Wintersemester 2009/2010. Prof. Dr. Roman Seer Lehrstuhl für Steuerrecht Ruhr-Universität Bochum
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1 Wintersemester 2009/2010 Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht Prof. Dr. Roman Seer Lehrstuhl für Steuerrecht Ruhr-Universität Bochum
2 Spannungsverhältnis Eigentümerfreiheit des Erblassers Gleichheit innerhalb der Nachfolgegeneration Erhaltung des Eigentums im Erbfall zugunsten der Familie Ausgleich zugunsten der Nichterben via Steuer
3 Argumente pro Erbschaftsteuer Erbenperspektive: mühelose Vermögensmehrung Ł Steigerung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit muss mit Arbeitseinkommen gleichgestellt werden Aussicht auf großes Erbe setzt für Nachfolgegeneration negative Leistungsanreize für potenzielle Erben Erbe fördert Vermögensakkumulation in der Hand weniger reicher Familien: Gefahr einer Aristokratie der Wohlhabenden Anreiz, Vermögen in gemeinnützige (steuerbefreite) Projekte zu investieren (z.b. Gründung gemeinnütziger Stiftungen)
4 Argumente contra Erbschaftsteuer Erblasserperspektive: erarbeitetes VermögenŁ bereits versteuertes Vermögen wird erneut besteuert Aussicht auf Verlust des Erbes für die Familie im Erbfall setzt negative Leistungsanreize für den Erblasser Unternehmer-/Grundbesitzerfamilien besitzen i.d.r. den Ethos, das Familienerbe zu pflegen : Was Du ererbt von Deinen Vätern Schmälerung der Eigenkapitalbasis von Familienunternehmen Erbe sichert Unabhängigkeit von staatlicher Wohlfahrt
5 Rechtfertigung einer Nachlasssteuer ohne Ansehung der Verhältnisse des Erben: Objektsteuercharakter Ł keine Bereicherungssteuer, letzte Vermögensteuer des Erblassers Rechtfertigung neben der Einkommensteuer schwierig: Nachholfunktion der Nachlasssteuer beschränkt sich auf bisher einkommensteuerlich beim Erblasser noch nicht erfasste Vermögensbestandteile nur mittelbar als Bereicherungssteuer begreifbar: Erben als Gesamtrechtsnachfolger = Steuerträger im wirtschaftlichen Sinne
6 Rechtfertigung einer Erbanfallsteuer Georg von Schanz, FinArch. a.f., Bd. 17 (1900), 553, 672: Erbe = Mittelerwerb Ł Erhöhung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Erben Ł Bereicherungssteuer Erbanfallsteuer berücksichtigt unterschiedliche Steuersubjekte: Erblasser Erbe Erbschaftsteuer = Subjektsteuer: Einkommensteuer im weiteren Sinne (Basis: Reinvermögenszugangstheorie) Schenkungsteuer = vorweggenommene Erbschaftsteuer (Bereicherungssteuer)
7 Staaten ohne ErbSt EU: Estland, Gibraltar, Lettland, Malta, Portugal, Österreich, Schweden, Slowakei, Zypern Schweiz: abhängig von Kantonen u. Verwandtschaftsgrad Australien, Kanada: stattdessen Wertzuwachssteuer (10-45%) Neuseeland: nur Schenkungsteuer (max. 25%) Russland: Schenkungen unterliegen der ESt (13%) China, Indien, Israel, Kasachstan
8 Einkommensteuer Konkurrenzverhältnis Reinvermögenszugang Erbschaft- u. Schenkungsteuer Markteinkommen Ebene des Bereicherten Zugewandtes Einkommen Bedürfnis nach Abstimmung: - Betriebsvermögen - Veräußerungseinkünfte - nachträgliche Einkünfte
