Semantik Pragmatik. Gerrit Kentner
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- Birgit Günther
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1 Semantik Pragmatik Gerrit Kentner 4. Juli / 69
2 Zur Klausur Vier Teilbereiche Phonetik/ Phonologie Morphologie Syntax Semantik/ Pragmatik 1 / 69
3 Zur Klausur Zu jedem Teilbereich gibt es 4 Aufgaben, von denen 3 bearbeitet werden sollen. Jede korrekt gelöste Aufgabe bringt 10 Punkte (es können also maximal 30 P pro Teilbereich und insgesamt 120 P erreicht werden). Die Klausur gilt als bestanden, wenn in jedem Teilbereich mindestens 10 Punkte erreicht werden. Sie können zu einer mündlichen Wiederholungsprüfung (gilt noch als Teil des Erstversuchs) antreten, wenn Sie die Klausur in höchstens einem Teilbereich nicht bestanden haben, aber in den anderen Teilbereichen zusammen mindestens 40 Punkte erreicht haben. 2 / 69
4 Gegenstand der Semantik Wörtliche Bedeutung Ñ Voraussetzung für Erkennen des verborgenen Sinns bei Ironie und Implikaturen, von Metaphern und Sprechereinstellungen. Was sprachliche Ausdrücke wörtlich bedeuten, muss nicht aufregend sein. Aber: Sprachwissenschaftler sind an der Erklärung des Phänomens des Sprachverstehens interessiert. Wie funktioniert Erfassen der wörtlichen Bedeutung? Was ist das, was da erfasst wird? 3 / 69
5 Zähltest Die Zeichenfolge Tier kann sich auf verschiedene Dinge beziehen: (1) Tier a. Hund b. Katze c. Maus Handelt es sich hier um Ambiguität?? Beobachtung: Man kann sagen, dass in (1) von 3 Tieren die Rede ist, d.h. man kann zählen. 4 / 69
6 Zähltest Die Zeichenfolge Schloss kann sich auf verschiedene Dinge beziehen: (2) a. Palastartiges Gebäude b. Schliessvorrichtung Beobachtung: Man kann nicht sagen, dass in (2) von 2 Schlössern die Rede ist. Zähltest negativ Ñ Ambiguität! 5 / 69
7 Koordinationstest Sind klagen (i.s. von Schmerz äussern) und klagen (Anspruch vor Gericht geltend machen) ein und dasselbe Wort? Anders gefragt: Ist klagen ambig? (3) a. Peter klagt über die Schmerzen in seiner Hand. b. Rita klagt auf Mietminderung c.?peter und Rita klagen (3-c) kann nicht im Sinne einer Koordination von (3-a) und (3-b) verstanden werden Ñ entsprechend ist die Zeichenfolge klagen ambig (2 Bedeutungen) 6 / 69
8 Homonymie vs. Polysemie Mehrdeutigkeiten zufällige Mehrdeutigkeiten: Homonyme (Homophone und Homographen) (Kiefer Baum versus Kiefer Knochen ) systematische Mehrdeutigkeiten: Polyseme (4) Beispiele für Polysemie a. Schule (Gebäude, Institution, Unterricht) b. Zeitung (Gebäude, Institution, Druckerzeugnis) Bedeutungsvarianten polysemer Ausdrücke sind verwandt und lassen sich auf eine abstrakte Grundbedeutung zurückführen. 7 / 69
9 Synonymie Gehweg Gehsteig Bürgersteig Trottoir (5) Zwei Ausdücke A und B sind synonym, falls man in jedem komplexen Ausdruck C, in dem A vorkommt, A durch B ersetzen kann und umgekehrt, ohne dass sich die Bedeutung von C ändert. Echte Synonymie ist Luxus und daher selten. (6) Lexikalische Blockierung bei Synonymie a. *Stehler / Dieb b. *Kocher (als Nomen agentis) / Koch 8 / 69
10 Inkompatibilität / Heteronymität Zwei Ausdrücke A und B sind inkompatibel / heteronym, falls nichts gleichzeitig unter die durch A und B benannten Begriffe fallen kann. (7) a. blau gelb grün rot b. Montag, Dienstag, Mittwoch... c. Rose, Nelke, Tulpe... 9 / 69
