Beispielbild. Lernen & Gedächtnis. Konditionierung: Ein assoziativer oder ein kognitiver Prozess? SoSe 2007
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- Götz Kuntz
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1 Beispielbild Lernen & Gedächtnis Konditionierung: Ein assoziativer oder ein kognitiver Prozess? SoSe 2007
2 Zwei Positionen Throndike Köhler 2
3 Was wird gelernt? S-R-Theorien J.B. Watson Das Verhalten ergibt sich allein aus der Lernerfahrung und den Umgebungsvariablen. Schließt empathisches Verstehen des Verhaltens aus macht es aber vorhersagbarer und objektiv testbar. Grundlage alles Verhaltens ist die Assoziation zwischen einem Reiz (oder einer Reizumgebung) und einer Verhaltensweise: S R Assoziation 3
4 Was wird gelernt? Kognitive Theorien W. McDougall Lernen ist viel zu komplex, als dass es alleine durch einfache Assoziationen erklärt werden könnte. Verstärkung beeinflusst nicht Assoziationen, sondern Erwartungen Kognitive Prozesse 4
5 Was wird gelernt? Ein erster Test McNamara et al (1956): Zwei Gruppen von Ratten werden in einem T- Labyrinth trainiert. Die Experimentalgruppe wird durchs Labyrinth getragen. Hypothese der S-R- Theoretiker: Verstärkung ist direkt auf die vorhergehende muskuläre Aktivität bezogen. Hypothese der Kognitivisten: Lernen beruht nur auf der perzeptiven Erfahrung, dass zwei Ereignisse relatiert sind. Ergebnis: Beide Gruppen lernen gleich schnell. Lernen ist mehr als die Assoziation zwischen Muskelaktivität & Verstärkung 5
6 Was wird gelernt? Neobehaviorismus Clark Hull Modifikation des S-R-Gedankens, durch Addition eines verdeckten Verhaltens (X), welches den gleichen Prinzipien unterliegt, wie das offene Verhalten : S [X] R Für die intervenierende Variable wird gefordert: S X, d.h. X aus den Umgebungsvariablen vorhersagbar, und X R, d.h. der Zustand der Variablen X ist direkt auf das offene Verhalten übertragbar. Neobehaviorismus lässt die Existenz von verdeckten Prozessen auf einem theoretischen Niveau zu, sofern die weiterhin testbare Hypothesen erlauben. 6
7 Was wird gelernt? Neobehaviorismus Experiment: Laufleistung von Ratten in einem Gang. Am Ende wird ein Stromschlag auf die Vorder- oder Hinterläufe appliziert. Ergebnis: Die Laufgeschwindigkeit wird größer, wenn die Hinterläufe geschockt werden. Geschwindigkeit Hinterläufe Vorderläufe Erklärung nach Hull: Der Schock hat unterschiedliche Wirkung für Vorder- und Hinterläufe. Bei letzterem wird ein Sprungverhalten nach vorne erzeugt und dies generalisiert sich auf die Stimulusumgebung. Zeit Evidenz gegen die kognitiven Theorien. Verhalten wird durch die Umgebung nicht durch Erwartung gesteuert. 7
8 Was wird gelernt? Erwartungstheorie nach Tolman Edward Tolman Akzeptiert die Annahme von Hull: S [X] R Nach Tolman ist X jedoch keine reine assoziative Variable, sondern muss die Absicht des Verhaltens berücksichtigen. 8
9 Was wird gelernt? Kognitive Komponenten nach Tolman Docility (Flexibilität) Da Erwartung nach Verstärkung gelernt wird, kann die motorische Umsetzung flexibel gestaltet werden. Bsp.: Ratten können ihre Bewegung umprogrammieren (laufen schwimmen), um in einem Labyrinth an ihr Ziel zu kommen. Disruption (Unterbrechung) Das Verhalten wird grundsätzlich gestört, wenn eine Erwartung nicht erfüllt wird. Bsp.: Hütchen-Spieler-Trick bei Schimpansen (Tinklepaugh, 1928) 9