9 Erbrechtsgarantie des Art. 14 GG Eigentum Erbrecht Erblasser u. Erbe: Schutz vor staatlichem Eingriff Gesetzesvorbehalt Sozialstaatsprinzip: Art. 14 I 2, II GG Erbschaftsteuer Übermaßverbot Subsidiarität Schranken-Schranken
10 Weitreichende Erbschaftsteuerpflicht ( 2 ErbStG) unbeschränkt erweitert unbeschränkt Wohnsitz oder Erblasser/ Schenker Deutsche und Gewöhnlicher Aufenthalt Erbe/ Beschenkter Auslandsaufenthalt < 5 Jahre Weltvermögensprinzip
11 Steuerbare Tatbestände (Überblick) Erbschaftsteuer ( 3 ErbStG) Bereicherungs-/ Erbanfallprinzip Schenkungsteuer ( 7 ErbStG) Erwerb von Todes wegen - Erbfall - Vermächtnis, Pflichtteil - Schenkung auf den Todesfall - Vergleichb. Tatbestände Schenkung unter Lebenden - Freigebige Zuwendung - Stiftungen/Trust unter Lebenden bzw. deren Auflösung - Abfindungen für einen Erbverzicht u.ä. - Vergleichb.Tatbestände
12 Erwerb von Todes wegen ( 3 I ErbStG) Erbanfall ( 1922 BGB) Vermächtnis ( 2147 ff. BGB) geltend gemachter Pflichtteilsanspruch ( 2303 ff. BGB) Schenkung auf den Todesfall ( 2301 BGB) Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall ( 330, 331 BGB)
13 Entstehung der ErbSt ( 9 I Nr. 1 ErbStG) mit dem Tod des Erblassers: Prinzip der Universalsukzession ( 1922 BGB) Vermächtnis zwar nur schuldrechtlicher Anspruch gegen den Erben ( 2147 ff. BGB); gleichwohl Entstehung der Erbst kraft Gesetzes mit dem Tod des Erblassers ebenso: Schenkung auf den Todesfall ( 2301 BGB) ebenso: Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall ( 330, 331 BGB) Ausnahme: Pflichtteilsanspruch ( 2303 ff. BGB) = Entstehung erst mit Geltendmachung des Pflichtteils
14 Erbfall- und Erbauseinandersetzung Erbanfall Erbschaftsteuer Veräußerungs-/ Anschaffungsvorgang steuerlich irrelevant Erbauseinandersetzung Veräußerungsgewinn Neues AfA- Volumen
15 Auslegungsfrage: Teilungsanordnung ( 2048 BGB) oder Vorausvermächtnis ( 2150 BGB)? E hat in einem Testament seine beiden Söhne A und B je zu 1/2 als Erben eingesetzt. Der Nachlass besteht aus - Wertpapieren (Kurswert ) - Anteil an einer GmbH & Co.KG (Verkehrswert 4 Mio. ). Außerdem hat er in dem Testament bestimmt, dass A den Mitunternehmeranteil und B die Wertpapiere erhalten soll.
16 Stichtagsprinzip ( 9 I Nr. 1 ErbStG) Momentaufnahme volatile Börsenwerte Bewertungsunsicherheiten Gefahr der Über-/Unterbewertung - Berücksichtigung von Verkaufsfällen innerhalb eines kurzen Zeitraums nach dem Stichtag -
17 Ergänzungs-/Ersatztatbestände ( 3 II ErbStG) Vermögensübergang auf Stiftung/ausl. Trust (Nr. 1) Erwerb kraft erbrechtlicher Auflage (Nr. 2: 1940, 2192 ff. BGB) Surrogate/Abfindungen für den Verzicht auf eine erbrechtliche Position (Nrn. 4, 5) Bereicherung aufgrund von Ansprüchen wegen beeinträchtigenden Schenkungen des Erblassers ( 2287, 2288 II BGB)
18 Schenkungen unter Lebenden ( 7 I ErbStG) Grundtatbestand = Freigebige Zuwendung (Nr. 1) Ł Schenkung i.s. des 516 I BGB Ł erweitert: schenkungsähnliche Vorgänge Merkmale: - objektive Bereicherung des Empfängers auf Kosten des Zuwendenden - freigebig = Wille des Zuwendenden zur Bereicherung des Empfängers (auf objektivierende Weise interpretiert von BFH BStBl. II 1994, 366 zur unbenannten Zuwendung)