11 Komplementarität Besondere Form der Inkompatibilität: Alle Dinge, die sich mit komplementären Ausdrücken bezeichnen lassen, fallen entweder in den einen oder in den anderen Ausdruck. Wird der eine Ausdruck negiert, trifft sein komplementäres Gegenstück zu. (8) a. tot lebendig b. verheiratet unverheiratet c. mündig unmündig 10 / 69
12 Antonymie Gegensatzpaare. Komplementäre Ausdrücke sind antonym. Auch inkompatible Ausdrücke können Antonyme bilden, wenn sie die Endpunkte einer Skala sind (9) a. tot lebendig b. heiss kalt c. oben unten d. alt neu e. alt jung 11 / 69
13 Vertikale Sinnrelationen Hyponyme (Unterbegriff) und Hyperonyme (Oberbegriffe) Strukturierung von Wortfeldern / Ziel: Organisation des Lexikons Pflanze Baum Blume Laubb. Nadelb. Rose Tulpe Iris Eiche Buche Lärche Fichte 12 / 69
14 Vertikale Sinnrelationen Implikation durch Hyperonymie (10) Peter hat Buchen gekauft Ñ a. Peter hat Laubbäume gekauft. b. Peter hat Bäume gekauft. c. Peter hat Pflanzen gekauft. 13 / 69
15 Vertikale Sinnrelationen Meronymie Teil Ganzes Beziehung (11) a. Kopf Nase b. Auto Reifen c.... Keine Implikationsbeziehung! (12) Peter kauft einen Reifen Û a. Peter kauft ein Auto 14 / 69
16 Merkmale Idee aus der Phonologie: Jeder Laut kann als Merkmalsbündel exakt beschrieben werden. {+kons, -sonorant, -kontinuierlich, +labial, +stimmhaft} = [b] Anwendung auf Semantik Jeder Ausdruck kann als Bündel semantischer Merkmale charakterisiert werden. {+menschlich, +erwachsen, +männlich, +unverheiratet} = Junggeselle 15 / 69
17 Merkmalssemantik (13) Lexikalische Dekomposition in Merkmale. a. Kohyponyme bilden eine natürliche Klasse (definiert durch gemeinsame Merkmale) b. Je höher das Hyperonym, desto weniger Merkmale (14) Probleme: a. Keine befriedigende Analyse aller Ausdrücke mithilfe von Merkmalen b. unklar, wieviele Merkmale angenommen werden müssen c. keine unabhängige Evidenz für Merkmale 16 / 69
18 Verbbedeutung Offenbar unterscheiden sich Verben systematisch hinsichtlich des temporalen Aufbaus der Sachverhalte, die sie beschreiben. (15) Atelische Verben (durative Verben ohne Zustandsveränderung) a. lachen, schlafen, sitzen... (Activity-Verben) b. heissen, wissen,... (State-Verben) (16) Telische Verben (Zustandsveränderung) a. Achievement ankommen, erwachen, ausschalten... (punktuell) b. Accomplishment sinken, besteigen,... (durativ) 17 / 69
19 Verbbedeutung 18 / 69
20 Strukturelle Ambiguitäten (17) Die Studenten, die kein Geld haben, müssen nebenher jobben. a. Die Studenten (also alle) haben kein Geld und müssen nebenher jobben. b. Diejenigen Studenten, die kein Geld haben, müssen nebenher jobben. (18) Alle Gläubigen verehren einen Gott. a. Es gibt einen Gott für den gilt, dass alle Gläubigen ihn verehren. b. Für jeden Gläubigen gibt es einen Gott, den er verehrt. 19 / 69
21 Strukturelle Ambiguitäten a. Fritz weiß, was Gaby vermutet. b. Trinken Sie Tee oder Kaffee? c. Vor zwanzig Jahren waren die Professoren noch jünger. d. Mein Schwager möchte eine Norwegerin heiraten. e. Gaby sucht ein grünes Heft. f. Wie viele Bücher hat jeder von euch gelesen? g. Fritz kennt Gaby nicht, weil sie in Hamburg wohnt. 20 / 69
22 Bedeutungstheorien Im Alltag gibt es mindestens 3 Strategien, Bedeutung zu erfassen Wir zeigen auf Gegenstände Referenz (19) A: Was meinst Du mit xyz? B: (zeigt auf Referenzobjekt) Wir umschreiben, formulieren Paraphrasen (20) Mit xyz meine ich abc. Wir nennen Gebrauchsbedingungen für Zeichen (21) Xyz sagt man, wenn man... Auch die Semantik bedient sich dieser Strategien, um Bedeutung zu erfassen. 21 / 69
