Vergabekammer Nordbayern Beschluss vom

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1 Vergabekammer Nordbayern Beschluss vom Regierung von Mittelfranken Az.: 320.VK /02 LEITSÄTZE: 1. Die Aufhebung einer Aufhebung ist rechtssystematisch ausgeschlossen, es sei denn, die Aufhebung erfolgte rechtsmissbräuchlich ( 114 Abs. 2 Satz 2 GWB). 2. Auch die Entscheidung des EuGH zur Rechtslage in Österreich (Urteil vom , Rs. C-92/00, Hospital Ingenieure.) führt nicht zu einer anderen Beurteilung, da Entscheidungen des EuGH nicht unmittelbar geltendes Recht sind und der deutsche Gesetzgeber erst zur Umsetzung tätig werden muss. Nachprüfungsantrag: Fa.... (Antragstellerin - ASt) Vergabestelle:... (Vergabestelle - VSt) Bauvorhaben: Neubau..., Fassadenbauarbeiten... Die Vergabekammer Nordbayern erlässt ohne mündliche Verhandlung durch die Vorsitzende, den hauptamtlichen Beisitzer und den ehrenamtlichen Beisitzer folgenden B e s c h l u s s : 1. Der Antrag wird zurückgewiesen. 2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Die Gebühr wird auf xxxx,-- Euro festgesetzt. Auslagen werden nicht erhoben. S a c h v e r h a l t : 1.

2 - 2 - Die VSt hat das am xx.xx.2001 im Bayer. Staatsanzeiger bekannt gemachte Offene Verfahren zur Vergabe der Fassadenbauarbeiten... der Baumaßnahme... mit Schreiben vom an die Bieter, darunter die ASt, mit der Begründung aufgehoben, dass gem. 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A auf ein Angebot mit einem unangemessen hohen Preis der Zuschlag nicht erteilt werden dürfe. Die Leistung wurde durch Veröffentlichung im EU-Amtsblatt vom xx.xx.2002 und im Bayer. Staatsanzeiger vom xx.xx.2002 erneut ausgeschrieben, wobei eine Aufteilung in Fassadenbauarbeiten 3 a (Fassade...) und Fassadenbauarbeiten 3 b (Fenster...) erfolgte. Bei der Submission lagen für das Los Fassade... zwei Angebote vor, und zwar von der ASt mit einer rechn. geprüften Angebotssumme von xxx.xxx,xx Euro sowie von der Fa. V. in Höhe von xxx.xxx,xx Euro. Dieses Vergabeverfahren wurde mit Schreiben an die Bieter vom , eingegangen bei der ASt am , ebenfalls mit der Begründung aufgehoben, dass gem. 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A auf ein Angebot mit einem unangemessen hohen Preis der Zuschlag nicht erteilt werden dürfe. In einem Aktenvermerk vom legt die VSt dar, dass eine erneute Ausschreibung als nicht sinnvoll erachtet werde. Aufgrund des aktuellen Baufortschritts und des geplanten Endtermins der Maßnahme sei es nicht möglich, diese Leistung erneut in einem Offenen Verfahren auszuschreiben. Die Fassade solle kurzfristig als Putzfassade ausgeführt werden. Die Leistung solle über ein Nachtragsangebot der am Bau beschäftigten Putzerfirma, evtl. mit weiteren Gegenangeboten, kurzfristig abgefragt werden. Das Verhandlungsverfahren sei aus den genannten Gründen zwingend erforderlich ( 3 a Nr. 5 lit. d VOB/A). 2. Mit Schreiben vom , eingegangen bei der Vergabekammer am , beantragte die ASt die Nachprüfung des Vergabeverfahrens. Als Begründung wird angeführt, dass der Bieter im Regelfall damit rechnen können müsse, dass das Ausschreibungsverfahren durch Zuschlagserteilung beendet werde. Die Beendigung der Ausschreibung durch Aufhebung sei auf Ausnahmefälle beschränkt und dürfe nur aus gewichtigen Gründen erfolgen, wobei der Ausnahmefall drei Tatbestände zur Voraussetzung habe: - kein der Ausschreibung entsprechendes Angebot - wesentliche Änderung der Ausschreibungsunterlagen