19 Gemischte Schenkung ( 7 I Nr. 1 ErbStG) Teil-Gegenleistung Schenker Leistung Teil-Zuwendung Beschenkter BFH-Rspr. = Verhältnisrechnung: Ł kein Abzug der Teilgegenleistung, sondern quotale Bestimmung des Schenkungsanteils Ł Ansatz eines %-Satzes des Steuerwerts 19
20 Schenkung unter Auflage ( 7 I Nr. 2 ErbStG) Schenker 1. Zuwendung Auflage ( 525 I BGB) 2. Zuwendung Beschenkter Dritter Vollziehung der Auflage Bisherige BFH-Rspr. Unterscheidet: Ł sog. Leistungsauflage = auch aus eigenem Vermögen zu erbringen (wie gemischte Schenkung behandelt) Ł sog. Nutzungs-/Duldungsauflage = Abzug vom Steuerwert 20
21 Ergänzungs-/Ersatztatbestände ( 7 ErbStG) Entstehung eines Gesamtguts bei Ehegatten (I Nr. 4) Surrogate/Abfindungen für den Verzicht auf eine erbrechtliche Position schon zu Lebzeiten (I Nr. 5) Gesellschaftsrechtliche Bereicherungstatbestände (V-VII)
22 Entstehung der SchenkSt ( 9 I Nr. 2 ErbStG) mit Ausführung der Zuwendung (nicht im Zeitpunkt des Abschlusses des Kausalgeschäfts, sondern der Erfüllung) entscheidend = Zeitpunkt, in dem der Beschenkte im entscheidend = Zeitpunkt, in dem der Beschenkte im Verhältnis zum Schenker über den Gegenstand frei verfügen kann (s. BFH BStBl. II 2008, 631)
23 Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs Bereicherungen mit den Steuerwerten./. Befreiungen i.s.d c ErbStG = Vermögensanfall nach Steuerwerten ( 10 I ErbStG)./. Nachlassverbindlichkeiten ( 10 V ErbStG) = Bereicherung des Erwerbers (Nettoprinzip)./. Ggf. Steuerfreier Zugewinnausgleich ( 5 III ErbStG) + ggf. Hinzuzurechnende Vorerwerbe ( 14 ErbStG)./. Persönlicher Freibetrag ( 16 ErbStG)./. Besonderer Versorgungsfreibetrag ( 17 ErbStG) = Steuerpflichtiger Erwerb
24 Steuerklassen (unverändert) Steuerklasse I Steuerklasse II Ehegatten Kinder und Stiefkinder Abkömmlinge der Kinder und Stiefkinder Eltern und Voreltern bei Erwerben von Todes wegen Eltern und Voreltern bei Schenkungen Geschwister und deren Abkömmlinge ersten Grades Stiefeltern Schwiegerkinder und Schwiegereltern Geschiedene Ehegatten Steuerklasse III Alle übrigen Erwerber und Zweckzuwendungen
25 Persönliche Freibeträge Begünstigte Ehegatten Bisher Neu Lebenspartner Kinder/Enkel (bei verstorb. Kindern) übrige Enkel Eltern/Erwerb von Todes wegen Übrige Personen bzw
26 Vollmengenstaffeltarif/Vergleich Wert des steuerpflichtigen Erwerbs bis einschließlich Steuersatz in % Alt Neu Steuerklasse I Steuerklasse II Steuerklasse III Alt Neu Alt Neu Alt Neu > >
27 Neuer Erbschaftsteuertarif Steuerpflichtiger Erwerb bis einschl. Steuerklasse % 30% 30% % 30% 30% % 30% 30% % 30% 30% % 50% 50% % 50% 50% > % 50% 50% Nichteheliche Lebenspartner unterfallen der Steuerklasse III!
28 Tarifänderung für StKl. 2 im sog. WachstumsbeschleunigungsG - Entwurf Steuerpflichtiger Erwerb bis einschl. Steuerklasse % 15% 30% % 20% 30% % 25% 30% % 30% 30% % 35% 50% % 40% 50% > % 43% 50% Nichteheliche Lebenspartner unterfallen der Steuerklasse III!
