ARBEITSGEMEINSCHAFT ÖFFENTLICHES RECHT I WS 2015/16
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- Laura Esser
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1 RBEITSGEMEINSCHFT ÖFFENTLICHES RECHT I WS 2015/16 Bruno Binder/Simone Grochar [Cyber] Gudrun Trauner [präsent] In der Übung ör I (1) machen wir Sie mit der Formulierung von Schriftsätzen (ntrag und Bescheid) vertraut. Die in der rbeitsgemeinschaft ör I erlernte Technik der Falllösung bildet dafür die Grundlage, an die wir Sie hiemit erinnern. TRS FHRSCHULE DIE DENSCHRITTE DER FLLLÖSUNG [I]. SCHVERHLT [II]. TTBESTND (= GESETZ) und TTBESTNDSNLYSE 1. Tatbestandselemente 2. bestimmte und unbestimmte Tatbestandselemente (uslegung) 3. kumulative und alternative Tatbestandselemente [III]. SUBSUMTION 1. Relevanter (!) Sachverhalt 2. Subsumtion [IV]. RECHTSFOLGE 1. gebundene Entscheidung 2. Ermessensentscheidung Falllösung II (Tara) Lösung/1
2 I. SCHVERHLT Die österreichische Staatsbürgerin Tara T wurde am 2. Juni 1981 geboren; sie wohnt in Wels (Bahnhofstraße 10). Sie fühlt sich in Wels 10 km von der Gemeinde T (Bezirk Wels-Land) entfernt sehr wohl und hat dort für sich und ihre Familie Tara ist mit Tom verheiratet und Mutter einer kleinen Tochter im Vorjahr ein Einfamilienhaus errichtet. Schon immer begeisterte sich Tara für alles, was mit raftwägen und Motorrädern zu tun hatte. Mit Vollendung des 18. Lebensjahres erwirbt sie den Führerschein für die Fahrzeugklassen (Motorrad), B (PW), C (LW), E (nhänger) und F (Zugmaschinen und Traktoren). Im Frühjahr 2000 legt T auf Wunsch ihres als Handelsreisender tätigen Vaters V an einer Handelsakademie die Reifeprüfung ab. Danach hat sie erst einmal genug von der Schule und arbeitet bis Herbst 2005 bei der Spedition S in Salzburg als Fernfahrerin. Im Herbst 2005 belegt T nachdem ihr im Sommer 2005 auch die Lenkberechtigung für die lasse D (utobusse) erteilt wurde an der Technischen Universität Wien das Maschinenbaustudium, welches sie im Oktober 2011 als Diplomingenieurin abschließt. Während ihres Studiums hilft T regelmäßig im forstwirtschaftlichen Betrieb ihres Schwiegervaters bei Traktorarbeiten im Wald aus. Seit 2011 ist sie stolze Besitzerin einer Fahrschullehrerberechtigung für die lassen, B, C, E und F. Seither ist sie in der Fahrschule ihres Onkels O in der T-Straße 5 (Gemeinde T) als Fahrschullehrerin beschäftigt. Seit September 2013 besitzt sie auch die Fahrschullehrerberechtigung für die lasse D, und erteilt seitdem auch für diese lasse Fahrunterricht. Die Fahrschule ihres Onkels verfügt über fünf Unterrichtsräume und einen Vortragssaal, in denen den Fahrschülern die Theorie vermittelt wird, sowie dem neuesten Stand der Technik entsprechende Lehrbehelfe, zwei ausgebildete Fahrschullehrer sind angestellt. uf einem 1.500m² großen Übungsgelände neben der Fahrschule können die Fahrschüler Fahrübungen, wie Rückwärtsfahren, Umkehren oder Einfahren in Parklücken an zehn Schulfahrzeugen durchführen. T wurde im Jahr 2010 dreimal verwaltungsbehördlich bestraft, da sie jeweils in einer urzparkzone länger als erlaubt parkte verurteilte sie ein Bezirksgericht wegen fahrlässiger örperverletzung gemäß 88 bs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen, nachdem sie aus Eile ihr Zug war dabei ohne sie abzufahren und Unachtsamkeit auf einem Bahnsteig eine alte Frau zu Boden gestoßen und dieser dabei eine Schulterprellung zugefügt hatte. T ärgert sich noch heute über die Verurteilung, da die mit ihr verfeindete Nachbarin N den Vorfall wahrgenommen und sofort zur nzeige gebracht hatte. O tritt mit Ende 2015 in den Ruhestand und überlässt die gesamte usstattung einschließlich des Lehrpersonals der Fahrschule seiner Nichte Tara. T will am selben Standort eine Fahrschule führen und Fahrunterricht für die lassen, B, C, D, E und F erteilen. Sie stellt daher am einen ntrag auf Erteilung einer Fahrschulbewilligung für die Fahrzeugklassen bis F. Wie lautet die (eine) rechtlich relevante Frage zu diesem Sachverhalt? Wird Tara die Fahrschulbewilligung für die Fahrzeugklassen bis F erhalten? Falllösung II (Tara) Lösung/2