23 Bedeutungstheorien Wir zeigen auf Gegenstände Referenz (22) A: Was meinst Du mit xyz? B: (zeigt auf Referenzobjekt) Die Bedeutung eines Ausdrucks ist erfasst, wenn man seine Referenten nennen kann: Referent ist dabei sehr allgemein zu fassen: Gegenstände, Personen, Sachverhalte... Extension eines Ausdrucks 22 / 69
24 Bedeutungstheorien Wir umschreiben, formulieren Paraphrasen (23) Mit xyz meine ich abc. Die Intension eines Ausdrucks ist die Gesamtheit der Merkmale oder Eigenschaften, die den Dingen, die er umfasst (also seiner Extension), faktisch gemeinsam sind oder die die Schnittmenge ihrer notwendigen Merkmale ausmachen. Demnach enthält die Intension des Begriffes Mensch die Merkmale belebt, sterblich, auf zwei Beinen gehend, ungefiedert, vernunftbegabt, Werkzeuge produzierend etc. Ñ Achtung - diese Definition ist nicht unproblematisch!! 23 / 69
25 Bedeutungstheorien Gebrauchsbedingungen Pragmatik Die Bedeutung (im weiteren Sinne) eines Ausdrucks ist erfasst, wenn klar ist, unter welchen Umständen er genutzt werden kann. Wir nennen Gebrauchsbedingungen für Zeichen (24) Xyz sagt man, wenn man... Wir werden darauf zurückkommen 24 / 69
26 Zwei Komponenten der Bedeutung (25) a. Sachbezug, Verweis auf Referenzobjekte Sprache wird verwendet, um über Dinge, Personen, Ereignisse zu sprechen. Ñ Extension b. Information Sprache wird verwendet, um Informationen auszutauschen, begriffliche Inhalte zu vermitteln. Ñ Intension 25 / 69
27 Zwei Komponenten der Bedeutung Intension und Extension Gedanke Intension Zeichenträger Symbol Referenzobjekt Extension 26 / 69
28 Intensionen und Extensionen Erinnerung: Die Bedeutung eines Ausdrucks ist erfasst, wenn ermittelt ist, auf welche Gegenstände, Personen, Sachverhalte sich der Ausdruck bezieht. (26) Problemfälle: a. Die aktuelle Bundeskanzlerin ist die aktuelle Parteivorsitzende der CDU. b. Der Morgenstern ist der Abendstern. 27 / 69
29 Intensionen und Extensionen Extension von Bundeskanzlerin und CDU-Parteivorsitzende (im Jahr 2012) {Angela Merkel} Bundeskanzlerin CDU-Parteivorsitzende Extension von Abendstern und Morgenstern {Venus} Morgenstern Abendstern 28 / 69
30 Intensionen und Extensionen (27) Extension = Menge der Dinge auf die man mit einem sprachlichen Ausdruck Bezug nehmen kann. (28) Intension = Begrifflicher Inhalt des sprachlichen Ausdrucks; deskriptive Bedeutung, die nicht direkt an die Dinge in der Welt gebunden sind. Dass Morgenstern und Abendstern zwar dieselbe Extension haben, aber nicht bedeutungsgleich sind, wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass man lange nicht wusste, dass beide Ausdrücke denselben Planeten bezeichnen. 29 / 69
31 Extensionen (29) Extension von x = Menge der Dinge auf die man mit x Bezug nehmen kann. (30) a. Frankfurt am Main (Eigenname) b. Der Präsident der USA (Kennzeichnung) c. Tisch (Generischer Ausdruck) Extension des Eigennamens (30-a) Die Stadt Frankfurt a.m. Extension der Kennzeichnung (30-b) B. Obama (Stand: 2012) Extension des Ausdrucks (30-c) Menge aller Tische 30 / 69
32 Extensionen Extensionen von Ausdrücken werden in der formalen Semantik als Mengen beschrieben. Ein paar Beispiele (31) a. südeuropäische Hauptstadt {Rom, Athen, Lissabon, Madrid} b. deutsche Millionenstadt {Hamburg, Berlin, München, Köln} oder auch {Stadtstaat an der Elbe, Berlin, bayerische Bewerberstadt für Olympia 2018, größte Stadt am Rhein} c. schweizerische Nordseeinsel { } d. Stern {8, H, ], :, L,... } 31 / 69