29 BVerfGE 93, 165 ff. Schutz des familiären Gebrauchsvermögens Idee des Familienvermögensexistenzminimums: 500 T /Eheg. und 400 T /Kind Problem: Aushöhlung der Bemessungsgrundlage nur noch wenige Erben zahlen die Steuer Steuertarif wird verschärft, um ein bestimmtes Steueraufkommen zu gerieren
30 Steuerfreiheit des selbstgenutzten Familienheims Ehegatten: sowohl Schenkung als auch Erbfall - im Erbfall muss Familienheim vom Ehegatten 10 Jahre weiter bewohnt werden Kinder (u. Enkelkinder, falls Kinder verstorben) nur im Erbfall und begrenzt auf 200 qm Wohnfläche (Wirkung eines Freibetrages) Kinder müssen das Familienheim 10 Jahre weiter bewohnen
31 Problem der Unternehmensbewertung Zukunftswert Prognose Komplexität Ertragswertverfahren: Unsicherheiten - Kapitalisierungszins - nachhaltiger Zukunftsertrag
32 Steuerermäßigung nach 35b EStG n.f. Wiederherstellung des 35 EStG a.f. (bis VZ 1998) a) Steuerermäßigung der ESt b) Voraussetzung = in den letzten 5 VZ haben die Einkünfte als Erwerb von Todes wegen der ErbStG unterlegen c) Ermäßigung der ESt in dem Verhältnis der festgesetzen ErbSt zum stpfl. Erwerb zzgl. Freibeträge Verbleibendes Problemfeld - Belastung durch Schenkungsteuer bleibt unerfasst - 5 Jahres-Zeitraum zu kurz - Anwendungsbereich nur auf Erbfälle nach
33 Gebot der Folgerichtigkeit u. Systemkonsequenz Grundsatz (BVerfG): Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei Auswahl der Steuerquelle danach: folgerichtige Umsetzung der Belastungsentscheidung im Sinne der Belastungsgleichheit Konsequent-gleichmäßige Umsetzung des Belastungsgrundgedankens in der Bemessungsgrundlage
34 BVerfG v , BVerfGE 117, 1 1. Stufe: Bewertungsgleichmaß als folgerichtige Umsetzung des Belastungsgrundes der ErbSt i.s. einer realitätsgerechten Wertrelation Allgemeiner Bewertungsmaßstab: Verkehrswert 2. Stufe: Zielgenaue Lenkungstatbestände, die gesondert zu rechtfertigen sind
35 BVerfGE 117, 1, 33 ff.: zur 1. Stufe Belastungsgrund = Bereicherung des Erben/Beschenkten i.s. Steigerung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Reinvermögenszugangstheorie) Bereicherung = Vermögenszuwachs beim Erben/Beschenken Einzig sachgerechter Vergleichsmaßstab: Einzelveräußerungspreis = gemeiner Wert
36 Tatbestandliche Unterscheidung Bemessungsgrundlage: Gebot realitätsgerechter Wertrelation am Maßstab des Verkehrswerts Messfunktion im Sinne des Art. 3 I GG Steuertarif: Prinzip eines schonenden Ausgleichs (Übermaßverbot) Belastungsfunktion im Sinne der Art. 12 I, 14 I, 2 I GG
37 Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers Verkehrswert = leitender Bewertungsmaßstab: Problem der Bewertungsunsicherheit im Sachvermögen Ł ausreichend: Annäherungswert Gefahr der Überbewertung: Bedürfnis nach der Möglichkeit eines Gegenbeweises Bewertungsmethodik: muss folgerichtig am leitenden Bewertungsmaßstab ausgerichtet sein
38 BVerfGE 117, 1: zur 2. Stufe Aussagen sind unklar und diffus Ł immerhin: Tatbestand muss Lenkungszweck erkennen lassen (Gebot der Normenklarheit) Lenkungszweck muss zielgenau verfolgt werden (Gebot der Zielgenauigkeit des Lenkungstatbestandes)
39 Anforderungen an Lenkungstatbestand - 2. Stufe d.h. Sachgerechte Abgrenzung des Kreises der Geförderten (Gebot der Außengerechtigkeit) Gleichheitskonforme Ausgestaltung innerhalb des Kreises der Geförderten (Gebot der Binnengerechtigkeit) Innerer Zusammenhang zwischen der Verwirklichung des Lenkungszwecks und des Ausmaßes des Steuervergünstigung/Ungleichbehandlung (Gebot der Verhältnismäßigkeit)
