ARBEITSGEMEINSCHAFT ÖFFENTLICHES RECHT I WS 2015/16
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- Elmar Pohl
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1 ARBEITSGEMEINSCHAFT ÖFFENTLICHES RECHT I WS 2015/16 Bruno Binder/Simone Grochar [Cyber] Gudrun Trauner [präsent] In der Übung ör I (1) machen wir Sie mit der Formulierung von Schriftsätzen (Antrag und Bescheid) vertraut. Die in der Arbeitsgemeinschaft ör I erlernte Technik der Falllösung bildet dafür die Grundlage, an die wir Sie hiemit erinnern. TORES STAATSBÜRGERSCHAFT DIE DENKSCHRITTE DER FALLLÖSUNG [I]. SACHVERHALT [II]. TATBESTAND (= GESETZ) und TATBESTANDSANALYSE 1. Tatbestandselemente 2. bestimmte und unbestimmte Tatbestandselemente (Auslegung) 3. kumulative und alternative Tatbestandselemente [III]. SUBSUMTION 1. Relevanter (!) Sachverhalt 2. Subsumtion [IV]. RECHTSFOLGE 1. gebundene Entscheidung 2. Ermessensentscheidung Falllösung I (Tore)/1
2 I. SACHVERHALT Tore Fisk wird in Trondheim geboren. Er ist norwegischer Staatsbürger, die österreichische Staatsbürgerschaft besaß er noch nie. Er absolviert in Oslo ein Mechatronikstudium mit Schwerpunkt Energietechnik und anschließendem Praktikum. Nach Abschluss des Praktikums erhält er ein Jobangebot eines Linzer Solartechnikunternehmens zur Mitwirkung an einem europäischen Projekt zur Herstellung effizienter Solarzellen. Da für ihn die Arbeit für ein Atomkraftwerk oder ein kalorisches Kraftwerk nicht in Frage kommt, er ein Faible für Solarenergie hat und in Norwegen entsprechende Jobchancen fehlen, nimmt er das Angebot an. Er schließt Anfang 2008 einen Dreijahresvertrag mit dem Linzer Unternehmen U und lebt seither in Linz. Allerdings stellt sich bald Heimweh ein, allen voran vermisst er seine 5-jährige Tochter Bente und deren Mutter, seine Freundin Malin, die in Norwegen geblieben sind. Sein Arbeitgeber zeigt Verständnis und gewährt Tore Extraurlaub, sodass er jedes Jahr ( ) dreimal für jeweils zwei Wochen in Trondheim bei seiner Familie urlauben kann. Nach Beendigung des Solarprojekts will er auf schnellstem Weg zu seinen beiden Norwegerinnen Malin und Bente zurückkehren und sich für die Verbreitung der Solartechnik in Norwegen stark machen. Allerdings bietet ihm das Solartechnikunternehmen eine Führungsposition an, die er nicht ausschlagen kann, seit 2011 leitet er die Abteilung Solarforschung im Unternehmen U in Linz. In Linz schließt Tore rasch Kontakte mit Berufskollegen und hat bald zahlreiche österreichische Freunde, die ihn über sein Heimweh hinweg trösten und Tore zu einem echten Österreicher machen. Sie üben fleißig Deutsch mit ihm und Tore beginnt zum Gaudium seiner Kollegen nach und nach sogar oberösterreichischen Dialekt zu sprechen. Es ist auch nicht schwer, ihn für die österreichische Küche zu begeistern. Letztlich bringen ihm seine Freunde noch echtes Skifahren Alpinskifahren bei. Im Juli 2010 lernt er beim Sommerschilauf auf dem Kitzsteinhorn die Tiroler Landesbürgerin Tess kennen. Kurz darauf teilt er seiner Freundin Malin das Beziehungsende mit zweieinhalb Jahre Fernbeziehung sind genug. Zu Silvester 2010 verloben sich Tore und Tess und zum Jahrestag des Kennenlernens, am heiraten die beiden standesamtlich und Tess zieht zu Tore nach Linz. Da Tess aus einer sehr katholischen Familie stammt und kurz nach der Heirat erfährt, dass sie schwanger ist, drängt sie Tore auch zu einer kirchlichen