10 Was wird gelernt? Kognitive Komponenten nach Tolman Devaluation (Entwertung) Auch Ratten bilden Hypothesen: Zwei Reaktionen werden unterschiedlich verstärkt (Zucker oder Futterpellet). Eine Verstärkung wird entwertet, indem das Futter vergiftet wird. Erwartungs-Hypothese: Reaktion folgt in Erwartung auf einen bestimmten Verstärker, d.h. das Verhalten auf das vergiftete Futter wird schneller gelöscht. (Colwill & Motzkin, 1994) Extinktionsrate neutral vergiftet Zeit 10
11 Zwei-System-Hypothese Reden die Theorien an einander vorbei? Die Theorie S [X] R Hulls intervenierende Variable kann ebenso als Erwartungsprozess verstanden werden. Tolmans Konzept der Erwartung kann auf Assoziationen beruhen bleibt vage. Die Experimente schließen Erklärungen über die funktionale Verknüpfung aus, aber spezifizieren sie nicht. So sagt der Term Erwartung nicht aus, welches Verhalten operational gezeigt wird. Umgekehrt sind die S-R-Theorien oft ambig in Bezug auf ihre Hypothesen. 11
12 Zwei-System-Hypothese Zwei Systeme? Erwartungsbasiertes System Reizumgebung (langsam, planend) Reaktion Assoziatives System (schnell, reaktiv) Erwartungsbasierter Effekt Wieso reagieren die Ratten überhaupt noch? 12
13 Zwei-System-Hypothese Kontrollierte vs. Automatische Verarbeitung Grundidee von Shiffrin & Schneider (1977): Kontrollierte Prozesse laufen unter Aufmerksamkeitssteuerung ab. Automatische Prozesse laufen unbewusst ab. 13
14 Zwei-System-Hypothese Automatische Verarbeitung Unbewusste Verstärkung 1: Hefferlein & Keenan (1961) zeigen eine konditionierte Reaktion eines kleinen Daumenmuskels, mit dem ein unangenehmer Ton abgestellt werden kann. Unbewusste Verstärkung 2: Double Agent (Rosefenld & Baer, 1969) Angeblicher Vl soll Verhaltenseigenarten einer Vp verstärken. Angebliche Vp konditioniert stattdessen verbales Verhalten des Vl mit Verhaltenseigenart. Vl zeigt deutliches Anwachsen einer bestimmten verbalen Verstärkung ( Yeah ), aber benutzt keine anderen verbalen Äußerungen ( mm-hmm ). Vl bemerkt nicht, dass eigentlich sein Verhalten konditioniert wird. 14
15 Zwei-System-Hypothese Kontrollierte Verarbeitung Wisconsin Card Sorting Test (WCST) 1. Finde den richtigen Stapel 2. Reagiere flexibel auf das verbale Feedback 15
16 Zwei-System-Hypothese Kontrollierte Verarbeitung Hypothesen-Testen: Konzept von Levine: 1. Jede Vp geht ein Problem mit einem Set von Hypothesen an 2. Bei jedem Durchgang wählt die Vp eine mögliche Hypothese und validiert sie anhand der erfahrenen Reaktion 3. Ist die Hypothese korrekt, wird sie beibehalten sonst verworfen und eine neue getestet. Experiment Levine (1971): Karten A und B sollen gewählt werden. Richtige Wahl ist immer A. Problem, wenn die vorherige richtige Sequenz komplex war (AABAAABABB) Kontrolle durch das kognitive System hat die einfache Hypothese verworfen, bevor sie getestet wurde. 16
17 Zwei-System-Hypothese Kontrollierte Verarbeitung FI Scallop (FI - Bogen): Scheint charakteristisch für Tiere zu sein, ist bei Menschen noch nicht beobachtet worden. Theorie: Menschen formulieren ihre Hypothesen verbal, und diese Hypothesen kontrollieren das Verhalten. Experimentelle Evidenz: Lowe et al (1978) zeigen, dass das Verhalten von Kindern bis zum 2. Lebensjahr einen FI-Scallop zeigt. Bis zum 7. Lebensjahr nähern sich die Funktionen dem Erwachsenenverhalten an. 17