40 Bewertungsmaßstäbe Grundvermögen Unbebautes Grundstück Bodenrichtwert x qm EFH/ZFH/ETW Vergleichswerte aus Verkäufen ableitbar Mietwohngrundstück u.a. Bodenwert + Vervielfältiger x Reinertrag Sonst. bebaute Grdstck: Bodenwert + Wert des Gebäudes nach Normalherstellungskosten (Sachwertverfahren) Gegenbeweis durch Gutachten des Stpfl. möglich
41 Ertragswertmethode (Mietwohngrdstck.) Bodenwert = Bodenrichtwert x Grdst-Fläche Gebäudewert = Gebäudeertragswert Jahresrohmiete/übliche Miete./. Bewirtschaftungskosten./. Bodenwertverzinsung = Gebäudereinertrag x Vervielfältiger (abhängig von Rest-ND + Liegenschaftszins) + Summe = Ertragswert (Grundbesitzwert) = Zeitrente
42 Sachwertverfahren (sonstige Gebäude bzw. Auffangbewertungsmethode) Bodenwert = Bodenrichtwert x Grdst-Fläche Gebäudewert = Gebäudesachwert Flächenpreis (Regelherstellungskosten) x Bruttogrundfläche./. Alterswertminderung + Summe = vorläufiger Sachwert x Wertzahl = Grundbesitzwwert
43 Gegenbeweis durch Sachverständigengutachten Baumängel, -schäden, wirtschaftliche Überalterung (Sachwertverfahren), sonstige den Verkehrswert beeinflussende Tatsächen (Ertragswertverfahren) werden von den Bewertungsverfahren nach BewG nicht erfasst Gutachten ist nach der WertV zu erstellen ( 198, 199 I BewG) Stpfl. hat jedoch die Kosten zu tragen!
44 Verschonungssubvention für Mietwohngrundstücke Zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke Ansatz nur zu 90% des Verkehrswerts ( 13c ErbStG) Keine Behaltensfristen! Einbeziehung von Mietwohngrundstücken innerhalb der EU/des EWS
45 Keine Steuerbilanzwerte mehr! Unsicherheit der Unternehmensbewertung Ł Steuerbilanzwert-Grundsatz (bisher) Rechtfertigung: Gefahr der Doppelbesteuerung latent stiller Reserven beim Erwerber (vom BVerfG nicht berücksichtigt)
46 Bewertung KapGes-Anteile bisher nach dem Stuttgarter Verfahren Gemeiner Wert (G) = Vermögenswert (V) + 5 (E-9G/100) = 68/100 (V + 5E) GmbH-Anteile werden nur dann höher bewertet als KG-Anteile, wenn die Rendite > 9% (bezogen auf den Vermögenswert)
47 Bewertung des Betriebsvermögens: Paradigmenwechsel bisher: Bewertung nach Rechtsform Personengesellschaft: Substanzwert Steuerbilanzwert (mit Ausnahmen) nichtnotierte Kapitalgesellschaft Vergleichsverkauf oder Stuttgarter Verfahren notierte Kapitalgesellschaft Börsenwert Einzelbewertung alle Aktiva und Passiva neu: rechtsformneutrale Bewertung alle Rechtsformen nach gleichen Bewertungsregeln: Vergleichsverkauf / gemeiner Wert vereinf. Ertragswertverfahren optional anwendbar nur noch Unterscheidung bei KapGes börsennotiert nicht börsennotiert Gesamtbewertung einzige Kennzahl, typischerweise Ertrag, Schulden keine Relevanz
48 Bewertung des Betriebsvermögens neu: Rechtsformneutralität u. Prinzip der Gesamtbewertung Vergleichwertverfahren: abgeleitet aus Verkäufen unter fremden Dritten, die weniger als ein Jahr zurückliegen Ansonsten: Ertragswertverfahren (Erwerbersicht, 11 II 1 BewG) - z.b. IDW Standard S 1 aber auch andere außerhalb des Steuerrechts anerkannte und übliche Methoden Mindestwert: Substanzwert ( Liquidationswert) Vereinfachtes Ertragswertverfahren ( BewG) möglich, wenn dies zu keinem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt
