eutschland im Jahr Rosige Zeiten für das Land: Die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie seit Jahrzehnten
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- Susanne Kaufer
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1 Der Preis der Unsicherheit Europa befindet sich im Dauerkrisenmodus: Zur Schudenkrise, die seit Jahren andauert, kommt inzwischen ein Mange an Soi darität und Vertrauen. Den Ursprung der instabien Lage sehen einige Soziawissenschafter in der marktfördernden Ausrichtung der Poitik ab den 1970er-Jahren. Am Max Panck Sciences Po Center in Paris geht das Team um Jenny Andersson und Oivier Godechot der Frage nach, wie Geseschaften mit Instabiität umgehen. TEXT MECHTHILD ZIMMERMANN D eutschand im Jahr Rosige Zeiten für das Land: Die Arbeitsosigkeit ist so niedrig wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Großzügige Tarifabschüsse assen die Gehäter wachsen, auch die Renten steigen spürbar. In den öffentichen Haushaten steht mehr Ged zur Verfügung as jemas zuvor. Die Kriminaität ist auf einem niedrigen Stand: Im Vergeich zur Mitte der 1990er-Jahre ist die Zah der Raubüberfäe und Diebstähe um fast ein Dritte gesunken, die der Morde sogar um knapp die Häfte. Deutschand im Jahr Die Stimmung ist pessimistisch: Angst vor wirtschaftichem Abstieg, Neid und Miss trauen gegenüber denen da oben in Poitik, Wirtschaft und Medien prägen einen beträchtichen Tei der Geseschaft. Im Internet kursieren Verschwörungstheorien, Poitiker werden bedroht. Der Absatz von Pfefferspray und Schreckschusspistoen steigt rasant. Die rechtspopuistische Aternative für Deutschand fährt in drei Bundesändern Wahergebnisse von mehr as zwöf Prozent ein. Deutschand ist keine Ausnahme. In vieen Teien Europas wachsen Unsicherheit und Frustration und mit ihnen die Sehnsucht nach einfachen poitischen Antworten, wie sie popuistische Poitiker verschiedener Coueur iefern. Dies git für wirtschaftich schwächende Nationen in Ost- und Südeuropa ebenso wie für Österreich, die Schweiz oder prosperierende nordeuropäische Länder. Woher kommen die Enttäuschung und die Verunsicherung? Um es vorwegzunehmen: Es gibt keine einfache Antwort auf diese Frage. Auch die Geseschaftswissenschaften können kein umfassendes Bid a der verzweigten Phänomene iefern, die sich aktue Bahn brechen. Aber sie entwicken Ansätze, die Ursachen aufzeigen und die über den bisherigen Rahmen poitischer Denkmuster hinausgehen. Die Historikerin und Poitoogin Jenny Andersson und der Wirtschaftssoziooge Oivier Godechot befassen sich vor aem mit den ökonomischen Ursachen der geseschaftichen Verunsicherung. Die beiden sind Direktoren des Max Panck Sciences Po Center on Coping with Instabiity in Market Societies mit Standort in der Pariser Innenstadt. Das Center, kurz MaxPo genannt, ist ein gemeinsames Projekt des Max- Panck-Instituts für Geseschaftsforschung in Kön mit der soziawissenschaftich ausgerichteten französischen Foto: imago
2 KULTUR & GESELLSCHAFT_Wirtschaftssozioogie xxxxxxxx Tiefe Kuft: Die Unterschiede zwischen Spitzenverdienern, gerade in den Banken, und Menschen mit prekärem Einkommen sind deutich gewachsen MaxPanckForschung 71
