Thema Nr. 11: Mass Customization bei Versicherungen- Möglichkeiten und Grenzen der Individualisierung
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- Sigrid Thomas
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1 Thema Nr. 11: Mass Customization bei Versicherungen- Möglichkeiten und Grenzen der Individualisierung Seminararbeit eingereicht bei Prof. Dr. Klaus Peter Kaas Lehrstuhl für Marketing I, Fachbereich Wirtschaftswissenschaften Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main Betreuer: Dipl.- Kfm. Markus Guthier von cand. rer. pol. Fetiye Sisko Studienrichtung: BWL
2 Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis...III 1 Problemstellung und Gang der Untersuchung Grundlagen des Mass Customization-Ansatzes Mass Customization als hybride Wettbewerbsstrategie Begriffsabgrenzung Funktionsweise und Potentiale von Mass Customization Differenzierungsoption Kostenoption Eignung der Versicherungswirtschaft für Mass Customization Eignung von Mass Customization zur Bedürfnissbefriedigung von Versicherungskunden Überprüfung der Eignung von Versicherungsprodukten für...7 Mass Customization Umsetzung des Mass Customization-Ansatzes für Versicherungen Konfiguratoren für Mass Customization Konzept der Versicherungsbausteine Grenzen der Individualisierung Fazit und Ausblick...14 Literaturverzeichnis... IV II
3 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Funktionsweise des Mass Customization-Ansatzes...6 III
4 1 Problemstellung und Gang der Untersuchung Auch in zunehmend wettbewerbsintensiven Versicherungsmärkten wird es immer wichtiger, eine herausragende Stellung im Markt gegenüber den Wettbewerbern aufzubauen, um den derzeitigen und künftigen Erfolg des Unternehmens gewährleisten zu können. Kundenorientierung ist das erfolgsverheissende Schlagwort geworden. Sie wird von den meisten Versicherungsunternehmen angestrebt, jedoch von wenigen wirklich umgesetzt. 1 Hierin liegt eine der zentralen Herausforderungen für das Versicherungsgeschäft, denn nur das tatsächliche Eingehen auf den Kunden dürfte eine dauerhafte Basis für den angestrebten Wettbewerbsvorteil sein. Ein zentrales Problem ergibt sich dabei für die Versicherungsbranche. Denn keine andere Branche verfügt in bezug auf ihre Kunden und deren Bedürfnisse über weniger Informationen. 2 Um sich als Versicherungsunternehmen einen Wettbewerbsvorsprung sichern zu können, ist es erforderlich, Produkte zu entwickeln und anbieten zu können, die genau auf die Kundenbedürfnisse abgestimmt sind. Dabei wird die Differenzierung der Versicherungsabdeckungen als Kernelement des Produkts Versicherung neben Preis und Service zu einem wichtigen Wettbewerbsparameter. Im Mittelpunkt der hierbei zu erwägenden Strategiealternativen steht der Mass Customization-Ansatz, welcher eine Verbindung zwischen der Befriedigung kundenspezifischer Bedürfnisse (Individualität) und der Erzielung von Kostenvorteilen (Standardisierung) schafft. Sie soll eine Antwort auf die zunehmende Heterogenisierung und Individualisierung der Nachfrage bieten. 3 Da der Schwerpunkt der wissenschaftlichen Diskussion bezüglich des Mass Customization- Ansatzes bisher auf der Anwendung bei materiellen Produkten liegt, steht neben einer konzeptionellen Vorstellung sowie einer wettbewerbsstrategischen Einordnung des Konzeptes insbesondere eine Analyse der Eignung für versicherungsspezifische Belange im Vordergrund. Abschließend wird die operative Umsetzung des Mass Customization-Ansatzes für Versicherungsunternehmen aufgezeigt. 2 Grundlagen des Mass Customization-Ansatzes 2.1 Mass Customization als hybride Wettbewerbsstrategie Zur Schaffung dauerhafter Wettbewerbsvorteile benötigt das Unternehmen eine geeignete Wettbewerbsstrategie, um sich innerhalb der Branche entsprechend günstig positionieren zu 1 Vgl. Köhne/ Ruf (1995), S Vgl. Köhne/ Ruf (1995), S Vgl. Piller (2003), S. 4. 1
5 können. Das von Porter entwickelte Konzept der generischen Wettbewerbsstrategien 4 hat in diesem Zusammenhang großen Einfluss auf Praxis und Wissenschaft. 5 Um die Neuartigkeit des Mass Customization-Ansatzes zu verdeutlichen und ihn entsprechend einordnen zu können, ist es nötig, die zwei von Porter entwickelten grundsätzlich möglichen Strategietypen kurz darzustellen. Unter wettbewerbsstrategischen Gesichtspunkten kann ein Unternehmen entweder die Differenzierungsstrategie mit dem Ziel der Qualitätsführerschaft oder die Kostenführerschaft mit der Preisführerschaft als Ziel anstreben. 6 Diese beiden Strategien sind jedoch nach Porter nicht miteinander vereinbar. Er leitet hieraus die Alternativhypothese ab, nach der jedes Unternehmen einen eindeutigen strategischen Schwerpunkt verfolgen muss, um nicht in einen Stuck-in-the-middle -Zustand zu gelangen. 