Michael Heidegger. Historische Entwicklung und aktueller Stand der Arbeitstherapie. Vortrag auf dem Fachtag
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- Klemens Lichtenberg
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1 Michael Heidegger Historische Entwicklung und aktueller Stand der Arbeitstherapie Vortrag auf dem Fachtag Arbeitsbezogene Maßnahmen in der stationären Suchtrehabilitation der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen Kassel Sehr geehrte Damen und Herren, über die Einladung zum heutigen Fachtag, zu arbeitsbezogenen Maßnahmen in der stationären Suchtrehabilitation habe ich mich sehr gefreut. Der Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe, der BUSS, hat sich in den Jahren 1999 bis 2004 in mehreren parallelen Arbeitsgruppen ausführlich mit dem Thema Therapie und Arbeit beschäftigt. Die Ergebnisse wurden in einem ersten Workshop in Fulda im Januar 2000 vorgestellt und später auch publiziert 1, im November 2004 folgte eine weitere Veranstaltung hier in Kassel. Die Veranstaltung in Fulda widmete sich schwerpunktmäßig einer Bestandsaufnahme der Grundannahmen und der Abläufe der Arbeitstherapie in stationären Einrichtungen. Das zweite Projektforum in Kassel, das noch von Herrn Schuler mit vorbereitet worden war, hatte dann schon indikationsgeleitete Arbeitstherapie zum Thema. Wir diskutierten hier erstmals über die ICF, aber auch über die Verantwortung nicht-arbeitstherapeutischer Mitarbeiter beziehungsweise Mitarbeiterinnen für das Gelingen der Arbeitstherapie. Ergebnis der Arbeitsgruppe Therapie und Arbeit im BUSS war schließlich ein Projekt zur Arbeitstherapeutischen Befunderhebung und Dokumentation ; Frau Mentrup und Frau Köser werden heute im Rahmen ihrer Arbeitsgruppe darauf eingehen. Soviel zur jüngeren Geschichte der Arbeitstherapie in suchttherapeutischen Einrichtungen. Wenn es darum geht, die historische Entwicklung der Arbeitstherapie im Suchtbereich insgesamt aufzuzeigen, so findet sich hier leider nur wenig Konkretes. Beschäftigung und Arbeit waren Elemente der Behandlung psychischer Krankheiten seit der Gründung von Heil- und Pflegeanstalten im frühen 19. Jahrhundert. Die Patienten und Patientinnen wurden schon damals in der Landwirtschaft, in der Gärtnerei, in der Küche, in der Wäscherei beschäftigt, sie wurden zur Hausreinigung herangezogen 2. Es ging dabei zum einen darum, die Patienten und Patientinnen an eine sinnvolle Tätigkeit heranzuführen, zum anderen aber flossen hier sicherlich auch ökonomische Überlegungen ein. 1 2 Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe e. V., M. Heidegger et al. (Hrsg.), Therapie und Arbeit, Geesthacht 2002 Schrenk, M., Zur Geschichte der Sozialpsychiatrie, Der Nervenarzt 38, 11, 1967, S
2 2 Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts hat dann, wie sie wissen, HERMANN SIMON die Arbeitstherapie in psychiatrischen Einrichtungen entscheidend vorangebracht. SIMON, der später dem Nationalsozialismus sehr nahe stand und auch die Euthanasie begrüßte 3, entwarf ein Leistungssystem mit 5 abgestuften Betätigungsmöglichkeiten. Die Patienten und Patientinnen wurden von Beginn an auf der Station zu einfachen Tätigkeiten herangezogen. Die höchste Stufe entsprach einer Tätigkeit außerhalb der Einrichtung 4. Auch das Vorgehen von SIMON war pragmatisch geprägt, ging es ihm doch auch darum, in großem Umfang Arbeitskräfte für die im Bau befindliche Anstalt Gütersloh zu rekrutieren 