3 Ende des Spies: Nach der Finanzkrise gab es in Frankfurt und wetweit Großdemonstrationen gegen die Machenschaften der Banken. Auch die Poitik reagierte, indem sie Aufagen verschärfte, Kontroen verstärkte und die Höhe der Boni beschränkte. Eiteuniversität Sciences Po Paris. Die zentrae Frage von MaxPo autet: Wie reagieren vom Markt geprägte Geseschaften auf die Instabiität? Und wie hängt die wachsende soziae Ungeichheit damit zusammen? Mit dem Begriff Instabiität bünden die Forscher mehrere Phänomene, die miteinander zusammenhängen. Der Ausgangspunkt ist die wirtschaftiche Instabiität, die sich nicht nur in Konjunkturzyken äußert, sondern auch in Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt; denn sebst in guten Zeiten veregen Firmen Arbeitspätze ins Ausand oder sparen Steen ein. Die Beschäftigten bekommen das in Form von Arbeits- verdichtung, Termindruck und steigenden Erwartungen an ihre Fexibiität zu spüren. Dieser Druck und die Angst, den Job zu verieren, führen wiederum zu soziaer Instabiität: Der Patz in der Geseschaft, den man sich erarbeitet hat, ist nicht mehr sicher. Auch eine gute Ausbidung ist keine Garantie für einen Arbeitspatz, wie sich im Moment in Südeuropa beobachten ässt. Aber auch in Deutschand wächst die Zah prekärer Arbeitsverhätnisse, aso zeitich befristeter Steen, Leiharbeit und Minijobs. Innerhab der Geseschaft geht die Instabiität mit Unsicherheit und Abstiegsängsten einher. Für die Poitik wiederum ergibt sich seit den 1980er-Jahren aus den neuen wirtschaftichen Rahmenbedingungen ebenfas eine instabie Situation: Die Gobaisierung macht Teie der Wirtschaft mobier und deren Besteuerung schwieriger, da die Firmen mit Abwanderung drohen können. Viee internationae Konzerne verschieben ihre Gewinne in Länder mit niedrigen Steuersätzen. In der Foge verschuden sich Staaten, um ihre Aufgaben zu erfüen. Eine weitere Quee poitischer Instabiität ist das immer kompiziertere und schneer wechsende Parteiengefüge in fast aen europäischen Ländern. Ausgangspunkt der Instabiität ist für uns die Öpreiskrise in den 1970er- Jahren, sagt Jenny Andersson. In den westichen Industrieändern kam es erstmas zu einer Stagfation, einer Stagnation des Wirtschaftswachstums bei geichzeitig hoher Infation und hoher Arbeitsosigkeit ein Phänomen, das es nach der damas vorherrschenden keynesianischen Wirtschaftstheorie nicht hätte geben dürfen. Der britische Ökonom John Maynard Keynes hatte mit seiner Genera Theory in den 1930er-Jahren einen bahnbrechenden Ansatz entwicket, der erstmas erkären konnte, warum sich die Konjunktur nach der Wetwirtschaftskrise nicht erhote und die Arbeitsosigkeit trotz gesunkener Löhne dramatisch hoch bieb. Keynes sah die gesamtwirtschaftiche Nachfrage as den entscheidenden Faktor für Produktion und Beschäftigung an. In den fogenden Jahrzehnten entwicketen die Keynesianer den Ansatz weiter. So entstanden unter anderem Theorien, die Infation mit hoher Nachfrage, steigenden Löhnen und niedriger Arbeitsosigkeit verbunden sahen. In der Ökrise griffen diese Erkärungen nicht mehr. Die Arbeitsosenzahen stiegen dramatisch, die Steuereinnahmen brachen ein, die Staaten mussten Ausgaben kürzen, um Haushatsdefizite in den Griff zu bekom- Foto: dpa picture aiance 72 MaxPanckForschung 2 16