33 Kennzeichnung Ausdruck der Form der, die, das X. Definiter Ausdruck. Semantisch gilt für Kennzeichnungen folgendes: (32) Einzigkeitsbedingung: Es gibt genau ein X. Konjunktion aus: a. Existenz: Es gibt mindesten ein X. b. Eindeutigkeit: Es gibt höchstens ein X. Extensionen von Kennzeichnungen haben genau ein Element in ihrer Menge. 32 / 69
34 Extension von nicht-nominalen Ausdrücken Der Gemeinname (generische Ausdruck) Stadt bezieht sich auf alle Städte Extension von intransitiven Verben Der Ausdruck schlafen bezieht sich auf alle Individuen, für die gilt, dass sie schlafen. Die Extension von schlafen ist identisch mit der Extension des Ausdrucks Schlafender. Extension von Adjektiven Der Ausdruck lila bezieht sich auf alle Dinge, die die Eigenschaft haben, lila zu sein. 33 / 69
35 Extension von nicht-nominalen Ausdrücken Extension von transitiven Verben: Küssen bezieht sich jeweils auf 2 Personen die Extension ist entsprechend komplexer: Die Extension von küssen ist als Menge von geordneten Paaren von Individuen (x, y) definiert, für die gilt, dass x y küsst. Da sich unübersichtlich viele Paare von Individuen küssen, ist es nicht leicht, die Extension vollständig zu erfassen. Um dies Problem zu lösen konstruieren Semantiker einfache Modellwelten. ñ Modelltheoretische Semantik 34 / 69
36 Extension transitiver Verben Modell einer möglichen Welt w: In Welt w leben die Frauen Clara, Maria und Lena und die Männer Fritz, Heiner und Udo und sonst niemand. In dieser Welt ist ausserdem folgendes der Fall: Fritz und Maria küssen sich, Lena küsst Udo und Udo küsst sich selbst. Clara, Udo und Heiner lachen. Ansonsten passiert nichts. Wir können folgende Extensionen angeben: Extension von Frau in w= {Clara, Maria, Lena} Extension von Mann in w= {Udo, Heiner, Fritz} Extension von lachen in w= {Clara, Heiner, Udo} Extension von küssen in w= {(Fritz, Maria), (Maria, Fritz), (Lena, Udo), (Udo, Udo)} 35 / 69
37 Extension ditransitiver Verben Extension von schenken ist noch komplexer: Hier lassen sich Mengen von Tripeln als Extension annehmen. d.h. Menge aller Tripel (x,y,z) für die gilt, dass x (Schenker) dem y (Beschenkter) ein z (Geschenk) schenkt. Theoretisch sind auch noch komplexere Extensiontypen vorstellbar (Menge von Quadrupeln, Quintupeln...Oberbegriff: n-tupel) 36 / 69
38 Parallelismus Extensionstyp und Verbvalenz Verbvalenz Extensionstyp intransitive Verben Menge von Individuen bzw. 1-Tupeln transitive Verben Menge von Paaren bzw. 2-Tupeln ditransitive Verben Menge von Tripeln bzw. 3-Tupeln 37 / 69
39 Kompositionalität Syntax: VP Semantik: vvpw S N V vnw S vvw S Rita schläft = v V w S (v N w S ) = v schläft w S (v Rita w S ) Diese Funktion ergibt 1 (wahr) genau dann, wenn Rita P {x: x schläft in s} Diese Funktion ergibt 0 (falsch) genau dann, wenn Rita R {x: x schläft in s} 38 / 69
40 Kompositionalität Komplexere Sätze: transitive Verben S N VP Knut V N trinkt Bier vtrinktw S = { (x,y): x trinkt y in s } (Extensionstyp: 2-Tupel) inneres Argument: vtrinktw S (vbierw S )={x: x trinkt Bier in s} (Extensionstyp: 1-Tupel) äusseres Argument: vtrinkt Bierw S (vknutw S ) (Extensionstyp: 0-Tupel, der Argumentrahmen ist saturiert) 39 / 69
41 Kompositionalität Komplexere Sätze: transitive Verben vtrinkt Bierw S (vknutw S ) (Extensionstyp: 0-Tupel, der Argumentrahmen ist saturiert) Extension: alle 0-Tupel, so dass gilt: Knut trinkt ein Bier { ( ): Knut trinkt ein Bier } 40 / 69
