Die Nacht in deutschen Krankenhäusern Sturzprophylaxe
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- Imke Goldschmidt
- vor 8 Jahren
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1 Die Nacht in deutschen Krankenhäusern Sturzprophylaxe Die Nacht in deutschen Krankenhäusern Sturzprophylaxe Dr. Katrin Balzer, Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie Universität zu Lübeck 1
2 Schwankungen zwischen Einrichtungen und Fachbereichen Keine Angaben zu Sturzumständen/-zeitpunkten Ca. 33 % mit Verletzungsfolge, <10 % mit schweren Verletzungen 2
3 Was tun? Agenda Ihre Erfahrungen Wissenschaftliche Evidenz 5 Minuten-Aufgabe Austausch zu zweit oder zu dritt Was sind häufige Sturzzeitpunkte und -umstände in Ihrem Klinikbereich? Was wird in Ihrem Bereich getan zur Prävention? Mit welchen Erfahrungen? Verfügen Sie über systematische Kennzahlen? 3
4 Aktuelle deutschsprachige Evidenzsynthesen Health Technology Assessment (HTA) zur Sturzprophylaxe bei älteren Menschen im Auftrag des DIMDI (Balzer et al. 2012) Recherchezeitraum 2003 bis hta255_bericht_de. Literaturstudie für die Aktualisierung des Expertenstandards Sturzprophylaxe in der Pflege (Balzer et al. 2013) Aufbauend auf HTA, Recherchezeitraum bis Herbst 2011 Langfassung abrufbar unter Methodik Systematische Literaturrecherche in elektronischen Datenbanken und Durchsicht der Literaturlisten Zweistufige Prüfung auf Erfüllen der Einschlusskriterien Bewertung der Evidenzqualität anhand etablierter standardisierter Kriterien Strukturiert-narrative Synthese der Ergebnisse unter Berücksichtigung der Qualität der Evidenz 4
5 RISIKOEINSCHÄTZUNG Fragestellungen Risikofaktoren: Welche Personen- oder Umgebungsmerkmale beeinflussen unabhängig von anderen Faktoren das Sturzrisiko bestimmter Personengruppen? Risikoeinschätzung: Wie effektiv sind bestimmte Verfahren der Risikoeinschätzung hinsichtlich der Auswirkungen auf die Sturzinzidenz? (Klinische Effektivität = direkte Evidenz) Wie genau sind bestimmte Verfahren der Risikoeinschätzung? (Klinische Effektivität = indirekte Evidenz) 5
6 Risikofaktoren: Eingeschlossenes Studienmaterial Risikofaktor Medikation Diverse Settings 1 5 Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen 1 3 Diverse Risikofaktoren Eigene Häuslichkeit Stationäre Langzeitpflege Krankenhaus 1 8 Systematische Übersichtsarbeiten Primärstudien Ergebnisse zu Risikofaktoren (13 Primärstudien, 10 Übersichtsarbeiten) Krankenhaus Stationäre Langzeitpflege Eigene Häuslichkeit (Senioren) Menschen mit Kognition Sturzvorgeschichte Sensomotorik/Balance! ATL/Funktionsfähigkeit! Kognition Psyche / Sehfunktion / Hörfunktion / / Kontinenz Gesamtzustand Psychotrope Medikamente Anzahl der Medikamente / / Risikofaktor in mehreren robusten Analysen bestätigt Risikofaktor in einzelnen robusten Analysen bestätigt Risikofaktor nicht bestätigt / Keine Daten vorliegend 6