49 Methodenhierarchie ( 11 II, 199 BewG) 1. Börsenkurs 2. Kaufpreis unter fremden Dritten (Vergleichswert) 3. Substanzwert (Mindestwert) > Wert nach anerkannter Unternehmensbewertungsmethode 4. Liquidationswert (bei beabsichtigter Liquidation) > Substanzwert 5. Unternehmenswert nach marktüblicher, anerkannter Methode der Unternehmensbewertung 6. im Zweifel: Ertragswertverfahren, Wahlrecht zwischen individueller und vereinfachter Bewertung ( 199 ff. BewG)
50 Vereinfachtes Ertragswertverfahren ( BewG) ø-jahresertrag (letzten 3 Jahre) x Kapitalisierungsfaktor (Kehrwert des Kapitalisierungszinses [Basiszins + 4,5%] = aktuell 100: [3,61 +4,5] = 12,33) = Ertragswert ausgenommen: sog. nicht betriebsnotwendiges Vermögen (WG u. Schulden, 200 II BewG) ausgenommen: Beteiligungen an Ges en, die nicht im vereinfachten Ertragswertverfahren bewertet werden ( 200 III BewG) ausgenommen: sonstige WGer (nebst Schulden), die innerhalb der letzten 2 Jahre eingelegt worden sind ( 200 IV BewG) diese WGer/Schulden sind eigenständig zum gemeinen Wert zu bewerten (gesonderte Bewertung) WG/Schulden des SonderBV werden ebenfalls gesondert bewertet ( 97 Ia Nr. 2 BewG)
51 Maßgebliches Betriebsergebnis ( 202 BewG) Ausgangswert = Gewinn n. 4 I 1 EStG + Sonder-AfA, Teilwert-AfA, erhöhte AfA (./. Normal-AfA) + AfA auf Geschäfts- oder Firmenwert + a.o. Aufwand/a.o. Veräußerungsverlust + Ertragsteueraufwand (ESt, KSt, SolZ, GewSt) + Aufwand für WG i.s. des 200 II-IV BewG - a.o. Ertrag/a.o. Veräußerungsgewinn - angemessener Unternehmerlohn - Erträge aus Erstattungen von Ertragsteuern - Erträge aus WG i.s. des 200 II-IV BewG n.f. = Zwischensumme - 30% typisierter Ertragsteueraufwand = Betriebsergebnis
52 Mängel des Bewertungskonzepts Unsicherheit über die Methodenvielfalt/-hierarchie Substanzwert Liquidationswert als Mindestwert Fester Kapitalisierungszins ( 203 I BewG), vergangenheitsbezogene Erträge Keine Konsolidierung mehrstufiger Beteiligungsstrukturen Mangelnde Prinzipientreue bei der Bewertung von Personenunternehmen: Mischung von Gesamt- und Einzelbewertung Unbestimmtheit der Vermögenskategorien: notwendiges nicht notwendiges BV Verwaltungsvermögen
53 Land- u. forstwirtschaftl. Vermögen: Bewertung nach vereinf. Reinertragswertverf. Typisierter Reingewinn nach sog. Standdarddeckungsbeiträgen ( 163 III BewG) x Kap.-Faktor 18,6 = Unternehmenswert Probleme: Betriebswert = fiktiver ( objektivierter ) Ertragswert Fester Multiplikator Aber: Liquidationswert bei Veräußerung ohne L- u. F-Reinvestition innerhalb von 15 Jahren (Nachbewertungsvorbehalt)
54 Verschonungssubvention: Kreis des begünstigten Unternehmensvermögens ( 13b I ErbStG) Einzelunternehmen, Anteile an PersGes (MitUnt- Anteile) als Gewerbebetrieb, freiberufl. Praxis, land- u. forstw. Betrieb Anteile an KapGes > 25% (bezogen auf Erben bzw. Schenker) bei Stimmrechtspoolverträgen: Zusammenrechnung der Anteile an KapGes Ausweitung der Begünstigung auf Betriebe u. Gesellschaften, die sich innerhalb der EU bzw. des EWS befinden bzw. residieren
55 Schädlichkeit von sog. Verwaltungsvermögen > 50% des BV ( 13b II ErbStG): Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke u.ä. Anteile an KapGes < 25% Beteiligung an Ges mit Verwaltungsverm. > 50% Wertpapiere u. wertpapierähnliche Forderungen Kunstgegenstände u.ä.
