Stört das Regressprivileg die Koordination?
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- Benedict Hofmann
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1 Stört das Regressprivileg die Koordination? Bernhard Studhalter / Thomas Bittel 1 21 Gliederung 1. Schilderung der Grundproblematik gestörtes Innenverhältnis, Ziel der Ausführungen 2. Privilegien in ihrer historischen Entwicklung (Lehrmeinungen im Wandel der Zeit) 3. BGE 143 III 79 vom : Sachverhalt und höchstrichterliche Begründung 4. der Begründungsansätze: 5. Fazit a. Dogmatisch fragwürdige Aspekte b. Wertungsmässige Unstimmigkeiten c. Offene Fragen
2 1. Grundproblematik [ gestörtes Innenverhältnis ] Haftpflichtige Haftpflichtiger Innenverhältnis F AG Frau X Herr Y Herr Z Geschädigte/r Soz.-Vers. Aussenverhältnis ATSG Historisches Urteile Gesetze Subrogation AHV+IV gestörtes Innenverhältnis bez. Direktschaden BGE 113 II BGE 112 II Regressprivilegien [AHV+IV] BGE 117 II Haftungsprivileg Regressprivilegien + Solidarität Solidaritäts - Entscheid zugunsten IV Kein Regressprivileg bei obligat. gestörtes Innenverhältnis bez. Regress BGE 143 III C.208/ KUVG AHVG IVG UVG ATSG ATSG KUVG 129 II AHVG 48 ter IVG 52 UVG 44 ATSG 72 II+75 ATSG 75 III
3 2. Historisches Mehrheit der Lehrmeinungen zugunsten des (nicht privilegierten) Haftpflichtigen Lehrmeinungen Mehrheit der Lehrmeinungen zugunsten der regressierenden Sozialversicherung Haftungsprivileg Subrogation AHV+IV OSWALD H. STARK E. STOESSEL G. SCHAER R. Solidarität Regressprivileg VOGEL/BICHSEL FRÉSARD-FELLAY G. KOLLER TH. KRAUSKOPF F. BECK P. DOLF R. Wegfall Privileg bei obligat. MÜLLER A KUVG AHVG IVG UVG ATSG ATSG KUVG 129 II AHVG 48 ter IVG 52 UVG 44 ATSG 72 II+75 ATSG 75 III Historisches Dr. iur. Hans Oswald, Direktor Helvetia- Unfall, vor 45 Jahren, SZS 1972, S. 45 f.: «Am Weltkongress für Versicherungsrecht 1966 in Hamburg hat Prof. Emil Frey, Mannheim, die Regressnahmedurch Sozialversicherungsträger als einen völlig unnützen und entbehrlichen Vorgang bezeichnet. Ganz so abwegig ist dieser scheinbar extreme Gedanke nicht.» neuere Sozialversicherungsgesetze (AHVG+IVG) würden, - modernen Tendenzen folgend - auf ein Regressrecht verzichten, was zur Anspruchskumulation führe «Es erscheint zweckmässiger, wenn die Leistungen der Sozialversicherung trotz Regressausschluss an den Schaden anzurechnen sind (keine Anspruchskumulation).»
4 3. BGE 143 III 79 Sachverhalt F AG Haftpflichtige/r Innenverhältnis Herr B. evtl. Haftpflichtige/r Geschädigte/r Soz.-Vers. Aussenverhältnis ATSG BGE 143 III 79 Begründung F AG Wertungmässig käme das Schadloshalten einer Bereicherung der Sozialversicherungen gleich! Dogmatisch: Regressprivileg als Umstand aus dem Verantwortungsbereich des Gläubigers (44 Abs. 1 OR) = Reduktionsgrund für die! Herr B. ATSG 75 Regress ist auf den internen Anteil zu begrenzen, den die zu tragen hätte, wenn das Privileg nicht bestünde!
5 3. BGE 143 III 79 Begründung BGE 143 III 79, E : Soweit 1. eine Haftung der Beklagten besteht(!) und soweit 2. der Beklagten der Beweis gelingt, dass die eine Haftung trifft, hat das Handelsgericht neu zu entscheiden (Beachtung Regressprivileg). BGE 143 III 79, E. 8: Die psychischen Folgen des Unfalles und die daraus resultierende Arbeitsunfähigkeit bedürfen der Abklärung durch ein gerichtliches Gutachten! «Rechtsprechung auf Vorrat» 9 21 Fragwürdige Aspekte (dogmatisch) Subrogation Unveränderter Forderungsübergang Position Haftpflichtiger bleibt unberührt Integraler Eintritt in alle Nebenrechte nicht privilegiert privilegiert Regressprivileg Privilegierte Kreise definiert Keine gesetzliche Grundlage für Ausdehnung Rechtsfolge nur für Privilegierte/n Nicht privilegierte profitiert vom Privileg der! Ausdehnung zugunsten der nicht privilegierten
6 Anspruchskonkurrenz bei mehreren Haftpflichtigen Aussenverhältnis X Y Innenverhältnis Z Sozialversicherer steht ausserhalb der Solidarität im Aussenverhältnis! Solidarschuldner bleibt die Entlastung durch andere Schuldner (= Angehörige des Innenverhältnisses) verwehrt! Solidarische Haftung im Regress Art. 72 Abs. 2 ATSG Anspruchskonkurrenz bei mehreren Haftpflichtigen Solidarität setzt multiple Haftung (= Haftung mehrerer) voraus! Frage: Wirkung des Regressprivileges auf die Regressforderung? Bei fehlender Grobfahrlässigkeit besteht gar keine Regressforderung = keine Subrogation (Variante 1) Bei fehlender Grobfahrlässigkeit ist nur die Durchsetzbarkeit gehemmt = Subrogation (Variante 2)
7 Anspruchskonkurrenz bei mehreren Haftpflichtigen Fehlende Grobfahrlässigkeit + Absicht = keine Subrogation (Variante 1) Fehlende Grobfahrlässigkeit + Absicht = Durchsetzbarkeit gehemmt (Variante 2) Solidarität nach Art. 72 Abs. 2 ATSG! Keine Solidarität! E Reduktion gestützt auf Art. 44 Abs. 1 OR! Rückkoppelung vom Innen- auf das Aussenverhältnis? Dass der Rückgriff der auf die ausgeschlossen bleibt, wird in der Literatur teilweise als unbefriedigend bezeichnet Innenverhältnis Aussenverhältnis ist aber Konsequenz der Rechtslage (Regressprivileg): Die haftet voll, die nur für den Direktschaden ( entsprechend auch im Innenverhältnis) Reduktion im Innenverhältnis soll zu Reduktion im Aussenverhältnis führen! (?)