7 Trotz der vorhandenen Spannungsfelder beider Strategien ist jedoch eine simultane Verfolgung entgegen der Alternativhypothese Porters nicht ausgeschlossen, da einige Autoren darauf hinweisen, dass es sich bei den Strategien um unterschiedliche Betrachtungsebenen handelt: Während die Differenzierungsstrategie marktwirtschaftliche Aspekte der Nachfrageseite betrachtet, zielt die Kostenstrategie auf betriebswirtschaftliche interne Gegebenheiten im Unternehmen ab. 8 Das im Folgenden vorgestellte Konzept der Mass Customization stellt aus wettbewerbsstrategischer Sicht eine hybride Wettbewerbsstrategie dar. Bei dieser Strategie wird gleichzeitig die Verwirklichung von Wettbewerbsvorteilen auf Basis von Differenzierungsvorteilen und eine im Vergleich zum Wettbewerb relativ vorteilhafte Kostenposition angestrebt. 9 Mass Customization überwindet somit die Alternativhypothese von Porter zugunsten der Simultanitätshypothese Begriffsabgrenzung Der Ausdruck Mass Customization ist ein Oxymoron und setzt sich aus den, an sich gegensätzlichen, Begriffen Mass Production und Customization zusammen. 11 Geprägt wurde der Begriff erstmals 1987 von Davis, der ausgehend von einem Beispiel aus der Bekleidungsindustrie erstmals das Phänomen einer maßgeschneiderten Massenfertigung beschrieben hat. 12 Der häufig im deutschsprachigen Raum gebrauchte Begriff maßgeschneiderte Massenferti- 4 Vgl. Porter (1980). 5 Vgl. Piller (2003), S Vgl. Porter (1997), S. 63 f.. 7 Vgl. Porter (1997), S Vgl. Fleck (1995), S. 11 ff.. 9 Vgl. Piller (1998a), S Vgl. Corsten/Will (1995), S. 2 f.. 11 Vgl. Piller (2003), S Vgl. Davis (1987), S
6 gung ist begrifflich zu eng mit der Bekleidungsindustrie verbunden und wird daher in dieser Arbeit nicht verwendet. 13 Im Folgenden soll die von Piller benutzte Definition Anwendung finden: Mass Customization ist die Produktion von Gütern und Leistungen für einen (relativ) großen Absatzmarkt, welche die unterschiedlichen Bedürfnisse jedes einzelnen Nachfragers dieser Produkte treffen, zu Kosten, die ungefähr denen einer massenhaften Fertigung vergleichbarer Standardgüter entsprechen. Die Informationen, die im Zuge des Individualisierungsprozesses erhaben werden, dienen zum Aufbau einer dauerhaften, individuellen Beziehung mit jedem Abnehmer Funktionsweise und Potentiale von Mass Customization Differenzierungsoption Die Funktionsweise des Mass Customization-Ansatzes setzt am Gegensatz von Kostendruck und Varietät an und versucht, die Vorteile der Massenfertigung mit denen der Einzelfertigung zu kombinieren. Damit dieser vermeintliche Widerspruch zwischen Kosteneffizienz und individueller Produktion gelöst werden kann, ist das Zusammenspiel von Differenzierungs- und Kostenoption erforderlich. 15 Abb.1: Funktionsweise des Mass Customization-Ansatzes Differenzierungsoption der Mass Customization: Höhere Leistungsattraktivität Steigerung des akquisitorischen Potenzials Erhöhung der Kundenbindung Vorteile des Kundenkontaktes (Learning Relationship) Erhöhung der Absatzmenge Erhöhung der Varietät und Komplexität Kostenoption der Mass Customization: Sinkende Kosten durch Steigende Kosten durch Mass Customization: Mass Customization: -Economies of Scale - Produktionskosten -Economies of Scope - Transaktionskosten -Economies of Postponement Umsatzeffekt Kosteneffekt Wettbewerbsvorteil durch Mass Customization Quelle: In Anlehnung an Piller (2003), S Vgl. Piller (1998), S Piller (2003), S Vgl. Piller (1999), S
7 Den Ausgangspunkt des Ansatzes, den Abb.1 im Überblick zeigt, bildet die Differenzierungsoption der Mass Customization, die an der Leistungserstellung nach individuellen Kundenspezifikationen als Folge einer Interaktion von Anbieter und Abnehmer ansetzt Entsprechend des Zieles der Differenzierungsoption werden Produkte erstellt, die der Präferenzstruktur der Abnehmer entsprechen. 16 Hierdurch werden inhärente, als Economies of Interaktion 17 bezeichnete, Kostensenkungspotenziale, welche sich aus der direkten Interaktion zwischen Kunde und Anbieter sowie der verbesserten Informationsbasis über die Kunden ergeben. 18 Das Wissen, welches während der individuellen Produktzusammenstellung entsteht, kann bei einem Wiederholungskauf für genauere spezifizierte Produkte und Leistungen genutzt werden. Neue Kunden können besser und effizienter bedient werden, indem ihnen eine individuelle Produktvariante vorgeschlagen wird, die Abnehmer mit einem ähnlichen Kundenprofil in der Vergangenheit erworben haben. 19 Peppers/ Rogers sprechen in diesem Zusammenhang von einer so genannten Lernbeziehung ( Learning Relationship ) 20, von der sowohl der Kunde als auch der Anbieter profitieren. 21 Eine wesentliche Voraussetzung für den Aufbau von Lernbeziehungen ist die systematische und umfassende Gewinnung und Speicherung von Kundeninformationen, welche durch ein konsequent betriebenes Database Marketing gewährleistet werden kann. Zunehmende Bedeutung erlangen hierbei intelligente Datenbanken auf Basis des Data Warehouse Konzepts, welche aus den gespeicherten Daten automatisch kundengerechte Leistungsangebote generieren können. 