7 Ergebnisse zu Risikofaktoren (13 Primärstudien, 10 Übersichtsarbeiten) Krankenhaus Stationäre Langzeitpflege Eigene Häuslichkeit (Senioren) Menschen mit Kognition Sturzvorgeschichte Sensomotorik/Balance! ATL/Funktionsfähigkeit! Kognition Psyche / Sehfunktion / Hörfunktion / / Kontinenz Gesamtzustand Psychotrope Medikamente Anzahl der Medikamente / / Risikofaktor in mehreren robusten Analysen bestätigt Risikofaktor in einzelnen robusten Analysen bestätigt Risikofaktor nicht bestätigt / Keine Daten vorliegend Ergebnisse zur Risikoeinschätzung (54 Primärstudien) Direkte Evidenz: Anzahl der Studien mit Effektnachweis versus Anzahl Studien gesamt Indirekte Evidenz: Anzahl der Studien mit Sensitivität UND Spezifität >70 % versus Anzahl Studien gesamt Motorische Tests 0/0 1/16 Dual Tasking 0/0 1/3 Risikoskalen 0/1 4/34 Sturzangst 0/0 0/1 Sturzanamnese 0/0 0/4 Klinische Einschätzung s. Risikoskalen 0/6 7
8 Fazit zur Risikoeinschätzung Prägnante Bedeutung einzelner Risikofaktoren (z. B. Bewegungsbeeinrächtigungen, Allgemeinzustand, psychotrope Medikamente) Statistische Ergebnisse klinische Bedeutung eines Risikofaktors für das individuelle Sturzrisiko (z. B. Sehbeeinträchtigungen) Rolle umgebungsbezogener Faktoren schwer zu messen Keine Hinweise auf Nutzen der Anwendung standardisierter Einschätzungsinstrumente Anforderung an die klinische Einschätzung: Beobachtung und Bewertung der individuellen Fähigkeiten, die Körperstabilität in alltäglichen Lebenssituationen aufrechtzuerhalten Zur Beachtung empfohlene Risikofaktoren (DNQP 2013) Personenbezogene Sturzrisikofaktoren Medikamentenbezogene Sturzrisikofaktoren Umgebungsbezogene Sturzrisikofaktoren Beeinträchtigung funktioneller Fähigkeiten Beeinträchtigung sensomotorischer Funktionen /Balance Depression Gesundheitsstörungen, die mit Schwindel, kurzzeitigem Bewusstseinsverlust oder erheblicher körperlicher Schwäche einhergehen Kognitive Beeinträchtigungen Kontinenzprobleme Sehbeeinträchtigungen Sturzangst Stürze in der Vorgeschichte Antihypertensiva Psychotrope Medikamente Polypharmazie Freiheitsentziehende Maßnahmen Gefahren in der Umgebung (z.b. Hindernisse auf dem Boden, zu schwache Kontraste, geringe Beleuchtung) Inadäquates Schuhwerk 8
9 INFORMATION, BERATUNG, SCHULUNG Fragestellungen Klinische Effektivität: Welche Formen der pflegerischen Information und Beratung haben sich als effektiv bei der Vorbeugung von Stürzen und sturzbedingten Verletzungen erwiesen? Anforderungen: Welche Anforderungen sind an die pflegerische Information und Beratung der Patienten/Bewohner über ihr Sturzrisiko und sturzprophylaktische Maßnahmen zu stellen, insbesondere aus der Perspektive der Betroffenen? 9
10 Ergebnisse zur klinischen Effektivität Krankenhaus: 1 RCT (ältere Patienten) 2 Interventionen (nur DVD + Broschüre oder zusätzlich ergotherapeutische Beratung) versus übliche Versorgung Studienqualität: geringe bis mäßige Beweiskraft Ergebnis: keine signifikante Reduktion des Sturz- und Verletzungsrisikos im Vergleich zur Kontrolle CAVE: Hinweise auf günstige Effekte bei geistig rüstigen Patienten und ungünstige Effekte bei kognitiv beeinträchtigten Patienten Senioren in der eigenen Häuslichkeit: 3 RCT Kognitiv-verhaltenstherapeutische Beratung, teils durch Pflegeexperten Studienqualität: geringe Beweiskraft Ergebnis: keine signifikanten Effekte Ergebnisse zu den Anforderungen (4 Primärstudien und HTA-Ergebnisse) Inhalt Förderung der Selbstständigkeit Evidenzbasierte Angaben Auswahlmöglichkeiten und Berücksichtigung individueller Präferenzen praktische Tipps Abschreckende Informationen Informationen zur sturzbezogenen Morbidität und Mortalität Form Zugänglichkeit/Sprachen Fallgeschichten Positive Formulierungen und Bilder (keine Sturzszenarien) Realistische Darstellungen des Lebensalltags Restriktiver, didaktischer, bevormundender Ton Zu viele/komplexe Zahlen und Grafiken Verhalten Pflegender/ Behandler Empathisches Verständnis Gemeinsame Entscheidungsfindung Ermöglichung und Akzeptanz autonomer Entscheidungen Aufdrängen der Sturzprophylaxe 10
