern, Deutscher Mieterbund:

2 Wir reden hier über Wohnraum. Bei Wohnraum ist die Wuchergrenze bei 50 Prozent über dem ortsüblichen Vergleichswert, sodass ich hier davon ausgehen kann, dass ein Wucher vorliegt. Für bis zu 480 Euro gibt es 21 Quadratmeter inklusive Kochecke und Nasszelle. Wo bislang eine Person lebte, sollen jetzt bis zu drei Flüchtlinge einziehen. Diese Bilder werden uns zugespielt: Insgesamt 200 dieser Räume mietet die Stadt Magdeburg an. Der Hauseigentümer macht ein Riesengeschäft. Denn der Mietvertrag geht über zehn Jahre. 11,5 Millionen Euro sind der Goldmann-Group so sicher. Die Stadtverwaltung Magdeburg will nicht mit uns über diesen Deal reden. Auch die Goldmann-Group reagiert nicht auf unsere schriftlichen Fragen. Als wir am Firmensitz noch einmal um ein Interview bitten, werden wir zwar eingelassen, Antworten gibt es aber wieder nicht. Im Internet präsentiert sich Steffen Goldmann als gewinnorientierter Firmenchef. Das gilt auch für Geschäfte mit der Flüchtlings- und Wohnungsnot, offenbart er in einem Radiointerview mit dem Deutschlandfunk. O-Ton Steffen Goldmann, Lorenzquartier, Radiointerview Deutschlandfunk: Ja, jeder Mensch, der ein Geschäft macht, macht einen Gewinn, das ist doch ganz selbstverständlich. Hier erklärt Goldmann auch, warum er für Flüchtlingswohnungen besonders viel kassiert: O-Ton Steffen Goldmann, Lorenzquartier, Radiointerview Deutschlandfunk: Die Belegung mit Flüchtlingen, die dann auch den ganzen Tag sicherlich hier sein werden, weil sie ja nichts machen können in dem Sinne, wird natürlich anders sein. Auch sag mal aus den Herkunftsländern bezogen mit der Art und Weise, wie man wohnt und dann doch relativ engem Raum alle zusammen, da wird es schon anderen Verschleiß geben. Flüchtlinge machen also mehr Dreck und bleiben nur im Zimmer? O-Ton Sören Herbst, B 90/GRÜNE, MdL Sachsen-Anhalt: Auch Studierende sind nicht den ganzen Tag an der Uni, sondern auch mal zuhause, so ist das bei Asylsuchenden auch. Ich finde, dass sich hier ein privater Betreiber, ein privater Vermieter an der Not der Menschen eine goldene Nase verdient. Einziehen. Fertig. Los. und dann kassieren. So geht das bei

3 der Goldmann-Group in Magdeburg. Erlangen. Wir treffen eine junge Frau, die nicht erkannt werden will. Sie soll ausziehen, damit in ihrer Wohnung Flüchtlinge einquartiert werden können. Auf einer Mieterversammlung habe der Vermieter versucht, die Bewohner unter Druck zu setzen, sagt sie. O-Ton Mieterin: Bei unserem allerersten Gespräch hat er ja gedroht gehabt, dass wenn wir nicht von alleine ausziehen würden, dass er in dem Freizimmer Flüchtlinge reinlegen würde. Und die wären ja so schrecklich und das Zusammenleben wär ja mit den Leuten nicht möglich, dass wir dann schon von alleine ausziehen würden. Der Eigentümer bestreitet das. Um diesen maroden Bau geht es: Hier kassiert Hermann Hartwich zum Beispiel für einen acht Quadratmeter großen Raum mehr als 330 Euro Warmmiete. Aber jetzt lockt noch mehr Gewinn. Hartwich bot das Haus der Stadt Erlangen als Flüchtlingsunterkunft an. Dass hier noch Mieter mit einen unbefristeten Mietvertrag leben - für ihn kein Problem. Wer nicht ausziehen will, dem unterstellt er eine rechte Gesinnung. In einer Mail an Frontal 21 schreibt er, Zitat: daß ( ) Mieter aufgrund ihrer politischen Gesinnung versuchen könnten, generell eine Belegung mit Flüchtlingen zu verhindern O-Ton Mieterin: Für mich ist es echt ein starkes Stück, dass der Vermieter mich jetzt so hinstellt, in diese Ecke drängt. Das hat nichts mit rechts, links oder sonst was zu tun. Ich bin echt schockiert und fassungslos und kann es nicht nachvollziehen, wie man so was machen kann. In der fränkischen Universitätsstadt herrscht schon lange Wohnungsmangel. Zu den vielen Studenten und Berufsanfängern kommen jetzt noch 1150 Flüchtlinge. Die werden bei der Wohnungssuche nun gegeneinander ausgespielt, befürchtet Elisabeth Preuß, die im Rathaus für Soziales und Wohnraumfragen zuständig ist. O-Ton Elisabeth Preuß, FDP, Sozialbürgermeisterin Stadt Erlangen: In der letzten Zeit merken wir deutlich, dass günstiger Wohnraum knapp ist, günstiger Wohnraum, der theoretisch für unterschiedliche Wohnungssuchende geeignet ist. Wenn man ganz böse ist, dann könnte man es auch als eine Kannibalisierung auf dem Wohnungsmarkt bezeichnen. Und es ist unsere Aufgabe als Sozialamt der Stadt Erlangen, dass