5. Welche spezifischen Überlegungen dazu geführt haben, in Suchtfachkliniken Arbeitstherapie zu etablieren, muß offen bleiben. Es ist anzunehmen, daß Arbeitstherapie als therapeutisches Element in Suchtfachkliniken ursprünglich ebenfalls aus pragmatischen Gründen eingeführt wurde. Darüber hinaus waren, wie Sie wissen, die ersten Suchtfachkliniken in kirchlicher bzw. christlicher Trägerschaft und damit wohl auch am christlichen Ora-et-Labora -Gebot orientiert, das der heilige Benedikt im 6. Jahrhundert nach Christus aufgestellt hat 6. Nicht auszuschließen ist auch, daß in die Konzepte zur Behandlung jener Alkoholiker mehr oder minder unbewußt auch alttestamentarische Strafvorstellungen eingeflossen sind. Die Anerkennung von Alkoholabhängigkeit als Krankheit im Sinne der Reichsversicherungsordnung im Jahre 1968 hatte die Konsequenz, daß die Behandlung Alkoholabhängiger dem Aufgabenbereich der Rentenversicherung zugeschlagen wurde. Der Auftrag an die Suchtfachkliniken wurde dahingehend präzisiert, daß diese im Sinne einer medizinischen Rehabilitation eine Wiedereingliederung der Betroffenen ins Erwerbsleben anzustreben haben. Hieraus ergab sich dann praktisch zwangsläufig der Auftrag an die Arbeitstherapie nach Training und Steigerung des Leistungsvermögens. Wenn wir den Begriff der Arbeitstherapie verwenden, dann müssen wir danach fragen, was denn nun das spezifisch therapeutische an der Arbeitstherapie ist. Im Sinne von SIMON dient Arbeitstherapie einmal als Maßnahme zum Training und zur Steigerung des Leistungsvermögens, sie stellt mithin ein spezifisches Mittel der medizinischen Rehabilitation im Sinne der Wiedereingliederung ins Erwerbsleben dar. Zum anderen zeigt das Beispiel von SIMON auch, daß Arbeitstherapie schlicht und einfach auch eine institutionsinterne Dienstleistung darstellt. Wenn das Gelände der Bernhard-Salzmann-Klinik in Gütersloh heute als so gepflegter Park imponiert, dann sicherlich nicht zuletzt wegen der Arbeitskraft der Patienten und möglicherweise auch Patientinnen, die bei der Gründung der Einrichtung zu den entsprechenden Tätigkeiten herangezogen wurden Walter, B., Hermann Simon Psychiatriereformer, Sozialdarwinist, Nationalsozialist?, Der Nervenarzt 73, 2002, S Köhler, K., Hermann Simon und die Folgen, Bad Boll 2006 Lempke, G., Beschäftigungstherapie in der Psychiatrie, Stuttgart, New York 1989, S. 4 Zink, D., Menschliche Arbeit im Wandel, Festschrift zum 25-jährigen Gründungstag des Adolf-Matthes-Hauses, München 1997, S. 8-14
3 3 Arbeitstherapie hat über diese beiden Aspekte hinaus gehend auch einen spezifischen therapeutischen Effekt. Ähnlich wie es in der Psychotherapie darum geht, dass sich der Patient beziehungsweise die Patientin unbewusster Verhaltensmuster bewusst wird und sie so korrigieren kann, verdeutlicht Arbeitstherapie das Arbeitsverhalten des oder der Einzelnen. Deutlich werden Aspekte wie Ausdauer, wie Konzentration, wie Sorgfalt, auch der Umgang mit Kollegen, Kolleginnen bzw. Vorgesetzten. Im Rahmen der Arbeitstherapie kann es nicht darum gehen, spezifische Fertigkeiten zu vermitteln, ein solches Ziel ist schon bei Berücksichtigung der Therapiedauer unrealistisch. Vielmehr ist es Aufgabe der Arbeitstherapie, die abstrakten Arbeitsfähigkeiten, das Arbeitsvermögen einzuschätzen und zu fördern. Ähnlich wie in der Psychotherapie bestimmte Muster sich immer wieder verdeutlichen, werden in der Arbeitstherapie Muster im Umgang mit Arbeit