42 0-Tupel???? Prädikat Wertigkeit Extension trinkt 2 alle Paare (x,y), so dass gilt: x trinkt y trinkt Bier 1 alle Individuen x, so dass gilt x trinkt Bier Knut trinkt Bier 0 alle 0-Tupel (), so dass gilt Knut trinkt Bier Die Extensionen aller Sätze mit saturierter Argumentstruktur sind 0-Tupel aber die Bedeutung von Sätzen unterscheidet sich 41 / 69
43 Satzbedeutung Mit der Intension kommen wir der Bedeutung näher: Die Intension eines Satzes zeigt an wie der Wahrheitswert des Satzes in Abhängigkeit von möglichen Welten (den Fakten) variiert. (33) Knut trinkt Bier. (33) ist wahr in allen Welten / Situationen s in denen Knut Bier trinkt. Entsprechend ist die Bedeutung eines Satzes x die Menge aller Situationen s, die x wahr machen. Diese Menge ist die Proposition des Satzes. Formale Notation: vknut trinkt Bierw = { s : Knut trinkt Bier in s } 42 / 69
44 Intensionen Die Intension eines Satzes zeigt an wie der Wahrheitswert des Satzes in Abhängigkeit von möglichen Welten (den Fakten) variiert. Die Intension einer Kennzeichnung zeigt an, wie der Sachbezug des Ausdruckes in Abhängigkeit von möglichen Welten variiert. Der Intension eines Eigennamens entspricht eine konstante Funktion. Wer einen Namen trägt ist nicht faktenabhängig. Die Intension eines Gattungsnamens zeigt an, auf welche Menge von Individuuen in Abhängigkeit von möglichen Welten / der Fakten es sich bezieht. Ähnlich funktionieren einstellige Verben. 43 / 69
45 Kompositionalität Nochmal Wittgenstein Einen Satz verstehen heisst, wissen, was der Fall ist, wenn er wahr ist. vtrinkt Bierw S (vknutw S ) = 1 (wahr) genau dann wenn Knut P { x: x trinkt Bier in s} vtrinkt Bierw S (vknutw S ) = 0 (falsch) genau dann wenn Knut R { x: x trinkt Bier in s} 44 / 69
46 Junktoren Konjunktion (34) [ Rita schläft ] A und [ Knut trinkt Bier ] B welche Bedeutung hat und, bzw. was ist sein Beitrag zur Bedeutung des gesamten Ausdrucks? (34) ist wahr genau dann, wenn beide Konjunkte wahr sind, ansonsten ist er falsch! A B A und B / 69
47 Junktoren inklusive Disjunktion (lateinisch vel) (35) [ Rita schläft ] A oder [ Knut trinkt Bier ] B welche Bedeutung hat oder, bzw. was ist sein Beitrag zur Bedeutung des gesamten Ausdrucks? (35) ist wahr genau dann, wenn mindestens eines der Konjunkte wahr ist, ansonsten ist er falsch! A B A oder B Achtung: es handelt sich hier nicht um das ausschliessende oder wie in: Sein oder Nichtsein 46 / 69
48 Junktoren Negation (36) Rita schläft nicht. A nicht A / 69
49 Inversverhältnis von Intension und Extension Versteht man die Intension als eine Menge von Merkmalen und die Extension als eine Menge von Gegenständen, welche diese Merkmale besitzen, so verhalten sich Intension und Extension offensichtlich gegensätzlich zueinander: je umfangreicher die Intension, desto kleiner die Extension und umgekehrt. Ein Begriff wie Getränk umfasst alles was genießbar und flüssig ist, ein Begriff wie Heissgetränk entsprechend weniger, und ein Begriff wie süßes Heissgetränk noch weniger Objekte. 48 / 69
50 Verhalten -intentional schlafen niesen +intensional Handeln -partnerorientiert angeln abwaschen +partnerorientiert Interaktion -symbolisch einander auf der Strasse ausweichen +symbolisch Kommunikation -verbal nicken, den Vogel zeigen +verbal diskutieren nach Linke, Nussbaumer, Portmann (1996). Studienbuch Linguistik, Tübingen: Niemeyer 49 / 69
51 Pragmatik Sätze werden von Personen mit Überzeugungen, Wünschen und Absichten in konkreten Situationen geäussert. Sätze sind an Personen mit Überzeugungen, Wünschen und Absichten in konkreten Situationen gerichtet. Sätze stehen im Zusammenhang mit vorangehenden und noch folgenden Äusserungen. 50 / 69