22 Als Ergebnis der Differenzierungsoption ergibt sich im Mass Customization-Ansatz ein quasimonopolistischer Handlungsspielraum, da die angebotenen Produkte aufgrund ihrer Differenzierung gewissermaßen unvollkommene Substitute darstellen, für die jeder Nachfrager in der Regel bereit ist, einen höheren Preis als bei standarisierten Produkten zu zahlen. Je exakter hierbei die individuellen Ansprüche befriedigt werden können, desto höher ist die Preisbereitschaft der Nachfrager Kostenoption Der Differenzierungsoption des Mass Customization-Ansatzes stehen Kostenwirkungen gegenüber: Die Kostenoption beschreibt zum einen Kostensenkungspotenziale, um komplexitätsbedingte Kostensteigerungen auszugleichen, zum anderen effizienzsteigernde Kostensenkungsmaßnahmen. Zunächst bedingt die Ausrichtung uf die Anforderungen einzelner Kunden 16 Vgl. Grabosch (2004), S Vgl. Schnäbele (1997), S. 162 f.. 18 Vgl. Piller (2003), S Vgl. Piller/ Schoder (1999), S Vgl. Piller (1998b), S. 106 f.. 21 Vgl. Reichwald/ Piller (2000), S Vgl. Piller (1998a), S. 308 ff.. 23 Vgl. Schnäbele(1997), S
8 einen zusätzlichen Kostenaufwand, der in der steigenden Komplexität der Leistungserstellung begründet ist. 24 Da sich Mass Customization an einem (relativ) großen Markt orientiert, können die Wirkungszusammenhänge von Economies of Scale (Skaleneffekte) und Economies of Scope (Verbundeffekte) kombiniert werden. Beide Ansätze erreichen Kostensenkungspotenziale über erhöhte Produktionsmengen. 25 Diese Kombination von Größen- und Verbundeffekten stellt eine neue Klasse von Kostensenkungspotenzialen dar, welche im Umfeld der Mass Customization unter dem Begriff Economies of Integration diskutiert und als Kern der Kostenoption des Ansatzes angesehen werden kann. 26 Das Kostensenkungspotenzial der Economies of Integration leitet sich vor allem aus den Flexibilitätspotenzialen neuer Produktions- und Informationstechnologien unter Beachtung des zentralen Prinzips der Modularisierung ab, worauf in Kapitel 4 näher eingegangen wird Eignung der Versicherungswirtschaft für Mass Customization Nachdem im letzten Kapitel das Grundprinzip des Mass Customization-Ansatzes vorgestellt wurde, soll im folgenden Kapitel geprüft werden, ob sich die Versicherungswirtschaft zur Anwendung des Ansatzes eignet. Da im Mittelpunkt der bisherigen Diskussion die Auseinandersetzung mit dem Mass Customization-Ansatz materieller Produkte stand, besteht Bedarf daran zu klären, ob auch andere Produktarten für den Ansatz geeignet sind und insbesondere, ob Versicherungsprodukte dazu gehören. 28 Die Überprüfung findet in zwei Schritten statt: Zum einen wird geprüft, ob die Anforderungen für kundenorientierte Sachgüter mit denen von kundenorientierten Versicherungen übereinstimmen. Zum anderen werden die Besonderheiten von Versicherungsprodukten hinsichtlich der Eignung für Mass Customization betrachtet. 3.1 Eignung von Mass Customization zur Bedürfnissbefriedigung von Versicherungskunden Aus dem Mass Customization-Ansatz ergibt sich der unmittelbare Flexibilitätsbedarf, die aus den individuellen Kundeninformationen resultierenden Kundenbedürfnisse auf den individualisierten Leistungserstellungsprozess zu übertragen. 29 Diese Umsetzung ist vielen Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen in der Praxis bereits erfolgreich gelungen. 30 So ist es grundsätzlich möglich, die Wettbewerbsposition durch Mass Customization zu verbessern 24 Vgl. Piller (2003), S Vgl. Stotko/ Piller (2003), S. 203 f.. 26 Vgl. Schnäbele (1997), S. 129 ff. und S. 155 ff.. 27 Vgl. Piller/ Ihl (2002), S Vgl. Pine/Victor/ Boynton (1993), S Vgl. Schnäbele (1997), S. 64 f.. 30 Vgl. Piller/ Stotko (2003), S
9 oder zumindest zu stärken, wenn auf die hierfür nötige gezielte Ermittlung und Abdeckung von Kundenbedürfnissen bei der Produktgestaltung geachtet wird. In bezug auf die Übertragung des Mass Customization-Ansatzes auf die Versicherungswirtschaft stellen sich folgende Fragen: Welche Bedürfnisse sind es, die durch Mass Customization im Sachgütermarkt gedeckt werden und haben Versicherungskunden dieselben Bedürfnisse? Oder anders ausgedrückt: Kann Mass Customization auch die Bedürfnisse von Versicherungskunden befriedigen? Um Antworten auf diese Fragen geben zu können, dient zunächst ein Merkmalskatalog aus anderen Branchen, welcher die Forderungen an ein kundenorientiertes materielles Produkt auflistet: Verknüpfung von Standardisierung und Individualisierung. 2. Durch modularen Aufbau flexibel für Änderungen des Kundenbedarfs. 3. Die Module sind standarisiert, wodurch sie mit anderen Modulen anderer Anbieter kombiniert werden können. 