3 II. TTBESTND UND TTBESTNDSNLYSE raftfahrgesetz 1967 (FG 1967) BGBl 267 idgf 109. Persönliche Voraussetzungen für die Erteilung einer Fahrschulbewilligung (1) Eine Fahrschulbewilligung [ ] darf nur natürlichen Personen und nur Personen erteilt werden, die a) österreichische Staatsbürger sind und das 27. Lebensjahr vollendet haben, [ ] b) vertrauenswürdig sind, c) [ ], d) auch im Hinblick auf die Lage ihres Hauptwohnsitzes die unmittelbare persönliche Leitung der Fahrschule erwarten lassen, e) das Diplom der Fakultät für Maschinenbau oder für Elektrotechnik einer österreichischen Technischen Universität oder das Diplom einer Fachhochschule für Maschinenbau oder für Elektrotechnik besitzen oder die Reifeprüfung an einer österreichischen Höheren technischen Lehranstalt maschinen- oder elektrotechnischer Richtung erfolgreich bestanden haben, f) eine Fahrschullehrerberechtigung [ ] für die in Betracht kommenden lassen oder Unterklassen von raftfahrzeugen besitzen, g) [ ], h) [ ] und i) [ ] Zuständigkeit (1) Für die in diesem Bundesgesetz vorgesehenen mtshandlungen ist, sofern darin nichts anderes bestimmt ist, die Bezirksverwaltungsbehörde, im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde ist, die Landespolizeidirektion zuständig. [Text in Farbe orange: RECHTSFOLGE Text in Farbe grün: ZUSTÄNDIGEIT Text in Farbe blau: sonstige nicht zum Tatbestand ies gehörende Textteile ohne eigenständige normative Bedeutung] 1. Tatbestandselemente a. Welcher Teil des Tatbestands gehört zur Rechtsfolge? Eine Fahrschulbewilligung darf [ ] erteilt werden. b. Welcher Teil des Tatbestands bestimmt die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde? 123 bs 1 FG enthält fast ausschließlich (mit usnahme der Worte sofern darin nichts anderes bestimmt ist ) Bestimmungen, welche die Zuständigkeit festlegen. c. Enthält der Tatbestand Verfahrensbestimmungen? (Wenn ja, nennen Sie diese!) nein d. Enthält der Tatbestand erklärende Bestimmungen ohne normativen Inhalt? (Wenn ja, nennen Sie diese!) ja, 123 bs 1 FG sofern darin nichts anderes bestimmt ist e. Enthält der Tatbestand Legaldefinitionen zu einzelnen Tatbestandsmerkmalen (Wenn ja, nennen Sie diese!) nein f. Wie lautet der Tatbestand im engen Sinn? Die (schwarz gedruckten) verbliebenen Textteile des 109 FG. lle unter a. bis e. genannten Textteile waren aus dem gesamten Tatbestand auszuscheiden. [Binder/Trauner, Falllösung, Öffentliches Recht Grundlagen, 2. uflage, Rz ]. g. Zerlegen Sie den Tatbestand im engen Sinn in einzelne Tatbestandselemente! Vgl Seite 5. [Binder/Trauner, Falllösung, Öffentliches Recht Grundlagen, 2. uflage, Rz ]. Falllösung II (Tara) Lösung/3
4 2. Bestimmte und unbestimmte Tatbestandselemente a. Welche der Tatbestandselemente sind bestimmt, welche unbestimmt? [Vgl Seite 5 und Binder/Trauner, Falllösung, Öffentliches Recht Grundlagen Rz ]. b. Legen Sie die unbestimmten Tatbestandselemente aus! [Binder/Trauner, Falllösung, Öffentliches Recht Grundlagen Rz ]. 3. umulative und alternative Tatbestandselemente Stellen Sie die strukturelle Beziehung der einzelnen Tatbestandselemente zueinander dar! [Vgl Seite 5 und Binder/Trauner, Falllösung, Öffentliches Recht Grundlagen Rz ]. Falllösung II (Tara) Lösung/4