Trauung. Schließlich heiraten die beiden im November 2011 im Beisein der Familien auch noch kirchlich, Tores Eltern fliegen extra aus Norwegen ein. Im März 2012 kommt Teresa zur Welt, doch das junge Familienglück währt nicht lange. Schon bald kommt es zu ersten Ehestreitigkeiten, weil Tore bei einem seiner Heimaturlaube in Norwegen wieder engeren Kontakt zu seiner ehemaligen Freundin Malin sucht. Tess kann ihre Eifersucht nur schwer in den Griff bekommen und droht Tore mit dem Auszug aus der gemeinsamen Wohnung. Nachdem Tore Besserung gelobt und den Kontakt zu Malin abgebrochen hat, glätten sich die Ehe-Wogen wieder. Tess und Tore feiern Versöhnung und bleiben in Eintracht zusammen in Linz (Freistädterstraße 3xx) wohnen. Tore beschafft weiterhin das Familieneinkommen, Tess führt den Haushalt und kümmert sich um die kleine Teresa. Am beantragt Tore die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft, auch wenn er beträchtliche Zweifel hat, sie tatsächlich zu bekommen, da seine erste Tochter Bente ja norwegische Staatsbürgerin ist. Wie lautet die (eine) rechtlich relevante Frage zu diesem Sachverhalt? Falllösung I (Tore)/2
3 II. TATBESTAND UND TATBESTANDSANALYSE Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) BGBl 1985/311 idgf 2. Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeutet: 2. Staatsbürgerschaft: die Staatsbürgerschaft der Republik Österreich (österreichische Staatsbürgerschaft); 3. Staatsbürger: ohne Unterschied des Geschlechtes eine Person, welche die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt; 4. Fremder: ohne Unterschied des Geschlechtes eine Person, welche die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt. 11a. (1) Einem Fremden ist nach einem rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt von mindestens sechs Jahren im Bundesgebiet [ ] die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn 1. sein Ehegatte Staatsbürger ist und bei fünfjähriger aufrechter Ehe im gemeinsamen Haushalt mit ihm lebt; 2. die eheliche Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht aufgehoben ist und 3. er nicht infolge der Entziehung der Staatsbürgerschaft [ ] Fremder ist. (2) [ ] (4) Einem Fremden ist nach einem rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt von mindestens sechs Jahren im Bundesgebiet [ ] die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn 1. [ ]; 3. er im Bundesgebiet geboren wurde oder 4. [ ] 15. (1) Die Frist des rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts nach diesem Bundesgesetz [ ] werden unterbrochen 1. [ ] 2. [ ] 3. wenn sich der Fremde innerhalb dieser Frist insgesamt länger als 20 v.h. der Zeitspanne außerhalb des Bundesgebietes aufgehalten hat; in diesen Fällen beginnt die Frist ab der letzten rechtmäßigen Einreise neuerlich zu laufen [ ] 39. (1) Zur Erlassung von Bescheiden in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft ist [ ] die Landesregierung zuständig. (2) Örtlich zuständig ist jene Landesregierung, in deren Bereich die Person, auf die sich der Bescheid bezieht, ihren Hauptwohnsitz hat. [Text in Farbe orange: RECHTSFOLGE Text in Farbe grün: ZUSTÄNDIGKEIT Text in Farbe lila: LEGALDEFINITIONEN] 1. Tatbestandselemente a. Welcher Teil des Tatbestands gehört zur Rechtsfolge? b. Welcher Teil des Tatbestands bestimmt die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde? c. Enthält der Tatbestand Verfahrensbestimmungen? (Wenn ja, nennen Sie diese!) d. Enthält der Tatbestand erklärende Bestimmungen ohne normativen Inhalt? (Wenn ja, nennen Sie diese!) e. Enthält der Tatbestand Legaldefinitionen zu einzelnen Tatbestandsmerkmalen (Wenn ja, nennen Sie diese!) Falllösung I (Tore)/3