4. Einfachheit und Verständlichkeit (Transparenz) des Gesamtproduktes, damit sich der Kunde mit dem Produkt identifizieren kann. 5. Eine möglichst vollkommene Bedürfnisbefriedigung bzw. Problemlösung für den Kunden. Diese Auflistung der Merkmale aus anderen Branchen verdeutlicht, welche Prinzipien in stark kundenorientierten Märkten ausschlaggebend sind. Allerdings bleibt nun zu prüfen, ob diese auch für die Versicherungswirtschaft gelten. Aus Umfragen und Studien des Verbraucherschutzes, in denen Kunden ihre Wünsche und Erwartungen In bezug auf Versicherungsprodukte formulieren mussten, konnte folgender Kriterienkatalog für ein kundenorientiertes Versicherungsprodukt ermittelt werden: 32 - Bedarfsgerechtigkeit, Individualität - Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis - Transparenz - Deckungsflexibilität - Kombinierbarkeit mit anderen Finanzprodukten - Erzeugung innerer Sicherheit Bei einem Vergleich der Anforderungskataloge von Sachgütern und Versicherungsprodukten ergeben sich einige Parallelen. 33 Die ersten beiden Punkte entsprechen einer Forderung nach 31 Vgl. Köhne/ Ruf (1995), S Vgl. Köhne (1997), S. 38 und S Vgl. Köhne/ Ruf (1995), S
10 Kombination von Individualisierung und Standardisierung mittels einer modularen Gestaltung (Merkmal 1). Der Wunsch nach Verständlichkeit des Produkts ist identisch mit den Anforderungen in anderen Branchen (Merkmal 4), wobei die Forderung nach mehr Deckungsflexibilität (Merkmal 2) ähnlich ist. Dass schließlich die möglichst vollkommene Problemlösung des Kunden (Merkmal 5) auch ein Bedürfnis des Versicherungskunden darstellt, dürfte nicht bezweifelt werden. Damit wird deutlich, dass die Bedürfnisse von Versicherungsnehmern denen von Kunden anderer Branchen weitgehend entsprechen. Folglich könnte eine Übertragung des Mass Customization-Ansatzes auf die Versicherungsbranche in bezug auf eine effizientere Bedürfnisbefriedigung beim Kunden sinnvoll sein. 3.2 Überprüfung der Eignung von Versicherungsprodukten für Mass Customization Der Fokus der weiteren Ausführungen liegt bei der Untersuchung der Eignung von Versicherungsprodukten für den Mass Customization-Ansatz anhand seiner relevanten Besonderheiten. Es existieren erhebliche Unterschiede in bezug auf den Absatz von Versicherungsschutz und Sachgüterindustrie, die auf die Besonderheiten von Dienstleistungsprodukten zurückgeführt werden können. 34 Diese versicherungsspezifischen Besonderheiten können unmittelbare Konsequenzen auf die Ausgestaltung des Mass Customization-Ansatzes haben. Es bietet sich daher an, anhand dieser Besonderheiten den Wettbewerbsansatz auf seine Eignung in diesem Kontext zu überprüfen. Im Folgenden werden jene versicherungsspezifischen Merkmale einer Analyse unterzogen, die sich im Hinblick auf das vorliegende Untersuchungsziel als besonders relevant erweisen: 35 Immaterialität des Gutes Versicherungsschutz Erklärungsbedürftigkeit des Versicherungsproduktes Integration des externen Faktors Die immaterielle Natur von Versicherungsprodukten ist eng mit der Informationsorientierung derselben verbunden. Daher werden sie auch als digitale Güter oder Informationsprodukte bezeichnet. 36 Im Rahmen des Mass Customization-Ansatzes besteht infolgedessen die Mög- 34 Vgl. Grabosch (2004), S Vgl. Stremitzer/ Ennsfellner (1994), S. 381 ff.. 36 Vgl. Grabosch (2004), S
11 lichkeit dazu, Versicherungsprodukte effizient über das Internet zu vertreiben, wo sie auch problemlos verändert werden können. 37 Die mit der Immaterialität zusammenhängende hohe Erklärungsbedürftigkeit von Versicherungsprodukten fokussiert die Bedeutung von Versicherungsberatungs- und Serviceleistungen. Im Zusammenhang mit dem Mass Customization-Ansatz ist damit der Einsatz von Konfigurationssystemen angesprochen, die eine Möglichkeit darstellen, den Kunden bei der Zusammenstellung des zu individualisierenden Versicherungsprodukts zu unterstützen. 38 Durch eine derartige Unterstützung kann die gerade im Bereich der Versicherungsproduktgestaltung für die Kunden vorhandene Komplexität bei der Angebotserstellung deutlich reduziert werden, worauf im Kapitel 4.1 näher eingegangen wird. Dienstleistungen erfordern eine zwingende, spezifische Mitwirkung des Kunden am Leistungsprozess, die so genannte Integration der Kunden als externer Faktor. 39 Die Erstellung der Leistung erfolgt über das Einwirken des Kunden durch die Bereitstellung von Informationen über die Ausgangsrisikosituation (z.b. über die Merkmale der zu versichernden Person). 40 Während Sachgüter in einem klassischen Wettbewerbsansatz ohne Hinzuziehen des Abnehmers herstellbar sind, erfordert der Mass Customization-Ansatz die Beeinflussung der Leistungsgestaltung über den Kunden mit dem Ziel, kundenindividuelle Leistungen konfigurieren und bereitstellen zu können. 41 Obwohl die Kundenintegration im Mass Customization-Ansatz nicht zwingend mit der Integration externer Faktoren im Dienstleistungsbereich verwandt sein muss, kann dies im Versicherungsbereich für die Faktorintegration bejaht werden. 42 Denn sowohl im Versicherungsbereich als auch in der Kundenintegration bedarf es im Rahmen der Leistungsindividualisierung als Integrationsfaktor Informationen, welche zur Spezifikation einer individuellen Leistung benötigt werden. Unter Berücksichtigung der diskutierten kundenrelevanten besonderen Eigenschaften von Versicherungsprodukten und der diskutierten Anforderungen an ein kundenorientiertes Versicherungsprodukt zeigt sich zusammenfassend, dass der Mass Customization-Ansatz, auch wenn er seinen Ursprung im Sachgüterbereich hat, gleichfalls für Versicherungsunternehmen ein wettbewerbsstrategischer Ansatz sein kann Vgl. Grabosch (2004), S Vgl. Piller (2003), S Vgl. Corsten (1990),S Vgl. Stremitzer/ Ennsfellner (1994), S Vgl. Piller (2003), S. 188 f.. 42 Vgl. Grabosch (2003), S Vgl. Grabosch (2004), S
