1. wie die Sonderschulen in Baden-Württemberg in Bezug auf ihre Struktur und ihren Auftrag zukünftig ausgestaltet werden sollen;

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1 Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / Antrag der Abg. Paul Locherer u. a. CDU und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Inklusion an Sonderschulen in Baden-Württemberg Antrag Der Landtag wolle beschließen, die Landesregierung zu ersuchen zu berichten, 1. wie die Sonderschulen in Baden-Württemberg in Bezug auf ihre Struktur und ihren Auftrag zukünftig ausgestaltet werden sollen; 2. welche Auswirkungen die Inklusion auf die Sonderschulen hat und wie ihre ganzheitliche pädagogische Arbeit und ihre effiziente Funktion gesichert wird; 3. wie die für jedes Kind individuell passende Beschulung der Schülerinnen und Schüler und deren Unterstützungsbedarf in der allgemeinen Schule und/oder in der Sonderschule (auf Elternwunsch) gewährleistet werden soll; 4. wie der Elternwunsch auf Besuch einer Sonderschule künftig gewährleistet werden soll; 5. wie viele Sonderschulpädagogen und Lehrerschulstunden für die Inklusion zur Verfügung stehen, um die Förderdichte aufrechtzuerhalten; 6. wie sich Fachlehrerprinzip und Klassenlehrerprinzip bei der Inklusion unter dem Aspekt des ganzheitlichen Lernens vereinbaren lassen; 7. bei welcher Schülerzahl der Klassenteiler angelegt werden soll und welche Auswirkungen inklusive Schülerinnen und Schüler auf den Klassenteiler haben; 8. wie die Fachlichkeit der einzelnen sonderpädagogischen Disziplinen zum Wohle der behinderten Schülerinnen und Schüler erhalten bzw. ausgebaut werden kann; Eingegangen: / Ausgegeben: Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen Der Blaue Engel. 1

2 9. welche Auswirkungen im konkreten Fall die erneute Verschiebung der Änderung des baden-württembergischen Schulgesetzes auf die in Erwägung gezogene Abschaffung der Sonderschulpflicht hat und ob hierbei auch Erfahrungen aus anderen Bundesländern berücksichtigt werden; 10. warum bei lernbehinderten Kindern nicht wie bei anderen Behinderungsarten eine feste Stundenzahl für die sonderpädagogische Förderung festgelegt wird (z. B. sechs Unterrichtsstunden pro Kind mit einer geistigen Behinderung) Locherer, Köberle, Dr. Stolz, Groh, Raab, Hillebrand CDU Begründung Die von der Landesregierung angestoßene Umsetzung der Inklusion von behinderten und lerneingeschränkten Kindern stockt. Die ursprünglich für das Schuljahr 2013/2014 geplante Umsetzung wurde nun auf das Schuljahr 2015/2016 verschoben. Dieses Vorgehen steht daher sinnbildlich für die Probleme, vor denen die Landesregierung steht. Bei Gesprächen mit den betreffenden Lehrkräften und Eltern wird darüber hinaus über eine Vielzahl von Problemen berichtet, die mit der Umsetzung der Inklusion zum derzeitigen Zeitpunkt verbunden sind. Im Prozess der Weiterentwicklung von Inklusion ist es notwendig, die betreffenden Lehrkräfte auf eine neue, erweiterte Heterogenität der Schülerschaft vorzubereiten und den Bildungsauftrag im Unterrichtsalltag zieldifferent zu organisieren, zu gestalten und umzusetzen. Hierbei taucht häufig der Vorwurf auf, dass die Planungen der Landesregierung an der Realität vorbeigehen. Stellungnahme Mit Schreiben vom 29. Juli 2014 Nr /479/1 nimmt das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport im Einvernehmen mit dem Ministerium für Finanzen und Wirtschaft zu dem Antrag wie folgt Stellung: Der Landtag wolle beschließen, die Landesregierung zu ersuchen zu berichten, 1. wie die Sonderschulen in Baden-Württemberg in Bezug auf ihre Struktur und ihren Auftrag zukünftig ausgestaltet werden sollen; 2. welche Auswirkungen die Inklusion auf die Sonderschulen hat und wie ihre ganzheitliche pädagogische Arbeit und ihre effiziente Funktion gesichert wird; Mit dem Ausbau inklusiver Bildungsangebote ist auch ein klarer Entwicklungsauftrag für die heutigen Sonderschulen verbunden. Die Schulart Sonderschule wird auch künftig die Aufgabe haben, sowohl Bildungsangebote als auch Beratungs- und Unterstützungsangebote vorzuhalten. Diese gilt es flexibel und raumschaftsbezogen weiterzuentwickeln, untereinander abzustimmen und den Bedürfnissen angepasst im Bereich der frühkindlichen Bildung (Hausfrühförderung, sonderpädagogische Frühförderung in öffentlichen Kindertageseinrichtungen, eigene Angebote am Standort), im Bereich der schulischen Bildung an allgemein bildenden und 2