4 KULTUR & GESELLSCHAFT_Wirtschaftssozioogie» Das Probem ist, dass die Wirtschaft inzwischen die Art und Weise dominiert, wie wir überhaupt über die Zukunft denken können. men. In der Foge veror Keynes Mode an Einfuss. Stattdessen setzten sich wirtschaftsiberae Ansätze durch, die im öffentichen Sektor mit Konzepten wie New Pubic Management umgesetzt wurden. Das waren wirtschaftiche Dogmen, die etwa die staatich organisierte Daseinsvorsorge as Hindernis für eine dynamische Marktentwickung sahen, sagt Jenny Andersson. Man war überzeugt, dass öffentiche Einrichtungen ineffizient arbeiten und ihre Kosten durch Wettbewerb und Marktpreismechanismen gesenkt werden könnten. Ein Beispie dafür ist der soziae Wohnungsbau. In Deutschand hat sich der Staat in den vergangenen Jahrzehnten schrittweise erst aus dem Bau von Wohnungen und dann aus der Wohnbauförderung zurückgezogen. Inzwischen zeigt sich, dass der Markt den Bedarf an günstigen Wohnungen nicht deckt. Nach jüngsten Zahen sind bei 95 Prozent der privat errichteten Neubauwohnungen die Mieten zu teuer für Durchschnittsverdiener. Defizite zeigen sich etwa im Gesundheitswesen oder im Rentensystem. Insgesamt entpuppte sich die stabie soziae und wirtschaftiche Lage der Nachkriegsjahrzehnte as Ausnahmeerscheinung in der Geschichte. Im koektiven Gedächtnis bieben die Standards dieser Zeit jedoch as Anspruch MAX PLANCK CENTER erhaten ein Grund dafür, dass sich viee Menschen seither vom Staat im Stich geassen fühen. Zugeich ist die Geseschaft in einen fundamentaen Wande getreten, der bis heute anhät: Die kassischen Bindungen an die Famiie sowie an Institutionen wie Kirche, Parteien und Gewerkschaften schwinden. Die Mögichkeiten, seinen Lebensauf zu gestaten, sind zahreicher denn je. Durch Zuwanderung findet sich vor aem in den Großstädten eine Viezah von Kuturen und Reigionen. Insgesamt ist die Geseschaft viefätiger geworden, aber auch unübersichticher. DIE POLITIK IST VON DEN FINANZMÄRKTEN ABHÄNGIG Zusätzich verändern die Digitaisierung und die unermessichen Mögichkeiten des Internets unsere Lebenswet grundegend. Die Freiheit jedes Einzenen hat zugenommen, was zugeich bedeutet, dass jeder eine größere Verantwortung zu tragen hat. Dies eröffnet viee neue Mögichkeiten zugeich fühen sich viee Menschen verunsichert, überastet oder überfordert. Die Finanzkrise ab 2007/2008 hat die wirtschaftiche und poitische Lage weiter destabiisiert. Ausgehend vom Patzen einer Immobiienbase in den USA, führte die Krise dazu, dass Staaten Max Panck Center verbinden Max-Panck-Institute mit den wetweit besten Forschungseinrichtungen. Sie schaffen eine Pattform, auf der die Wissenschafter und ihre internationaen Partner Kenntnisse, Erfahrungen und Expertise zusammenbringen und gemeinsam die Forschung vorantreiben können. Zie ist, den Austausch junger Wissenschafter zu fördern, gemeinsame Workshops zu veranstaten und gegenseitig den Zugang zu technischen Einrichtungen, Geräten und Bibiotheken zu eröffnen. Die Center sorgen auch dafür, dass die Kooperationen sichtbarer werden und die Max-Panck-Geseschaft an den jeweiigen Standorten an Bekanntheit gewinnt. Derzeit gibt es 16 Center in Europa, Israe, den USA, Kanada, Indien, Japan und Südkorea. Banken retteten und sich dabei zusätzich verschudeten. Die Probeme griffen schießich auf die Reawirtschaft über und beasten noch heute viee Länder durch ahmende Konjunktur, hohe Arbeitsosigkeit und Schudenast. Die Finanzkrise hat gezeigt, wie abhängig die Poitik, wie abhängig wir ae von den Finanzmärkten sind, sagt Andersson. Das zeige sich etwa, wenn Ratingagenturen die