12 Nachdem die Anforderungen an ein kundenorientiertes Versicherungsprodukt in bezug auf den Mass Customization-Ansatz diskutiert wurden, können diese nun in einen Definitionsansatz für Versicherungsprodukte transferiert werden: 44 Eine Mass Customization für Versicherungsprodukte beinhaltet die Bereitstellung von transparentem sowie kombinierbarem Versicherungsschutz, welcher die unterschiedlichen Bedürfnisse jedes einzelnen Kunden im Vertragsverlauf flexibel zu einem guten Preis-Leistungs- Verhältnis erfüllt. 4 Umsetzung des Mass Customization-Ansatzes für Versicherungen Im letzten Kapitel wurde festgestellt, dass sich Mass Customization für die Versicherungsbranche eignet. Nun soll im einem nächsten Schritt aufgezeigt werden, mit welchen Systemen die Kundeninformationen effizient erhoben werden können und in welcher Form die Modularisierung von Versicherungsprodukten gestaltet werden kann. Zum Schluss des Kapitels findet eine kritische Betrachtung des Mass Customization-Ansatzes statt, wobei auf die Grenzen der Individualisierung eingegangen wird. 4.1 Konfiguratoren für Mass Customization Im Zusammenhang mit dem Mass Customization-Ansatz ist mit der Erklärungsbedürftigkeit von Versicherungsprodukten der Einsatz von Konfigurationssystemen angesprochen, die eine Möglichkeit darstellen, den Kunden bei der Zusammenstellung des zu individualisierenden Versicherungsprodukts zu unterstützen. 45 Durch eine derartige Unterstützung kann die Komplexität, welche insbesondere im Bereich der Versicherungsproduktgestaltung für Kunden bzw. im Vertrieb vorhanden ist, bei der Angebotserstellung deutlich reduziert werden. Gelingt es, die wahrgenommene Komplexität im Kaufprozess zu reduzieren, verbessert sich dadurch das Niveau der Informationsverarbeitung. 46 Der Kunde kann mehr Informationen aufnehmen und Unsicherheiten in einem größeren Umfang beseitigen. Eine kundenindividuelle Informationsbereitstellung ist hierfür Voraussetzung. Dazu müssen wiederum die individuellen Bedürfnisse eines Kunden identifiziert werden. Hierbei stellen die im Rahmen der Produktkonfiguration eingesetzten Expertensysteme einen Orientierungs-leitfaden dar, um den Kunden bei der Definition seiner Bedürfnisse zu unterstützen. Ohne derartige Werkzeuge wäre es für die Kunden schwer, die passende Lösung zu finden, da sie mit zu vielen Grundformen und Kombinationsmöglichkeiten konfrontiert werden würden. 47 Ein Konfigurator soll dem Kunden bei der Beherrschung der Komplexität helfen. Ziel dabei ist, die Anzahl der möglichen Varianten 44 Vgl. Grabosch (2004), S Vgl. Piller (2003), S Vgl. Koch/ Heise (2002), S Vgl. Piller/ Schoder (1999), S
13 auf eine einzige, den Kundenbedürfnissen am Besten entsprechende, zu reduzieren. 48 Zusammenfassend ergeben sich folgende Anforderungen an ein Mass Customization- Konfigurationssystem: 49 Präsentation des Unternehmenssystems sowie der Fähigkeiten des Anbieters Präsentation des Angebots Auswahl eines Basisprodukts Unterstützung und Beratung des Anwenders Führung durch den Konfigurationsvorgang Plausibilitätsprüfung der Auswahl des Anwenders Erhebung von Kundendaten. Im Idealfall sollte der Kunde die Möglichkeit haben, selbst- z.b. direkt von seinem eigenen Internetzugang oder via Callcenter- seine Wünsche mitzuteilen. 50 An dieser Stelle wird die Bedeutung des Internets für Mass Customization bei Versicherungen deutlich. Durch Electronic Commerce besteht die Möglichkeit in Massenmärkten, wie bspw. dem Versicherungsmarkt, individualisierte Produkte effizient bereitzustellen und eine individuelle Ansprache und Betreuung der Versicherungsnehmer zu nutzen Konzept der Versicherungsbausteine Um eine Vorstellung der Nutzbarkeit des Mass Customization-Ansatzes in der Versicherungsbranche zu bekommen, erweist sich das Grundprinzip der Modularisierung als Kernaspekt der Umsetzung. 52 Ziel der Modularisierung ist die Überwindung der Schwierigkeiten bei der Gestaltung komplexer Systeme. 53 Auf Basis der Darstellung modularer Produktarchitekturen kann ein Gestaltungsrahmen definiert werden, der die modulare Produktstruktur für Versicherungen über das Konzept der Versicherungsbausteine spezifiziert. 54 Dieses Konzept orientiert sich anhand von Marketing-Überlegungen und verfolgt die Intention, ein bedarfsgerechtes Produkt bereitzustellen. Im Folgenden soll das Bausteinprinzip entsprechend einer Definition von Köhne als Produktgestaltungsprinzip verstanden werden, welches über das Angebot kleinstmöglich definierter Bausteine an Versicherungsschutz die notwendige Flexibilität bietet, um Standardisierung (Kostenaspekt) und Individualisierung (Bedarfsgerechtigkeit) miteinander verknüpfen zu 48 Vgl. Piller/ Stotko (2003), S Vgl. Piller/ Stotko (2003), S. 133 ff.. 50 Vgl. Koch/ Andernacht/ Mühl (2001), S Vgl. Piller/ Schoder (1999), S Vgl. Grabosch (2004), S Vgl. Göpfert (1998), S. 10 f.. 54 Vgl. Grabosch (2004), S