11 Fazit zu Information, Schulung und Beratung Vermutlich keinen direkten Effekt auf die Sturzprophylaxe (Bestätigung der Ergebnisse aus Literaturstudie 2006) Aus Sicht der Betroffenen: Beachtung der Prinzipien der evidenzbasierten Patienteninformation und gemeinsamen Entscheidungsfindung wichtig Anpassung der Information und Beratung an die kognitiven Fähigkeiten der Betroffenen NON-PHARMAKOLOGISCHE INTERVENTIONEN ZUR STURZPROPHYLAXE 11
12 Fragestellungen Klinische Effektivität I: Welche Effekte haben Einzelinterventionen zur Sturzprophylaxe auf die Inzidenz von Stürzen und sturzbedingten Verletzungen? Klinische Effektivität II: Welche Effekte haben multiple und multifaktorielle Interventionen zur Sturzprophylaxe auf die Inzidenz von Stürzen und sturzbedingten Verletzungen? Studienmaterial Einzelinterventionen Hüftprotektoren Interventionen Hilfsmittel Bettalarmsysteme Armbänder Niedrigbetten Sonnenlicht Schulungen Personal Sehfunktion Ernährung Überprüfung Medikation Wohnumgebung Motorisches Training Eigene Häuslichkeit Stationäre Langzeitversorgung Krankenhaus 12
13 Ergebnisbild Krankenhaus Pflegeheim Eigene Häuslichkeit (Risikopopulation) Ergebnisbild Krankenhaus Pflegeheim Eigene Häuslichkeit (Risikopopulation) 13
14 Fazit zu Einzelinterventionen Kaum empirische Studien zur Sturzprophylaxe im Krankenhausbereich Heterogenität: Interventionen, Studienbedingungen, Ergebnisse Hinweise auf sturzprophylaktische Effekte abhängig von Vulnerabilität der Zielgruppe (z.b. motorisches Training rüstige Senioren; Wohnumgebung stärker sturzgefährdete Senioren) Art, Intensität, Dauer der Umsetzung (z.b. motorisches Training langfristiges Mehrkomponentenprogramm, z.b. Anpassung der Wohnumgebung Durchführung durch Professionelle) Cave: erhöhtes Sturzrisiko nach Brillenanpassungen Wichtig: Heterogenität der Evidenz und Kontextfaktoren bei einrichtungsinterner Sturzprophylaxe berücksichtigen Studienmaterial Multi-Interventionen Sonstige komplexe Interventionen Kombination von Maßnahmen zur Optimierung der Versorgung Multifaktorielle Interventionen Risikoeinschätzung + individualisierte Maßnahmen Multiple Interventionen Eigene Häuslichkeit Stationäre Langzeitversorgung Krankenhaus Feste Kombination mehrerer Maßnahmen zur Sturzprophylaxe 14
15 Ergebnisbild Eigene Häuslichkeit - Risiko Pflegeheim - kognitiv beeinträchti gt Pflegeheim - allgemein Krankenhau s Multifaktoriell/Sturzrate Multifaktoriell/kum. Inzidenz Multiple/Sturzrate Multiple/kum. Inzidenz Multifaktoriell/Sturzrate Multifaktoriell/kum. Inzidenz Multifaktoriell/Sturzrate Multifaktoriell/kum. Inzidenz Multifaktoriell/Sturzrate Multifaktoriell/kum. Inzidenz Signifikant günstig Trend günstig Indifferent Trend ungünstig Signifikant ungünstig Fazit zu Multi-Interventionen Keine konsistente, methodisch robuste Belege für Senkung des Sturzrisikos durch multifaktorielle Interventionen (in jedem Setting) Günstige Effekte = Einzelbefunde, abhängig von den individuellen Studienbedingungen Basales Sturzrisiko/Vulnerabilität der Zielgruppe Konsequenz der Umsetzung der Interventionen (Implementierung) Qualität der sonstigen Gesundheitsversorgung (Versorgungskontext) 15