4 f. Wie lautet der Tatbestand im engen Sinn? Kennzeichnen Sie auf Seite 3 alle Teile des Tatbestandes, die nicht zum Tatbestand im engen Sinn zählen! [= alle unter a. bis e. genannten Textteile!] g. Zerlegen Sie auf Seite 6 den Tatbestand im engen Sinn in einzelne Tatbestandselemente! 2. Bestimmte und unbestimmte Tatbestandselemente a. Welche der Tatbestandselemente sind bestimmt, welche unbestimmt? Kreuzen Sie auf Seite 6 entsprechend an! b. Legen Sie die unbestimmten Tatbestandselemente aus! Falllösung I (Tore)/4
5 3. Kumulative und alternative Tatbestandselemente: Stellen Sie die strukturelle Beziehung der einzelnen Tatbestandselemente auf Seite 6 zueinander dar! Falllösung I (Tore)/5
6 kumulativ alternativ unbestimmt bestimmt Vom Tatbestand der 2, 11a, 15 und 39 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 sind folgende Textteile verblieben, sie bilden den Tatbestand im engen Sinn (das WENN ): Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) BGBl 1985/311 idgf 11a. (1) Einem Fremden xxx nach einem rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt von mindestens sechs Jahren im Bundesgebiet [ ] xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx, wenn 1. sein Ehegatte Staatsbürger ist und bei fünfjähriger aufrechter Ehe im gemeinsamen Haushalt mit ihm lebt; 2. die eheliche Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht aufgehoben ist und 3. er nicht infolge der Entziehung der Staatsbürgerschaft [ ] Fremder ist. (2) [ ] (4) Einem Fremden xxx nach einem rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt von mindestens sechs Jahren im Bundesgebiet [ ] xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx, wenn 1. [ ]; 3. er im Bundesgebiet geboren wurde oder 4. [ ] Tatbestandsmerkmal Falllösung I (Tore)/6
7 III. SUBSUMTION 1. Relevanter Sachverhalt Welche Teile des Sachverhalts sind im Hinblick auf welche Tatbestandselemente relevant? (Bereiten Sie den Sachverhalt für die Subsumtion vor!) Tore Fisk wird in Trondheim geboren [ ]. Er ist norwegischer Staatsbürger [ ], die österreichische Staatsbürgerschaft besaß er noch nie [, ]. Er absolviert in Oslo ein Mechatronikstudium mit Schwerpunkt Energietechnik und anschließendem Praktikum [ ]. Nach Abschluss des Praktikums [ ] erhält er ein Jobangebot eines Linzer Solartechnikunternehmens zur Mitwirkung an einem europäischen Projekt zur Herstellung effizienter Solarzellen [ ]. Da für ihn die Arbeit für ein Atomkraftwerk oder ein kalorisches Kraftwerk nicht in Frage kommt, er ein Faible für Solarenergie hat [ ] und in Norwegen entsprechende Jobchancen fehlen [ ], nimmt er das Angebot an [ ]. Er schließt Anfang 2008 einen Dreijahresvertrag [, ] mit dem Linzer Unternehmen U und lebt seither in Linz [, ]. Allerdings stellt sich bald Heimweh ein [ ], allen voran vermisst er seine 5-jährige Tochter Bente und deren Mutter, seine Freundin Malin, die in Norwegen geblieben sind [ ]. Sein Arbeitgeber zeigt Verständnis und gewährt Tore Extraurlaub [ ], sodass er jedes Jahr ( ) dreimal für jeweils zwei Wochen in Trondheim bei seiner Familie urlauben kann [ ]. Nach Beendigung des Solarprojekts will er auf schnellstem