5 bestimmt unbbestimmt alternativ kumulativ Der Tatbestand im eigentlichen (engen) Sinn (das WENN ) für die Erteilung der Fahrschulbewilligung findet sich daher ausschließlich in 109 bs 1 FG 1967 und lautet: raftfahrgesetz 1967 (FG 1967) BGBl 267 idgf 109. (1) xx nur natürlichen Personen und nur Personen xxxxx, die a) österreichische Staatsbürger sind und das 27. Lebensjahr vollendet haben, [ ] b) vertrauenswürdig sind, [ ], d) auch im Hinblick auf die Lage ihres Hauptwohnsitzes die unmittelbare persönliche Leitung der Fahrschule erwarten lassen, e) das Diplom der Fakultät für Maschinenbau oder für Elektrotechnik einer österreichischen Technischen Universität oder das Diplom einer Fachhochschule für Maschinenbau oder für Elektrotechnik besitzen oder die Reifeprüfung an einer österreichischen Höheren technischen Lehranstalt maschinen- oder elektrotechnischer Richtung erfolgreich bestanden haben, f) eine Fahrschullehrerberechtigung [ ] für die in Betracht kommenden lassen oder Unterklassen von raftfahrzeugen besitzen, g [ ] h) [ ] und i) [ ]. Tatbestandsmerkmal 1 X natürliche Person 2 X österreichischer Staatsbürger 3 X Vollendung des 27. Lebensjahres 4 X vertrauenswürdig 5 X Hauptwohnsitz lässt unmittelbare persönliche Leitung erwarten 6 X Diplom der Fakultät für Maschinenbau oder für Elektrotechnik einer österreichischen Technischen Universität 7 X Diplom einer Fachhochschule für Maschinenbau oder für Elektrotechnik 8 X erfolgreich bestandene Reifeprüfung einer österreichischen HTL maschinen- oder elektrotechnischer Richtung 9 X Fahrschullehrerberechtigung für die in Betracht kommenden lassen oder Unterklassen von FZ Falllösung II (Tara) Lösung/5
6 bestimmt unbestimmt alternativ kumulativ III. SUBSUMTION 1. Relevanter Sachverhalt Welche Teile des Sachverhalts sind im Hinblick auf welche Tatbestandselemente relevant? (Bereiten Sie den Sachverhalt für die Subsumtion vor!) [Binder/Trauner, Falllösung, Öffentliches Recht Grundlagen Rz ]. 2. Subsumtion Überprüfen Sie, ob der relevante (!) Sachverhalt unter den gesetzlichen Tatbestand (unter die einzelnen Tatbestandselemente) passt! Tatbestandsmerkmal 1 X natürliche Person 2 X österreichischer Staatsbürger 3 X Vollendung des 27. Lebensjahres 4 X vertrauenswürdig 5 X Hauptwohnsitz lässt unmittelbare persönliche Leitung erwarten 6 X Diplom der Fakultät für Maschinenbau oder für Elektrotechnik einer österreichischen Technischen Universität 7 X Diplom einer Fachhochschule für Maschinenbau oder für Elektrotechnik 8 X erfolgreich bestandene Reifeprüfung einer österreichischen HTL maschinen- oder elektrotechnischer Richtung 9 X Fahrschullehrerberechtigung für die in Betracht kommenden lassen oder Unterklassen von FZ [Binder/Trauner, Falllösung, Öffentliches Recht Grundlagen Rz ]. Falllösung II (Tara) Lösung/6
7 IV. RECHTSFOLGE 1. Welche rten von Rechtsfolgen kommen grundsätzlich in Betracht? Worin besteht die Rechtsfolge des 109 raftfahrgesetz 1967? [Binder/Trauner, Falllösung, Öffentliches Recht Grundlagen Rz ]. Die Rechtsfolge des 109 bs 1 raftfahrgesetz 1967, die Erteilung einer Fahrschulbewilligung, besteht in einem bestimmten Verwaltungshandeln, konkret in der Erlassung eines Bescheides (individuell-konkrete Rechtsnorm einer Verwaltungsbehörde). 2. Gebundene Entscheidung oder Ermessensentscheidung Ist die Rechtsfolge in Form einer Ermessensentscheidung oder in Form einer Rechtsentscheidung zu ziehen? 