8 Rückkoppelung vom Innen- auf das Aussenverhältnis? a. Haftung im Aussenverhältnis ist unabhängig von der Verteilung im Innenverhältnis! b. Vorteil der Anspruchskonkurrenz: Innenverhältnis mehrerer Haftpflichtiger ist gerade irrelevant! c. Vorzugsstellung, die aufgrund der gesetzlich vorgesehenen Solidarität besteht, wird ausgehöhlt. d. Unterscheidung Innen-, Aussenverhältnis wird ihres Sinnes beraubt, der Zweck der Solidarität verkannt! Nach unserer Auffassung ist die Rückkoppelung vom Innen- auf das Aussenverhältnis unzulässig! Art. 50/51 OR ( analog) im Sozialversicherungsregress Aussenverhältnis Innenverhältnis Regressordnung Art. 50/51 OR Regressordnung Art. 50/51 OR E Art. 44 OR (analoge) Anwendung auf den Sozialversicherungsregress! in Widerspruch zu herrschender Lehre und Rechtsprechung! [bspw. BGE 119 II 289, E. 5b; Urteil BGer 4C.208/2002, vom , E. 2.1]
9 Reduktionsgrund nach Art. 44 OR Art. 44 Abs. 1 OR = Herabsetzungsfaktoren, die in der Person des Geschädigten liegen und die er sich entgegenhalten lassen muss! Subrogation auch der Sozialversicherer muss sich diese Herabsetzungsfaktoren entgegenhalten lassen! Regressprivileg = Umstand aus dem Verantwortungsbereich des Gläubigers, für den er über Art. 44 Abs. 1 OR einzustehen hat. Regressprivileg kann dem Geschädigten nicht entgegen gehalten werden, ergo: Keine Einrede gegen den Geschädigten! Subrogation durch Subrogation kann die Einrede des Privilegs nicht auf den Sozialversicherer übergehen! Zusätzlicher haftpflichtrechtlicher Einwand gegenüber dem Sozialversicherungsregress aus Art. 44 OR überzeugt nicht! Wertungsmässige Unstimmigkeiten Bereicherungsargument Sozialversicherer wären bei vollem Regress auf nicht Privilegierten bereichert, weil ihnen für die Versicherungsdeckung Prämien bezahlt wurden! dies würde für sämtliche Regressansprüche von Versicherern gelten! auch die haftpflichtige erhielt unabhängig des Regresses im Innenverhältnis Prämien! eine risikogerechte Prämiengestaltung ist der AHV/IV mit gesetzlich festgelegten Beitragssätzen nicht möglich!
10 Wertungsmässige Unstimmigkeiten «Richtige» Schadens-, Kostenallokation Sozialversicherungssystem Regressa) zur Vermeidung von Überentschädigungen und b) zur finanziellen Entlastung der Sozialversicherungswerke. Sozialversicherer sind nicht zur Entlastung der Haftpflichtversicherer eingeführt worden! [BGE 134 III 489, E. 4.2, et altera] Haftpflichtsystem Wer aus einem riskanten, rechtlich vorwerfbaren Verhalten oder einer risikobehafteten Tätigkeit oder Anlage einen ökonomischen Nutzen zieht, soll den bei einem Dritten entstehenden Schaden übernehmen und die Kosten tragen. Regressprivilegien sind (auch) aus wertender Optik systemfremd: Es fehlt nicht eine Rechtfertigung für umfassenden Regress, sondern eine für die Ausdehnung des Privilegs auf nicht Privilegierte! Wertungsmässige Unstimmigkeiten Bericht SGK vom 26. März 1999 (!) [BBl 1999, S ff., S. 4653, zu Art. 79 E-ATSG = Art. 72 Abs. 2 ATSG] «Bundesrat will in Absatz 2 die Solidarhaftung der Haftpflichtigen festlegen, falls mehrere Haftpflichtige für Regressansprüche haften. Mit der Solidarhaftung wird die Stellung des Sozialversicherungsträgers gestärkt. Die Kommission stimmt dem Antrag des Bundesrates zu und nimmt in Kauf, dass bei privatrechtlichen Rückgriffsansprüchen mehrere Haftpflichtige anteilsmässig haften, bei sozialversicherungsrechtlichen Rückgriffsansprüchen jedoch solidarisch.»
11 5. Fazit BGE 143 III 79 Mangels wertungsmässiger und dogmatischer Überzeugung von E. 6 des BGE 143 III hoffen wir auf ein breit abgestütztes Verständnis für unsere Ansätze!
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