18 Kognitives Verhalten bei Tieren Kognitive Landkarten Tolman: Kognitive Landkarten enthalten Routen zwischen relevanten Umweltpunkten, die flexibel benutzt werden. Van der Wall (1982): Zur Bildung der kognitiven Landkarten sind Landmarken sehr wichtig. Sie erlauben die Rekognition von relevanten Plätzen mit einer Genauigkeit von 20cm. (Experimente mit Kiefernhähern) 18
19 Kognitives Verhalten bei Tieren Zählen Brannon & Terrace (1998): Affen können, in einer korrekten Reihenfolge bestimmten visuellen Mengen die Zahlen 1-9 zuzuordnen. Stand der Forschung: Die Schätzung von Mengen bleibt nicht nur Menschen vorbehalten. Fraglich ist, ob dahinter die Bildung eines separaten semantischen Zahlencodes steht. 19
20 Kognitives Verhalten bei Tieren Sprache Allen & Beatrice Gardner (1989): Schimpansen-Weibchen Washoe lernte 130 Zeichen und konnte diese flexibel in verschiedenen Situationen einsetzen. Kombinationen möglich (open food drink : für Kühlschrank öffnen) Validiert durch Rumbaugh & Savage- Rumbaugh (1994): Schimpansin schafft Wortkombinationen (Banane die gün ist : Gurke) 20
21 Kognitives Verhalten bei Tieren Sprache Aber: Entwickeln Affen wirklich eine Sprachsemantik? Beispiel: Kanzi Beispiel: Washoe Trauerreaktion nach Verlust des Kindes, der ihr über Zeichensprache mitgeteilt wurde. Menschliche Sprache wird verstanden und adäquat reagiert. Sogar Satzumstellungen werden toleriert. Sprachverständnis auf dem Niveau eines 2.5-jährigen Kindes. 21
22 Vermeidungs-Paradoxon Vermeidungsaufgaben Ton kündigt einen Elektroschock an. Ratte kann dem Elektroschock durch Überspringen einer Barriere entgehen (Sidman Avoidance Task). Ratten lernen die Vermeidung innerhalb von 5-10 Trials Problem Wie kann man mit der Verstärkungstheorie erklären, dass die Vermeidungsreaktion gelernt wird? Es gibt ja kein äußeres Ereignis, welches als Verstärker fungiert. Strom Reaktion Ton 22
23 Vermeidungs-Paradoxon 2-Faktor-Theorie Mowrer nimmt an, dass gibt es zunächst eine Furchtkonditionierung auf den Ton (Faktor 1: klass. Konditionierung). Da der Ton durch das Springen über die Barriere ausgestellt wird, wird dadurch der aversiv (konditionierte) Ton ausgestellt. (negative Verstärkung: Faktor 2). Species-specific defense reaction Problem: Ratten lernen Vermeidung nicht oder schlecht durch Tastendruck. Bolles SSDR Theorie besagt, dass nur eine angeborene Verhaltensdisposition als Vermeidungsverhalten eingesetzt werden kann (freezing, Flucht, Kampf). Furcht ist das Motiv der Vermeidungsreaktion! Furcht ist das Motiv der Vermeidungsreaktion doch das Verhaltensrepertoire ist begrenzt. 23
24 Vermeidungs-Paradoxon Das Furchtlosigkeit-Problem Durch die Vermeidungsreaktion wird das eigentliche Motiv des Verhaltens die Furcht eliminiert. Die Tiere verhalten sich bei dem Auftreten des Warnreizes furchtlos aber wieso gibt es dann keine Extinktion des Verhaltens? Wieso werden die Tiere bei der Vermeidungsreaktion immer schneller, ohne weiter die Erfahrung des Schocks zu machen? Kognitive Ansätze Seligman nimmt an, dass das Motiv der Vermeidung nicht Furcht ist, sondern eine spezifische Erwartung (Verhalten wird ein schmerzhaftes Ereignis vermeiden). Der Organismus reagiert nicht, weil er sich fürchtet, sondern weil er den vermuteten Outcome (kein Schock) präferiert. Erwartung werden nicht einfach gelöscht. Löschung erfordert ein flooding (keine Fluchtmöglichkeit). 24
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