52 Pragmatik Pragmatik beschäftigt sich mit a. den kontextabhängigen Aspekten der Bedeutung / Interpretation (i.ggs. zur wörtlichen Bedeutung) b. den kommunikativen Funktionen, die sprachliche Äusserungen haben. c. strukturellen Aspekten von Texten und Gesprächen. linguistische Pragmatik Theorie der Sprachhandlung in konkreten Situationen 51 / 69
53 Deixis Ein sprachlicher Ausdruck, dessen Referenz durch Aspekte der Äusserungssituation bestimmt wird. (37) Lokaldeixis / Temporaldeixis a. Hier rauchen die Köpfe. b. Rechts von mir ist die Leinwand. c. Übernächste Woche ist Weihnachten. 52 / 69
54 Anapher typischerweise handelt es sich bei Anaphern um Pronomina (38) Antezedens und Anapher a. Hier stand der Palast der Republik b. Er soll durch einen Neubau ersetzt werden. (39) Antezedens und Katapher a. Auch wenn ihm Vergewaltigung vorgeworfen wird, halten manche den Wikileaksgründer Assange für einen Helden. Referenz von Anaphern und Kataphern abhängig vom linguistischen Kontext. 53 / 69
55 Sprechakte (40) a. Ich taufe dieses Segelboot auf den Namen Mausi. b. Ich verspreche, die Vorlesungsfolien pünktlich hochzuladen. c. Ich entschuldige mich für die Verspätung. d. Ich fordere Sie auf, Ruhe zu bewahren. e. Ich beende hiermit meine Vorlesung. f. Ich begrüsse die zugestiegenen Fahrgäste auf der Fahrt von Stuttgart nach Ulm. In bestimmten Situationen werden mit den Äusserungen (40) Handlungen vollzogen. Es handelt sich um performative Äusserungen. Diese Äusserungen unterscheiden sich offenbar von konstativen Äusserungen, mit denen man etwas sagt, ohne damit explizit etwas zu tun. 54 / 69
56 Sprechakte Es gelten Bedingungen für das Gelingen der Handlung, die durch den performativen Sprechakt vollzogen wird! Weitere sprachliche Unglücksfälle: (41) a. Ich taufe Dich, aber den Namen verrate ich nicht. (Fehlanwendung) b. Ich, Gerrit Kentner, entschuldige mich hiermit für die Finanzkrise. (Fehlberufung) c. Ich verspreche, die Vorlesungsfolien immer eine Woche im Voraus hochzuladen. (Missbrauch wegen Unaufrichtigkeit (geplanter Bruch des Versprechens)) 55 / 69
57 Sprechakte Eine Typologie sprachlicher Unglücksfälle sprachl. Unglücksfälle Fehlschlag Handlung kommt nicht zustande Fehlberufung Fehlanwendung Missbrauch Handlung kommt zustande, ist aber wertlos Unaufrichtigkeit Bruch 56 / 69
58 Sprechakte Sprechakte müssen situationsangemessen verwendet werden, damit sie glücken. Ein Beispiel: Für den Sprechakt des Bittens (A sagt zu B: Ich bitte Dich, den Müll rauszubringen ) gelten folgende Bedingungen, damit er glückt: (42) a. A geht davon aus, dass der Müll noch nicht rausgebracht wurde. b. A geht davon aus, dass B in der Lage ist, den Müll rauszubringen. c. A will, dass der Müll rausgebracht wird. d. A geht davon aus, dass B grundsätzlich bereit ist, den Müll rauszubringen. 57 / 69
59 Sprechakte Der wesentliche Unterschied zwischen performativen und konstativen Äusserungen ist, dass nur in ersteren die Handlung explizit genannt wird, die mit der Äusserung vollzogen wird. In konstativen Äusserungen ist die Handlung implizit. Verben, die in expliziten Performativen die Handlung bezeichnen heissen performative Verben: (43) Performative Verben a. taufen, versprechen, entschuldigen, bitten, behaupten / 69