deutlich, egal ob das Werkstück aus Eisen oder Holz besteht, egal, ob eine Oberfläche zu polieren oder eine Kartoffel zu schälen ist. Lassen Sie mich kurz auf den Aspekt des Kartoffelschälens eingehen: Von Seiten der Kostenträger werden haushaltsnahe Dienstleistungen wie Tätigkeiten im Küchenbereich beziehungsweise in der Hausreinigung zu Recht als problematisch gesehen. Sie werden in den Einrichtungen ebenso zu Recht als problematisch gesehen. Wenn von Kostenträgerseite Feststellungen getroffen werden wie Unsere Versicherten putzen nicht, so sind diese sehr berechtigt, gleichzeitig aber vor dem Hintergrund unzureichender Pflegesätze auch illusorisch. Ich gehe davon aus, daß in einer Klinik, die Patienten oder Patientinnen behandelt, die den primären Sozialisationsschritt zum Erwachsenen gemacht haben, das heißt, Patienten oder Patientinnen, die zur Verantwortungsübernahme für das eigene Leben grundsätzlich bereit sind (und dies trifft auf die meisten Alkoholabhängigen zu), in 80 Prozent der Fälle auf den spezifischen Einsatz im Hauswirtschaftsbereich verzichtet werden könnte. Umgekehrt scheint bei jungen Patienten und Patientinnen, meist bei Drogenabhängigen, ein Einsatz im Hauswirtschaftsbereich sinnvoll. Junge Drogenabhängige verfügen oft nicht über die nötigen Kompetenzen, was Eigenversorgung und Aufrechterhaltung eines Mindestwohn- und Selbstversorgungsstandards angeht. Angemessene Pflegesätze vorausgesetzt, könnte jedoch auch dies alles in spezifischen Trainingssettings eingeübt werden. Was den spezifischen Aspekt des Trainings und der Leistungssteigerung angeht, so ist festzustellen, daß der (alkoholabhängige) Durchschnittspatient mittlerweile höchstens noch 15 Wochen in einer Fachklinik verbleibt. Das Leistungsvermögen ist, bedingt durch den vorangegangenen körperlichen Entzug, in den ersten Wochen eher eingeschränkt, so daß hier der Schwerpunkt arbeitstherapeutischen Handelns mehr auf Merkmalen zur Arbeitsausführung (vor allem kritische Kontrolle, Sorgfalt, zum Teil auch einfach Pünktlichkeit) liegt. Für Trainingsmaßnahmen zur Steigerung des Leistungsvermögens steht damit nur eine sehr begrenzte Zeitspanne zur Verfügung.
4 4 Lassen Sie mich nun zum heutigen Stand der Arbeitstherapie in Einrichtungen zur Behandlung Suchtmittelabhängiger kommen. Ich will hier den Versuch unternehmen, die heutige Situation der gegenüber zu stellen, wie sie vor 20 oder 25 Jahren anzutreffen war. Dabei fällt folgendes auf: 1. Umfang der Arbeitstherapie Die Zahl der Arbeitstherapiestunden hat deutlich abgenommen. Vor 20 Jahren war es nicht unüblich, daß Patienten bis zu 25 Stunden in der Arbeitstherapie eingesetzt wurden. Noch ein Jahrzehnt früher war es nicht unüblich, daß die Vergabe von Therapieplätzen abhängig gemacht wurde vom Grundberuf des Patienten, daß mithin also die jeweiligen Baumaßnahmen im Haus maßgeblich für die Aufnahme waren. Die durchschnittlichen Arbeitstherapiezeiten liegen gegenwärtig bei zehn bis zwölf Stunden, wobei Kurzzeittherapiepatienten oft keinerlei Arbeitstherapie erhalten. Der absolute Vorrang psychotherapeutischer Maßnahmen vor der Arbeitstherapie wird auch anhand der kürzlich veröffentlichten Therapiestandards der Deutschen Rentenversicherung deutlich: gefordert werden von seiten der Kostenträger in den Therapiemodulen 01, 02 und 03, d.h. allgemeine Psychotherapie, indikative Angebote zur Komorbidität bzw. zur Förderung psychosozialer Kompetenz insgesamt 360 