Kreditwürdigkeit von Staaten bewerten und auf diese Weise mitbestimmen, weche Handungsspieräume eine Regierung hat. Diese Abhängigkeit ist Tei eines Phänomens, das die Forscher Finanziaisierung nennen. Deren Hauptmerkmae sind die wachsende Bedeutung der Finanzindustrie und der Einfuss ihrer Interessen auf die Poitik und die reae Wirtschaft. So stehen Aktienunternehmen unter dem Druck, ihre Gewinne zu maximieren, um sie an die Sharehoder auszuschütten was dann wiederum zu Personaabbau und zur Veregung der Produktion in Biigohnänder führt. Oivier Godechot, der zweite Direktor des Pariser Centers, hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Auswirkungen der Finanziaisierung auf die soziae Ungeichheit in der Geseschaft zu untersuchen. In einem breit angeegten Vergeich von 18 OECD-Staaten darunter Deutschand, Frankreich, die USA, Großbritannien und Dänemark anaysierte er über einen Zeitraum von 1970 bis 2011, weche Roe die Finanzmärkte und ihre Aktivitäten für den Anstieg der Ungeichheit in diesen Ländern spiete. Zunächst kann man sehen, dass der Finanzsektor deutich gewachsen ist, sagt Godechot. Sein Antei am Bruttoinandsprodukt hat sich durchschnittich von vier auf fast sieben Prozent gesteigert. Nach den Auswertungen des Forschers fogt aus dem Anstieg der Finanzmarktaktivitäten eine Zunahme der soziaen Ungeichheit. Vor aem die außerordentich hohen Gehäter und Bonuszahungen im Finanzbereich 2 16 MaxPanckForschung 73
5 haben dazu geführt, dass die Kuft zwischen Arm und Reich wächst, sagt der Wirtschaftssoziooge. Auch auf regionaer Ebene hat Oivier Godechot den Einfuss der Finanziaisierung nachgewiesen. Besonders die großen Finanzzentren sind Treiber für die soziae Ungeichheit innerhab eines Landes. Dort konzentrieren sich die andesweit höchsten Einkommen, und zugeich öffnet sich in diesen Zentren die Schere zwischen Spitzenverdienern und Menschen mit prekärem Einkommen besonders weit. In einem weiteren Schwerpunkt befasst sich Oivier Godechot damit, wie Arbeitgeber und Arbeitnehmer an verschiedenen Enden der Gehatsskaa mit der wachsenden Ungeichheit umgehen. Dazu ist Godechot unter anderem der Frage nachgegangen, wie sich die Bonuszahungen in Banken seit der Finanzkrise entwicket haben. Die EU hatte as Reaktion auf die Finanzkrise ab 2014 Bonuszahungen für Banker gesetzich auf maxima die doppete Höhe des jährichen Grundgehats begrenzt. Die erste Reaktion der Banken sei eine Anhebung der Gehäter gewesen, erzäht Oivier Godechot. Britische Banken haben noch einen weiteren Weg gefunden, die Regeung zu umgehen: Sie geben ihren Top-Angesteten einfach zusätzich zum Gehat und zu den eraubten Bonuszahungen eine monatiche Zuage. Und die ist so gestatet, dass sie wie die Boni jedes Jahr neu verhandet wird. Fakt sei andererseits, dass die Bonuszahungen in der Branche insgesamt zurückgehen. Wir können noch nicht beurteien, ob das vor aem daran iegt, dass die Gewinne zurückgegangen sind. Oder ob es auch eine Reaktion auf den soziaen Druck ist, dass Bonuszahungen in der bisherigen Höhe geseschaftich einfach nicht mehr akzeptiert sind, sagt der Wissenschafter. Ein Kennzeichen von MaxPo ist, dass hier ein breites Spektrum an Ansätzen vereint wird. Es reicht von der Mikroebene mit der Frage, wie einzene Gruppen und Individuen mit den wachsenden Unsicherheiten umgehen, bis zur Makroebene, aso