Grammatiktheoretische und psycholinguistische Aspekte der Flexionsmorphologie Embick und Marantz (2005) über regelmäßige und unregelmäßige Verben
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1 Grammatiktheoretische und psycholinguistische Aspekte der Flexionsmorphologie Embick und Marantz (2005) über regelmäßige und unregelmäßige Verben Gereon Müller & Andreas Opitz Institut für Linguistik Universität Leipzig SoSe opitz/?nav=teaching (Kursseite) muellerg/psymorph (passwortgeschütze Literatur) Müller & Opitz (Institut für Linguistik) Psymorph 3. Juni / 5
2 Hintergrund Lit: Embick & Marantz (2005): Cognitive Neuroscience and the English Past Tense: Comments on the Paper by Ullman et al. (Brain and Language 93.) Beobachtung von Ullman et al.: Es gibt einen Typ von Aphasiepatienten, die zwar unregelmäßige Präteritalformen im Englischen beherrschen, regelmäßige Präteritalformen aber nicht mehr. Analyse von Ullman et al.: Dies stützt das Dual-Route-Modell von Pinker, Clahsen und anderen: Regelmäßige (schwache) Verben werden durch Regeln gebildet. Unregelmäßige (starke) Verben werden als Ganzformen gelernt; sie werden also nicht durch Regeln gebildet, sondern aus dem Lexikon so abgerufen. Die (relevanten) Aphatiker haben Schädigungen im anterioren Bereich. Grammatische Regeln sind in anterioren Regionen des Cortex verankert; das lexikalische Gedächtnis liegt im Temporal- bzw. Parietallappen. Müller & Opitz (Institut für Linguistik) Psymorph 3. Juni / 5
3 Kritik Embick & Marantz: Ullman et al. machen merkwürdige Annahmen über das mentale Lexikon. Alles, was nicht regelbasiert ist, muss gespeichert werden. Dazu gehören auch Phraseme (idioms) wie (1). (1) kick the bucket Dann ergibt sich aber das Problem, wie man die korrekte Präteritalform für dieses Phrasem ableitet. Zwei Möglichkeiten, (2-a) oder (2-b). (2) a.kicked the bucket b.kick the bucket-ed (2-a) müsste in genau dieser Form als Vollform gespeichert werden. Dann ist vollkommen unklar, warum der Teil kick des (per Annahme) unregelmäßigen, primitiven Lexikoneintrags genau in der Form geändert wird, wie das der regulären Flexion entspricht. (2-b) wäre erwartbar, ist aber falsch. Müller & Opitz (Institut für Linguistik) Psymorph 3. Juni / 5
4 Regelmäßige und unregelmäßige Verben in DM Annahmen (Distribuierte Morphologie): Formen regelmäßiger und unregelmäßiger Verben werden gleichermaßen durch Regeln gebildet. Formen regelmäßiger Verben werden durch unrestringierte Defaultregeln gebildet, z.b.: Hänge ein -ed an den Verbstamm, um das Präteritum zu bilden. Formen unregelmäßiger Verben werden durch beschränkte Regeln gebildet, z.b.: Hänge ein -Ø bei Verben vom Typ A an: sing sang-ø; hänge ein -t bei Verben vom Typ B an: buy bough-t. Beschränkte Regeln greifen auf lexikalische Listen zu (was ist Typ A, was ist Typ B?). Wegen der Spezifizitätsbedingung (Paninis Prinzip, etc.) blockieren beschränkte Regeln, wenn sie anwendbar sind, unbeschränkte (Default-) Regeln. Neben den Konkatenationsregeln, die Affixe anfügen, werden noch readjustment rules (Korrekturregeln) benötigt, die die Vokal- (wie auch sonstige) Alternationen erfassen. Problem: Wie kann die in der Aphasieforschung beobachtbare Asymmetrie zwischen regelmäßigen und unregelmäßigen Verben in der Distribuierten Morphologie erfasst werden, wenn es sich beidesmal um regelhafte Prozesse handelt? Müller & Opitz (Institut für Linguistik) Psymorph 3. Juni / 5
5 Erklärung Erstens: Tatsächlich gibt es auch bei (dem relevanten Typ von) Aphasie Fehler, die für Ullman et al. s Erklärung unerwartet sind (und daher auch für das Dual-Route-Modell): Manchmal wird auch bei unregelmäßigen Verben die Tempusendung (t) ausgelassen. Zweitens: Vielleicht ist es einfach so, dass die Patienten Probleme nicht mit Regeln an sich haben, sondern mit Affixen, die keine Listen involvieren. Müller & Opitz (Institut für Linguistik) Psymorph 3. Juni / 5
Gereon Müller & Andreas Opitz
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