14 können. 55 Hierbei wird die Verbindung zum Mass Customization-Ansatz deutlich, welcher ebenso auf die Aufhebung des klassischen Gegensatzes zwischen Standardisierung und Individualisierung abzielt. Das Bausteinprinzip baut auf dem Prinzip der Modularisierung auf, wobei es um die kombinatorische Verknüpfung von verschiedenen Produkten mit unterschiedlicher Gesamtfunktion aus einem gegebenen Repertoire von Produktelementen geht. 56 Die nach dem Bausteinprinzip aufgebauten Versicherungsprodukte sollen als Bausteinprodukte bezeichnet werden. Sie bestehen aus... abgrenzbaren, gesondert handelbaren Komponenten von Versicherungsschutz und ggf. ergänzenden Produktkomponenten 57. Die einzelnen Elemente eines Bausteinprodukts werden als Versicherungsbausteine bezeichnet. Versicherungsbausteine sind standarisiert, d.h. ein Kunde erhält seine individuelle Sicherheitslösung nicht durch die auf ihn zugeschnittene Vereinbarung eines einzelnen Versicherungsbausteins, sondern durch die individuelle Auswahl und Kombination von normierten Bausteinen. 58 Das Angebot aller Versicherungsbausteine wird Baukasten genannt. Folgende Gestaltungsprinzipien zur Entwicklung von Versicherungsbausteinen stehen zur Auswahl: 59 Das Dekompositionsprinzip zielt auf die bedarfsgerechte Erhöhung des Detaillierungsgrad durch Zerlegung der Gesamtfunktion des Produktes in immer detailliertere Teilfunktionen. 60 In versicherungsspezifischer Hinsicht wird mit dem Detaillierungsgrad der Versicherungsbausteine der Grad der Freiheit bestimmt, mit dem sich die Kunden ihre Versicherungsprodukte später zusammenstellen können. Aus dem Detaillierungsgrad folgt unmittelbar die Bestimmung der Anzahl und Größe der Versicherungsbausteine. 61 Statt der Maximierung des Detaillierungsgrades sollte eine Optimierung in dem Sinne angestrebt werden, dass der Nutzen der Modularisierung abzüglich des dafür notwendigen Aufwands des Kunden bzw. des Versicherers maximiert wird. 62 Das Unabhängigkeitsprinzip fordert die funktionale und physische Unabhängigkeit von Modulen. 63 Auf Versicherungsprodukte bezogen folgt aus dem Unabhängigkeitsprinzip, dass verschiedene Produktfunktionen möglichst auf unterschiedliche, in sich unabhängige Versicherungsbausteine verteilt werden, sofern der Aufwand für die Entwicklung nicht den Nutzen der Modularisierung übersteigt. Für Versicherungsprodukte ergibt sich hieraus 55 Vgl. Köhne (1997), S Vgl. Grabosch (2004), S Rosenbaum/ Wagner/ Kloos (2003), S Vgl. Rosenbaum/ Wagner/ Kloos (2003), S Vgl. Grabosch (2004), S Vgl. Göpfert (1998), S. 127 f.. 61 Vgl. Rosenbaum/ Wagner/ Kloos (2003), S. 24 f.. 62 Vgl. Schnäbele (1997), S Vgl. Göpfert (1998), S. 125 f.. 11
15 das Prinzip der Überschneidungsfreiheit, nach dem Teilfunktionen eines Versicherungsbausteins nicht in einem weiteren Baustein enthalten sein sollen. Bei Kombinationen von zwei oder mehr Versicherungsbausteinen sollten somit keine redundanten Versicherungsdeckungen auftreten. 64 Beim Integritätsprinzip geht es um das Zusammenspiel der Module als Gesamtprodukt, d.h. die relativ unabhängigen Module sind so zu gestalten, dass sie sich im Sinne des Gesamtproduktes zusammenfügen lassen. 65 Dieses Gestaltungsprinzip führt zum Prinzip der Kombinierbarkeit von Versicherungsbausteinen. Bezogen auf Versicherungsprodukte stellt die Kombinierbarkeit einen ausschlaggebenden Faktor dar, Versicherungsprodukte kundenorientierter zu gestalten, da sich der Kunde aus vorhandenen Versicherungsbausteinen im Bausteinprinzip sein individuelles Versicherungsprodukt zusammensetzten kann. Hinsichtlich der freien Kombinierbarkeit ist einschränkend zu bemerken, dass für Versicherungsprodukte neben völlig frei wählbaren Leistungen (Kann-Bausteine) auch bestimmte notwendige Funktionen in jedem Produkt vorhanden sein müssen (Muss- Bausteine). 66 In einer dynamischen Betrachtung sollten sich Bausteinprodukte dadurch auszeichnen, dass sie es dem Kunden ermöglichen, flexibel auf die Gegebenheiten seiner aktuellen Lebenslage zu reagieren, d.h. der Versicherungsschutz sollte sich im Zeitablauf dynamisch an die sich ändernde Risikosituation des Kunden anpassen lassen können. 67 Eine Möglichkeit der Umsetzung der Flexibilitätserfordernisse ist die Erweiterung des Konzepts der Versicherungsbausteine durch die Entwicklung eines produktspezifischen Lebensphasenmodells. 