Minuten pro Woche, also 6 Zeitstunden wöchentlich. In Modul 05a dagegen werden bei Arbeitslosen pro Rehabilitation 16 Stunden arbeitsbezogene Leistungen gefordert, in Modul 05b bei Rehabilitanden mit Arbeit und Nicht-Erwerbstätigen 7 Stunden pro Rehabilitation. Bei einer 14-wöchigen Behandlungsdauer stehen damit 84 Stunden Psychotherapie 7 bzw. 16 Stunden arbeitsbezogene Leistungen gegenüber Inhaltliche Ausrichtung Noch lange nach dem Zweiten Weltkrieg ging man davon aus, daß Patienten und Patientinnen mit Alkoholabhängigkeit an das Arbeiten herangeführt werden müssen. Wirksam waren hier wohl Überzeugungen, nach denen Alkoholabhängige als eher arbeitsscheu einzuschätzen sind. So empfahl der Psychiater HANS GRUHLE im Jahre 1942, Alkoholabhängige in erster Linie in ein Arbeitshaus einzuweisen, ich zitiere, die Einweisung in eine Entziehungsanstalt hat nur dann Sinn, wenn man diese Anstalt als vorzüglich geleitet selbst kennt 8. Mittlerweile wird der Tatsache Rechnung getragen, daß zumindest bei männlichen Alkoholabhängigen einer der wesentlichen Motivationsfaktoren, eine Entwöhnungsbehandlung anzutreten, drohender Verlust des Arbeitsplatzes ist. Es wird auch der Tatsache Rechnung getragen, dass Alkoholabhängigkeit nicht selten mit süchtigem Arbeitsverhalten vergesellschaftet ist. Entsprechend liegt der Schwerpunkt des 7 8 Deutsche Rentenversicherung, Reha-Therapiestandards Alkoholabhängigkeit Pilotversion, Berlin 2009 Gruhle, H. W., Die Erforschung und Behandlung des Verbrechers in den Jahren 1938 bis 1940, Fortschritte der Neurologie und Psychiatrie 14, 1942, S
5 5 arbeitstherapeutischen Vorgehens heute nicht mehr auf der Förderung Motivation zur Arbeit oder auf der Förderung fachspezifischer Fähigkeiten, sondern darauf, daß der Patient, die Patientin Klarheit über sein bzw. ihr Arbeitsverhalten findet. Dies setzt voraus: fundierte Diagnostik, Zieldefinition und kontinuierliche Evaluation des Arbeitstherapieprozesses. 3. Fundierte Diagnostik In der Vergangenheit erfolgte die Erhebung anamnestischer Daten ausschließlich durch Ärzte bzw. Ärztinnen, durch Psychotherapeuten bzw. Psychotherapeutinnen. Meines Erachtens wird heute in der Mehrzahl der Suchtfachkliniken eine differenzierte Arbeits- und Berufsanamnese im Bereich Arbeitstherapie erhoben. Es wird eingeschätzt, welche Anforderungen am Arbeitsplatz gestellt werden, es werden die sozialmedizinisch relevanten Frage nach Erreichen des Arbeitsplatzes, nach Integration am Arbeitsplatz, nach Zufriedenheit mit der beruflichen Tätigkeit gestellt. Darüber hinaus steht inzwischen ein breites diagnostisches Instrumentarium zur Verfügung. MELBA, die Merkmalprofile zur Eingliederung Leistungsgewandelter und Behinderter in Arbeit 9 ist mittlerweile ein etabliertes Diagnostikum, weitere Impulse gingen von dem erwähnten Projekt zur Arbeitstherapeutischen Befunderhebung und Dokumentation aus, das sich am Model of Human Occupation orientiert. Beide Instrumente werden heute auch in Arbeitsgruppen behandelt. Mit der ICF, der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit 10, steht ein weiteres Instrumentarium zur Beurteilung spezifischer Teilleistungsstörungen zur Verfügung. Auch hier sei auf die von Herrn Stracke geleitete Arbeitsgruppe verwiesen. 