60 Sprechakte Sprache verwenden (sprechen, schreiben, gebärden) ist eine Form der Handlung. Was tut man, wenn man spricht / schreibt? (44) a. sich äussern. (Äusserungsakt) b. auf etwas Bezug nehmen. (Referenz) Eigenschaften zuschreiben. (Prädikation) (Ñ propositionaler Akt) c. einen Sprechakt vollziehen (Fragen, Auffordern, Behaupten...) (illokutionärer Akt) Ist die Unterscheidung dieser Handlungen notwendig? Mit einem Sprechakt findet doch notwendigerweise ein propositionaler Akt und ein Äusserungsakt statt. 59 / 69
61 Sprechakte (45) a. Äusserungsakt b. Propositionaler Akt c. Illokutionärer Akt d. Perlokutionärer Akt 60 / 69
62 Präsuppositionen Präsupposition: Selbstverständliche Sinnvoraussetzung sprachlicher Ausdrücke. Wenn die Präsupposition falsch ist, kann der Wahrheitswert eines Satzes nicht bestimmt werden (und hat daher u.u. keinen Sinn) (Strawson). 61 / 69
63 Präsuppositionen nach G. Frege und P.F. Strawson: Damit eine Feststellung als wahr oder falsch gelten kann, muss ihre Präsupposition wahr sein! Eine Feststellung A präsupponiert eine Feststellung B genau dann, wenn B die Voraussetzung für Wahrheit oder Falschheit von A ist. (46) A Der König von Frankreich ist glatzköpfig. B Es gibt einen aktuellen König von Frankreich. Die Wahrheit der Präsupposition ist kontextabhängig (Äusserungsdatum: 1650, 1770, 1950,...). 62 / 69
64 Präsuppositionsauslöser (47) a. Eigennamen, Definite Kennzeichnungen ( Kepler, Der König von Frankreich ) b. Faktive Verben c. Verben der Zustandsveränderung d. Iterationspartikeln e. Fokuspartikeln f / 69
65 Implikatur Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Präsupposition und Implikatur Ebenso wie die Präsupposition ist die Implikatur etwas nicht explizit gesagtes, Mitverstandenes. Anders als die Präsupposition ist die Implikatur keine notwendige Voraussetzung zur Beurteilungs des Wahrheitswertes einer Aussage. Präsupposition bleibt unter Negation stabil, Implikatur nicht. 64 / 69
66 Arten von Implikaturen Gesamtbedeutung wörtliche Bedeutung Implikaturen konventionelle konversationelle 65 / 69
67 Eine (konversationelle) Implikatur aus einer Äußerung ist eine Proposition p, für die gilt: p folgt nicht aus der wörtlichen Bedeutung. Die Äußerung verstieße gegen das Kooperationsprinzip, wenn der Sprecher mit ihr nicht auch p gemeint hätte. Der Sprecher meint tatsächlich p, geht davon aus, dass der Hörer ihn so versteht, der wiederum weiß, dass der Sprecher dies erwartet und ihn auch in diesem Sinne versteht. 66 / 69
68 Kooperationsprinzip und Koversationsmaximen H. Paul Grice ( ) fasst Gespräch als kooperative Handlung auf. Teilnehmer folgen gewissen rationalen Prinzipien und Maximen, halten sich also an bestimmte Regeln. Kooperationsprinzip Orientiere Dich in jedem Beitrag an den Zwecken des laufenden Gesprächs, so weit sie von den Teilnehmern geteilt werden. 67 / 69
69 Kooperationsprinzip und Koversationsmaximen (48) Konversationsmaximen a. Maxime der Qualität b. Maxime der Quantität c. Maxime der Relation d. Maxime der Art und Weise 68 / 69
70 Kooperationsprinzip und Koversationsmaximen Ein Beispiel: (49) Einige meiner Freunde sind zur Party gekommen. Der wörtlichen Bedeutung nach ist dieser Satz auch dann wahr, wenn alle Freunde zur Party gekommen sind. Der Satz implikatiert aber, dass nicht alle Freunde gekommen sind. Die Implikatur entsteht, weil der Hörer annimmt, dass der Sprecher kooperativ ist und entsprechend Gründe dafür hat, dass er einige und nicht alle verwendet. 69 / 69
Satzbedeutung. Ludwig Wittgenstein. Satzbedeutung. Satzbedeutung
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