68 An dieser Stelle soll jedoch nur auf die Existenz eines solchen Lebensphasenmodells hingewiesen werden, auf die genaueren Bestandteile dieses Modells wird hingegen nicht näher eingegangen. 4.4 Grenzen der Individualisierung Während der Mass Customization-Ansatz von seinen Befürwortern meist ausschließlich vor dem Hintergrund der großen Verbesserungspotentiale diskutiert wird, werden konzeptionelle Grenzen und Bedenken, wie sie bspw. die Aufzählung von zusätzlichen Kosten bereits angedeutet hat, viel zu selten aufgezeigt. 69 Es gibt jedoch einige Grenzen des Ansatzes, welche im Folgenden dargestellt werden sollen. 1. Standardisierung der Konfigurationssysteme 64 Vgl. Rosenbaum/ Wagner/ Kloos (2003), S Vgl. Göpfert (1998), S. 126 f.. 66 Vgl. Taubert (2001), S Vgl. Wagner (2001), S Vgl. Taubert (2001), S Vgl. Piller/ Ihl (2002), S
16 Dass dem Kunden die verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten über ein entsprechendes Konfigurationssystem vermittelt werden müssen, wurde bereits in Kapitel 4.1 erläutert und dargestellt. Allerdings liegt hier auch eine Grenze des Mass Customization-Ansatzes. Eine Marktstudie von Rogoll/ Piller über Konfigurationssysteme ergab, dass noch keine Standardsoftware existiert, welche die Ansprüche von Mass Customization an einen optimalen Konfigurator aus Anbieter- und Abnehmersicht erfüllt. 70 Ähnlich steht es auch in bezug auf Konfiguratoren für Versicherungsprodukte. Es stehen zwar einige Produktdefinitionssysteme sowie elektronische Medien zur Gestaltung von Versicherungsbausteinprodukten zur Verfügung. Aber keine sind den Anforderungen des Mass Customization-Ansatzes für Versicherungsprodukte gewachsen. 71 Daher sind Versicherungsunternehmen, die Mass Customization implementieren wollen, darauf angewiesen, entsprechende Systeme weitgehend neu zu erfinden, wobei auch die Lernkurven immer wieder von neuem beginnen Das Varietätsparadoxon von Mass Customization Das Geschäftskonzept von Mass Customization baut auf das Versprechen von Individualität auf. Kunden suchen nach Leistungen, welche genau auf ihre Bedürfnisse ausgerichtet sind. Allerdings zahlen sie nicht für Individualität per se, sondern letztendlich nur für eine Leistung, die ihnen unmittelbaren Nutzen stiftet. 73 An dieser Stelle tritt die wesentliche Frage auf: Wieviele Varianten einer Komponente sollten angeboten werden, wieviel Individualität stiftet diesen unmittelbaren Nutzen noch? 74 Dies ist ein zentraler Kritikpunkt an Mass Customization. Denn Kritiker behaupten, Mass Customization führe zu einer Variantenvielfalt, die dazu führt, dass sie die meisten Kunden nicht handhaben können und dass sie die Komplexität, insbesondere bei Versicherungsprodukten, unnötig steigert. Ein Anhaltspunkt für die Lösung des Varietätsparadoxons hängt mit dem Erfahrungsstand des Versicherungsnehmers zusammen. 75 Je länger ein Versicherungsnehmer bereits eine Versicherung abgeschlossen bzw. sich mit Versicherungsprodukten auseinandergesetzt hat, desto leichter wird es ihm fallen, die einzelnen Bausteine zu seinem individuellen Versicherungsprodukt mit Hilfe eines Konfigurators zusammenzustellen. Auch der eingesetzte Konfigurator birgt einen Ansatzpunkt zur Lösung des Varietätsparadoxons, da er entscheidend den handhabbaren Individualisierungsgrad bestimmt. 76 Je nachdem, wie ein Anwender durch den Prozess geführt wird und welche Visualisierungsmöglichkeiten sowie automatisierten Beratungssysteme zur Verfügung stehen, kann der Umfang der Varietät erweitert oder reduziert werden. Allerdings bleibt dieser An- 70 Vgl. Piller/ Ihl (2002), S Vgl. Feilmeier/ Donner/ Becker (1995), S. 867; Wagner (2001), S Vgl. Piller/ Ihl (2002), S Vgl. Piller/ Ihl (2002), S Vgl. Piller/ Stotko (2003), S Vgl. Piller/ Stotko (2003), S Vgl. Piller/ Stotko (2003), S. 113 und S
17 satzpunkt zur Lösung des Paradoxons strittig, da bereits im Hinblick auf die Standardisierung von Konfiguratoren gezeigt wurde, wie schwierig das Erstellen eines solchen Systems ist. 3. Deckung der Gefahrengemeinschaft Versicherungen stellen eine Gefahrengemeinschaft dar, weil der ungewisse geschätzte Mittelbedarf eines Einzelnen auf der Grundlage des Risikoausgleichs im Kollektiv gedeckt wird. 77 In diesem Zusammenhang ist jedoch noch nicht geklärt, welchen Einfluss Mass Customization auf die Gefahrengemeinschaft hat, da die Befriedigung jeweils unterschiedlicher Einzelbedarfe nicht den zur Produktion von Versicherungsschutz notwendigen Ausgleich im Kollektiv ermöglichen wird. 78 Es ist abzusehen, dass die Gefahrengemeinschaft von einzelnen Versicherungsprodukten nicht mehr so eindeutig abzugrenzen ist wie dies vorher möglich war. Sicherlich gibt es Überschneidungen bei einzelnen Bausteinen oder vereinzelt auch nahezu identische individuelle Versicherungsprodukte, jedoch kann nicht davon ausgegangen werden, dass dies die Regel ist. Hier wird die Notwendigkeit und der Bedarf zur Bereitstellung eines neuartigen Systems zur Ermittlung der einzelnen Gefahrengemeinschaften deutlich. 