Ärztliches Handeln am Lebensende: Was fördert das Wohl des Patienten? Was entspricht seinem Willen? Was wollen die Angehörigen?
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- Fanny Fromm
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1 Behinderung und Alter: die letzte Lebensphase Symposium, Fribourg, 9. Mai 2012 Ärztliches Handeln am Lebensende: Was fördert das Wohl des Patienten? Was entspricht seinem Willen? Was wollen die Angehörigen? St. Gallen
2 Orientierung für ärztliches Handeln Medizinisches Wohl Selbstbestimmter Wille Nahestehende Menschen
3 Was kann die Medizin am Lebensende bieten? Projekt Zukunft Medizin Schweiz Bericht einer Expertengruppe der SAMW 2004
4 Ziele der Medizin am Lebensende Verbesserung einer eingeschränkten körperlichen Integrität sowie Förderung und so weit möglich Wiederherstellung der somatischen, psychischen und sozialen Funktionsfähigkeit Förderung des körperlichen und psychischen Wachstums und Unterstützung einer lebenslangen Entwicklung Linderung körperlicher und seelischer Schmerzen und Leiden Betreuung und Pflege kranker Menschen mit Einbezug des Umfelds Rettung und Erhaltung von Leben Erhaltung der Gesundheit, einschliesslich der Krankheitsund Unfallprävention und Optimierung der Lebens- und Umweltbedingungen SAMW 2004, Ziele und Aufgaben der Medizin
5 Wann beginnt die letzte Lebensphase? Exakte Vorhersage des natürlichen Todes ist unmöglich. Eine scharfe zeitliche Grenze zwischen kurativer und palliativer Medizin ist nicht sinnvoll. Jede medizinische Massnahme, die in Frage kommt, muss anhand des möglichen Gewinns an Lebensdauer und Lebensqualität, die sie ermöglicht, einerseits, und anhand der Risiken und Belastungen, die sie für den Patienten mit sich bringt, andererseits, beurteilt werden. Dies gilt für Operationen, Intensivtherapie, Dialyse, und medikamentöse Therapien; aber auch für künstliche Ernährung und Pflegeverrichtungen.
6 Ethisches Abwägen einzelner Therapien Risiko für Gewinn an Chancen für Wohlbefinden Beziehungsmöglichkeiten Erlebnisfähigkeit als Therapieresultat Schmerzen Belastungen Einschränkungen als Therapiefolge
7 Palliative Care bei Behinderung Schwierige Abschätzung der Lebensqualität: Empathie ist notwendig, birgt aber Gefahr der Projektion eigener Vorurteile Schwierige Erfassung und Abgrenzung körperlicher Symptome und negativer Emotionen (z.b. überwiegt Schmerz oder Angst?) Gefahr des Übersehens kurativer Behandlungsmöglichkeiten, wenn zu stark auf Symptombekämpfung fokussiert wird.
8 Selbstbestimmung Jede medizinische Massnahme bedarf der informierten Einwilligung des urteilsfähigen Patienten; bei fehlender Urteilsfähigkeit dessen Vertreters. Urteilsfähigkeit ist nicht allgemein, sondern ganz spezifisch im Hinblick auf die fragliche Massnahme zu verstehen. Es muss alles unternommen werden, um kognitiv oder kommunikativ eingeschränkten Patienten geplante Massnahmen verständlich zu machen. Dafür sind dem Patienten nahe stehende Personen eine wesentliche Hilfe.
9 Urteilsfähigkeit Ein Patient ist bezüglich Einwilligung in eine Behandlungsmassnahme urteilsfähig, wenn er die Konsequenzen der verschiedenen Handlungsoptionen versteht, begreift, dass es um eine Wahl aufgrund seiner persönlichen Wertmassstäbe und Präferenzen geht, sich auf eine der angebotenen Optionen festlegen und seine Wahl klar ausdrücken kann.
10 Ablehnung der Behandlung Die Ablehnung einer medizinischen Massnahme durch einen urteilsfähigen, voll informierten Patienten, der nicht unter äusserem Zwang steht, ist verbindlich. Sie darf nicht durchgeführt werden, auch wenn sie medizinisch gesehen für sein Wohl notwendig wäre. Auch bei urteilsunfähigen Patienten muss eine Ablehnung ernst genommen und untersucht werden, ob diese einem plausiblen mutmasslichen Willen oder eher fehlendem Verständnis und Angst entspricht.
11 Gestaltung der letzten Lebensphase Soweit wie möglich selbstbestimmt. Falls Urteilsfähigkeit besteht und ihr Verlust zu befürchten ist, kann eine Patientenverfügung erstellt oder der Behandlungsplan mit einer Vertretungsperson besprochen werden. Bei schwerer Behinderung ist es Aufgabe aller betreuenden Personen, gemeinsam dazu beizutragen, dass die letzte Lebensphase möglichst gut mit der Persönlichkeit und der bisherigen Lebensgeschichte des Patienten zusammenstimmt.
12 Die Rolle Nahestehender Sowohl Angehörige wie Langzeitbetreuende in Institutionen oder zuhause spielen eine wichtige Rolle. Mögliche Aufgaben in der Palliative Care: Aktive Mitwirkung in der Pflege, Vermittler in der Kommunikation bei Behinderung, Medium zur Abschätzung der Lebensqualität, des mutmasslichen Willens und der Stimmigkeit medizinischer Massnahmen, Stellvertretende Einwilligung (nur Angehörige, in hierarchischer Reihenfolge gemäss neuem Erwachsenenschutzrecht).