16 Bisher kaum untersuchte Interventionen Nutzen und Schaden von Hilfsmitteln (Schuhe, Niedrigbetten, Bettalarmsysteme) Nutzen und Schaden von Maßnahmen zur Medikationsanpassung (vor allem Vermeidung psychotroper Medikamente) Nutzen und Schaden sturzprophylaktischer Maßnahmen im Krankenhaus und in der stationären Langzeitpflege sowie speziell bei Personen mit kognitiven Beeinträchtigungen Effekte prophylaktischer Interventionen auf Verletzungsrisiko Ergebnisse Cochrane Review (Cameron et al. 2012) 16
17 Ergebnisse Cochrane Review (Cameron et al Ergebnisse Cochrane Review (Cameron et al
18 Fazit für die Praxis? Foto: Alex Raths, Bigstockphoto.com Fazit für die Praxis Allgemeine Aussagen nur vorsichtig möglich (DNQP 2013)/ Schwache Empfehlungsstärke (Moyer et al. 2012) Prophylaktische Maßnahmen an lokale Bedingungen anpassen Auf ausreichende Ressourcen achten Evidenzbasierte, multiprofessionelle Entscheidungsfindung gemeinsam mit der/dem Betroffenen Sturzrisiko nicht isoliert von anderen Diagnosen und Behandlungs- und Pflegemaßnahmen betrachten Delir, Demenz und andere Erkrankungen, die die Kontrolle der Körperhaltung beeinflussen Medikation (v. a. psychotrope Medikamente) Monitoring und Nutzung von Sturzkennzahlen 18
19 Klinisch angemessene Behandlung und Pflege am Tag und in der Nacht = beste Sturzprophylaxe Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Foto: Alex Raths, Bigstockphoto.com katrin.balzer@uksh.de Referenzen Balzer K, Bremer M, Schramm S, Lühmann D, Raspe H. (2012) Sturzprophylaxe bei älteren Menschen in ihrer persönlichen Wohnumgebung. Schriftenreihe Health Technology Assessment (HTA) in der Bundesrepublik Deutschland. DIMDI HTA-Bericht, Bd Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI), Köln: URL: (Zugriff am ). Balzer K, Junghans A, Behncke A, Lühmann n. Literaturanalyse Expertenstandard Sturzprophylaxe in der Pflege. Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (Hrsg.), 1. Aktualisierung 2013, Osnabrück, 2013, ww.dnqp.de, letzter Zugriff am Cameron ID, Gillespie LD, Robertson MC, Murray GR, Hill KD, Cumming RG, Kerse N. Interventions for preventing falls in older people in care facilities and hospitals. Cochrane Database of Systematic Reviews 2012, Issue 12. Art. No.: CD DOI: / CD pub3. DNQP (Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege) (Hrsg.) (2013) Expertenstandard Sturzprophylaxe in der Pflege. 1. Aktualisierung Osnabrück. Lahmann NA, Heinze C, Rommel A. (2014) Stürze in deutschen Krankenhäusern und Pflegeheimen Häufigkeiten, Verletzungen, Risikoeinschätzung und durchgeführte Prävention. Bundesgesundheitsbl : Moyer VA; U.S. Preventive Services Task Force. Prevention of falls in community-dwelling older adults: U.S. Preventive Services Task Force recommendation statement. Ann Intern Med Aug 7;157(3):
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