5 Fazit und Ausblick Bei der Analyse der Eignung von Versicherungen für Mass Customization stellte sich heraus, dass die Besonderheiten von Versicherungsprodukten die Umsetzung des Mass Customization-Ansatzes für versicherungsspezifische Belange nicht beeinträchtigen. 79 Das Konzept des Mass Customization-Ansatzes erfüllt alle Anforderungen an ein kundenorientiertes Versicherungsprodukt. 80 In bezug auf Individualität und Bedarfsgerechtigkeit kann wohl kaum eine größere Übereinstimmung zwischen Produkt und Kundenbedarf nach möglichst vollkommener Problemlösung erzielt werden. Zusätzlich ist es durch die umfangreichen Kosteneinsparungspotentiale möglich, dieses kundenindividuelle Produkt zu Kosten von vergleichbaren Standardversicherungen anzubieten, 81 wodurch das Preis-Leistungs-Verhältnis als sehr gut eingestuft werden kann. 82 Bei der Ausgestaltung eines modularen Produktkonzepts für derartige Versicherungsprodukte ist die Bedeutung von Konfigurationssystemen und der effizienten Definition von Versicherungsbausteinen deutlich geworden. 77 Vgl. Farny (1995), S. 150 f. 78 Vgl. Albrecht (1987), S. 49 f. 79 Vgl. Grabosch (2004), S. 38 f. 80 Vgl. Köhne/ Ruf (1995), S Vgl. Piller (2003), S Vgl. Köhne/ Ruf (1995), S
18 Weiterhin besteht Forschungsbedarf bezüglich des Einflusses des Mass Customization- Ansatzes auf die Gefahrengemeinschaft von einzelnen Versicherungsprodukten und wie hierfür Abhilfe geschaffen werden kann. 83 Ein weiteres offenes Feld ist die Entwicklung von standarisierten, leicht bedienbaren Konfigurationssystemen, mit denen die Versicherungsnehmer in weitgehender Selbstbedienung die Formulierung ihrer Bedürfnisse vollziehen können, um die Kundenwünsche effektiv in konkrete Versicherungsprodukte zu überführen. 84 Für zukünftige Entwicklungen wäre ein Komponentenwettbewerb denkbar, wobei der einzelne Versicherer nur noch Komponenten, also bspw. einzelne Versicherungsbausteine kreiert, die mit denjenigen anderer Versicherer zu einem passenden Versicherungsschutz zusammengefügt werden können. 85 Versicherer werden somit zu reinen Deckungsspezialisten für gewisse spezifische Bausteine. Solange dies jedoch noch nicht realisiert ist, sollten Versicherungsunternehmen die Chance nutzen, über umfassende Problemlösungen für den Kunden eine echte Kernkompetenz aufzubauen. Versicherer, denen dies gelingt, verfügen mit der so erzielten Nähe zu ihren Kunden über einen Wettbewerbsvorteil, der erstens desto größer ist, je näher es der Vision von Mass Customization kommt, und zweitens nicht von der Konkurrenz aufgrund einfacher Produktimitation eingeholt werden kann. 83 Vgl. Kapitel 4.3., S. 13 f.. 84 Vgl. Piller/ Schoder (1999), S Vgl. Köhne/ Ruf (1995), S
19 Literaturverzeichnis Albrecht, P. (1987): Ausgleich im Kollektiv und Verlustwahrscheinlichkeit, in: Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft, S Corsten, H. (1990): Betriebswirtschaftslehre der Dienstleistungsunternehmen: Einführung, 2. Auflage, München. Corsten, H./Will, T. (1995): Wettbewerbsvorteile durch strategiegerechte Produktionsorganisation: Von der Alternativ- zur Simultaneitätshypothese, in: Corsten,H. (Hrsg.), Produktion als Wettbewerbsfaktor, Beiträge zur Wettbewerbs- und Produktionsstrategie, Wiesbaden, S Davis, S. (1987): Future Perfect, Reading. Farny, D. (1995): Versicherungsbetriebslehre, 2. Auflage, Karlsruhe. Feilmeier, M./Donner, H./Becker, U. (1995): Ein Produktdefinitionssystem für Versicherungsprodukte, in: Versicherungswirtschaft, Nr.13, S Fleck, A. (1995): Hybride Wettbewerbsstrategien zur Synthese von Kosten- und Differenzierungsvorteilen, Wiesbaden. Göpfert, J. (1998): Modulare Produktentwicklung: Zur gemeinsamen Gestaltung von Technik und Organisation, Wiesbaden. Grabosch, U. (2004): Mass Customization in der privaten Krankenversicherung, Karlsruhe. Koch, G./Andernacht, D./Mühl, M. (2001): Der Kunde in der New Economy, in: Versicherungswirtschaft, 56.Jg., Nr.9, S Koch, G./Heise, M. (2002): Vertrieb komplexer Versicherungsprodukte im Internet- Methoden und Instrumente zur kundenindividuellen Kundeninformation, in: Versicherungswirtschaft, 57.Jg., Nr.22, S Köhne, T./Ruf, S. (1995): Das kundenorientierte Versicherungsprodukt, in: Versicherungswirtschaft, Nr.14, S Köhne, T. (1997): Die Wirkungsversicherung im Privatkundengeschäft, Implikationen für eine kundenorientierte Marktleistungsgestaltung, St. Gallen. Piller, F. T. (1998): Kundenindividuelle Massenproduktion- die Wettbewerbsstrategie der Zukunft, München. Piller, F.T. (1998a): Kundenindividuelle Massenproduktion, in: wisu, S Piller, F.T. (1998b): Mit Mass Customization zu echtem Beziehungsmarketing, in: Havard Business Manager, S IV
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