3 andere schwerwiegende Gründe. Es sei unzulässig und als Verstoß gegen die VOB zu werten, wenn einer dieser Tatbestände lediglich vorgeschoben werde, um sich von einer Ausschreibung zu trennen. Mit Schreiben vom teilte die ASt der Vergabekammer mit, dass sie gegenüber Frau... von der VSt die Aufhebung der Ausschreibung gerügt und der Aufhebung widersprochen habe. Als Anlage übersandte die ASt die Kopie eines Vermerks über ein Telefongespräch zwischen der ASt und der VSt vom mit folgendem Inhalt: Nach Eingang des oben genannten Schreibens, mit dem die Ausschreibung für die Fassadenbauarbeiten der Fassade... zum 2. mal mit der gleichen Begründung aufgehoben wurde, wurde nach telefonischer Rücksprache beim... von Frau... mitgeteilt, dass aus Kostengründen die Fassaden nicht zur Ausführung kommen und Putzfassaden in einer freihändigen Vergabe beauftragt werden sollen. Frau... wurde darauf hingewiesen, dass wir der Aufhebung der Ausschreibung widersprechen und Einspruch einlegen werden. 3. Der Nachprüfungsantrag wurde der Vergabestelle am zugestellt. 4. In ihrer Stellungnahme vom widerspricht die VSt den Ausführungen der ASt. Die ASt habe in dem Telefonat vom um Information über die weitere Vorgehensweise des im Aufhebungsschreiben vom angekündigten Verhandlungsverfahrens ohne öffentliche Vergabebekanntmachung gebeten. Der ASt sei die Auskunft erteilt worden, dass aus Kostengründen nicht die Glasfassade, sondern eine Putzfassade zur Ausführung kommen solle. Die ASt habe telefonisch keine Rüge erteilt, der Aufhebung sei nicht widersprochen worden, es habe sich um ein reines Informationsgespräch gehandelt. Nachdem die ASt als metallverarbeitender Betrieb für die Ausführung einer Putzfassade nicht in Frage komme, sei von der VSt auch nicht beabsichtigt worden, die ASt ins Verhandlungsverfahren mit einzubeziehen. B e g r ü n d u n g :

4 - 4 - Der Antrag auf Nachprüfung der Aufhebung der Ausschreibung durch die Vergabekammer Nordbayern ist unzulässig. 1. Die VSt ist den Auftraggebern zuzuordnen, welche gemäß 98 Nr. 1 GWB in Verbindung mit 3 Abs. 1 VgV den 2. Abschnitt der VOB/A anzuwenden haben. 2. Der Schwellenwert von 5 Mio. Euro für die Gesamtbaumaßnahme... wird überschritten (veranschlagte Gesamtkosten rund xxx.xxx.xxx,-- DM). Die hier streitgegenständlichen Fassadenbauarbeiten (Fassade...) sind ein Fachlos dieser Gesamtmaßnahme und dem 80 %-Kontingent zugeordnet ( 2 Nr. 7 VgV). 3. Die Vergabekammer Nordbayern ist für das Nachprüfverfahren nach 1 Abs. 2 und 2 Abs. 2 Satz 2 BayNpV örtlich und sachlich zuständig. 4. Die ASt ist antragsbefugt, denn sie hat als beteiligte Bieterin ein Interesse am Auftrag. Sie hat zudem dargetan, dass ihr durch die behauptete Rechtsverletzung ein Schaden entsteht bzw. zu entstehen droht ( 107 Abs. 2 GWB). 5. Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unzulässig, da die ASt ihren Antrag erst nach Aufhebung und damit erst nach Erledigung des Vergabeverfahrens gestellt hat. a) Die ASt wurde mit Schreiben der VSt vom , eingegangen bei der ASt am , darüber informiert, dass das streitgegenständliche Vergabeverfahren aufgehoben worden ist. Sie rügte nach ihrem eigenen Vorbringen mündlich am einen Vergaberechtsverstoß. Mit Schreiben vom , eingegangen bei der Vergabekammer Nordbayern am , stellte sie einen Nachprüfungsantrag. Damit liegt die Antragstellung nach dem verfahrensbeendenden Ereignis der Aufhebung und ist im Hinblick auf den mit dem Antrag verfolgten Primärrechtsschutz unzulässig.