56 Probleme der 50%-Verwaltungsvermögensgrenze Alles-oder-Nichts-Prinzip Verwaltungsvermögen = einzelbewertetes Aktivvermögen, Bezugsgröße = gesamtbewertetes Unternehmensvermögen (incl. Schulden) Ł Prinzipienuntreue: %-Schwelle ist in Wahrheit höher! Gestaltungsmöglichkeiten durch Auslagerung von Verwaltungsvermögen auf getrennte Gesellschaften Unsicherheit über Wertpapiere u. vergleichbaren Forderungen Ł nach dem Wortlaut ist Gestaltungsmissbrauch weiterhin eröffnet
57 Verschonungssubvention für Unternehmensvermögen Kleinbetriebsregelung: abschmelzender Freibetrag von ( 13a II ErbStG) 15% des Betriebsvermögens werden pauschal als nicht betriebsnotwendig eingestuft sofort steuerpflichtig 85% sind begünstigtes Vermögen ( 13b IV ErbStG) Junges Verwaltungsvermögen (< 2 Jahre Betriebszugehörigkeit) ist nicht begünstigt ( 13b II 3 ErbStG) Einbeziehung der EU/EWS-Unternehmen
58 Versuch zielgenauer Verwirklichung des Lenkungszwecks: Arbeitsplatzsicherung Lohnsumme innerhalb von 7 Jahren nach dem Erwerb > 650% der Ausgangslohnsumme aller EU/EWS- BetriebsstättenŁ Nachversteuerung spätestens nach 7 Jahren insoweit, als Lohnsumme < 650% Keine Dynamisierung der Ausgangslohnsumme! Ausnahme: Betriebe mit höchstens 10 Arbeitnehmern
59 Versuch zielgenauer Verwirklichung des Lenkungszwecks: Verhaftungsregeln Wesentliche Geschäftsgrundlagen u.ä. ( 13a V ErbStG) müssen 7 Jahre im Betrieb erhalten bleiben! Wegfall der Verschonung im Umfang der (Teil-) Veräußerung / Entnahme = Nachversteuerung! Ausnahme: zeitnahe Reinvestition ( 13a V 3 ErbStG) = Veräußerungserlös wird innerhalb von 6 Monaten in begünstigtes BV investiert, das kein Verwaltungsvermögen ist nur pro rata- Schädlichkeit!
60 Kanon der Nachversteuerungstatbestände ( 13a V ErbStG) Veräußerung/Aufgabe des Betriebes, Teilbetriebes, MitUnt-Anteils Veräußerung/Entnahme wesentlicher Geschäftsgrundlagen Veräußerung einbringungsgeborener Anteile Veräußerung begünstigter Anteile an KapGes Auflösung begünstigter KapGes Kapitalherabsetzung begünstigter KapGes bei Veräußerung wesentlicher Geschäftsgrundlagen Überentnahmen > 150 TE innerhalb von 7 Jahren Aufhebung von Verfügungsbeschränkungen u. Stimmrechtsbindungen i.s. 13b I Nr. 3 ErbStG
61 Optionale Ausweitung der Verschonungssubvention für Unternehmensvermögen 13a VIII ErbStG ermöglicht auf Antrag eine 100ige Freistellung des Vermögens! aber erhöhte Voraussetzungen: Behaltensfrist beträgt 10 statt 7 Jahre! Mindestlohnsumme beträgt 1000% (= 10 x Ausgangslohnsumme)! Verwaltungsvermögensgrenze beträgt 10 statt 50%!
62 Hypertropher Umfang der Verschonungssubvention 15% des Betriebsvermögens werden pauschal als nicht betriebsnotwendig eingestuft sofort steuerpflichtig 85% sind begünstigtes Vermögen Abschlag von 100%!!
