Lösung: Fall 4. A. Anspruch auf Rückzahlung gem. 346 I, 437 Nr. 2 Alt. 1, 440, 326 V, 323, 434, 433 BGB

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1 Lösung: Fall 4 (nach Bayerle, JuS 2009, 619) A. Anspruch auf Rückzahlung gem. 346 I, 437 Nr. 2 Alt. 1, 440, 326 V, 323, 434, 433 BGB Anspruch auf Rückzahlung des vollen Kaufpreises? Vss.: Rücktrittserklärung Rücktrittsrecht Keine Unwirksamkeit des Rücktritts I. Bestehen des Rücktrittsrechts Vertragliches Rücktrittsrecht (-) Gesetzliches Rücktrittsrecht gestützt auf 437 Nr. 2 Alt. 1 i.v.m. 323 I Alt. 2 oder 326 V BGB? Vss. für Geltendmachung von Rechten aus 437 BGB: o Wirksamer Kaufvertrag o Mangelhaftigkeit der Sache bei Gefahrübergang o Besondere SE- oder Rücktritts-Voraussetzungen, hier 323, 326 V, 440 BGB 1. Wirksamer Kaufvertrag zwischen K und V Kaufvertrag über den Pkw (+) 1

2 Nichtigkeit aufgrund Anfechtung des K, 142 I BGB (Rückgabe des Wagens und Zurückverlangen des Kaufpreises)? Anfechtungsgrund: 123 BGB arglistige Täuschung? Hier aber Arglist des V (-), V verschweigt Mangel nicht vorsätzlich Anfechtungsgrund: 119 II BGB, Eigenschaftsirrtum? o Mangelfreiheit bzw. Mangelhaftigkeit als verkehrswesentliche Eigenschaft einer Sache (+) o ABER Konkurrenzproblem: Anfechtung gem. 119 II BGB ab Gefahrübergang verdrängt von spezielleren kaufrechtlichen Regelungen ( 437 ff. BGB) o Hier: Gefahrübergang gem. 446 S. 1 BGB (+), da Übergabe des Autos (+) Anfechtung nach 119 II BGB ausgeschlossen Hier: Wirksamer Kaufvertrag (+) Hinweis: Das Anfechtungsrecht nach 123 BGB wird nicht von den 437 ff. BGB verdrängt! 123 BGB ist neben den 437 ff. BGB anwendbar! 2. Sachmangel des Pkw, 434 BGB Sachmangel: Abweichen der Ist-Beschaffenheit von der Soll- Beschaffenheit 2

3 Bestimmte Verwendung gem. 434 I 2 Nr. 1 BGB vorausgesetzt? (-), im Vertrag wurde keine konkrete Verwendung vorausgesetzt Beschaffenheitsvereinbarung gem. 434 I 1 BGB? (+/-) Auslegung der Aussage des V, das Fahrzeug weise keine Schäden auf, als Beschaffenheitsvereinbarung jedenfalls vertretbar Keine Eignung zur gewöhnlichen Verwendung gem. 434 I 2 Nr. 2 BGB? o Fahrzeuge werden gewöhnlicherweise zum Fahren genutzt o Dies ist (zumindest dauerhaft) nicht mehr gefahrlos möglich, da weitere Schäden am Motor drohen o Daher 434 I 2 Nr. 2 BGB (+) 3. Zur Zeit des Gefahrübergangs, 434 I 1 BGB Hier 446 S. 1 BGB beachten: Gefahrübergang mit Übergabe der Kaufsache Mangelhaftigkeit muss in diesem Zeitpunkt vorliegen Hier Getriebefehler ist laut Gutachten auf einen früheren Unfall vor dem Kauf zurückzuführen (+) Deshalb: Mangelhaftigkeit bereits bei Gefahrübergang (+) Hinweis: Auf die Beweislastumkehr des 476 BGB muss hier deshalb nicht zurückgegriffen werden 3