5 - 5 - Für eine aufgehobene Ausschreibung gilt das Gleiche wie für einen erteilten Zuschlag. Sie stellt aufgrund ihrer systematischen Stellung in 114 Abs. 2 Satz 2 GWB ein verfahrensbeendendes Ereignis dar. Sie beendet das zuvor bestehende Vergabeverfahren mit Wirkung ex tunc. In der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung heißt es, das Recht auf Einhaltung der Vergaberegeln könne nur bis zum Abschluss des Vergabeverfahrens geltend gemacht werden; Gegenstand der Nachprüfung sei das noch nicht abgeschlossene Vergabeverfahren (BT-Drucksache 13/9340, S: 17). Die Aufhebung einer Aufhebung ist also rechtssystematisch ausgeschlossen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom , Verg 4/00; OLG Dresden, Beschluss vom , WVerg 0003/00). Den Interessen der ASt ist durch die Möglichkeit, Schadensersatzansprüche vor dem Zivilgericht geltend zu machen, hinreichend Rechnung getragen. b) Auch die Entscheidung des EuGH zur Rechtslage in Österreich (Urteil vom , Rs. C-92/00, Hospital Ingenieure.) führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Nach Ansicht des EuGH muss die Entscheidung des Auftraggebers, eine Ausschreibung aufzuheben, von den Vergabekammern nachprüfbar sein. Eine bloße Willkürkontrolle sei nicht ausreichend. Entscheidungen des EuGH sind jedoch nicht unmittelbar geltendes Recht. Der deutsche Gesetzgeber muss erst zur Umsetzung tätig werden. Für eine Auslegung des 114 Abs. 2 Satz 2 GWB im Sinne der Rechtsprechung des EuGH bleibt nach Auffassung der Vergabekammer Nordbayern aufgrund dessen klaren Wortlauts kein Raum. Eine Vorabinformation gemäß 13 VgV über eine beabsichtigte Aufhebung wurde vom Verordnungsgeber bislang nicht vorgeschrieben. c) Nach Prüfung der Aufhebung der Ausschreibung durch die Vergabekammer Nordbayern kommt die Vergabekammer zu dem Ergebnis, dass auch kein Missbrauch der Aufhebungsbefugnis durch die VSt vorliegt. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die VSt die Ausschreibung nicht wirklich ernsthaft aufgehoben hat oder unter Missbrauch ihrer Gestaltungsmöglichkeiten nur den Schein einer Aufhebung gesetzt hat, mit dessen Hilfe sie dem ihr genehmen Bieter, obwohl

6 - 6 - dieser nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hatte, den Auftrag zuschieben will (OLG Düsseldorf, Beschluss vom , Verg 4/00). Die VSt hat die öffentliche Ausschreibung nicht nach Abgabe der Angebote ausdrücklich aufgehoben, um dann in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang den inhaltlich unveränderten oder nicht nennenswert veränderten Auftrag im Verhandlungsverfahren einem der Bieter zu vergeben. Die VSt beabsichtigt vielmehr aus Kostengründen, dass nun nicht die Glasfassade, sondern eine Putzfassade zur Ausführung kommen soll. Die Vergabekammer hat jedoch erhebliche Bedenken, ob die zweite Aufhebung mit der nochmaligen Begründung, dass das Angebot der ASt einen unangemessen hohen Preis beinhaltet, rechtmäßig war. Dies umso mehr, als die zweite Ausschreibung ein deutlich niedrigeres Preisniveau ergab. d) Der Nachprüfungsantrag wäre auch nicht als Feststellungsantrag zulässig. 114 Abs. 2 Satz 2 GWB regelt einen Fall prozessualer Erledigung, setzt also voraus, dass das erledigende Ereignis - hier die Aufhebung des Vergabeverfahrens - nach Einreichung des Antrags bei der Vergabekammer eingetreten ist. Der Nachprüfungsantrag ist hingegen unzulässig, wenn sich das Vergabeverfahren bereits vor Beginn des Nachprüfungsverfahrens erledigt hat, weil dann keine Erledigung im Rechtssinne vorliegt. Die Fortsetzungsfeststellung des 114 Abs. 2 Satz 2 GWB stellt sicher, dass im Erledigungsfall die Erkenntnisse aus dem bis dahin abgelaufenen Nachprüfungsverfahren für eine Entscheidung im Primärrechtsschutz - mit der Bindungswirkung des 124 Abs. 1 GWB im nachfolgenden Schadensersatzprozess - erhalten bleiben. Gibt es hingegen bis zum Fall der Erledigung kein Nachprüfungsverfahren, so lassen sich die nach 114 Abs. 2 Satz 2 GWB möglichen Feststellungen ohne Rechtsnachteil für den ASt unmittelbar vor den Zivilgerichten treffen (OLG Dresden, a.a.o.). 6. Die Kostenentscheidung beruht auf 128 Abs. 3 Satz 1 GWB, da die ASt unterlegen ist. Die Gebühr ist im Hinblick auf die streitgegenständliche Auftragssumme von netto xxx.xxx,-- mit dem Mindestsatz von xxxx,-- anzusetzen ( 128 Abs. 2 Satz 2 GWB). Da der Nachprüfungsantrag als unzulässig zurückgewiesen wurde, war eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich. Aufgrund des dadurch bedingten geringeren personellen und sachlichen Aufwandes der Vergabekammer wird die Gebühr auf xxxx festgesetzt.

7 - 7 - Die Gebühr wird mit dem eingezahlten Kostenvorschuss in Höhe von xxxx,-- verrechnet. Der übersteigende Betrag von xxx,-- wird nach Bestandskraft dieses Bescheides an die ASt zurücküberwiesen. 7. Die Entscheidung konnte nach 112 Abs. 1 Satz 3 GWB ohne mündliche Verhandlung ergehen, da der Antrag als unzulässig zurückgewiesen wurde. Rechtsmittelbelehrung:...