5. Themenbereich: Soziale Interaktion und soziales Lernen durch Bewegung, Spiel und Sport fördern!
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- Daniel Berg
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1 Prof. Dr. Christa Kleindienst-Cachay Vorlesung: Grundlagen der Sportpädagogik im WS 2005/2006 Textfassung der PowerPoint-Präsentation vom Themenbereich: Soziale Interaktion und soziales Lernen durch Bewegung, Spiel und Sport fördern! 1. Bezug zum Lehrplan NRW Pädagogische Perspektive E: Kooperieren, wettkämpfen und sich verständigen Inhaltsbereich 2: Das Spielen entdecken und Spielräume nutzen Inhaltsbereich 7: Spielen in und mit Regelstrukturen Sportspiele Inhaltsbereich 9: Ringen und Kämpfen Zweikampfsport sowie andere Inhaltsbereiche, sofern die Schülerinnen und Schüler im Unterricht miteinander handelnd aktiv sind. 2. Wie lässt sich das soziale Lernen im Sportunterricht begründen? Soziales Lernen an Schulen ist ein dringendes Gebot! Fachübergreifende und fachimmanente Begründung des sozialen Lernens im Sportunterricht 3. Was ist und bedeutet soziales Lernen? 3.1. Begriffliche Klärung: was heißt sozial? umgangssprachliches Verständnis von sozial Was versteht die Psychologie unter prosozialem Handeln? Was versteht man unter sozialem Handeln in der Soziologie? In der Sportpädagogik versteht man unter sozialem Lernen das Lernen von Interaktionskompetenz E i n e sozialwissenschaftliche Theorie des sozialen Handelns als Grundlage für die Erklärung sozialen Lernens Das interaktive Modell sozialen Handelns: Sozialisation als Vergesellschaftung und Individuierung 1
2 Identität als Balanceprozess zwischen Innen und Außen Vier Grundqualifikationen sozialen Handelns (nach Krappmann 2000): Empathie bzw. Perspektivenübernahme Rollendistanz und Rollenflexibilität Ambiguitäts- und Frustrationstoleranz Fähigkeiten zur Identitätsdarstellung Achtung: all diese Fähigkeiten unterliegen Entwicklungsprozessen. Besonders gut erforscht ist die Entwicklung der Empathie im Kindes- und Jugendalter. 4. Fachdidaktische Umsetzung: Das freie Regelspiel als idealtypische Aushandlungssituation zum Erwerb dieser vier Qualifikationen Was versteht man unter dem freien Regelspiel? Nichtformalisierte Bewegungsspiele, wie sie v. a. Kinder und Jugendliche in ihrer freien Zeit in Paaren oder Gruppen spielen, wobei die Mit- und Gegenspieler leistungs-, alters- und geschlechtsheterogen sein können. Alle Spielregeln unterliegen den in der jeweiligen Gruppe gültigen Bedingungen, sie sind aushandlungsfähig und veränderbar Perspektivenübernahme im Spiel 4.2. Rollendistanz im Spiel 4.3. Ambiguitäts- und Frustrationstoleranz im Spiel 4.4. Spielen verlangt die Darstellung von Ich-Identität dazu bedarf es folgender Fähigkeiten: kommunikative Fähigkeiten Fähigkeit zur personalen Einbringung in den Interaktionsprozess Fähigkeit zur Vermittlung im Gruppenprozess/ integrative Fähigkeiten 2
3 Ziel des sozialen Lernens ist die Identitätsbalance (Balance zwischen den Erwartungen der anderen einerseits und den eigenen individuellen Wünschen und Bedürfnissen andererseits) 5. Themen und Aufgabenstellungen im Sportunterricht, die soziales Lernen fördern 5.1. Aushandlungsprozesse zwischen den Schülerinnen und Schülern, vor allem bei Regelungsprozessen im Spiel und im Wettkampf (z. B. Regeln finden und auch wieder verändern) 5.2. Aushandlungsprozesse in Situationen kooperativen Handelns (z. B. in Partner- oder Gruppenarbeit