4 Exkurs: 476 BGB: Beweislastumkehr Grundsätzlich muss der Anspruchssteller (hier K) alle den Anspruch stützenden Tatsachen vorbringen und ggf. beweisen, also für das Bestehen eines gewährleistungsrechtlichen Anspruchs auch das Vorliegen eines Mangels schon bei Gefahrübergang, vgl. 437, 434 I 1 BGB. Dieser Grundsatz wird beim Verbrauchsgüterkauf ( 474 BGB) durch 476 BGB für den Zeitraum der ersten sechs Monate nach Gefahrübergang umgekehrt: V müsste hier also nachweisen, dass der Mangel erst später entstanden ist. Der Verbraucher muss hingegen lediglich beweisen, dass überhaupt ein Mangel vorliegt Der Verkäufer kann auch nachweisen, dass der Mangel nur später aufgetreten sein kann (z.b. durch Bedienfehler). 4. Kein Haftungsausschluss Ausschluss des Rücktritts durch Gesetz oder Vertrag? a) Kein gesetzlicher Haftungsausschluss nach 442 BGB Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis des K vom Mangel bei Vertragsschluss (-) Haftungsausschluss nach 442 BGB (-) 4

5 b) Kein Berufen auf den individualvertraglichen Haftungsausschluss gem. 475 I 1 BGB Hier: Haftungsausschluss wurde individualvertraglich vereinbart Aber: Wirksamkeit des vereinbarten Haftungsausschlusses? Vereinbarter Haftungsausschluss evtl. unwirksam, wenn Verbrauchsgüterkauf vorliegt und K in seinen Rechten beschränkt, 475 I 1 BGB Verbrauchsgüterkauf: 474 BGB = Vertrag zwischen Verbraucher ( 13 BGB) und Unternehmer ( 14 BGB) über eine bewegliche Sache Hier (+) Haftungsausschluss als Vereinbarung zwischen K und V vor Mitteilung des Mangels (+) Durch Ausschluss der Gewährleistungsrechte weicht die Vereinbarung zwischen V und K zum Nachteil des Verbrauchers (K) von seinen Rechten aus 437 BGB ab Rechtsfolge: Berufen auf den Haftungsausschluss daher unwirksam (Kaufvertrag im Übrigen wirksam!) c) Kein Berufen auf den individualvertraglichen Haftungsausschluss gem. 444 BGB 444 BGB: Vertraglicher Haftungsausschluss ist außerdem dann unwirksam, wenn Mangel vom Verkäufer arglistig verschwiegen (Alt. 1) oder eine Beschaffenheitsgarantie übernommen wurde (Alt. 2) 5

6 Hier: o Arglist (-), da kein Vorsatz des V zu einer Täuschung o Beschaffenheitsgarantie (Alt. 2)? Aussage des V, dass das Auto keine Schäden aufweise als Beschaffenheitsgarantie? Besondere Anhaltspunkte erforderlich, da Rechtsstellung des Verkäufers durch verschuldensunabhängige Garantiehaftung massiv verschlechtert Hier (-), keine Anhaltspunkte für Willen des V, über die Mängelrechte hinaus für Fehlerfreiheit des Fahrzeugs einstehen zu wollen o Ergebnis: Berufung auf Haftungsausschluss ist nicht aus Gründen des 444 BGB verwehrt (aber aufgrund des 475 I 1 BGB!!!) 5. Nachfrist Grundsatz des 323 I BGB: Rücktritt wegen nicht vertragsgemäßer Leistung nur nach erfolglosem Ablauf einer gesetzten Frist zur Nacherfüllung (vgl. 437 Nr. 1, 439 BGB) Ausnahmen, in denen Fristsetzung entbehrlich: o 326 V BGB o 323 II BGB o 440 BGB Hier: keine Nachfrist gesetzt Entbehrlichkeit der Nachfrist? 6

