Fallstudie Innovative Arbeitsstrukturen: Telearbeit bei der BMW Group
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- Philipp Schubert
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1 Fallstudie Innovative Arbeitsstrukturen: Telearbeit bei der BMW Group 1 Fallstudie Innovative Arbeitsstrukturen: Telearbeit bei der BMW Group (Quelle: Niggl, Edfelder, Kraupa, Telearbeit bei der BMW Group, Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit durch flexibles Arbeiten, Berlin, 2000.) Ausgangssituation Die Ausgangssituation der Personalpolitik vor der Einführung der Telearbeit bei der BMW Group zeigt das folgende Schaubild. Zielsetzung ist die Erhöhung der Effizienz, die neben allgemeiner Kostensenkung durch Leistungssteigerung der Mitarbeiter erreicht wird. Die Leistungssteigerung kann in drei Elemente aufgeteilt werden, um differenzierte Anhaltspunkte für die inhaltliche Gestaltung und Konkretisierung von Personalstrategien zu ermöglichen. BMW Group Personalpolitik als Beitrag zur Effizienzsteigerung Internationale Wettbewerbsfähigkeit Effiziensteigerung Effizienz = Verhältnis Leistung zu Kosten Leistungssteigerung Leistungs- Leistungsfähigkeibereitschaft Sicherung des Führung und Mitarbeiterpotentials Zusammenarbeit Mitarbeiterstruktur Team- und prozeßorientierte Zusammenarbeit Qualifizierung Führung Entwicklung Managementpotential Neue Anforderungen an die Mitarbeiter Internationale Personalentwicklung Information und Kommunikation Abb.1: Elemente der Leistungssteigerung Kostensenkung Leistungsmöglichkeiten Optimierung Personalsysteme Personalaufwand und -strukturen Neue Arbeitsstrukturen Entgelt und Zusatzleistungen Arbeitszeit Führungskräftestruktur und Bewertung Daraus lassen sich Strategiefelder definieren, die den konzeptionellen Rahmen für die personalpolitischen Schwerpunktthemen Sicherung des Mitarbeiterpotenzials, Führung und Zusammenarbeit und Personalsysteme und strukturen bilden. Telearbeit bei der BMW Group Betrachtet man die Potentiale der Telearbeit bei der BMW Group und vergleicht sie mit der Zielsetzung der langfristigen Personalpolitik bei BMW, so ist offensichtlich, dass sich das
2 Fallstudie Innovative Arbeitsstrukturen: Telearbeit bei der BMW Group 2 Pilotprojekt TWIST 1 nahtlos in die Unternehmensphilosophie fügt. Angefangen beim Einsatz flexibler Arbeitszeitmodelle, bei neuen Arbeitsstrukturen, eigenverantwortlicher Qualifikation und selbständigen Handelns, bis hin zu mehr Eigenverantwortung und Selbstorganisation bei komplexen Aufgabenstellungen sowie besserer Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben. Aufgrund der personalpolitischen Effekte, die durch den bisherigen Einsatz von Telearbeit bei der BMW Group deutlich wurden, bietet das Projekt TWIST weitere Anreize des gezielten Einsatzes von Telearbeit. Die Potentiale im Hinblick auf Wertschöpfung und Prozessorientierung sind aus heutiger Sicht noch nicht erschöpft und werden entsprechend der Unternehmensphilosophie weiterverfolgt. Telearbeit ist für BMW in nur kurzer Zeit zu einem wichtigen Baustein des Wandels geworden, zu einem integrierten Bestandteil der Unternehmenspolitik. Planung Telearbeit sollte im Unternehmen kein nice-to-have -Thema werden, das sich lediglich an den Interessen der Mitarbeiter orientiert und keinen betriebswirtschaftlichen Nutzen für das Unternehmen mit sich bringt. Das weithin bekannte Bild von der jungen Mutter, die an ihrem Telearbeitsplatz arbeitet und dabei gleichzeitig ihre Kinder betreut, hat dem Thema Telearbeit vielfach einen zweifelhaften Ruf beschert. Telearbeit wurde in der Öffentlichkeit sehr schnell mit einem Frauen- und Teilzeitthema assoziiert. Um diesen Vorurteilen wirksam begegnen zu können, hat die BMW Group Telearbeit als eine strategische Form der Arbeitsorganisation konzipiert, mittels derer die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens gestärkt und ausgebaut werden kann. Die zugrundeliegende Vision der neuen Arbeitsform stellt dabei die vollkommen flexible Zusammenarbeit anytime/anyplace dar, die eine zeitliche und räumliche Verteilung der Wertschöpfungsaktivitäten ermöglicht. 1 Das Projekt TWIST Teleworking in flexiblen Strukturen ist ein Gemeinschaftsprojekt der BMW Group, der SNI AG, der Tally GmbH und der BPU Unternehmensberatung GmbH im Rahmen der Initiative Bayern Online der Bayerischen Staatsregierung.