3 berufsbildenden Schulen sowie mit eigenen sonderpädagogischen Bildungsangeboten an den Sonderschulen auszugestalten. Hierfür erhalten sie auf der Grundlage der Verwaltungsvorschrift Eigenständigkeit der Schulen und Unterrichtsorganisation die entsprechende Lehrerzuweisung. Damit wird gewährleistet, dass Qualität und Effizienz der pädagogischen Arbeit gesichert bleiben. 3. wie die für jedes Kind individuell passende Beschulung der Schülerinnen und Schüler und deren Unterstützungsbedarf in der allgemeinen Schule und/oder in der Sonderschule (auf Elternwunsch) gewährleistet werden soll; Inklusive Bildungsangebote für junge Menschen mit Behinderung und festgestelltem Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot sollen bedarfsbezogen und passgenau eingerichtet werden. Wesentliche Voraussetzung hierfür ist das enge Zusammenwirken der allgemeinen Pädagogik mit der Sonderpädagogik sowie mit weiteren Partnern und Kosten- und Leistungsträgern. Dabei kann auf den Erfahrungen mit bestehenden Beratungs- und Unterstützungsstrukturen, Formen des inklusiven Unterrichts, der Bildungswegekonferenz oder dem Außenklassenkonzept aufgebaut werden. Gleichzeitig muss gesehen werden, dass dieser Entwicklungsprozess, der im Grundsatz alle allgemein bildenden und beruflichen Schulen einbezieht, mehrere Jahre in Anspruch nehmen wird. Wie unter Ziffer 2. dargestellt, werden die Sonderschulen auch zukünftig als spezifisches Schulangebot für junge Menschen mit einem Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot zur Verfügung stehen. 4. wie der Elternwunsch auf Besuch einer Sonderschule künftig gewährleistet werden soll; 5. wie viele Sonderschulpädagogen und Lehrerschulstunden für die Inklusion zur Verfügung stehen, um die Förderdichte aufrechtzuerhalten; Sonderschulen sollen erhalten bleiben. Gemäß Koalitionsvertrag soll Inklusion integraler Bestandteil des Bildungswesens sein und der Anspruch der Schülerinnen und Schüler auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot in der allgemeinen Schule gesetzlich verankert werden. Die Eltern dieser Kinder sollen ein qualifiziertes Wahlrecht erhalten und nach einer qualifizierten Beratung entscheiden können, ob ihr Kind eine Sonderschule oder ein inklusives Bildungsangebot an einer allgemeinen Schule besucht. Die Elternwahl soll soweit fachlich und pädagogisch geeignet und insgesamt leistbar verwirklicht werden. Im Schuljahr 2013/2014 werden laut amtlicher Schulstatistik von den öffentlichen und privaten Sonderschulen rund Lehrewochenstunden in den gemeinsamen Unterricht an allgemeinen Schulen eingebracht. Diese teilen sich wie folgt auf: Angebotsform Lehrerwochenstunden Sonderpädagogische Dienste (einschließ lich der Stunden für ambulante Sprachheilkurse) Organisationsform Außenklasse ( Lehrerwochenstunden werden durch wissenschaftliche Lehrkräfte erbracht, durch Fachlehrerinnen und Fachlehrer für Schulen für Geistigbehinderte und schulen Körperbehinderte) Gemeinschaftsschulen* * Für die von privaten Sonderschulen an Gemeinschaftsschulen eingebrachten Lehrerwochenstunden liegen keine Meldungen vor. 3