7 a) Entbehrlichkeit der Nachfrist gem. 437 Nr. 2 Alt. 1, 326 V BGB 326 V BGB: Entbehrlichkeit der Nachfrist bei Unmöglichkeit der Nacherfüllung gem. 275 I-III BGB Nacherfüllung gem. 439 BGB grds. als Nachbesserung (Reparatur) oder Nachlieferung (Ersatzlieferung) möglich aa) Unmöglichkeit der Nachlieferung ( 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB)? Stück- oder Gattungsschuld? Hier: o Gebrauchtwagen Kauf nach individuellen Kriterien (Kilometerstand, Gebrauchsspuren, Innenausstattung) o K kommt es v.a. auf die (seltene) individuelle Innenausstattung an o Deshalb: Stückschuld, K wollte dieses eine Fahrzeug Problem: Ist eine Nacherfüllung in Form der Nachlieferung auch bei Stückschulden möglich oder generell nach 275 I BGB ausgeschlossen? - e.a.: Nachlieferung grundsätzlich nicht möglich o Erfüllungsanspruch bezieht sich nur auf eine Sache (Stückschuld) o Nacherfüllungsanspruch kann als fortgesetzter Erfüllungsanspruch nicht über ursprünglichen Vertragsinhalt hinausgehen 7

8 - a.a.: Nachlieferung auch für Stückschuld möglich bei vertretbaren Sachen isv 91 BGB oder wenn funktionelle Vergleichbarkeit mit Gattungsschuld und der damit verbundenen subjektiven Ersetzbarkeit der Kaufsache gegeben - BGH: Nachlieferung bei Stückschuld möglich, wenn die mangelhafte Sache durch eine gleichartige und gleichwertige, mangelfreie Sache ersetzt werden kann Abstellen auf den durch Auslegung zu ermittelnden Willen der Vertragsparteien bei Vertragsschluss - Streitentscheid hier nicht erforderlich, da nach allen Ansichten eine Nachlieferung ausscheidet: o Gebrauchtwagen sind keine vertretbaren Sachen, da sie nach individuellen Merkmalen bestimmt werden o Hier keine funktionelle Austauschbarkeit mit anderem Fahrzeug, K legt vielmehr besonderen Wert auf spezielle Eigenschaften dieses bestimmten KFZ o Mangelhafte Sache kann nicht durch gleichartige und gleichwertige Sache ersetzt werden Daher: Nachlieferung vorliegend gem. 275 I BGB unmöglich 8

9 bb) Unmöglichkeit der Nachbesserung ( 439 I Alt. 1 BGB)? Hier Reparatur des Getriebeschadens möglich, da Mangel behebbar Unmöglichkeit nach 275 I BGB (-) Recht zur Leistungsverweigerung gem. 275 II, III BGB nicht ersichtlich (Reparatur kostet bei Wert von ) Ergebnis: Nacherfüllung in Form der Nachbesserung ( 439 I Alt. 1 BGB) weiter möglich Fristsetzung daher nicht nach 326 Abs. 5 entbehrlich b) Entbehrlichkeit der Nachfrist gem. 440 S. 1 BGB Fristsetzung nach 440 S. 1 entbehrlich, wenn: - Verkäufer berechtigterweise beide Arten der Nacherfüllung gem. 439 III BGB verweigert: Hier: Nur eine Art der Nacherfüllung ist möglich (Nachbesserung) Folge: Berufen auf 439 III BGB würde zu Totalverweigerung der Nacherfüllung führen Beachte: Totalverweigerung der Nacherfüllung wäre europarechtswidrig! Teleologische Reduktion des 439 III BGB im Einklang mit der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie o Verweigerungsrecht bei Verbrauchsgüterkäufen nur bei relativer Unverhältnismäßigkeit (Missverhältnis zwischen zwei möglichen Arten der Nacherfüllung) 9