13 Selbstbestimmung und Angehörige Auch bei urteilsfähigen Personen ist der Wille betreffend die medizinische Behandlung keine vorgegebene Grösse. Er bildet sich vielmehr im Dialog mit den Behandelnden einerseits und den Angehörigen andererseits. Angehörige beeinflussen deshalb den mutmasslichen Willen des urteilsunfähigen Patienten bei dessen Ermittlung und Kommunikation, ob sie es wollen oder nicht. Problematisch wird dies, wenn Eigeninteressen der Angehörigen den medizinischen Interessen des Patienten zuwider laufen.
14 Konfliktsituation 1 Forderung nach belastenden Therapien, die nicht dem Wohl des Patienten dienen: Fehlendes Akzeptieren des bevorstehenden Todes, Angst vor Verlust der Betreuungsaufgabe. Es besteht keine Verpflichtung zur Durchführung medizinisch nicht indizierter Therapien. Es muss aber versucht werden, den Angehörigen Brücken zu bauen. Einbezug einer Form von ethischer Unterstützung kann sinnvoll sein.
15 Aussichtslose Therapien Eine Behandlung ist aussichtslos, wenn das angestrebte Behandlungsziel mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht erreicht werden kann. Eine letzte Sicherheit ist dabei nicht erreichbar. Solche Behandlungen fügen dem Patienten Schmerzen und Belastungen zu, ohne ihm zu helfen, beanspruchen Personal und Behandlungsplätze, die dann für andere Patienten fehlen, greifen die professionelle Integrität der Behandelnden an, die einen Patienten gegen ihre Überzeugung belastenden Eingriffen unterziehen müssen.
16 Konfliktsituation 2 Forderung nach Beschleunigung des Sterbeprozesses: Echte Empathie, Nicht mehr zuschauen können, Wunsch nach Befreiung von einer unerträglichen Last (kann mit schweren Schuldgefühlen verbunden sein). Optimale Palliative Care anwenden und erklären. Absichtliche Lebensverkürzung ist strafbar. Suizidhilfe ist nur bei Urteilsfähigkeit erlaubt und gehört nicht zu den Aufgaben der Medizin, da sie ihren Zielen widerspricht.
17 Für den Sterbenden kann der Tod als Freund kommen. Für den Arzt bleibt er der Gegner, dem man respektvoll Platz machen, den man aber nie herbeirufen soll.
18 Patientenverfügung Patientenverfügungen können nur im Zustand der Urteilsfähigkeit erstellt werden. Sie werden erst bei Eintreten einer Urteilsunfähigkeit relevant. Eine Patientenverfügung kann nicht durch einen Stellvertreter erstellt werden. Vertretungsberechtigte Personen können aber die Einwilligung in eine vorgeschlagene Behandlung verweigern, sofern dies nicht dem mutmasslichen Willen oder dem Interesse des Patienten widerspricht.
19 Entscheidungsrecht der Angehörigen Bei unbekanntem oder unklarem Willen des Patienten können Angehörige eine Behandlung nicht verweigern, wenn sie klar im Interesse des Patienten ist, eine Behandlung nicht verlangen,wenn sie medizinisch klar nicht indiziert ist, stellvertretend über die Behandlung entscheiden, wenn sie im Graubereich dazwischen liegt, in dem vernünftige Personen über den zu wählenden Weg verschiedener Meinung sein können.
20 Berechtigung zur Vertretung Nach dem neuen Erwachsenenschutzrecht (ZGB Art 378) sind folgende Personen der Reihe nach zur Vertretung bei medizinischen Entscheiden berechtigt: In Patientenverfügung/Vorsorgeauftrag bezeichnete Person Beistand mit Vertretungsrecht Ehegatte oder eingetragener Partner, der Beistand leistet Person im gemeinsamen Haushalt, die Beistand leistet Nachkommen, wenn sie Beistand leisten Eltern, wenn sie Beistand leisten Geschwister, wenn sie Beistand leisten
21 Antizipierender Behandlungs- und Betreuungsplan Plan, der die bevorzugten Vorgehensweisen für zukünftig mit einiger Wahrscheinlichkeit eintretende Gesundheitsprobleme angibt. Zu erarbeiten durch Behandlungsteam, Angehörige, Betreuer und wenn möglich Patient. Sollte schriftlich niedergelegt und so aufbewahrt werden, dass er in einer Notfallsituation den involvierten Medizinalpersonen zur Verfügung steht. Zu datieren und regelmässig auf seine Aktualität zu überprüfen.
22 Antizipierender Behandlungs- und Betreuungsplan Inhalt: Vereinbarte lebenserhaltende Massnahmen (kardiopulmonale Reanimation, Beatmung invasiv oder nicht invasiv, medikamentöse Kreislaufunterstützung...) Bewährte Medikamente zur Symptombekämpfung (inkl. Dosierung), z.b. gegen Schmerzen, Atemnot, Krampfanfälle, Erbrechen, Angst, Unruhe etc. Kontaktdaten von konstanten Betreuungspersonen (Ärzte, Spitex, Seelsorger, Psychologe...)
23 Orientierung für ärztliches Handeln Medizinisches Wohl Was getan werden kann Selbstbestimmter Wille Was getan werden darf Nahestehende Menschen Was zu tun stimmig ist
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