4. Zieldefinition und Evaluation des Arbeitstherapieprozesses Wenn Arbeitstherapie etwas anderes sein soll als Beschäftigung, dann sind mit dem Patienten, sind mit der Patientin klare Ziele zu vereinbaren. Grundlage bildet hier wiederum ein entsprechendes diagnostisches Instrumentarium. Mit MELBA ist es möglich, ein Fähigkeitsprofil des Patienten beziehungsweise der Patientin zu erstellen und dies in Relation zum Anforderungsprofil des Arbeitstherapieplatzes zu setzen. Die hier erhobene Selbst- und Fremdeinschätzung, aber auch Diskrepanzen zwischen Selbst- und Fremdeinschätzung liegen der Zieldefinition zugrunde. Vor Entlassung werden die Werte erneut erhoben, um so den Therapieerfolg zu überprüfen beziehungsweise eine Grundlage für weiterführende Maßnahmen zu erhalten. Unabhängig von der Eingangs- und Abschlußdiagnostik ist der Arbeitstherapieprozeß zumindest wöchentlich, bei spezifischer Indikation auch täglich zu bewerten und zu überprüfen Kleffmann, A. et al., Melba Psychologische Merkmalprofile zur Eingliederung Behinderter in Arbeit, Siegen 1997 Deutsches Institut für medizinische Dokumentation und Information (Hrsg.), Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit, Genf 2005
6 6 5. Stellenwert der Arbeitstherapie im Klinikkontext Die Suchtvereinbarung vom sieht vor, daß in stationären Einrichtungen auf dem Gebiet der Suchtkrankenarbeit qualifizierte und erfahrene Ärzte, Diplom-Psychologen, Sozialarbeiter / Sozialpädagogen sowie Arbeits- und Beschäftigungstherapeuten zur Verfügung stehen. Im Leitungsteam hingegen müssen neben dem ärztlichen Leiter lediglich die Fachbereiche Psychologie und Sozialarbeit vertreten sein 11. Diese Gewichtung spiegelte sich in der Vergangenheit im Selbstverständnis von Arbeitstherapeuten und Arbeitstherapeutinnen wider, aber auch im Umgang der anderen Berufsgruppen mit dem Bereich Arbeitstherapie. Während psychotherapeutische Veranstaltungen für andere Bereiche tabu waren, standen Arbeitstherapieeinheiten nicht selten zur Disposition, wenn es um medizinische Angelegenheiten oder um Einzelgespräche ging. Die Zuordnung der Patienten und Patientinnen zu einzelnen Arbeitstherapieplätzen erfolgte durch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des psychotherapeutischen Bereichs. In einer beträchtlichen Zahl von Kliniken stellt heute Arbeitstherapie einen eigenständigen und gleichberechtigten Bereich dar. Im Rahmen von Diagnostikkonferenzen werden die übergeordneten Therapieziele definiert. Hierauf basierend definiert der Bereich Arbeitstherapie spezifische Ziele, der Bereich Arbeitstherapie entscheidet dann weiter, wie diese Ziele erreicht werden können und evaluiert den Erfolg. 6. Interne Vernetzung Entsprechend dem Stellenwert, den die Arbeitstherapie mittlerweile in den stationären Einrichtungen hat, sind Arbeitstherapeuten und Arbeitstherapeutinnen gleichberechtigte Partner in Diagnostik- und Verlaufskonferenzen. Ihre Beobachtungen und Einschätzungen gehen in den Gesamtbehandlungsplan ein. Ebenso ist der Bereich Arbeitstherapie beteiligt, wenn es um die Würdigung des Therapieverlaufs geht. In der Vergangenheit wurde der Abschlußbericht an den Rentenversicherungsträger nicht selten vom Arzt bzw. der Ärztin erstellt, der für die Beratungsstelle aber dann vom Bereich Psychologie beziehungsweise Sozialpädagogik. Diese Berichte waren, legte man sie nebeneinander, häufig auch widersprüchlich. Heute geht in den Bericht sowohl die ärztliche Einschätzung, als auch die psychotherapeutische Einschätzung, als auch die arbeitstherapeutische Einschätzung ein. Die sozialmedizinische Beurteilung kann sich damit auf medizinische, psychologische und nicht zuletzt reale Beobachtungen über das Verhalten an einem vorgegebenen Arbeitsplatz stützen. Die Aussagefähigkeit der Berichte hat damit deutlich gewonnen und trägt der Tatsache Rechnung, daß dem Abschlußbericht der Rang eines sozialmedizinischen Gutachtens zukommt. 11 Empfehlungsvereinbarung über die Zusammenarbeit der Krankenversicherungsträger und der Rentenversicherungsträger bei der Rehabilitation Abhängigkeitskranker (Sucht-Vereinbarung) vom , Anlage 1