63 Verschonungssubvention u. Übermaßverbot Zweck der Verschonung Ausmaß der Privilegierung Innerer Zusammenhang nach sog. neuer Formel des BVerfG Je größer die Steuerverschonung und damit Sonderbegünstigung einer bestimmten Gruppe, umso größer sind die Anforderungen an die Gemeinwohlklausel und ihre Rechtfertigung.
64 Verletzung des Übermaßverbots Privilegierung der Unternehmenserben bewirkt aufgrund der Aushöhlung der ErbSt-Bemessungsgrundlage unweigerlich Grundrechtseingriff bei den Erben von Privatvermögen Zur Sicherung des Fortführung des Unternehmens ist 85%ige Freistellung nicht erforderlich: milderes Mittel = Erleichterung der Stundung für Fälle, in denen ErbSt nicht aus der Eigenkapitalrendite bezahlbar ist Zweck würde es gebieten, erst recht Erben von Privatvermögen freizustellen, die mit dem Einsatz des geerbten Vermögens sogar neue Arbeitsplätze schaffen.
65 Fundamentalmängel des Verschonungskonzepts Ausmaß der Verschonungssubvention für Betriebsvermögen ist unverhältnismäßig und gleichheitswidrig! Sie wird erkauft durch lange Wohlverhaltensfristen (7 bzw. 10 Jahre), die Nachfolger von ihren eigentlich gebotenen unternehmerischen Entscheidungen ablenken können. Risiken sind schwer kalkulierbar; selbst der Fall der Insolvenz führt zum nachträglichen Wegfall der Verschonungssubvention Alles-oder-Nichts-Prinzip für das Verwaltungsvermögen führt zu willkürlichen Unterscheidungen Abgrenzung des Verwaltungsvermögens bleibt zudem schwierig; Kaskadeneffekt bei mehrstufigen Beteiligungen Administrativer Aufwand/Steuerbefolgungskosten sind hoch
66 Verfassungswidrigkeit des neuen ErbStG: Auswirkungen Gleichheitswidrig begünstigte Stpfl. Gleichheitswidrig benachteiligte Stpfl. Erhaltung der Begünstigung bzw. Verbesserung durch vollständige Nichtbesteuerung Anfechtung des ErbSt- Bescheides zur Erlangung der Begünstigung
67 Rechtsfolgenaussprüche des BVerfG Nichtigkeitserklärung = Ausnahme (z.b. in BVerfGE 110, 94 Spekulationsgewinne, BVerfGE 112, 268 Kinderbetreuungskosten Unvereinbarkeitserklärung = Regelfall (zuletzt BVerfGE 120, 125 Abzug Krankenvers. Beiträge; BVerfG NJW 2009, 48 Pendlerpauschale) Ex tunc Reformpflicht: z.b. BVerfG NJW 2009, 48 - Pendlerpauschale Ex nunc- Reformpflicht: z.b. BVerfGE 93, 165; 117, 1 zur ErbSt
68 Strategie der Steuerpflichtigen Gleichheitswidrig begünstigte Stpfl. Gleichheitswidrig benachteiligte Stpfl. - Erlangung eines - Einspruch u. Klage mit bestandskr. St-Bescheids dem Ziel der Vorlage nach - Anfechtung mangels Art. 100 I GG Klagebefugnis unzulässig - AdV n. 69 FGO Sobald Musterverfahren bei BFH/BVerfG: - Vorläufigkeitsvermerk nach 165 II Nr. 3 AO - Zwangsruhen nach 363 II 2 AO
69 Alternativer Vorschlag zur ErbSt-Reform Flacher Einheitssteuertarif oder flach-progressiver Teilmengenstaffeltarif ohne Verschonungssubvention Steuersätze sollten nicht wesentlich über 10% liegen (ErbSt sollte in kurzer Zeit aus den Eigenkapital- renditen der übernommenen Vermögen bezahlbar sein) Verbreiterung der Bemessungsgrundlage u. Zensiten durch niedrigere Freibeträge Keine unterschiedlichen Steuerklassen, Differenzierung nach Verwandtschaft nur bei persönlichen Freibeträgen Verzicht auf Ehegattenbesteuerung
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