William Shakespeare D ER STURM. (Originaltitel: The Tempest) Aus dem Englischen von Werner Buhss

Transkript

1 William Shakespeare D ER STURM (Originaltitel: The Tempest) Aus dem Englischen von Werner Buhss 1

2 henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 2000 Als unverkäufliches Manuskript vervielfältigt. Alle Rechte am Text, auch einzelner Abschnitte, vorbehalten, insbesondere die der Aufführung durch Berufs- und Laienbühnen, des öffentlichen Vortrags, der Buchpublikation und Übersetzung, der Übertragung, Verfilmung oder Aufzeichnung durch Rundfunk, Fernsehen oder andere audiovisuelle Medien. Das Vervielfältigen, Ausschreiben der Rollen sowie die Weitergabe der Bücher ist untersagt. Eine Verletzung dieser Verpflichtungen verstößt gegen das Urheberrecht und zieht zivil- und strafrechtliche Folgen nach sich. Die Werknutzungsrechte können vertraglich erworben werden von: henschel SCHAUSPIEL Marienburger Straße Berlin Wird das Stück nicht zur Aufführung oder Sendung angenommen, so ist dieses Ansichtsexemplar unverzüglich an den Verlag zurückzusenden. F1 2

3 Alonso, König von Neapel Sebastian, sein Bruder, der rechtmäßiger Herzog von Mailand Antonio, sein Bruder, der unrechtmäßige Herzog von Mailand Ferdinand, Sohn des Königs von Neapel, ein ehrenhafter alter Kanzler Adrian, Lord Francisco, Lord Caliban, ein wilder und mißgestalteter Sklave Trinculo, ein Clown Stephano, ein betrunkener Butler Kapitän Matrosen Miranda, s Tochter Ariel, ein Luftgeist Geister: Iris, Ceres, Juno, Nymphen, Schnitter Die Szene ist eine unbewohnte Insel 3

4 Erster Akt Erste Szene Ein Schiff auf See. Stürmisches Gewitter.. Kapitän. Kapitän Kapitän. Hier, Käptn. Was ist los. Guter Mann, bring die Männer auf Trab. Schmeißt euch so schnell es geht ins Zeug, sonst saufen wir ab. Bewegung, Bewegung. (Ab.) Matrosen. Hoch mit euch, ihr Herzchen, guckt nicht so trübe, Kinder, Betrieb, Betrieb. Holt das Hauptsegel ein. Hört nur noch auf die spfeife. Blas, bis es dich zerspaltet, Wind, sofern es Platz genug gibt. Alonso. Sebastian. Antonio. Ferdinand.. Andere. Alonso Antonio Passen Sie ja auf,. Wo ist überhaupt der Kapitän. Treiben Sie die Leute an. Bleiben Sie unten, ich bitte drum. Wo steckt der Kapitän,. Hörn Sie ihn denn nicht. Sie behindern unsre Arbeit. Machen Sie sich unter Deck, hier helfen Sie nur dem Sturm. Nein, nein, mein Lieber, bleib ganz ruhig. Wenns das Meer auch ist. Verpissen Sie sich. Dem Aufstand ist der König Wurscht. Ab in die Kojen und Ruhe, machen Sie uns keinen Ärger. Mein Lieber, vergiß nicht, wen du an Bord hast. Keinen, den ich mehr liebe als mich selbst. Wenn Sie als Staatsrat dem Aufruhr Ruhe befehlen und augenblicklich Frieden schaffen können, wollen wir kein Tau mehr anrühren. Los, gebrauchen Sie Ihre Macht. Wenn das nicht hilft, sein 5

5 Sie dankbar, daß Sie so lange gelebt haben, und machen Sie sich auf Ihr letztes Stündlein gefaßt, wenn es denn schlägt. Guckt nicht so trübe, Kinder. Gehn Sie uns aus dem Weg, hab ich gesagt. (Ab.) Der Bursche macht mir Mut. Der sieht nicht nach Ersaufen aus, der ist für den Galgen bestimmt. Bleib standhaft, Schicksal, und laß ihn hängen, mach aus seinem Strick unsren Rettungsanker, der von diesem Schiff macht wenig Hoffnung. Wenn er nicht für den Galgen bestimmt ist, gehts uns an den Kragen. (Passagiere ab.) zurück. Legt den Hauptmast um. Beeilung. Schneller. Schneller. Wir versuchens allein mit der Fock. (Geschrei von unten.) Die sieben Plagen auf dieses Geheule. Die machen ja mehr Aufstand als der Sturm und unsere Rettungsversuche. Sebastian. Antonio.. Die nun wieder. Was wollen Sie denn hier. Sollen wir aufgeben und untergehn. Haben Sie vor, abzusaufen. Sebastian Antonio Die Pest soll Ihnen in die Gurgel, Sie kläffender, lästerlicher, unbarmherziger Hund. Dann machen Sie doch die Arbeit. Du sollst hängen, Köter, hängen sollst du Hurensohn, du unverschämter Krachmacher. Wir haben weniger Angst abzusaufen als du. Ich wette, der säuft nicht ab, auch wenn das Schiff nicht stärker wär als eine Nußschale und so leck wie eine auslaufende Hure. Legt das Schiff hart an den Wind. Setzt noch eine Fock und den Besan. Ins freie Wasser. Raus ins offene Wasser, bringt das Schiff raus. Nasse Matrosen. Matrosen Alles verloren. Betet. Betet. Alles verloren. Wollt ihr wirklich als Letztes Wasser saufen. 6

