Regine Rundnagel: Software-Ergonomie und Benutzungsfreundlichkeit
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- Irmela Krämer
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1 Regine Rundnagel: Software-Ergonomie und Benutzungsfreundlichkeit Übersicht Ziel der Software-Ergonomie ist die Anpassung der Eigenschaften von Software an die psychischen Eigenschaften der damit arbeitenden Menschen. Unzureichende software-ergonomische Gestaltung führt zu erhöhten psychischen Belastungen. Software-Ergonomie gehört zu den Mindestanforderungen, die die Bildschirmarbeitsverordnung an die Gestaltung von Bildschirmarbeit stellt. Die Normenreihe DIN EN ISO 9241, Teile enthält konkrete Anforderungen an die ergonomische Gestaltung von Software. Benutzungsfreundliche Software ist gebrauchstauglich. Barrierefreie Software ist benutzungsfreundlich für Menschen, die bestimmte Fähigkeit nicht haben (Sehbehinderte). Software-Ergonomie ist ein wichtiges Thema für alle, die täglich am Bildschirm arbeiten. PC's mit grafischen Benutzungsoberflächen, insbesondere nach dem Windows-Standard, haben die Bedienung der Programme sicher vereinfacht, die Probleme aber nicht aus der Welt geschafft. Wer kennt nicht die kryptisch anmutenden Fehlermeldungen, die so gar nicht weiterhelfen und auch nichts über die Problemursache und ihre Vermeidung aussagen: Beispiel: Herr Mayer sitzt vor seinem PC. Der meldet plötzlich: "Unknown error # 101. Process aborted. Core dumped." Auch nach eingehender Beratschlagung mit seinem Kollegen ist nichts mehr zu machen. Die einzige Lösung, die bleibt: Strom aus, Strom an. Die eingegebenen Daten der letzten halben Stunde sind allerdings verloren, Überstunden drohen mal wieder. So muss es nicht sein! Was ist Software-Ergonomie? Software unterstützt die geistige Arbeit von Menschen. Bei der Software-Ergonomie geht es ähnlich wie bei der Hardware-Ergonomie um die Anpassung von technischen Systemen - hier Software - an menschliches Arbeitshandeln. Es geht nicht darum, den Menschen an die Technik anzupassen. Software-Ergonomie ist ein Teilgebiet der Gestaltung der Mensch-Maschine-Schnittstelle bzw. des Zusammenwirkens von Mensch und Computer. Unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen wie Psychologie, Arbeitswissenschaft ebenso wie Informatik und Design tragen mit ihren Erkenntnisse zu Entwicklung ergonomischer Anforderungen an Software und der Gestaltung von entsprechenden Normen bei. Bei der Software-Ergonomie geht es um die Benutzbarkeit und Gebrauchstauglichkeit von Software. Laut der offiziellen Definition der internationalen ISO-Norm verwendet Ergonomie wissenschaftliche Erkenntnisse, um Arbeitsaufgaben, Arbeitsumgebungen und Produkte an die körperlichen und mentalen Fähigkeiten und Grenzen von Menschen anzupassen. Hierbei soll Gesundheit, Sicherheit, Wohlbefinden und Leistungsvermögen verbessert werden. Definition Ziel der Software-Ergonomie ist die Anpassung der Eigenschaften eines Dialogsystems an die psychischen Eigenschaften der damit arbeitenden Menschen. Ergonomische Software mindert Belastungen Unzureichende Softwaregestaltung führt zu erhöhten Ärger, Frustration und ebenso zu Fehlern und Zeitverlust. Die psychischen Belastungen nehmen zu und Kopfschmerzen, Augenflimmern oder Stress ist die Folge und bei längerer Dauer auch körperliche Beschwerden. Aus diesem Grund gehört die Software-Ergonomie auch zu den Regine Rundnagel 1
2 rechtsverbindlichen Mindestanforderungen, die bei Bildschirmarbeitsplätzen eingehalten werden müssen. Die gesetzliche Grundlage hierfür bildet die Bildschirmarbeitsverordnung. Woran muss sich Software- Gestaltung orientieren? Zentral für die Gestaltung des Arbeitsmittels Software ist die Berücksichtigung von: Art und Weise menschlicher Informationsverarbeitung wie Kurzzeitgedächtnis, Metaphern, Farbwahrnehmung,... Aufgaben der Benutzer/Benutzerin, die mit Softwareunterstützung verrichtet werden sollen Umfeld der Organisation, in dem die Aufgabe stattfindet. Nur unter dieser Voraussetzung kann das Arbeitsmittel Software ergonomisch und gut nutzbar sein. Software- Ergonomie beinhaltet