im Turnen, Tanz etc., z. B. beim kooperativen Zusammenspiel innerhalb einer Mannschaft, z. B. bei Absprachen über die Behandlung des Gegners beim Ringen und Kämpfen usw.) 5.3. Aushandlungs- und Verständigungsprozesse in Situationen konkurrierenden Handelns (z. B. Bildung gleich starker Mannschaften, ohne dass Schwächere diskriminiert werden, Rege langemessenes Handeln im Wettkampf, Fairnessgebot! Lösung von im Spiel oder Wettkampf auftretenden Problemen, z. B. Nicht-Ins-Spiel-Kommen leistungsschwächerer Spielerinnen und Spieler, angemessenes Verhalten bei der Verarbeitung von Sieg und Niederlage im Wettkampf) Achtung: Kooperation und Konkurrenz treten im Sport oft innerhalb ein und derselben Situation auf, das macht das Handeln höchst kompliziert! 5.4. Exponierte Rollen übernehmen und gestalten Dabei kann die Identitätsdarstellung besonders gut geübt werden! (z. B. Vormachen, Vorführen, etwas Aufführen, z.b. im Bewegungstheater, Tanz, Turnen, Akrobatik u. ä.; Übernahme besonders exponierter Rollen im Sport, z. B. Torwart.) 5.5. Lehrerinnen/Lehrer und Schülerinnen/Schüler handeln das Was und Wie im Sportunterricht aus 3
4 (Schülerinnen und Schüler wirken bei der Erstellung des Jahresstoffverteilungsplans mit, d.h. sie sprechen sich mit ihren Lehrern über Inhalte und Unterrichtsformen im Laufe eines Schuljahres ab) 6. Methoden sozialen Lernens Partner- und Gruppenarbeit Projektunterricht Rollenspiele Spezielle Formen der Gesprächsführung 7. Identitätsbalance als Erziehungsziel Anmerkungen zu einem zeitgemäßen Erziehungsbegriff Identität in der von uns gewählten Definition heißt sowohl Perspektivenübernahme gegenüber den Erwartungen der anderen üben als auch Erwartungen anderer gegenüber widerständig sein, und zwar vor dem Hintergrund der eigenen Wünsche und Bedürfnisse. Soziales Lernen bedeutet also keinesfalls nur Anpassung an die Erwartungen der anderen, sondern auch Widerstand mit Blick auf das eigene Selbst! Dieses Verständnis von sozialem Lernen bezieht Erkenntnisse aus der Soziologie und der Tiefenpsychologie sowie neuerer Bedürfnistheorien mit ein (vgl. hierzu die Vorlesung vom ). Das wichtigste übergeordnete Ziel des sozialen Lernens im Sportunterricht lautet: Die Schülerinnen und Schüler sollen lernen, so miteinander Sport zu treiben, dass die Wünsche und Erwartungen aller Interaktionspartner ausgewogen berücksichtigt werden und dass die Interaktionen im Sportunterricht nach den gemeinsam vereinbarten Interaktionsregeln ablaufen. wichtige Teilziele: unterschiedliche Erwartungen verschiedener Personen in Spiel- und Sportsituationen erkennen und darauf hinweisen können; Erwartungen der anderen an mich erkennen und mein eigenes Handeln darauf abstimmen können; 4
5 sich seiner eigenen Erwartungen in Spiel und Sportsituationen bewusst werden und diese angemessen artikulieren können; unangemessene Erwartungen erkennen und auf sozial angemessene Weise zurückweisen können; eigene Bedürfnisse (zumindest zeitweilig) zurückstellen können; durch Kompromisse zu einem gerechten Ausgleich zwischen eigenen und fremden Interessen gelangen; Vereinbarungen treffen, akzeptieren, einhalten und gegebenenfalls im gemeinsamen Diskurs wieder ändern; Konflikte analysieren und sozial verträglich lösen können. Kompliziert wird die Interaktionssituation im Sportunterricht (im Unterschied zur Situation des freien Regelspiels) dadurch, dass neben den Gleichaltrigen und deren Erwartungen die Erwartungen