3 Fallstudie Innovative Arbeitsstrukturen: Telearbeit bei der BMW Group 3 Telefon- und Videokonferenzen Gleiche Zeit Gleiche Zeit Orte Face-to-face Gleicher Ort Zeiten Anytime / Anyplace Zeiten Gleicher Ort Bulletin Boards Voice- und Fax Orte Abb. 2: Die Vision der Auflösung von Zeit und Raum Neben der tages- und zeitzonenübergreifenden Zusammenarbeit mit BMW Kollegen oder Konstruktionsbüros in den USA und Asien bedeutet Telearbeit bei der BMW Group generell die flexible Ausgestaltung von Arbeitsort und -zeit. Die Auflösung der Kernarbeitszeiten als letzte Restriktion bescherte vor allem für Führungskräfte und freie Berufe die vollkommene Zeitsouveränität. Entscheidend ist dabei nicht mehr, wann die Arbeit verrichtet wird, sondern welche Arbeitsergebnisse daraus resultieren. Diese Entwicklung ist deswegen so wichtig, da es starre Zeitrestriktionen in der Regel nicht erlauben, bestmöglich auf Kundenbedürfnisse einzugehen. Mit der Implementierung von Telearbeit ist es nun möglich, in Übereinstimmung mit persönlichen Präferenzen und betrieblichen Belangen eine flexible Verteilungzwischen Arbeitsund Freizeitblöcken vorzunehmen. Auf diese Weise können Prozessverläufe beschleunigt, die Reaktionsmöglichkeit auf interne und externe Kundenanforderungen verbessert und die Erreichbarkeit von Experten ausgeweitet werden. Stehen beispielsweise während der BMW Büroarbeit täglich nur ca. drei bis vier Stunden für die Kommunikation und Abstimmung mit Partnern in den USA zur Verfügung, so kann dieser Zeitraum durch Telearbeit auf ca. sechs bis acht Stunden ausgedehnt werden. Für einen Entwicklungsingenieur im Forschungs- und Ingenieurzentrum in München wird es beispielsweise in den Abendstunden zwischen Uhr und Uhr möglich, mit Kollegen in den USA Kontakt aufzunehmen und sich in wichtigen Angelegenheiten abzustimmen. Auf diese Weise kann sowohl der Kollege in München als auch der Kollege in den USA mit dem
4 Fallstudie Innovative Arbeitsstrukturen: Telearbeit bei der BMW Group 4 jeweiligen Feed-back weiterarbeiten, ohne einen Tag Zeitverschiebung in Kauf nehmen zu müssen. Ähnliche Effekte ergeben sich durch die schichtübergreifende Zusammenarbeit in produktionsnahen Funktionen. Ein Produktionsmeister im Werk München kann in Telearbeit z.b. zwei Schichten betreuen (die Frühschicht und die Spätschicht), da er am Telearbeitsplatz über den ganzen Tag verteilt erreichbar ist und auf die Probleme seiner Mitarbeiter eingehen kann. Dies heißt nicht, dass diese Person deswegen 16 Stunden am Tag arbeiten muss, sondern sich ihre Arbeitszeit in Übereinstimmung mit betrieblichen Belangen und persönlichen Präferenzen frei einteilen kann. Beispielsweise kann der besagte Meister während der Frühschicht drei Stunden und während der Spätschicht fünf Stunden arbeiten. Während die büroüblichen Arbeitszeiten nur etwa die Hälfte eines Zwei-Schichtbetriebes abdecken, kann durch Telearbeit und der damit in Verbindung stehenden Flexibilisierung von Arbeitszeiten dieser Prozentsatz deutlich ausgeweitet werden. Eine solche zeitliche Überschneidung ist gerade bei Produktanläufen von großem Vorteil, bei denen ein starker Abstimmungsprozess mit vielen unterschiedlichen Stellen im Unternehmen notwendig wird. Zudem ermöglicht das mit Telearbeit einhergehende flexible Lebensphasen- und Beschäftigungsmodell für die Projektteilnehmer die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Wie bei den meisten bislang in der Bundesrepublik Deutschland realisierten