109 bs 1 raftfahrgesetz 1967 ordnet an, dass eine Fahrschulbewilligung erteilt werden darf. ufgrund des Gesetzmäßigkeitsgebots der Bundesverfassung (rt 18 bs 1 B-VG) gehen wir von der gebundenen Entscheidung (= Rechtsentscheidung) als Regelfall des verwaltungsbehördlichen Gesetzesvollzugs aus (der Verwaltung soll beim Gesetzesvollzug kein eigener Spielraum für die nach dem Gesetz zu treffenden nordnungen zukommen). Der Gesetzestext ( 109 bs 1 raftfahrgesetz 1967) enthält nun mit dem Wort darf bei nordnung der Rechtsfolge einen Hinweis auf die Einräumung von Ermessen. Durch die Verwendung des Wortes darf oder kann will der Gesetzgeber der Behörde häufig aber bloß eine ompetenz einräumen, die Behörde zu einem bestimmten Verhalten ermächtigen, uzw insbesondere dann, wenn er wie in 109 bs 1 FG 1967 das Behördenverhalten sehr eingehend regelt und der Behörde dadurch jeden (Ermessens)Spielraum nimmt. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Fahrschulbewilligung sind derart detailliert bestimmt, dass für die Übung von Ermessen kein Raum bleibt. Für dieses Ergebnis spricht auch, dass es im Schutzbereich der Grundrechte in aller Regel kein Ermessen der Verwaltungsbehörden gibt. Nach rt 6 bs 1 StGG 1867 darf jedermann jede berufliche Betätigung zu Erwerbszwecken frei ausüben. Die Fahrschule dient der selbständigen unternehmerischen Erwerbsbetätigung, der Betrieb einer Fahrschule ist zweifellos durch das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit geschützt. Die Verwaltungsbehörde muss im Sinne einer gebundenen Entscheidung die Fahrschulbewilligung erteilen, wenn Tara alle Voraussetzungen des 109 bs 1 FG 1967 erfüllt. [Binder/Trauner, Falllösung, Öffentliches Recht Grundlagen Rz ]. Falllösung II (Tara) Lösung/7
8 3. Welche Verwaltungsbehörde ist zuständig, die Rechtsfolge zu ziehen? 123 bs 1 FG bestimmt, welche Verwaltungsbehörde die Rechtsfolge zu ziehen hat, 123 bs 1 FG legt die sachliche Zuständigkeit fest. Danach ist grundsätzlich die Bezirksverwaltungsbehörde sachlich zuständig; im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde ist, ist allerdings die Landespolizeidirektion sachlich zuständig. Im Gebiet welcher Gemeinden die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde ist, legt 8 SPG fest. In Oberösterreich gilt das für das Gebiet der Gemeinden Linz, Steyr und Wels ( 8 Z 5 SPG) [Lehrbuch 1246]. Die Erteilung einer Fahrschulbewilligung ist grundsätzlich eine ngelegenheit der Bezirksverwaltungsbehörde. Es gibt österreichweit 95 Bezirksverwaltungsbehörden [Lehrbuch 1197]; nur eine davon kann für die Erteilung der Fahrschulbewilligung an Tara zuständig sein. uf welchen Ort ist hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit abzustellen? uf den Hauptwohnsitz der Bewilligungswerberin (Wels)? (Diesfalls wäre die Landespolizeidirektion Oberösterreich sachlich zuständig, da für das Gebiet der Gemeinde Wels nach 8 Z 5 SPG die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde ist). Oder ist jene Bezirksverwaltungsbehörde örtlich zuständig, in deren Sprengel der Standort der Fahrschule (Gemeinde T, Bezirk Wels-Land) liegt? Das raftfahrgesetz (FG) schweigt dazu. Wir finden die Lösung in 3 llgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (VG). Nach 3 Z 2 VG richtet sich die örtliche Zuständigkeit, soweit die Verwaltungsvorschriften über die örtliche Zuständigkeit nichts bestimmen (das FG bestimmt nichts über die örtliche Zuständigkeit), in Sachen, die sich auf den Betrieb eines Unternehmens oder einer sonstigen dauernden Tätigkeit beziehen: nach dem Ort, an dem das Unternehmen betrieben oder die Tätigkeit ausgeübt wird oder werden soll. Der Standort der Fahrschule ist die Gemeinde T (Bezirk Wels-Land), die Fahrschule wird in der Gemeinde T (nicht in der Statutarstadt Wels!) betrieben. Sachlich und örtlich zuständige Behörde ist daher der Bezirkshauptmann Wels-Land. [Binder/Trauner, Falllösung, Öffentliches Recht Grundlagen Rz ]. Falllösung II (Tara) Lösung/8
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