Module IX und X Verwaltungsrechtspflege. I. Neue Gerichtsorganisation auf Bundesebene
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- Alke Reuter
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1 Module IX und X Verwaltungsrechtspflege I. Neue Gerichtsorganisation auf Bundesebene A. Verfassungsrechtlicher Rahmen Grundlage und Schranke der Neuordnung der Bundesrechtspflege bildete die am 12. März 2000 von Volk und Ständen angenommene Justizreform. Art. 29a BV Rechtsweggarantie Jede Person hat bei Rechtsstreitigkeiten Anspruch auf Beurteilung durch eine richterliche Behörde. Bund und Kantone können durch Gesetz die richterliche Beurteilung in Ausnahmefällen ausschliessen. Die Umsetzung erfordert: Anpassung Prozessrechtsgesetze Bund / Kantone; Schaffung bzw. Zuständigkeitsausdehnung richterlicher Behörden; Festlegung der gesetzlichen Ausnahmen von der Rechtsweggarantie. B. Schaffung richterlicher Behörden Der Bund hat somit folgende Gerichte einzusetzen: Bundesstrafgericht (Art. 191a BV), geregelt durch Strafgerichtsgesetz; Für die Beurteilung von Streitigkeiten aus dem Zuständigkeitsbereich der Bundesverwaltung: Bundesverwaltungsgericht, geregelt durch Verwaltungsgerichtsgesetz (VGG); Präzisierung der Stellung des BGer. als oberste rechtsprechende Behörde, geregelt durch Bundesgerichtsgesetz (BGG). Die Kantone haben für Streitigkeiten aus allen Rechtsbereichen richterliche Behörden zu bestellen; sie können solche Behörden gemeinsam einsetzen (Art. 191b BV). 1/9
2 II. Rechtsmittelsystem A. Einführung Begriffe Öffentliche Rechtspflege Rechtlich formalisierte Anwendung öffentlich-rechtlicher Normen und die Beilegung von Streitigkeiten aus dem öffentlichen Recht. Kriterium: Vorliegen einer Streitigkeit nichtstreitig: Verwaltungsverfahren streitig: Verfassungs- oder Verwaltungsrechtpflege Verwaltungsrechtspflege (i.e.s.) Gesetzlich geregelte Verfahren, in welchen Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichtsbehörden über verwaltungsrechtliche Streitigkeiten entscheiden. verwaltungsintern verwaltungsextern o o nachträglich = Beschwerdeverfahren ursprünglich = Klageverfahren B. Rechtsmittel und Rechtsbehelfe 1. Abgrenzung Rechtsmittel: o Rechtsschutzanspruch o förmlich Rechtsbehelf: o kein Rechtsschutzanspruch o formlos Aufsichtsbeschwerde / Wiedererwägung 2/9
3 2. Arten von Rechtsmitteln Ordentliche / Ausserordentliche (Rechtskraft) Vollkommene / Unvollkommene (Beschwerdegründe) Kassatorische / Reformatorische (Urteil) III. Beschwerde nach Art. 44 VwVG A. Begriff Die Beschwerde ist das förmliche Rechtsmittel, mit dem von einer besonderen Beschwerde-/Rekursinstanz oder von einer hierarchisch übergeordneten Behörde die Abänderung oder Aufhebung einer Verfügung oder eines Beschwerdeentscheides einer unteren Instanz verlangt wird. B. Eigenschaften förmliches Rechtsmittel; ordentliches