großen geseschaftichen Trends. Oben Die Wirtschaftshistorikerin Jenny Andersson und der Wirtschaftssoziooge Oivier Godechot eiten das Max Panck Sciences Po Center in Paris. Unten Die Ungeichheit wächst. Die obersten zehn Prozent Spitzenverdiener erhaten mitterweie im Schnitt 35 Prozent des gesamten Arbeitseinkommens teis sogar noch mehr. Oivier Godechot wertete dazu Daten aus 18 OECD-Ländern aus. Antei am Gesamteinkommen Antei der obersten zehn Prozent am Gesamteinkommen 50% 45% 40% 35% 30% 25% 20% USA Großbritannien Deutschand Frankreich Dänemark Durchschnittswert für 18 OECD-Staaten Jenny Andersson hat ihre Stee im November 2015 angetreten. Ihr zentraes Thema sind Prognosen im poitischen und wirtschaftichen Bereich. Soche Prognosen, Vorhersagen oder Szenarien bestimmen ganz wesentich poitische Entscheidungen. Das fängt bei der Haushatspanung an, die auf Steuerschätzungen beruht, betrifft aber auch Gesetzes- und Reguierungsentscheidungen. Prognosen sind ein paradoxes Phänomen, sagt Jenny Andersson. Einerseits weiß man nie, ob Vorhersagen wirkich eintreffen, so tragen sie zur Unsicherheit bei. Andererseits brauchen die Poitik und gerade auch die Finanzwirtschaft Vorhersagen, Foto und Grafik: MPI für Geseschaftsforschung/maxpo 74 MaxPanckForschung 2 16
6 KULTUR & GESELLSCHAFT_Wirtschaftssozioogie um Erwartungen zu kanaisieren. Und auf diese Weise können sie wiederum stabiisierend wirken manchma auch as Seffufiing Prophecy. As die Finanzkrise akut wurde, habe man das gut beobachten können: Für die Finanzmarktinstitutionen musste sichergestet werden, dass ihre Sovenz nicht gefährdet würde, erkärt Andersson. Daher war auch die erste Reaktion auf die Finanzkrise, die Ängste auf den Finanzmärkten zu beruhigen und zu verhindern, dass die Akteure irratona reagieren und dadurch die Krise weiter verschärfen. Dazu gehörte etwa die Ankündigung von EZB-Chef Mario Draghi, die Europäische Zentrabank werde aes Notwendige tun, um den Euro zu erhaten den Kauf von Staatsaneihen eingeschossen. Die Konsequenz ist mitterweie as Draghi-Effekt bekannt: Die Finanzmärkte beruhigten sich. Jenny Andersson kritisiert, dass die eigentichen Ursachen der Krise nicht angetastet wurden: Die Macht der Finanzmarktakteure, die Dominanz der Märkte und die Erwartungen an dauerhaftes Wachstum a das sei erhaten gebieben. Das Probem ist, dass die Wirtschaft inzwischen die Art und Weise dominiert, wie wir überhaupt über die Zukunft denken können, sagt die Wissenschafterin. As Beispie nennt sie die sogenannte Austeritätspoitik, aso die strikte Vorgabe, dass Staatshaushate sebst in wirtschaftich schechten Zeiten durch Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen vor weiterer Verschudung geschützt werden müssen. Den Bürgern wird gesagt, dass der Staat sparen und kürzen muss, um für die Zukunft Stabiität zu gewähreisten. In Wirkichkeit erfüt die Sparpoitik vor aem die Erwartungen der Finanzmärkte die werden stabiisiert. Die Sparpoitik ist ein Dogma, und das macht es schwierig, sozioökonomische Aternativen überhaupt zu diskutieren, sagt Andersson. Mit anderen Worten: Die Poitik wird as aternativos dargestet. Und da schießt sich der Kreis zu den aktueen poitischen Entwickungen, vor aem zum Erstarken popuistischer Parteien. Gerade in der Soziaund Wirtschaftspoitik bieten die aten Voksparteien keine Aternative zur Dominanz