4 wir dafür sorgen, dass nicht die eine oder die andere Gruppe wirklich dann ständig unter die Räder kommt. Inzwischen hat Eigentümer Hartwich den Mietern insgesamt rund Euro für den Auszug angeboten. Wie viel er von der Stadt für Flüchtlinge in Zukunft kassiert, will er nicht sagen. In einem Zeitungsinterview räumt er aber ein, Zitat: Es ist die ortsübliche Miete und ein Aufschlag, der nicht wenig ist. Unsere Informantin will auf jeden Fall in ihrer kleinen Wohnung bleiben. Sie findet nichts Vergleichbares in ihrem Stadtteil und hat die Abfindung abgelehnt. Berlin. Hier überlegt die Bezirksverwaltung Friedrichshain- Kreuzberg, leerstehende Luxuswohnungen in Riemers Hofgarten zu beschlagnahmen. Die mehrstöckigen Häuser wurden vor einigen Jahren von außen saniert. Seitdem lassen die Eigentümer viele der Wohnungen unvermietet. O-Ton Sascha Langenbach, Bezirksamt Friedrichshain- Kreuzberg: Es ist in der Tat so, dass wir eine Reihe von Gebäuden genannt bekommen haben, auch aus der Bevölkerung, die seit Längerem leer stehen. Wir reden hier nicht über Tage oder Wochen, sondern wir reden hier über jahrelangen Leerstand, der unter Umständen auch noch zunimmt. Der Bezirk glaubt, die Eigentümer von Riemers Hofgarten lassen die Wohnungen aus Spekulationsgründen bewusst leer stehen. Das bestreiten die Eigentümer. Bei einer Beschlagnahme würde der Bezirk pro Quadratmeter rund 7 Euro erstatten. Wenn der Eigentümer die leerstehenden Wohnungen jedoch als gewerbliche Ferienwohnungen deklariert, winken plötzlich bis zu 20 Euro pro Quadratmeter, das sind rund 2000 Euro pro Wohnung. Die Rechnung könnte aufgehen, warnt Carsten Offermann, Fachanwalt für Immobilienrecht. O-Ton Carsten Offermann, Fachanwalt für Immobilienrecht: Für den Wohnraum haben wir als Vergleichsmaßstab den Mietspiegel, den wir heranziehen können. Für Gewerbeimmobilien gibt es keinen Mietspiegel. Jetzt könnte die cobius Liegenschaftsgesellschaft doppelt spekulieren: Entweder sie wartet weiter auf steigende Immobilienpreise oder sie macht gleich Kasse mit den Flüchtlingen. Drei Beispiele, wie Immobilienbesitzer die Notlage der

5 Kommunen ausnutzen können. Die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung ist besorgt: O-Ton Aydan Özoğuz, SPD, Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung: Wir brauchen klare Maßnahmen, klare Preisregelungen, dass man ganz genau sagen kann, vor Ort muss es jeweils an Mieten beispielsweise angepasst werden, damit nicht einige ihr Geschäft daraus machen können und sich goldene Nasen verdienen, sondern damit die Not gelindert wird und alle ein Dach über dem Kopf haben. Doch so lange es diese Regeln nicht gibt, verdienen Geschäftemacher immer mehr Geld mit dem Leid der Menschen, die alles verloren haben. Abmoderation: Wenn Vermieter in Goldgräberstimmung Studenten gegen Flüchtlinge ausspielen und damit den sozialen Frieden gefährden, dann bekommt der Begriff Betongold für Immobilien plötzlich eine ganz andere zynische Bedeutung. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.