Weg zu seinen beiden Norwegerinnen Malin und Bente zurückkehren [ ] und sich für die Verbreitung der Solartechnik in Norwegen stark machen [ ]. Allerdings bietet ihm das Solartechnikunternehmen eine Führungsposition an, die er nicht ausschlagen kann [ ], seit 2011 leitet er daher die Abteilung Solarforschung im Unternehmen U in Linz [, ]. In Linz schließt Tore rasch Kontakte mit Berufskollegen und hat bald zahlreiche österreichische Freunde, die ihn über sein Heimweh hinweg trösten und Tore zu einem echten Österreicher machen [ ]. Sie üben fleißig Deutsch mit ihm und Tore beginnt zum Gaudium seiner Kollegen nach und nach sogar oberösterreichischen Dialekt zu sprechen [ ]. Es ist auch nicht schwer, ihn für die österreichische Küche zu begeistern [ ]. Letztlich bringen ihm seine Freunde noch echtes Skifahren Alpinskifahren bei [ ]. Im Juli 2010 lernt er beim Sommerschilauf auf dem Kitzsteinhorn [ ] die Tiroler Landesbürgerin [ ] Tess kennen. Kurz darauf teilt er seiner Freundin Malin das Beziehungsende mit zweieinhalb Jahre Fernbeziehung sind genug [ ]. Zu Silvester 2010 verloben sich Tore und Tess [ ] und zum Jahrestag des Kennenlernens [ ], am heiraten die beiden standesamtlich [ ] und Tess zieht zu Tore nach Linz [ ]. Da Tess aus einer sehr katholischen Familie stammt und kurz nach der Heirat erfährt, dass sie schwanger ist, drängt sie Tore auch zu einer kirchlichen Trauung [ ]. Schließlich heiraten die beiden im November 2011 im Beisein der Familien auch noch kirchlich [ ], Tores Eltern fliegen extra aus Norwegen ein [ ]. Im März 2012 kommt Teresa zur Welt [ ], doch das junge Familienglück währt nicht lange [ ]. Schon bald kommt es zu ersten Ehestreitigkeiten, weil Tore bei einem seiner Heimaturlaube in Norwegen wieder engeren Kontakt zu seiner ehemaligen Freundin Malin sucht [ ]. Tess kann ihre Eifersucht nur schwer in den Griff bekommen und droht Tore mit dem Auszug aus der gemeinsamen Wohnung [ ]. Nachdem Tore Besserung gelobt und den Kontakt zu Malin abgebrochen hat, glätten sich die Ehe-Wogen wieder [ ]. Tess und Tore feiern Versöhnung [ ] und bleiben in Eintracht zusammen in Linz (Freistädterstraße 3xx) wohnen [,, ]. Tore beschafft weiterhin das Familieneinkommen, Tess führt den Haushalt und kümmert sich um die kleine Teresa [ ]. Am [ ] beantragt Tore die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft, auch wenn er beträchtliche Zweifel hat, sie tatsächlich zu bekommen, da seine erste Tochter Bente ja norwegische Staatsbürgerin ist [ ]. Falllösung I (Tore)/7
8 2. Subsumtion Überprüfen Sie, ob der relevante (!) Sachverhalt unter den gesetzlichen Tatbestand (unter die einzelnen Tatbestandselemente) passt (und machen Sie auf Seite 6 das Ergebnis der Subsumtion kenntlich!) IV. RECHTSFOLGE 1. Welche Arten von Rechtsfolgen kommen grundsätzlich in Betracht? Worin besteht die Rechtsfolge des 11a Abs 1 und Abs 4 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 ( ist [ ] die Staatsbürgerschaft zu verleihen )? 2. Gebundene Entscheidung oder Ermessensentscheidung? Tritt die Rechtsfolge zwingend ein oder nicht (Muss das Verwaltungsorgan handeln oder kann das Verwaltungsorgan bloß handeln?) Wie ist die Rechtsfolge an das Vorliegen des Tatbestandes geknüpft? Falllösung I (Tore)/8
9 3. Welche Verwaltungsbehörde ist zuständig, die Rechtsfolge zu ziehen? Falllösung I (Tore)/9
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