Telearbeitsplätzen 2 offensichtlich geworden ist, kann durch Telearbeit eine bessere Integration von Beruf, Familie und Freizeit erreicht werden. Dies heißt nicht, dass Mütter während Telearbeit gleichzeitig ihre Kinder betreuen, sondern dass sie sich generell ihre Arbeitszeit flexibler einteilen können und somit beispielsweise am Nachmittag ihre Kinder betreuen und am Abend - wenn die Kinder im Bett sind - arbeiten können. Gerade die zeitliche Flexibilität bei der Aufgabenerledigung stellt einen zentralen Nutzen für den einzelnen Mitarbeiter dar. Mit dieser strategischen Zielsetzung sind auch die Mitarbeiter im Erziehungsurlaub angesprochen, bei denen einerseits bestehendes Know-how dem Unternehmen weiter zur Verfügung steht und andererseits sich familiäre und berufliche Aufgaben einfacher kombinieren lassen. Als ein weiteres Beispiel für das flexible Lebensphasen und Beschäftigungsmodell sind die Mitarbeiter zu nennen, die einen Teil ihrer Arbeitszeit für die akademische Weiterbildung und - qualifizierung nutzen. Mitarbeiter, die beispielsweise in Zusammenarbeit mit BMW ihre Promotion betreiben oder eine MBA-Ausbildung durchlaufen, können sich in alternierender Telearbeit zuhause weitgehend ungestört ihrer akademischen Weiterentwicklung widmen. Mit diesem Integrationsmodell wird einerseits ein Beitrag zur Sicherung des Mitarbeiterpotentials geleistet und andererseits eine Erhöhung der Leistungsfähigkeit sowie Leistungsbereitschaft angestrebt. 2 s. IBM 1994, Siemens 1996, LVM 1998
5 Fallstudie Innovative Arbeitsstrukturen: Telearbeit bei der BMW Group 5 Die operative Umsetzung von Telearbeit beschreibt einen komplexen, zeit- und kostenintensiven Prozess, der viele Beteiligte umfasst sowie die Steuerung eines großen Datenvolumens notwendig werden lässt. Die Umsetzung der Telearbeit bei der BMW Group wurde einem Projektbüro übertragen, das im operativen Personalwesen angesiedelt ist. Neben der Festlegung der Hauptverantwortung auf das Projektbüro wurden zur Unterstützung einzelne BMW-Fachbereiche wie das zentrale Personalwesen, die Fort- und Weiterbildung sowie die zentrale Informationsverarbeitung in das Projekt miteinbezogen. In Zusammenarbeit mit diesen Fachbereichen hat das Projektbüro TWIST (Teleworking in flexiblen Strukturen) die Konzeption, Umsetzung und Steuerung des Realisierungsprozesses wahrgenommen. Initiierungsphase Vorbereitung eines Telearbeit- Pilotversuchs Festlegung strategischer Ziele für Telearbeit Erwartete Kosten/Nutzen, Budgetbereitstellung Einbeziehung des Personal-/Betriebsrates Entscheidung über die Durchführung des Pilotversuches Telework Projektplanung (Rahmenbedingungen für Recht, Organisation, Technik, Personal) Verabschiedung einer Betriebsvereinbarung Telearbeit Aufstellung von Bewertungskriterien für den Pilotversuch Information/Auswahl/Qualifizierung der Pilotteilnehmer und Vorgesetzten Durchführung und Bereitstellung der Telearbeit Arbeitsplätze (Technik, Möbel) Bewertung Ggf. Geschäftsprozeßoptimierung des Pilotversuchs Erfahrungsaustausch Teleworker, Arbeitsgruppe, Unternehmen, Kunden, Betreiber,... Soll-Ist-Vergleich, Bewertung/Lerneffekte Entscheidung Entscheidung über Telearbeit Breiteneinsatz im und ggf. Unternehmen Breiteneinsatz Ggf. Überführung Pilotbetrieb in Regelbetrieb Ggf. Weiterentwicklung von Telearbeit (Desk-Sharing,...) im Unternehmen / KVP Abb. 3: Bausteine für den erfolgreichen Einsatz von Telearbeit
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