Rechtsmittel; vollkommenes Rechtsmittel; reformatorisches Rechtsmittel; Rechtsmittel mit Devolutiveffekt; ist der nachträglichen Verwaltungsrechtspflege zuzuordnen. C. Rechtsgrundlagen Bund: VwVG: Art. 44 ff. für die Beschwerde ans BVGer.: Abweichungen gemäss VGG, insbesondere Art. 31 ff. VGG Art. 72 ff. (Bundesrat); die Beschwerde an den BR ist subsidiär zur Beschwerde an BVGer. (beachte auch Sachgebiete) Kantone: kantonales VRG 3/9
4 D. Sachurteilsvoraussetzungen 1. Grundsätze Offizialmaxime Untersuchungsmaxime Relativierung durch Substantiierungslast, insbesondere für Legitimation Zeitpunkt erst und noch im Zeitpunkt des Entscheides 2. Im Einzelnen a) Anfechtungsobjekt Verfügung gemäss VwVG 5 (Art. 44 VwVG; BVGer.: Art. 31 VGG). Sonderfall: Zwischenverfügungen (Art. 45 f. VwVG) Rechtsverweigerungs- und Rechtsverzögerungsbeschwerde (Art. 46a VwVG) b) kein Ausschlussgrund BVGer.: Art. 32 VGG BR: Art. 74 VwVG (Subsidiarität der Beschwerde) c) Vorinstanzen Grundsatz: Behörden i.s.v. Art. 1 VwVG BVGer: Art. 33 VGG BR: Art. 73 VwVG Beachte für den Bundesrat Art. 47 Abs. 6 RVOG d) Beschwerdeinstanz (Art. 47 VwVG) Prioritätenordnung: 1. spezialgesetzliche Beschwerdeinstanzen (Art. 47 Abs. 1 lit. c VwVG; Art. 32 Abs. 2 lit. a VGG); 2. Bundesverwaltungsgericht = Regel (Art. 47 Abs. 1 lit. b VwVG, Art. 31 ff. VGG); 4/9
5 3. Bundesrat (Art. 47 Abs. 1 lit. a und Art. 72 ff. VwVG) 4. Aufsichtsbehörde (Art. 47 Abs. 1 lit. d VwVG) e) Beschwerdebefugnis Allgemeine (Art. 48 Abs. 1 VwVG); Besondere (Art. 48 Abs. 2 VwVG). f) Beschwerdegründe (Art. 49 VwVG) Verletzung von Bundesrecht Fehlerhafte Sachverhaltsermittlung Unangemessenheit g) Beschwerdefrist Dauer: Art. 50 VwVG Beginn, Einhaltung, Erstreckung, Stillstand, Wiederherstellung: Art. 20 ff. VwVG E. Wirkungen a) Devolutiveffekt (Art. 54 VwVG) b) Suspensiveffekt o Regel: Art. 55 Abs. 1 VwVG o Ausnahme: Entzug der aufschiebenden Wirkung: Art. 55 Abs. 2-5VwVG D. Verfahren und Entscheid a) Instruktion (Art. 54 ff., 63 Abs. 4, 65 VwVG; BVGer.: zusätzlich Art. 39 VGG) b) Beschwerdeentscheid (Art. 61 ff. VwVG; BVGer.: zusätzlich Art. 42 VGG) 5/9
6 IV. Bundesgericht A. Stellung, Organisation und Zuständigkeiten Verfassungsgrundlagen Stellung und Organisation (Art. 188 BV) Zuständigkeiten (Art. 189 BV) B. Zugangsbeschränkungen Zugang zum Bundesgericht (Art. 191 BV) C. Das Rechtsmittelsystem des BGG System der Einheitsbeschwerden 4. Kapitel: Beschwerdeverfahren; gemeinsame Bestimmungen über: o die anfechtbaren Entscheide (Art BGG); o die Beschwerdegründe (Art BGG) und damit spiegelbildlich o die Kognition; o das Novenverbot (Art. 99 BGG); o die Beschwerdefrist (Art. 100 BGG); o die Entscheidbefugnis (Art. 107 BGG); o die Beschwerdewirkung (Art. 103 BGG). 3. Kapitel: Sonderbestimmungen über: o die Zulässigkeit der Beschwerde bzw. des zulässigen Anfechtungsobjekts (Art. 72, 78 und 82 BGG); o die Ausnahmen von der Zulässigkeit; o die Vorinstanzen (Art. 75, 80, 86 ff. BGG); o das Beschwerderecht (Art. 76, 81, 89 BGG). 6/9