10 o Kein Verweigerungsrecht wegen absoluter Unverhältnismäßigkeit (Missverhältnis zwischen Kosten der Nacherfüllung und Wert der Sache bzw. des Mangels) Hier: Keine relative Unverhältnismäßigkeit denkbar, da nur eine Form der Nacherfüllung möglich - Die dem Verkäufer zustehende Art der Nacherfüllung fehlgeschlagen oder unzumutbar ist: Hier (-) Ergebnis: Fristsetzung daher nicht nach 440 S. 1 BGB entbehrlich. c) Entbehrlichkeit der Nachfrist gem. 323 II Nr. 1 BGB Ernsthafte und endgültige Verweigerung des V gem. 323 II Nr. 1 BGB? Strenge Anforderungen: Die Weigerung des Schuldners muss unmissverständlich sein und als sein letztes Wort aufzufassen sein. Eine Fristsetzung müsste von vornherein als überflüssig erscheinen. Eine bloße Ablehnung der Nacherfüllung genügt nicht. Hier: o V lehnt Nacherfüllung entschieden ab und teilt K mit, er sei zu keinerlei Verhandlungen bereit und K brauche auch nicht versuchen, ihn diesbezüglich umzustimmen o Setzen einer Nachfrist wäre überflüssig o Ernsthafte und endgültige Verweigerung des V (+) 10

11 Ergebnis: Entbehrlichkeit der Nachfrist gem. 323 II Nr. 1 BGB (+) 6. Keine Unerheblichkeit des Mangels, 323 V 2 BGB Hier Mangel erheblich: Auto nicht fahrbar, ohne dass Motorschäden zu befürchten wären. 7. Kein Ausschluss des Rücktrittsrechts nach 323 VI BGB Hier K nicht für die Umstände, die zum Rücktritt berechtigen verantwortlich, da Getriebeschaden infolge früheren Unfalls Daher kein Ausschluss nach 323 VI BGB II. Rücktrittserklärung, 349 BGB Rücktritt als Gestaltungsrecht muss durch einseitige Erklärung ausgeübt werden, 349 BGB Erklärung ausreichend, dass nicht mehr am Vertrag festgehalten werden soll Zurückverlangen des Kaufpreises durch K ist als Rücktrittserklärung auszulegen, 133, 157 BGB III. Rechtsfolge 346 I BGB: Umwandlung des Kaufvertrags in ein Rückgewährschuldverhältnis 11

12 Die empfangenen Leistungen sind grundsätzlich Zug um Zug zurück zu gewähren ( 348, 320 BGB) IV. Anspruch erloschen Anspruch auf Kaufpreisrückzahlung durch Aufrechnung (teilweise) erloschen, 389 BGB? V erklärt, die Rückzahlung nur abzüglich der 500 erbringen zu wollen Darin liegt konkludente Aufrechnungserklärung gem. 388 S. 1 BGB Fraglich ist allerdings, ob eine Gegenforderung des V besteht 1. Pflicht zum Wertersatz durch K, 346 II 1 Nr. 3 BGB 346 II 1 Nr. 3 BGB: verschuldensunabhängige Verpflichtung zum Ersatz des Wertverlustes, wenn sich Gegenstand verschlechtert hat Hier: eingedrückter Kotflügel K muss Wertersatz leisten (Hinweis: Es geht hier nicht um den Wertverlust aufgrund der bestimmungsgemäßen Ingebrauchnahme, diese umfasst die Wertminderung aufgrund der erstmaligen Benutzung) 12

13 2. Ausnahme: 346 III 1 Nr. 3 BGB Pflicht zum Wertersatz entfällt, wenn bei einem gesetzlichen Rücktrittsrecht die Verschlechterung eingetreten ist, obwohl Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten beachtet (vgl. 277 BGB) Hier: 437 Nr. 2 Alt. 1 BGB ist gesetzliches Rücktrittsrecht und K trifft kein Verschulden hinsichtlich des Unfalls Daher: Befreiung von der Wertersatzpflicht gem. 346 III 1 Nr. 3 BGB (+) Ergebnis: Keine Gegenforderung des V Anspruch nicht teilweise erloschen V. Ergebnis Anspruch des K auf Rückzahlung des vollen Kaufpreises i.h.v B. 812 I 1 Alt. 1 BGB Rückzahlungsanspruch auch aus Leistungskondiktion? Aber: Im Anwendungsbereich der Gewährleistungsrechte, BGB, finden Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung keine Anwendung Insoweit sind die Vorschriften über die Rechtsfolgen des Rücktritts nach 346 ff. BGB lex specialis und verdrängen das allgemeine Bereicherungsrecht. Ergebnis: 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ist hier nicht anwendbar. 13