7 7 7. Externe Vernetzung Zu Zeiten der ersten Empfehlungsvereinbarung Sucht waren die Institutionen untereinander nur wenig vernetzt. Heute, in Zeiten der Kombitherapie finden sich nicht nur enge Vernetzungen zwischen ambulanten und stationären Einrichtungen, auch vor Ort sind die Einrichtungen deutlich besser integriert. Kooperationen mit Betrieben erlauben Arbeitsbelastung unter Bedingungen des realen Arbeitsmarkts; es stellt dies eine wesentliche Möglichkeit zur realen Einschätzung des Leistungsvermögens dar. Im Rahmen der Klinik wird dies zum Teil in Belastungswochen realisiert. Die Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit hat sich in den letzten Jahren erfreulich verbessert; in der Vergangenheit konnten Termine mit dem Arbeitsamt erst vereinbart werden, wenn der Patient bzw. die Patientin dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stand, also nach Abschluß der stationären Behandlung. Mittlerweile können erste Weichen zur Wiedereingliederung ins Erwerbsleben bereits während der Behandlung gestellt werden, das heißt in der Regel während des Realitätstrainings. Bedauerlich ist, daß Rehaberater der Rentenversicherung noch nicht durchgängig regelmäßige Termine in den Fachkliniken anbieten. Zusammenfassend will ich feststellen, daß sich die Arbeitstherapie in Suchtfachkliniken in den vergangenen Jahrzehnten deutlich weiterentwickelt hat. Ihr Profil wurde klarer, ihre Aufgabenstellung präziser. Gleichzeitig bin ich mir nicht durchgängig sicher, ob Arbeitstherapie von Seiten der Kostenträger noch uneingeschränkt gewollt wird. Ich erlebe entsprechend auch viel Verunsicherung bei Arbeitstherapeuten und Arbeitstherapeutinnen, noch mehr bei Arbeitsanleitern und Arbeitsanleiterinnen, deren Ausbildung nicht den heutigen Anforderungen der Deutschen Rentenversicherung entsprechen. Diese Verunsicherung trägt sicher dazu bei, wenn die Weiterentwicklung arbeitstherapeutischer Konzepte in den Einrichtungen einen vergleichsweise geringen Stellenwert hat. Es ist auch im Jahre 2010 festzustellen, daß Arbeitstherapie, die ausschließlich den Patienten, die Patientin im Fokus hat und deren Handeln nicht gleichzeitig auch von den Interessen der Institution geprägt ist, eher die Ausnahme darstellt. Es ist Aufgabe der Kliniken, ihre arbeitstherapeutischen Konzepte entsprechend weiter zu entwickeln. Zum anderen aber sind auch die Kostenträger gefordert, definitiv Stellung zu beziehen. Eine Refinanzierung der Dienstleistungen, die zumindest in kleineren beziehungsweise mittelgroßen Suchtfachkliniken immer noch von Patienten und Patientinnen erbracht werden, durch die Kostenträger würde nicht nur Klarheit schaffen, sondern auch einen entscheidenden Schritt zur Verbesserung der arbeitstherapeutischen Qualität in den Einrichtungen mit sich bringen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Dr. Michael Heidegger Fachklinik Annabrunn Postfach Mühldorf
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