damit die Benutzerorientierung und die Aufgabenorientierung. Software-Ergonomie greift zu kurz, wenn sie ihre Aufgabe nur in der Anpassung des Systems an die Fertigkeiten und Fähigkeiten des Individuums versteht. Workflows, Gruppenkalender, Groupware etc. sind Beispiele, die die große Bedeutung der Organisation im Betrieb zeigen, ohne die die sinnvolle Gestaltung eines Programmansicht möglich ist. Softwareentwicklung muss auch die Organisationsstrukturen, Arbeitsabläufe, Firmenstandards und Unternehmenskulturen berücksichtigen, die Arbeit regeln. Gestaltungsfelder und ziele Zentrale Gestaltungsfelder von Software sind zum einen der Dialog, d.h. die Interaktion des Benutzers/Benutzerin mit dem Programm zur Erledigung der Aufgabe mit seinen Menüs und Befehlen und zum anderen die Benutzungsoberfläche des Programms mit der Anordnung der Informationen, Farben und Zeichengröße. Ziel der Gestaltung ist es, ein handhabbares Programm zu entwickeln, das leichte Erlernbarkeit, Bedienbarkeit und Verständlichkeit ermöglicht. Es ist persönlichkeitsförderlich, wenn es den Fähigkeiten und Kenntnissen des Benutzers/der Benutzerin anpassbar ist. Benutzungsfreundlich und gebrauchstauglich Benutzungsfreundlichkeit beschreibt eine in bestimmter Weise festgestellte Bewertung der Nutzungsqualität von Software durch Nutzer/-innen. Dazu werden Experten herangezogen, Fragebögen genutzt oder sogenannte Usability-Tests. In solchen Tests werden typische Benutzer/-innen mit typischen Aufgaben bei der Nutzung von Software systematisch beobachtet. Man geht davon aus, dass ein solcher Test bereits bei 3-5 Nutzern 80% der in einem Produkt enthaltenen Usability-Probleme identifizieren kann. Statt Benutzungsfreundlichkeit beschreibt die deutsche Bedeutung von Usability, der Begriff Gebrauchstauglichkeit, die Nutzungsqualität genauer und dieser Begriff wird auch in der für die Software-Ergonomie zentralen Normenreihe DIN EN ISO 9241 verwendet. Gebrauchstauglich ist ein Programm, wenn es für bestimmte Aufgaben und bestimmte Nutzer/-innen effektiv (wirkungsvoll), effizient (wirtschaftlich) und zufriedenstellend bewertet wird. Die Norm DIN EN ISO 9241 Teil 11 macht hierzu Aussagen, eine geregelte und objektive Prüfung ist möglich. Usability ist bestimmend für die Arbeitsbedingungen. Regine Rundnagel 2
3 Barrierefreie Software Software und Internet ist dann barrierefrei, wenn alle Menschen, auch solche mit körperlichen Beeinträchtigungen die Angebote uneingeschränkt nutzenkönnen. Das ist nicht immer vollständig möglich, der Grad der Barrierefreiheit lässt sich überprüfen. Hier spricht man von Accessibility. Der neuen Teil 171 der ISO 9214 deckt dies normativ ab. Wichtig für Blinde sind gut strukturierte Texte, die sie mit technischen Hilfen vorlesen lassen oder in Braille- Schrift ausgeben lassen können. Ältere mit Sehschwächen brauchen Möglichkeiten der Einstellung der Schriftgröße. Spastiker benötigen Tastaturbefehle, wenn sie die Maus nicht nutzen können. Und für Gehörlose sind Bilder verständlicher als komplizierte Texte. Behörden haben mittlerweile Richtlinien für die Barrierefreiheit ihrer Auftritte entwickelt. Hier gibt es bisher allerdings noch keine Normen. Normen als Gestaltungsleitlinien Die wichtigsten Leitlinien zur ergonomischen Gestaltung der Software, und zwar von Benutzungsoberfläche, Zeichenanordnung, Farben, Menüs, Masken und Dialogen sind in der internationalen Normreihe DIN EN ISO 9241 festgelegt. DIN EN ISO Teile mit Bezug zur Software-Ergonomie Teil 8: Anforderungen an Farbdarstellungen Teil 9: Anforderungen an Eingabegeräte - außer Tastaturen Teil 110: Grundsätze der Dialoggestaltung (ersetzt den bisherigen Teil 10) Teil 11: Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit - Leitsätze Teil 12: Informationsdarstellung Teil 13: Benutzerführung Teil 14: Dialogführung mittels Menüs Teil 15: Dialogführung mittels Kommandosprachen Teil 16: Dialogführung mittels direkter Manipulation Teil 17: Dialogführung mittels Bildschirmformularen Teil 171: Leitlinien für die Zugänglichkeit von Software Wichtig ist dabei die Norm DIN EN ISO 9241, Teil 110 (früher 