der Märkte, sagt Jenny Andersson. As Historikerin hat sie sich intensiv mit der Geschichte der Soziademokratie in Europa befasst. KRISEN KÖNNEN DIE POLITIK ZUM POSITIVEN VERÄNDERN Die soziademokratischen Parteien hätten in den 1990er-Jahren das Vertrauen ihrer Wäherschichten dadurch veroren, dass sie Grundsätze wie Umverteiung und soziae Absicherung zugunsten marktkonformer Ziee aufgaben mit spürbaren Auswirkungen auf weite Teie der Bevökerung: In den 1970er- und 1980er-Jahren war wirtschaftiche Unsicherheit ein Phänomen der Arbeiterkasse. Inzwischen füht sich auch die Mitteschicht bedroht und sucht Antworten bei popuistischen Parteien, so Andersson. Viee ziehen inzwischen Paraeen zu den 1930er-Jahren und den Konsequenzen, die aus der damaigen Krise und der wachsenden Ungeichheit fogten. Jenny Andersson pädiert as Historikerin dafür, die Geschichte differenziert zu betrachten und auch aus AUF DEN PUNKT GEBRACHT Für die Menschen in Europa ist die Lage in den vergangenen Jahrzehnten in vieerei Hinsicht instabier geworden. Die Geseschaft hat sich gewandet: Institutionen wie Kirchen, Parteien und Gewerkschaften haben an Autorität veroren, die Viefat an Kuturen und Lebensweisen ist gewachsen, ebenso die finanziee Ungeichheit. Veränderungen im Bereich der Wirtschaft, wie die Gobaisierung oder die Einführung neuer Technoogien, und die sich öffnende Gehatsschere zwischen Gering- und Spitzenverdienern tragen wesentich zur Instabiität bei. Die Poitik hat der Wirtschaft seit den 1970er-Jahren mehr Freiheit eingeräumt. Geichzeitig ist die Poitik abhängiger von der Wirtschaft geworden etwa dadurch, dass Firmen mit Abwanderung drohen. Wissenschafter am Max Panck Sciences Po Center in Paris arbeiten daran, Ursachen und Auswirkungen der zunehmenden Instabiität aufzudecken und Ansätze zu entwicken, die über den bisherigen Rahmen poitischer Denkmuster hinausgehen. GLOSSAR positiven Beispieen zu ernen: Die Wetwirtschaftskrise der 1930er-Jahre hat etwa in den USA dazu geführt, dass die Poitik Strategien entwicket hat, negative Auswirkungen von Marktmechanismen einzudämmen: mit aktiver Arbeitsmarktpoitik und mit soziastaatichen Einrichtungen, weche die Soidarität zwischen den Bevökerungsschichten gefördert haben. Oivier Godechot weist darauf hin, dass die Arbeit am Center dazu beiträgt, die Ursachen ebenso wie die Auswirkungen zunehmender Instabiität aufzudecken. Es geht darum, ein kareres Bid der wirtschaftichen, geseschaftichen und poitischen Zusammenhänge zu bekommen eine wesentiche Voraussetzung, um neue Ansätze zu entwicken und damit den Popuisten aer Länder etwas entgegenzusetzen. In Hinbick auf die etzte Finanzkrise müsse man noch abwarten, weche poitischen Reaktionen sich etztendich durchsetzen, sind sich die Direktoren von MaxPo einig. Und wir müssen genau anaysieren: Weche poitischen Lösungen, weche soziaen Ansätze waren oder sind erfogreich und weche nicht? Austeritätspoitik: Vorgabe, dass Staaten auch in wirtschaftich schechten Zeiten sparen und Steuern erhöhen soen, um Verschudung zu vermeiden. Finanziaisierung: Wachsender Einfuss der Finanzindustrie auf Poitik und Reawirtschaft. Dazu gehört, dass die Regen der Finanzbranche vor aem die kurzfristige Gewinnmaximierung in anderen Bereichen an Einfuss gewinnen MaxPanckForschung 75
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