6 Der König und der Prinz sind beten, stehn wir ihnen bei. Uns blüht, was ihnen blüht. Sebastian Ich kann nicht mehr. Antonio Wir liefern unser Leben diesen Säufern aus. Dieses Großmaul. Du sollst Wasser schlucken, Zehnmal durch die Flut gespült. Er wird noch hängen, Wenn auch dagegen jeder Wassertropfen schwört, Und das ganze Meer den Schlund aufreißt, Um ihn hinein zu reißen. Stimmen unten Gnade uns. Wir zerbrechen. Frau und Kinder, Lebewohl. Lebwohl, Bruder. Jetzt zerbricht es uns. Antonio Sebastian Laßt uns alle mit dem König untergehn. Verabschieden wir uns noch von ihm. (Antonio und Sebastian ab.) Ich würde jetzt tausend Hektar Ozean gegen einen Morgen unfruchtbares Heideland tauschen, Erika, Ginster, Melde und sonst was. Der Wille da oben geschehe, aber ich würde es vorziehen, einen trockenen Tod zu sterben. Zweite Szene Die Insel. Vor s Behausung.. Miranda. Miranda Wenn, liebster Vater, Sie mit Ihrer Kunst Die Wasser so in Aufstand bringen konnten, Zügeln Sie die See. Der Himmel, scheint es, Würde übles Pech verschütten, Nur daß die See, sich ihm ins Antlitz türmend, Das Feuer löscht. Ich litt mit denen, die ich Leiden sah. Ein schönes Schiff. Ganz sicher Trug es in sich manches herrliche Geschöpf. Zerschmettert ganz in Stücke. O der Schrei Schnitt mir ins Herz. Die armen Seelen kamen um. 7

7 Wär ich ein Gott mit dessen Macht, ich hätte Das Meer versenkt ins Innere der Erde, Bevor es dieses gute Schiff mit seiner Menschenfracht auf diese Art hinunter Würgen konnte. Nimm dich zusammen. Sei Nicht so aufgeregt. Sag deinem Mitleid-Herzen, Es ist kein Leid geschehn. Miranda O Schmerzenstag. Kein Leid. Nichts tat ich, was nicht Sorge war um dich, Mein einzig teures Gut, du, meine Tochter, die Keine Ahnung von sich hat und auch nicht weiß, Woher ich bin, auch nicht, daß ich was Bessres bin Als, der Hausherr dieser miesen Hütte Und dein nicht mächtigerer Vater. Miranda Mehr zu denken, Kam mir niemals in den Sinn. Jetzt ist es Zeit, Dir mehr zu sagen. Nimm mir erst Den Zaubermantel ab. Nun denn: Geh schlafen, Zauberei. Und du wisch dir die Augen, Das gruslige Spektakel Schiffbruch, das in dir Die volle Wucht des Mitleids ausgelöst hat, Habe ich mit aller Feinabstimmung meiner Kunst So sicher ausgeführt, daß nicht ein Menschenleben Nein, nicht ein Haar ist einem der Geschöpfe In diesem Schiff gekrümmt, die du hast Brüllen hören oder sinken sehn. Nun setz dich. Denn du sollst jetzt mehr erfahren. Miranda Oft schon Haben Sie begonnen zu erzählen wer ich bin, Dann aber abgebrochen, mich allein mit meiner Neugier lassend. Halt, so schlossen Sie, noch nicht. Die Stunde ist jetzt da, und die Minute fordert dein Gehör. Gehorch und höre. Kannst du dich noch an die Zeit Erinnern, ehe wir in diese Zelle kamen. Nein, Ich denke nicht, daß du das kannst, du warst ja Damals nicht mal drei. 8

8 Miranda Sir, sicher kann ich das. Woran. An andre Wohnung, andre Menschen etwa. Beschreib mir irgendwas, das dein Gedächtnis Aufbewahrt. Miranda s ist sehr weit weg und scheint Mir mehr ein Traum als eine Wirklichkeit, Die mein Gedächtnis bürgen könnte. Hatte ich Nicht vier, fünf Fraun an meiner Seite. Die hattest du und mehr, Miranda. Doch wie kommt es, Daß du dich erinnern kannst. Was siehst du noch Im finster bodenlosen Schoß vergangner Zeit. Wenn du erinnerst, wie es war, bevor du herkamst, Dann mußt du auch erinnern, wie du kamst. Miranda Das kann ich nicht. Zwölf Jahr, Miranda, ist es her, zwölf Jahre, Da war dein Vater Mailands Herzog und Ein Fürst der Macht. Miranda Sir, sind Sie nicht mein Vater. Deine Mutter war ein Musterexemplar an Tugend, Sie sagte, du wärst meine Tochter und dein Vater War Mailands Herzog du bist seine einzge Erbin Und nichts Schlechtres als Prinzessin. Miranda Himmel. Welch faules Spiel vertrieb uns dort. Oder hatten wir noch Glück dabei. Sowohl als auch. Mit Faulspiel, wie du sagst, vertrieb man uns von dort, Und Glück half uns hierher. Miranda Es bohrt sich mir ins Herz, Denk ich an die Last, die ich für Sie gewesen bin, Und was ich nicht mehr weiß. Verzeihung, Vater. Mein Bruder, der dein Onkel ist, Antonio Merk dir, ich bitte dich, wie hinterhältig so ein Bruder sein kann den ich neben dir am meisten Liebte auf der Welt, dem ich die Führung meines 9