10). Sie legt "Grundsätze der Dialoggestaltung" fest: Aufgabenangemessenheit geeignete Funktionalität, Minimierung unnötiger Interaktionen Selbstbeschreibungsfähigkeit Verständlichkeit durch Hilfen / Rückmeldungen Steuerbarkeit Steuerung des Dialogs durch den Benutzer/Benutzerin Erwartungskonformität Konsistenz, Anpassung an das Benutzermodell Fehlertoleranz erkannte Fehler verhindern nicht das Benutzerziel, unerkannte Fehler: leichte Korrektur Individualisierbarkeit Anpassbarkeit an Benutzer/-innen und Arbeitskontext Lernförderlichkeit Anleitung des Benutzers, Erlernzeit minimal, Metaphern Speziell für Multimediale Software gibt es die Multimedianorm DIN EN ISO Softwareergonomie für Multimedia-Benutzungsschnittstellen mit weiteren 4 Leitlinien: Regine Rundnagel 3
4 Eignung für kommunikatives Ziel die vom Anbieter vermittelnden Informationen entsprechen den vom Benutzer/Benutzerin erwarteten. Eignung für Wahrnehmung und Verständnis Die Informationen werden leicht verständlich und korrekt vermittelt. Eignung für Informationsfindung Informationen können trotz Unkenntnis über Themengebiete leicht gefunden werden Eignung für Benutzerbeteiligung Das Programm soll zur Benutzung motivieren und die Aufmerksamkeit des Benutzers erregen. Herstellerspezifische Richtlinien Styleguides Hersteller haben Richtlinien für ihre Programmierer/-innen entwickelt, damit ihre Produkte möglichst einheitlich erscheinen. In diesen, manchmal Styleguides genannten Richtlinien werden Elemente und Formen von Benutzungsoberflächen und ihrer Interaktionsmöglichkeiten beschrieben. Siegarantieren allerdings nicht ein Höchstmaß an Software-Ergonomie oder die optimale Benutzbarkeit. Oft fließen in die Richtlinien der Hersteller Neuentwicklungen ein, die sich im Arbeitsalltag noch nicht bewährt haben. Styleguides entheben also den Entwickler keineswegs der Notwendigkeit, mit den zukünftigen Benutzer/Benutzerinnen seines geplanten Produktes eng zusammen zu arbeiten. Offen bleibt ob das geschieht. Zudem haben nicht alle Entwickler/-innen Kenntnisse der Software-Ergonomie. Rechtsquellen und Normen Gesetze und Verordnungen Die Bildschirmarbeitsverordnung ( BildscharbV ) Anhang, Nr Berufsgenossenschaftliche Vorschriften, Regeln und Informationen Berufsgenossenschaftliche Information BGI : Einrichten von Software - Leitfaden und Check für Benutzer, Verwaltungs-Berufsgenossenschaft Berufsgenossenschaftliche Information BGI : Nutzungsqualität von Software - grundlegende Informationen zum Einsatz von Software in Arbeitssystemen, Verwaltungs-Berufsgenossenschaft Berufsgenossenschaftliche Information BGI : Software-Kauf und Pflichtenheft - Leitfaden und Arbeitshilfen für Kauf, Entwicklung und Beurteilung von Software, Verwaltungs-Berufsgenossenschaft Normen DIN EN ISO 9241: Ergonomische Anforderungen für Bürotätigkeiten mit Bildschirmgeräten bzw. für die neuen Teile: Ergonomie der Mensch-System-Interaktion o Teil 8, Teil 110, Teile 11-17, Teil 171 (siehe oben) DIN EN ISO 10075: Ergonomische Grundlagen bezüglich psychischer Arbeitsbelastung o Teil 1 Allgemeines und Begriffe, Teil 2 Gestaltungsgrundsätze Literatur Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (Hrsg.): Zusammenwirken Mensch und Arbeitsmittel (Software-Ergonomie) Themenseite auf Martin, Dr. Peter: Software ergonomisch gestalten - benutzungsfreundliche Bildschirmarbeit. in: Computer und Arbeit, Bund-Verlag Frankfurt am Main, 3/2014 Martin, Dr. Peter: Informationen richtig darstellen Grundlagen ergonomischer Software. in: Computer und Arbeit, Bund-Verlag Frankfurt am Main, 3/2014 Regine Rundnagel 4
5 Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Hrsg.): (K)Eine wie die andere? Handlungshilfe zum Kauf ergonomischer Software. Dortmund 2010, download unter Jochen Prümper, Gerd von Harten: Software-Ergonomie - ergonomisch gestaltet und geprüft. in: Computer und Arbeit 8-9/2007, Bund-Verlag Christiane Rudlof: Handbuch Software-Ergonomie. Usebility Engineering. hg. v. Unfallkasse Post und Telekom. 2. Auflage Tübingen als download im UKPT Shop: Regine Rundnagel 5
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