4 Über die amtliche Schulstatik wird derzeit noch nicht erhoben, wie viele Stunden in den Schwerpunktregionen für inklusive Bildungsangebote auf Grundlage der Schulversuchsbestimmungen an allgemeinen Schulen erbracht werden. 6. wie sich Fachlehrerprinzip und Klassenlehrerprinzip bei der Inklusion unter dem Aspekt des ganzheitlichen Lernens vereinbaren lassen; Schon immer besuchen junge Menschen mit Behinderung in Baden-Württemberg eine allgemeine Schule, wenn sie ggf. mit sonderpädagogischer Beratung und Unterstützung dem jeweiligen Bildungsgang folgen können. Dies schließt auch Schularten ein, die den Unterricht vornehmlich im Fachlehrerprinzip organisieren. Zur Umsetzung der inklusiven Bildungsangebote sollen für die beteiligten Schulen die hierfür erforderlichen Voraussetzungen geschaffen werden. Dazu zählt ggf. auch das Zwei-Pädagogen-Prinzip. Damit soll sichergestellt werden, dass den jungen Menschen mit Behinderung feste und fachlich qualifizierte sonderpädagogische Lehrkräfte im gemeinsamen Unterricht zur Verfügung stehen und die Unterrichtsinhalte den individuellen Lern- und Entwicklungsvoraussetzungen dieser jungen Menschen entsprechend aufbereiten. 7. bei welcher Schülerzahl der Klassenteiler angelegt werden soll und welche Auswirkungen inklusive Schülerinnen und Schüler auf den Klassenteiler haben; Da Behinderung nicht gleich Behinderung ist und die Auswirkungen einer Behinderung sich auf das schulische Lernen sehr unterschiedlich darstellen können, sind feste Parameter für einen Klassenteiler bei Klassen mit inklusiven Bildungsangeboten nicht zielführend. Vielmehr gilt es ausgehend von den unterschiedlichen Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler, der Klassenzusammensetzung insgesamt, den räumlichen Bedingungen und den zur Verfügung stehenden Ressourcen bestmögliche Bedingungen herzustellen, die ein erfolgreiches gemeinsames Lernen unterstützen. 8. wie die Fachlichkeit der einzelnen sonderpädagogischen Disziplinen zum Wohle der behinderten Schülerinnen und Schüler erhalten bzw. ausgebaut werden kann; Aktuell werden die Ausbildungsverordnungen für die Lehrämter überarbeitet. Die Landesregierung hat sich dafür ausgesprochen, das Lehramt Sonderpädagogik auch weiterhin fachrichtungsspezifisch anzulegen. Damit kann gesichert werden, dass fachlich gut ausgebildete Lehrkräfte für die unterschiedlichen sonderpädagogischen Förderschwerpunkte in den Schuldienst eintreten. Die Sicherung der Fachlichkeit bei Lehrkräften, die bereits im Schulsystem arbeiten, wird über die Lehrerfortbildung gewährleistet. 9. welche Auswirkungen im konkreten Fall die erneute Verschiebung der Änderung des baden-württembergischen Schulgesetzes auf die in Erwägung gezogene Abschaffung der Sonderschulpflicht hat und ob hierbei auch Erfahrungen aus anderen Bundesländern berücksichtigt werden; Die Pflicht zum Besuch der Sonderschule soll aufgehen in der Pflicht zum Besuch der Primarstufe und einer darauf aufbauenden Sekundarstufe I. Die Entscheidung basiert nicht auf den Erfahrungen in anderen Bundesländern, sondern ist ein Ergebnis der Arbeiten in den Schulversuchsregionen in Baden-Württemberg. Hier hat sich gezeigt, dass dieser Schritt gegangen werden kann, wenn Eltern eine qualifizierte Beratung erfahren, um sich in der Frage des Lernortes für ihr Kind (allgemeine Schule oder sonderpädagogische Einrichtung) entscheiden zu können. Es ist geplant, das Schulgesetz zum Schuljahr 2015/2016 zu ändern. 4

5 10. warum bei lernbehinderten Kindern nicht wie bei anderen Behinderungsarten eine feste Stundenzahl für die sonderpädagogische Förderung festgelegt wird (z. B. sechs Unterrichtsstunden pro Kind mit einer geistigen Behinderung). Die Lehrerzuweisung an Sonderschulen erfolgt auf Grundlage der Verwaltungsvorschrift Eigenständigkeit der Schulen und Unterrichtsorganisation. Um den Schulen erweiterte Gestaltungsspielräume zu ermöglichen, erfolgt die Zuweisung der Unterrichtsstunden als Budget und nicht als Zuweisung einer festen Stundenzahl pro Kind. Dies gilt für alle Sonderschultypen gleichermaßen und somit auch für die Förderschulen. Die Berechnungsgrundlage orientiert sich hierbei allerdings an der Zahl der vollzeitschulpflichtigen Kinder und Jugendlichen im Einzugsbereich einer Förderschule und nicht an der Zahl der Schülerinnen und Schüler, die die Förderschulen selbst besuchen. Stoch Minister für Kultus, Jugend und Sport 5