der Institution Schule vertreten werden müssen, und zwar durch die Lehrerin /den Lehrer: im Unterricht ist der Bildungsauftrag der Schule zu realisieren, d.h., es muss gelernt und etwas geleistet werden und dies entspricht nicht unbedingt immer den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler. Dadurch wird es zwangsläufig immer wieder zu Interessengegensätzen zwischen Schülern und Lehrern kommen. Hier liegt die Grenze des interaktiven Modells sozialen Lernens, das auf dem Paradigma der herrschaftsfreien Kommunikation (vgl. Habermas 1991) beruht! Literatur: Der fett gedruckte Literaturtitel wird zur vertiefenden Lektüre empfohlen. Beck, G./ Scholz, G.: Soziales Lernen. Kinder in der Grundschule. Reinbek Bönsch, M.: Grundlegung sozialer Lernprozesse heute. Weinheim Cachay, K./ Kleindienst-Cachay, C.: Soziales Lehren und Lernen im Sportunterricht. Theoretische Überlegungen und unterrichtspraktisches Beispiel. In: Pühse, U. (Hg.): Soziales Handeln im Sport und Sportunterricht. Schorndorf 1994, Habermas, J.: Moralbewusstsein und kommunikatives Handeln. Frankfurt Kleindienst-Cachay, C.: Gruppenarbeit im Sport. Pädagogische Begründung und Hinweise zur unterrichtspraktischen Realisierung. In: Sportunterricht 29 (1980), Kleindienst-Cachay, C.: Empathie in Spiel und Sport. In: Sportpädagogik 20 (1996),
6 Krappmann, L.: Soziologische Dimensionen der Identität. Stuttgart Krappmann, L./ Oswald, H.: Alltag der Schulkinder. Beobachtungen und Analysen von Interaktionen und Sozialbeziehungen. Weinheim Krappmann, L.: Untersuchungen zum sozialen Lernen. In: Petillon, H. (Hrsg.): Individuelles und soziales Lernen in der Grundschule Kindperspektive und pädagogische Konzepte. Jahrbuch der Grundschulforschung 5.Opladen 2002, Ministerium für Schule und Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.): Grundschule. Hauptschule. Realschule. Gesamtschule. Gymnasium. Sekundarstufe II. Richtlinien und Lehrpläne. Sport. Düsseldorf 1999 ff. Niedersächsisches Kultusministerium (Hg.): Grundsätze und Bestimmungen für den Schulsport. Hannover Pühse, U.: Kindliche Entwicklung und soziales Handeln im Sport. Schorndorf Ungerer-Röhrich, U./ Singer, R. u.a.: Praxis sozialen Lernens im Sportunterricht. Dortmund 1990 (Textauszug, S. 9-46). Übungsfragen 1. Was versteht man unter prosozialem Verhalten in der Psychologie? 2. Wie definiert die Soziologie den Begriff sozial? 3. Durch welche beiden Seiten ist soziales Handeln im Rahmen des interaktiven Modells sozialen Handelns bedingt? 4. Nennen Sie die vier Grundqualifikationen sozialen Handelns nach Krappmann. 5. Erläutern Sie was man unter Empathie/ Perspektivenübernahme versteht! Ziehen Sie ein Beispiel aus einer Spielsituation zur näheren Erklärung mit heran. 6. Erläutern Sie, was man unter Rollendistanz versteht! 7. Welche pädagogische Perspektive und welche Inhaltsbereiche des Sportlehrplans sind besonders geeignet zur Initiierung sozialer Lernprozesse? 8. Welche Unterrichtsmethoden eignen sich in besonderem Maße zur Initiierung sozialer Lernprozesse? 9. Nennen Sie das übergeordnete Ziel des sozialen Lernens im Sportunterricht? 10. Nennen Sie vier weitere Teilziele des sozialen Lernens im Sportunterricht! 11. Wodurch wird die Aushandlungssituation zwischen den Interaktionspartnern im Sportunterricht (im Unterschied zum freien Regelspiel) kompliziert? Welche Schlussfolgerung lässt sich daraus ziehen? 6
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