7 V. Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) A. Sachurteilsvoraussetzungen 1) Anfechtungsobjekt (Art. 82 BGG) a) Entscheide in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts b) Kantonale Erlasse c) Beschwerde betreffend politische Rechte 2) Ausnahmen (Art. 83 BGG) 3) Streitwertgrenze (Art. 85 BGG) 4) Vorinstanzen (Art. 86 ff. BGG) a) Im Allgemeinen BVGer. Für Beschwerden im Personalbereich des BVGer. wird das Bundesstrafgericht die Vorinstanz des BGer. sein UBI Letzte kantonale Instanzen b) Besondere Bestimmungen über Vorinstanzen (Art. 87 f. BGG) Kantonale Erlasse (Art. 87 BGG). Stimmrechtsangelegenheiten (Art. 88 BGG) 5) Legitimation (Art. 89 BGG) a) Allgemeine und spezialgesetzliche Beschwerdebefugnis Legitimation Art. 89 Abs. 1 BGG Spezialgesetzliche Legitimation nach Art. 89 Abs. 2 lit. d BGG 7/9
8 b) Spezifische Regelungen für die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten Legitimation bestimmter Bundesbehörden (Art. 89 Abs. 2 lit. a und b BGG) Legitimation von Gemeinden zur Autonomiebeschwerde (Art. 89 Abs. 2 lit. c BGG) Legitimation in Stimmrechtssachen (Art. 89 Abs. 3 BGG) 6) Beschwerdegründe und damit eng zusammenhängende Fragen (Art. 95 ff. BGG) a) Beschwerdegründe Rechtsverletzungen (Art. 95 BGG) Ausländisches Recht (Art. 96 BGG) Beschränkt: Unrichtige Sachverhaltsfeststellung (Art. 97 BGG) c) Teilweise Geltung des Rügeprinzips (Art. 106 Abs. 2 BGG) d) Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit von Noven (Art. 99 BGG) 7) Beschwerdefrist Beschwerde gegen Entscheide (Art. 100 BGG) Beschwerde gegen Erlasse (Art. 101 BGG) Für den Fristenlauf: Art. 44 ff. BGG B. Weitere Verfahrensbestimmungen 1) Wirkung der Beschwerde und vorsorgliche Massnahmen Aufschiebende Wirkung (Art. 103 BGG) Andere vorsorgliche Massnahmen (Art. 104 BGG) 8/9
9 2) Schriftenwechsel (Art. 102 BGG) 3) Beschwerdeentscheid (Art. 107 BGG) Geltung der Dispositionsmaxime (Art. 107 Abs. 1 BGG) Reformatorischer / Kassatorischer Entscheid (Art. 107 Abs. 2 BGG) 4) Vereinfachtes Verfahren Einzelrichter (Art. 108 BGG) Dreierbesetzung (Art. 109 BGG) VI. Subsidiäre Verfassungsbeschwerde A. Sachurteilsvoraussetzungen 1) Anfechtungsobjekt (Art. 113 BGG) 2) Subsidiarität (Art. 113 f. BGG) Relative Absolute 3) Beschwerdegründe (Art. 116 BGG) 4) Legitimation (Art. 115 BGG) Formelle Beschwer (Art. 115 lit. a BGG) Rechtlich (!) geschütztes Interesse (Art. 115 lit. b BGG). B. Weitere Verfahrensbestimmungen 1) Verweis von Art. 117 BGG Hervorzuheben ist die Geltung des Rügeprinzips (Art. 106 Abs. 2 BGG). 2) Gleichzeitige Erhebung einer ordentlichen Beschwerde (Art. 119 BGG) 9/9
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